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Hausarbeit (Hauptseminar), 2021
25 Seiten, Note: 1,0
Medien / Kommunikation - Multimedia, Internet, neue Technologien
1. Einleitung
2. Museum und Ausstellung im zeitgenössischen Kontext
2.1 Ausstellungsformen
2.1 Videospiele in Museen
2.2 Museen in Videospielen
3. Selbstreflexivität als Ausstellungsform in The Stanley Parable
3.1 Das Museum in The Stanley Parable
3.2 The Stanley Parable als Ausstellung über Videospiele
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
6. Medienverzeichnis
7. Anhang
Ausstellungen über Videospiele stehen oftmals vor dem Problem, geeignete Ausstellungsformen und -objekte zu finden, die dem ausgestellten Medium gerecht werden. Das liegt vor allem an einer Eigenschaft von Computerspielen, die Britta Neitzel beschreibt: „Ein Spiel muss gespielt werden, um ein Spiel zu sein. Und es ist nur so lange ein Spiel, wie es gespielt wird, ansonsten verbleibt es ein Regelwerk oder eine Handlungsanweisung“ (2008, 99). Obwohl interaktive Ausstellungen heutzutage keine Seltenheit mehr sind, stellen der technische und zeitliche Aufwand, der zum Spielen von Computerspielen notwendig ist, Herausforderungen für Kurator*innen dar. Bevor Videospiele in Museen Einzug hielten, mussten sie sich jedoch zunächst als ausstellungswürdige Objekte behaupten. Im Zusammenhang mit Ausstellungen über Videospiele wird meist auch die Frage nach dem Kunststatus derselben aufgeworfen. Thomas Hensel geht dieser Frage in seinem Aufsatz Kunst nach, deren Beantwortung vom umstrittenen Verständnis des Konzepts der ‚Kunst‘ selbst abhänge (2018, 380). Dafür untersucht er, ob verschiedene Kunst-Definitionen auf das Medium Computerspiel zutreffen können (380-383). „Wie dispers der Kunstbegriff bezogen auf Computerspiele gebraucht wird, zeigen die immer zahlreicher werdenden Ausstellungen, die seit den 1990er Jahren Computerspiele als eine wie auch immer geartete artistische Praxis denken“ (379). Nach kunstphilosophischen Argumenten könne ein Computerspiel nur als Kunstform betrachtet werden, wenn es einer Definition von Kunstformen entspreche (380).
Das relativ junge Phänomen Computerspiel kennt noch keine gemeinhin und einhellig als ‚Kunst‘ kanonisierten paradigmatischen Fälle, anhand derer der Begriff ‚Kunstwerk‘ erlernt und erweitert werden könnte. Es gibt, anders gesagt, noch keine Kompetenz für ein Sprechen mittels eines für Computerspiele gültigen Kunstbegriffs. (380)
Naskali, Saarikoski und Suominen argumentieren, dass das Ausstellungsdesign und die Art und Weise der Platzierung der Objekte ebenfalls dazu beitragen, ob Videospiele als Kunstwerke wahrgenommen werden (2013, 237).
Zusammenhänge zwischen Museen und Ausstellungen gibt es jedoch auch unabhängig von der Frage nach dem Kunststatus. Nicole Carpenter vertritt in einem Beitrag auf der Gaming-Website Polygon die Meinung, dass die meisten Videospiele aufgrund ihres Sammlungsaspekts Eigenschaften von Museen aufweisen (2021). Sie bezieht sich auch auf Museen, die innerhalb von Computerspielen dargestellt werden: „video games are museums, and the museums in these games are reflections of the games they’re in“ (ebd.). Diese Aussage findet sich im Museumslevel des Computerspiels The Stanley Parable (Galactic Cafe 2013) bestätigt. The Stanley Parable wurde von Davey Wreden und William Pugh entwickelt und enthält Sprachaufnahmen von Kevan Brighting und Lesley Staples. Das Spiel erzählt die Geschichte des Büroangestellten Stanley, der in einem großem Bürokomplex arbeitet und eines Tages feststellt, dass er keine Arbeitsanweisungen mehr über den Computer erhält und seine Kolleg*innen verschwunden sind. Die Spieler*in spielt Stanley aus der Egoperspektive und kann mit ihm das verwinkelte und verlassene Bürogebäude erkunden. Begleitet wird die Spieler*in von den Kommentaren eines namenlosen Erzählers, der nicht körperlich zu sehen ist, jedoch trotzdem homodiegetische Tendenzen aufweist (Backe, Thon 2019, 11). Interessant bei dem Spiel ist die Möglichkeit, den Wegvorgaben des Erzählers zu widersprechen, indem alternative Pfade gegangen werden können, und somit von der linearen Erzählung abzuweichen. So kann man insgesamt dreizehn ‚harte Enden‘ und neun ‚endähnliche Ergebnisse‘ erreichen (9). Auf einem dieser Wege kann die Spieler*in auch zu einem Museumslevel gelangen, in dem Elemente aus dem Spiel The Stanley Parable ausgestellt sind. Die metareferenziellen Spielereien und selbstreflexiven Momente des Spiels veranlasst Bradley J. Fest dazu, The Stanley Parable als ein Videospiel über Videospiele zu bezeichnen (2016, 1). An diese Bezeichnung anknüpfend soll die vorliegende Arbeit untersuchen, ob The Stanley Parable als eine Ausstellung über Videospiele verstanden werden kann. Die These ist hierbei, dass die Selbstreflexivität des Spiels einen Ausstellungscharakter erzeugt und das zentrale Thema bzw. die Fragestellung dieser Ausstellung die Entscheidungsfreiheit von Spieler*innen in Videospielen ist.
Zunächst wird ein Überblick über Museen und Ausstellungen im zeitgenössischen Kontext und verschiedene Ausstellungsformen gegeben. Daran anknüpfend wird auf museale Ausstellungen von Videospielen sowie Museen innerhalb von Videospielen eingegangen. Anschließend soll der Ausstellungscharakter des Spiels The Stanley Parable untersucht werden, wobei auch die Darstellung des In-Game-Museums analysiert wird.
Heute ist das Museum mehr als ein Lernort und zugleich mehr als ein Gedächtnisort. Das Museum von heute ist vielfach ein Freiraum, ein Erfahrungsraum, ein Denkraum, ein Ort für Gespräche und gemeinsame Erlebnisse; ein Ort der sinnlichen Erfahrung und ein öffentlicher Ort, an dem Werbebotschaften keine (alles überlagernde) Rolle spielen, und (häufig) ein Ort, in dem die Gegenwart gesucht wird. (Staupe 2012, 12)
Das institutionalisierte Museum in seiner heutigen Form besteht seit über 200 Jahren und fungiert als kultureller Gedächtnisspeicher (Waidacher 2005, 14 f.). Museen werden in unserem heutigen Verständnis immer wieder vordergründig mit dem Aspekt des Sammelns und Ausstellens in Verbindung gebracht. Aber „eine Ausstellung findet nicht notwendigerweise im Museum statt, und eine Sammlung muss kein Museum sein“ (Heesen 2012, 19). Obwohl die Begriffe Museum und Ausstellung immer wieder synonym verwendet werden, sind sie „zwei verschiedene Präsentationsformen, […] die erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zueinanderfanden“ (14). Ein grundsätzliches Wesensmerkmal einer Ausstellung ist die Loslösung von räumlichen Festschreibungen, während sich das Museum in der heutigen Zeit durch seine räumliche Beständigkeit auszeichnet (15). Die Bindung musealer Ausstellungen an konkrete Orte und Zeiten erzeugt eine Distanz zu den ausgestellten Objekten und vermittelten Inhalten: „Sie widmen sich dem Verbinden von zeitlich und/oder räumlich weit Entferntem sowie dem Konstruieren und Verfremden von Situationen und Kontexten“ (Scholze 2004, 270). Laut Gisela Staupe bilden Museum und Gegenwart jedoch inzwischen keinen Gegensatz mehr, da sich eine starke „Tendenz zur Musealisierung der Gegenwart beobachten lässt“ (2012, 8).
Jana Scholze untersuchte 2004 Präsentationsformen von Ausstellungen im musealen Kontext. Sie versteht Ausstellungen als Orte, an denen „Signifikations- und Kommunikationsprozesse stattfinden. […] Dort machen Ausstellungsbesucher Erfahrungen und sammeln Erkenntnisse, die idealerweise mit den zu vermittelnden Inhalten übereinstimmen.“ (Scholze 2004, 12 f.). Zudem sei die Ausstellung ein Medium, das sich Museen für ihre Präsenz in der Öffentlichkeit zu Nutze machen (267). Neben materiellen Gegenständen, die durch Wertzuschreibungen innerhalb einer musealen Ausstellung zu Museumsobjekten werden, werden inzwischen auch weniger fassbare Objekte in Ausstellungen präsentiert (15-17). Diese bezeichnet Scholze als „Objekte der mentalen Kultur“ (16) und nennt als Beispiele „individuelle[…] Geschichten, Erinnerungen, Traditionen und Rituale[…]“ (16 f.). Zudem könne bei Ausstellungen auch ein ästhetisches Erleben im Vordergrund stehen (18). Das führt unter anderem dazu, dass Museumsobjekte „aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen“ (Vieregg 2006, 47) werden und im Museum „die Objekteigenschaft des Verweisens auf abstrakte oder ferne Realitäten über die Gebrauchsfunktion [dominiert]“ (Scholze 2004, 18 f.).
Die Ausstellung macht Objekte einzigartig, die einst nur eine Sache unter vielen waren, enthebt die Dinge ihrer Gebrauchsfunktion, um sie als Gegenstände der Reflexion zu nutzen, und überführt die Objekte vom privaten, kommunikativen ins öffentliche, kulturelle Gedächtnis. (Thiemeyer 2012, 53)
Diese Vorstellung gründet auf Krzysztof Pomians Semiophorentheorie (1987). Als Semiophoren werden Objekte bezeichnet, deren ursprünglicher Gebrauchswert durch eine symbolische Bedeutung ersetzt wurde, wodurch Gegenwart und Vergangenheit miteinander in Verbindung gebracht werden (Thiemeyer 2012, 54). Der angenommene Ausstellungscharakter bei The Stanley Parable wird jedoch im Prozess des Spielens selbst offensichtlich. Wenn auf diese Weise Prozesse und Eigenschaften von Videogames ausgestellt werden, bleiben diese Ausstellungsobjekte in ihrem ursprünglichen Nutzungszusammenhang, da sie im Kontext des ausgestellten Mediums selbst ausgestellt werden. Auf diese Weise, so die Annahme, wird die Selbstreflexion zum entscheidenden Element dieser Ausstellung.
Gisela Staupe beschreibt Museen als Orte der gesellschaftlichen Selbstreflexion, die ein kulturelles Gedächtnis bewahren (2012, 8). Auch die Ergebnisse einer breit angelegten Studie, bei der Museums-Besucher*innen befragt wurden, deuten auf den selbstreflexiven Charakter einer musealen Ausstellung hin: Besucher*innen beschreiben den „Museumsbesuch [als] Anlass zur „Innenschau“, zum Nachdenken über sich selbst, zum Imaginieren, zum Rückerinnern an persönliche Erlebnisse und Erfahrungen“ (Schwan 2012, 46). Daher kritisiert Nicola Lepp die Reduzierung von Objekten, Installationen oder Inszenierungen bei vielen Ausstellungen auf ihren Wert als bloße Zeichenträger, da sie auf diese Weise für etwas anderes als sich selbst stehen (2012, 60). Insbesondere durch vorgegebene Informationen und Rezeptionsangebote würden die Objekte selbst oft stumm bleiben und die eigene Interpretation der Besucher*innen werde nicht mehr angeregt (62). Die Aufgabe von Kurator*innen bestehe daher darin, Thesen anzubieten, die zur Diskussion bereitstehen und dabei die persönlichen Erfahrungen und Auffassungen der Besucher*innen nicht in den Hintergrund drängen (64). Wissensvermittlung soll dabei als ein performativer Akt verstanden werden, der die Besucher*innen involviert und im besten Falle einen Dialog zwischen den ausgestellten Objekten und den Rezipient*innen herstellt (ebd.). Damit schreibt sie die Deutungsmacht den Besucher*innen zu und eröffnet die Möglichkeit zur Mündigkeit und Selbstermächtigung (ebd.). In diesem Zusammenhang wird auch das Potenzial einer Ausstellung als Erlebnisraum, bei der die Mitgestaltung der Besucher*innen gefordert sein sollte, wie Angeli Sachs es beschreibt (2017, 16), erkennbar. Dieses Potenzial tragen jedoch nicht nur Ausstellungen, sondern insbesondere auch Videospiele in sich, worin eine große Gemeinsamkeit der beiden Medien zu erkennen ist.
Um in der Analyse auf die verschiedenen Ausstellungsformen eingehen zu können, sollen an dieser Stelle verschiedene Präsentationsformen von Ausstellungen umrissen werden. Für die Unterscheidung der Präsentationsformen in kulturhistorischen Museen bietet Scholze vier Modelle an, mit dem Hinweis, dass die meisten Ausstellungen Mischformen darstellen (2004, 29). Sie bezeichnet die Modelle als Klassifikation, Chronologie, Inszenierung und Komposition (27 f.). Für die Analyse des Ausstellungscharakters in The Stanley Parable sind vor allem die Definitionen der Inszenierung und der Komposition interessant. Bei einer Inszenierung sollen entgegen einer intellektuellen bzw. Wissen voraussetztenden [sic!] oder Informationen als Daten und Fakten liefernden Präsentation […] diese mehr oder weniger naturalistischen Rekonstruktionen mittels sinnlichem Erleben und Wahrnehmen das Vergangene oder Fremde vorstellbar machen und vermitteln (28).
Ausstellungsobjekte werden dabei in szenischen Raumarrangements präsentiert, die die örtlichen, zeitlichen und kontextuellen Beziehungen in Szene setzen (ebd.). Bei der Komposition wird die Sammlungsordnung […] als netzartige Struktur verstanden, deren Verbindungen immer wieder aufgelöst und neu erstellt werden. Die Polysemie der gesammelten Objekte ist ernst genommen und führt zu scheinbar unendlichen Kombinations- und Bedeutungsmöglichkeiten. In den Ausstellungen werden konsequenterweise auch alle Präsentationsmittel sowie der Raum in das Spiel mit Zuweisungen und Deutungen einbezogen. Die Folge sind assoziationsreiche Raumgestaltungen, welche nicht vordergründig die ausgewählten Objektbeziehungen thematisieren, sondern mittels dieser auf abstrakte Inhalte verweisen bzw. diese problematisieren. (Scholze 2004, 28)
Friedrich Waidacher stellt unter anderem die Ausstellungsarten nach Shettel vor, der zwischen intrinsisch interessanten, primär ästhetischen und instruktiven Ausstellungen unterscheidet (Waidacher 2005, 146). Die intrinsisch interessante Form enthalte eine wichtige Botschaft und werde somit durch sich selbst effektiv und anziehend, während die primär ästhetische Ausstellung das Schönheitsbedürfnis mit Kunst- oder Naturobjekten anspreche sowie ein emotionales Erlebnis erzeuge. Die instruktiven Ausstellungen dagegen erzählen eine Geschichte und „befriedigen das Bedürfnis des Menschen nach Erkenntnis, Verstehen, Sinnerfassung und Orientierung“ (ebd.). Darüber hinaus stellt Waidacher die Unterscheidung der Präsentationsformen von Beneš vor: Dieser differenziert zwischen der informativen Ausstellung, welche Bildung und Erkenntnisse vermittele, der formativen Ausstellung, die auf ein emotionales Erleben ausgerichtet sei und der rekreativen Ausstellung, welche Unterhaltung ohne Bildungsabsichten zum Ziel habe (ebd.). Die verschiedenen Ausstellungsformen nach B. F. Charles dagegen benennen laut Waidacher die objektzentrierte Ausstellung, die einzelne Objekte mit wenigen Informationsangeboten in den Vordergrund stellt sowie die dynamisch aktive Ausstellung, die große Informationstafeln und mediale Formen zum Selbstbedienen anbietet und die kombinierte Ausstellungsform, deren Hauptelement das Thema ist und die sowohl Objekte als auch die Kommunikation durch verschiedene Hilfsmittel in den Vordergrund stellt (147 f.). Als relevante Gestaltungsmittel nennt Waidachter beispielsweise Licht, Farben, Raum, Anordnung, Bewegung und Texte (163-173). Bei der Analyse des In-Game-Museums und des Ausstellungscharakters im Computerspiel The Stanley Parable sollen die genannten Kriterien untersucht werden.
Der historische Wert von Videospielen wurde inzwischen auch auf institutioneller Ebene wahrgenommen, was sich an einer wachsenden Anzahl von Ausstellungen über Spiele zeigt (Naskali, Saarikoski, Suominen 2013, 227). Laut Derkjan Koning sind Videospiele sowohl wegen ihres ästhetischen Gehalts als auch wegen ihres Beitrags zur kulturellen Entwicklung für museale Ausstellungen interessant und wichtig (2014, 18 f.). 2012 gab das Museum of Modern Art in New York bekannt, Videospiele in seine Sammlung zu integrieren, wodurch sie als eine neue Kunstform „zum Kanon der Kunstgeschichte gezählt werden“ (Hensel 2017, 92). Computerspiele im Kontext von (musealen) Ausstellungen sind somit zwar ein relativ neues Phänomen, jedoch nicht so selten wie man annehmen könnte.
Because of popularity, nostalgia and the fact that researchers and heritage institutions have gradually started to take notice games as a part of cultural heritage, it is tempting to use them in exhibition attractions and at least drawing cards, as a means for attracting new visitors to the museums. Even though since the late 1990s some specialised game museums have been established (such as in Berlin, 1997), digital games have more commonly been presented in temporary and, in some cases, traveling exhibitions. (Naskali, Saarikoski, Suominen 2013, 227)
Das Kuratieren einer Sammlung von Videospielen stellt Museen und Ausstellungen jedoch auch vor neue Herausforderungen und Schwierigkeiten: „Until recently there has been considerable resistance amongst institutions to embracing an art form that is poorly understood, difficult to collect, and not associated with existing museum expertise or audiences“ (Stuckey et al. 2015). Museen können die kulturelle Bedeutung von Computerspielen jedoch nicht mehr ignorieren und müssen sich den Herausforderungen stellen, die ihnen das Medium stellt (ebd.). Die Orte, an denen digitale Spiele ausgestellt wurden, reichen von historischen Museen über Kunstmuseen, Museen für Fotografie bis hin zu Museen für Medien und Kommunikation (Naskali, Saarikoski, Suominen 2013, 229). Die Präsentationsformen der Ausstellungen können sowohl objektorientiert als auch konzeptorientiert sein, Naskali, Saarikoski und Suominen halten jedoch eine Kombination der beiden Ausstellungsformen am sinnvollsten, um Computerspiele auszustellen (233).
Dabei bleibt jedoch zu bedenken: „The gap between the disciplines of game design and museum practice is one that is not easily bridged“ (Koning 2014, 3). Beispielswiese das spielerische Moment selbst auszustellen, führt zu einigen Schwierigkeiten und Herausforderungen bei diesen Ausstellungsarten. Viele Spieleausstellungen bieten die Möglichkeit, „to play games with an emulator or with another platform. In some cases, there are also possibilities for playing games on their original digital platforms, which makes the experience more real“ (232). Eine Schwierigkeit des Spielens von Videospielen in Museen sei der damit verbundene zeitliche Aufwand: „Because videogames need the element of interaction in order to develop their narrative, they become, at least in most cases, too time consuming for visitors to experience in a museum exhibition“ (Koning 2014, 19). Das Problem zeige sich auch bei Messen und Spielekongressen, auf denen Entwickler*innen neue Spiele vorstellen. Die Besucher*innen werden meist eingeladen, Demoversionen zu spielen, was zu langen Schlangen und einer hohen Wartezeit führe (ebd.). Die Anzahl der Personen, die im Museum ein ganzes Spiel spielen könnten, wäre daher stark begrenzt (ebd.). Eine authentische Spieleerfahrung können die Ausstellungen jedoch auch aus anderen Gründen meist nicht erzeugen:
James Newman (2012) has recently […] noted that the playing experience, quite obviously, always differs from the original – even if there has been any sort of original playing experience, because games have originally been released for many different platforms and they have been played with various user interfaces e.g. VDUs and so forth. (ebd.)
Die Darstellung eines Museums innerhalb eines Computerspiels ist daher eine interessante Art und Weise, das Medium Ausstellung mit einer authentischen Spieleerfahrung in Verbindung zu bringen.
Nicole Carpenter veröffentlichte im Januar 2021 einen Artikel auf Polygon, in dem sie die Meinung vertritt, dass es einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Museen und Videospielen gibt, da Videospiele selbst Eigenschaften von Museen aufweisen würden. „Most video games are built as museums to themselves – inside the menus and beyond the stories are collections of items and lore. […] These museums are based in code. Each is an abstract retelling of the player’s journey thus far“ (Carpenter 2021). Sie sieht die Gemeinsamkeiten von Museen und Videospielen vor allem im Aspekt des Sammelns. Weitere Gemeinsamkeiten der beiden Formate sind im Storytelling und Design, also in der Notwendigkeit zu erkennen, (virtuell) begehbare Räume zu schaffen, in denen eine Geschichte angesiedelt und erzählt werden kann (Modena 2019, 84). Die Sammel-Aktivität in Videospielen sei oftmals eine optionale Aktivität in der Spielwelt, die im Ansammeln von Objekten, Ressourcen, aber auch Orten und Aktivitäten bestehe (85).
In manchen Spielen werden die gesammelten Objekte auch in In-Game-Museums aufbewahrt und ausgestellt, oder aber die gezeigte Ausstellung bezieht sich in anderer Weise auf das Videospiel: „Video game designers keep coming back to the museum as an interesting space to place integral moments of a game’s story, because these spaces reflect the core concept of video games“ (Carpenter 2021). Eine Verflechtung von Museum und Videospiel entstehe außerdem dadurch, dass Museen innerhalb von Videospielen bedeutungsstiftend sind, während Museen wiederum Videospiele verwenden, um neue Erfahrungen in einem digitalen Raum zu schaffen und dabei selbst in virtuelle Welten Einzug halten (ebd.).
We see video games reflected in museums and museums reflected in video games because the format just fits, tapping into the satisfaction of collection, information, and nostalgia. It makes sense for a game to leverage that feeling, and it’s why museum levels feel so good to play. Video games have long pulled from museums for inspiration and design, and it’s fascinating to see museums now learning from games. (ebd.)
Interessant hierbei ist zudem, dass die Darstellungen von Museen in verschiedenen medialen Formaten wie Filmen und Videospielen unsere Vorstellung eines Museums maßgeblich prägen (Modena 2019, 86). Videospiele interpretieren und nutzen das Museum mit seinen spezifischen medialen Merkmalen wie beispielsweise der Möglichkeit, eine immersive Interaktion mit erkundbaren virtuellen Umgebungen anzubieten (ebd.).
Das Computerspiel The Stanley Parable zeichnet sich stark durch seine metareferenziellen Bezüge und Selbstreflexivität aus. Es offenbart „a complex, historically self-aware metafiction that dwells critically on the generic, formal, and cultural conventions of videogames“ (Fest 2016, 2). Ursprünglich wurde das Spiel 2011 als Modifikation für den Ego-Shooter Half-Life 2 (2004) herausgegeben, danach wurde es neu entwickelt und im Jahr 2013 über Steam Greenlight veröffentlicht (Backe, Thon 2019, 8). Während The Stanley Parable eine hochgradig nichtlineare Anordnung von Geschichten über den Büroangestellten Stanley erzähle, sei das audiovisuelle Design und die Spielmechanik des Computerspiels vergleichsweise sehr stromlinienförmig (ebd.). Das einfache Gameplay entspreche in vielen Punkten einem ‚Walking Simulator‘, da es sich sehr reduziert gestalte und die Spieler*in bis auf wenige Interaktionen mit Objekten nur in den Spielräumen herumlaufen könne (ebd.). Gespielt wird aus der Ego-Perspektive, es sind jedoch keine Körperteile des Avatars Stanley zu sehen. Unter den dreizehn ‚hard endings‘ und neun ‚ending-like outcomes‘ verlange das sogenannte ‚Freedom-Ending‘ die normativste Spielweise, da die Spieler*in allen Vorgaben des Erzählers Folge leisten muss, um dieses Ende zu erreichen (9). Dennoch machen alle Enden laut Backe und Thon deutlich, dass The Stanley Parable ein Videospiel über Videospiele sei (ebd.), was in seiner Aussage bereits einen Ausstellungscharakter impliziert. Dieser und die damit zusammenhängende Eigenschaft als Videospiel über Videospiele wird durch selbstreflexive Momente markiert. In diesen macht das Spiel beispielsweise auf sich selbst als Videospiel aufmerksam, es werden bestimmte Spielweisen offen dargelegt oder die Spieler*in wird direkt vom Erzähler angesprochen, der auch ihre Handlungsweisen kommentiert. Die Möglichkeit, der linearen Spielweise des Spiels entgegen zu handeln und die damit offensichtliche Reflexion der eingeschränkten Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten in Videospielen zählt ebenfalls dazu:
[...]