Seit der tayloristischen Arbeitsteilung ist man auf der Suche nach humanitären Arbeitsbedingungen. Nach der Euphorie der "Humanisierung des Arbeitslebens" geht der Trend wieder weg von dem unbegrenzten Teamgedanken. Diese Arbeit greift die Grundlagen der Teamarbeit erneut auf und setzt sie in das Spannungsfeld von Produktionssteigerung und Humanisierung. Es werden aktuelle Teamkonzepte aufgezeigt und deren jeweiligen Vor- und Nachteile im Hinblick auf die Ziele bei der Einführung von Gruppenarbeit beschrieben. Anschließend werden die aus den Gruppenkonzepten abgeleiteten veränderten Anforderungen an das Personalmanagement aufgezeigt und hinsichtlich einer wirkungsvollen und nachhaltigen Umsetzung diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist Gruppen-/ Teamarbeit?
3. Formen der Gruppenarbeit
3.1 Parallel zur Arbeitsorganisation
3.1.2 Projektgruppen
3.2 Teilweise in die Arbeitsorganisation integriert
3. 3 Vollständig in die Arbeitsorganisation integriert
3.3.1 Klassische Arbeitsgruppen
3.3.2 Teilautonome Arbeitsgruppen
3.3.3 Fertigungsteams
4. Ziele bei der Einführung von Gruppenarbeit
5. Vorteile von Gruppenarbeit
6. Nachteile von Gruppenarbeit
7. Anforderungen an das Personalmanagement
7.1 Personalrekrutierung und –auswahl
7.2 Mitarbeitergespräche und –beurteilung
7.3 Entgelt- und Belohnungssysteme
7.4 Unterstützung
8. Fazit
II. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Versuche, den Menschen die Arbeitsbedingungen zu erleichtern, sind nicht neu. Seit der industriellen Massenproduktion nach Taylor und Ford, die die Tätigkeit der Arbeitnehmer lediglich als einen von drei Produktionsfaktoren sah, existierte die Ansicht, dass nur dann am produktivsten gefertigt werden kann, wenn eine möglichst hohe Arbeitsteilung erfolgt. Die Prozessabläufe wurden bis in kleinste Einheiten zerlegt, da nach den vorherrschenden Grundsätzen eine Kosteneinsparung nur durch standardisierte Bauteile und standardisierte Arbeitsschritte möglich war. Für die Unternehmer hatte dies den Vorteil, dass für die hohe Anzahl einfacher repetitiver Tätigkeiten neue Arbeitskräfte innerhalb kürzester Zeit angelernt werden konnten. Obwohl die negativen Auswirkungen dieses Prinzips (z.B. hohe Fluktuation oder aber ein hoher Krankenstand der Belegschaft) bereits frühzeitig erkannt wurden, breitete sich die Massenfertigung unaufhaltsam aus. In den letzten Jahrzehnten vollzog sich jedoch ein gesellschaftlicher Wertewandel. War es das Ziel der damaligen Fabrikarbeiter, mit relativ einfacher Arbeit in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen, so werden in unserer heutigen Zeit – auch durch die immer bessere schulische und berufliche Bildung der Arbeitnehmer – neue Anforderungen an die Arbeitsinhalte gestellt (z.B. der Anspruch nach sinnvollen, interessanten und abwechslungsreichen Tätigkeiten, die die kreativen Potentiale der Mitarbeiter ansprechen).
Bereits in den 70er-Jahren gab es erste Versuche (z.B. bei Volvo in Kalmar und Uddevalla oder bei VW in Salzgitter), im Zuge der „Humanisierung und Demokratisierung des Arbeitslebens“, das bis dato angewandten Konzept der tayloristischen Arbeitsteilung in der Automobilfertigung grundlegend zu verändern. Diese Pilotprojekte wurden jedoch bald wieder aufgelöst und verschwanden aus der Öffentlichkeit. Erst in den 90er-Jahren rückten diese Konzepte durch die von Womack, Jones und Roos am MIT veröffentlichte Studie „Die zweite Revolution in der Automobilindustrie“ quasi über Nacht wieder in den Mittelpunkt der Managerinteressen. Die Studie untersuchte die Managementkonzepte japanischer, amerikanischer und deutscher Unternehmen und kam zu dem Schluss, dass die in westlichen Firmen praktizierte Massenfertigung hinsichtlich der Produktivität dem japanischen Konzept weit unterlegen sei. Die Autoren stellten fest, dass japanische Automobilhersteller im Gegensatz zu ihren westlichen Konkurrenten wesentlich stärker gruppen- bzw. teamorientiert denken und handeln.[1]
Seither hat sich auch unter westlichen Managern die Ansicht durchgesetzt, Rationalisierungseffekte innerhalb des Produktionsablaufs unter Einbeziehung des Humankapitals wesentlich effektiver zu nutzen.
Die Fragen, ob sich über diese einmaligen Rationalisierungseffekte hinaus wesentliche Vorteile der Gruppen und Teamkonzepte gegenüber der herkömmlichen tayloristischen Massenfertigung bestehen, welchen Anteil diese Konzepte am integrierten Personalmanagement haben und ob diese Konzepte zeitgemäße Formen der Arbeitsgestaltung darstellen, sollen in dieser Arbeit thematisiert werden.
2. Was ist Gruppen-/ Teamarbeit?
In der Literatur existiert bislang keine einheitliche Definition der beiden Begriffe „Gruppe“ und „Team“. Van Dick/ West charakterisieren ein Team als „eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam an geteilten Zielen arbeiten, dabei verschiedene Rollen übernehmen und die miteinander kommunizieren, um so ihre Anstrengungen erfolgreich koordinieren zu können.“[2]
Die Definition der Gruppenarbeit nach REFA lautet wie folgt: „Gruppenarbeit ist die Erfüllung eines Arbeitssystems durch mehrere Menschen. Die Gruppenmitglieder erhalten eine ganzheitliche Arbeitsaufgabe zur Verantwortung. So kann es zweckmäßig sein, […] die Aufteilung der Arbeit auf die einzelnen Gruppenmitglieder ebenfalls der Gruppe selbstverantwortlich vornehmen zu lassen. Der Grad dieser Selbststeuerung ist von internen und externen Einflüssen abhängig und wird von Betrieb zu Betrieb und Gruppe zu Gruppe unterschiedlich sein.“[3]
Von einer Gruppe oder einem Team kann also immer dann gesprochen werden, wenn mindestens zwei Personen für eine gewisse Zeit an einer gemeinschaftlichen Aufgabe arbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Dabei arbeiten sie zusammen „und fühlen sich als Gruppe“.[4]
Seitz klassifiziert vier wesentliche Elemente, die vorhanden sein müssen, um von Gruppenarbeit sprechen zu können.
- Funktions- und Aufgabenintegration (Planung, Prozessvorbereitung, Prozesssicherung, Ausführung, Kontrolle)
- Selbststeuerung und –kontrolle (Arbeitsaufgabe, Arbeitszeit, Qualifizierung, Leistung, Qualität)
- Kooperation und Kommunikation (gruppeninterne und –externe Kommunikation, Bearbeitung gemeinsamer Kernaufgaben, wechselseitige Unterstützung)
- Qualifikatorische Integration (Verringerung fachlicher Arbeitsteilung, Angleichung des Qualifikationsniveaus, Entwicklung von Sozialkompetenz)
Diese Kerndimensionen stellen nach Seitz Mindeststandards dar – innerhalb der Dimensionen sind jedoch verschiedene Ausprägungen möglich.[5]
Untersuchungen von Nordhause-Janz/ Pekruhl haben gezeigt, dass in vielen Unternehmen diese beiden Begriffe gleichermaßen zur Beschreibung der jeweiligen Arbeitsformen verwandt werden.[6] Daher soll auch in dieser Arbeit die Verwendung dieser Begriffe synonym erfolgen.
Die nachfolgende Abbildung zeigt noch einmal auf anschauliche Weise die von Antoni herausgearbeiteten Merkmale der Gruppenarbeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Merkmale von Gruppenarbeit, eigene Darstellung[7]
3. Formen der Gruppenarbeit
In der vorherrschenden Literatur ist eine eindeutige Gliederung der verschiedenen Gruppenarbeitsformen nicht zu erkennen. Wahren spricht in diesem Zusammenhang gar von einem „Wildwuchs von Gruppenkonzepten“.[8] Schumann & Gerst nehmen beispielsweise eine Unterscheidung in strukturkonservative und strukturinnovative Gruppenarbeit vor.[9] Lang sieht jedoch in der strukturkonservativen Gruppenarbeit, bei der die Abschaffung von sichtbaren Statusmerkmalen im Vordergrund steht, lediglich „eine Modifikation der tayloristisch-fordistischen Organisations- und Betriebsstrukturen“, da eine hohe Arbeitsteilung und die strikte Trennung von Planung und Ausführung sowie ein hoher Anteil an taktgebundenen Tätigkeiten bestehen bleiben. Lediglich die strukturinnovative Gruppenarbeit stellt eine Abkehr des tayloristischen Ansatzes dar, da hierbei die hohe Arbeitsteilung sowie die hierarchischen Vorgaben reduziert werden und die Gruppe mithilfe planerischer Funktionen eigenständig eine definierte Aufgabe erfüllt.[10]
Antoni nimmt eine Unterscheidung der verschiedenen Gruppenarbeitsformen hinsichtlich der zeitlichen Komponente einerseits und der Integrationstiefe in die Organisationsstruktur andererseits vor.[11] Ähnlichkeiten dazu weist der Ansatz von Schultz-Gambard[12] auf, der in einem ersten Schritt eine Differenzierung nach dem Integrationsgrad der Gruppe in die Arbeitsorganisation vornimmt, daran anschließend erfolgt eine weitere Unterteilung bezüglich der Existenzdauer der Gruppe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Verschiedene Formen der Gruppenarbeit, eigene Darstellung[13]
3.1 Parallel zur Arbeitsorganisation
3.1.1 Problemlösegruppen
Unter dem Begriff Problemlösegruppen werden viele Modelle subsumiert. Esser beispielsweise nimmt eine Unterscheidung bezüglich des zeitlichen Bestehens der Problemlösegruppen vor. Bei den dauerhaften Problemlösegruppen unterscheidet er zwischen Lernstatt und Qualitätszirkeln, bei den kurzfristigen Problemlösegruppen nimmt er eine Unterteilung in KVP-Gruppen[14] und Werkstattzirkel vor. Der gemeinsame Nenner bei der Implementierung all dieser unterschiedlichen Gruppenformen ist die Tatsache, dass neben den Effizienz und Produktivitätskennzielen vor allem die Qualifikations- und Motivationssteigerung der Mitarbeiter im Vordergrund steht.[15]
Die Aufgaben der Problemlösegruppen stellen sich nach Wildemann wie folgt dar:
- Aufrechterhaltung und Verbesserung von Standards
- Identifizierung von Schwachstellen und Verschwendung (Zeit/ Material)
- Verbesserung gruppenübergreifender Kommunikation
- Analyse des Ist-Zustandes im jeweiligen Gruppenbereich
- Lösungsvorschläge entwickeln (∆ zwischen Ist und Soll verringern)
- Alle relevanten Fachbereiche mit einbeziehen
- Verbesserung einleiten
Seiner Meinung nach sind Problemlösegruppen einer der wichtigsten Bestandteile des innerbetrieblichen Verbesserungsprozesses, weil
- alle in der Gruppe das gleiche Ziel verfolgen und es zu einer leistungsstarken Zusammenarbeit auch in Projekten kommt, die den Einzelnen entmutigen könnten
- das einzelne Gruppenmitglied durch die Rollenerwartung und das gemeinsame Arbeitserlebnis höher motiviert wird und sich dadurch stärker im gesamten Arbeitsprozess engagiert
- durch die ständige Eigenkontrolle in der Gruppe Fehler eher erkannt werden und sich dadurch Fehlentwicklungen vermeiden lassen[16]
So führt die Implementierung von Problemlösegruppen sowohl zu ökonomischen Vorteilen (z.B. Kosteneinsparungen, Produktivitätserhöhung, Qualitätsverbesserungen, etc.) als auch zu messbaren Effekten auf der Mitarbeiterseite (z.B. bessere Zusammenarbeit, höhere Zufriedenheit/ Motivation, etc.).[17]
[...]
[1] Vgl. Wahren, H.-K. E. (1994), S.11; Antoni, C. H. (1994), S.13; Antoni, C. H. (2000), S.12
[2] Van Dick, R.; West, M.A. (2005), S.1
[3] Definition der Gruppenarbeit nach REFA (1991), zitiert in Niefer, H. (1993)
[4] Antoni, C. H. (1994), S.25
[5] Vgl. Seitz, D. (1993), S. 34ff.
[6] Vgl. Nordhause-Janz, J.; Pekruhl, U. (2000), S.41f.
[7] Nach Antoni, C. H. (1994), S.25
[8] Vgl. Wahren, H.-K. E. (1994), S.33
[9] Schumann, M.; Gerst, D. (1996), S.35f.
[10] Vgl. Lang, S. (2000), S.10f.
[11] Vgl. Antoni, C. H. (2000), 24f.
[12] Schultz-Gambard, J. (1997), in: Lang, S. (2000), S.11
[13] Nach Schultz-Gambard, J. (1997), in: Lang, S. (2000), S.11
[14] KVP = kontinuierlicher Verbesserungsprozess
[15] Vgl. Esser, U. (1992), S. 28ff.
[16] Vgl. Wildemann, H. (1995), S.38
[17] Vgl. Wahren, H.-K. E. (1994), S.49