Das letzte Drittel des 20 Jahrhunderts liest sich wie ein Requiem auf die traditionellen (auch: politischen) Institutionen. Es wurde der Niedergang des Staates verkündet, die zunehmende Entmachtung der Legislative, des Rechtssystems oder der Gewerkschaften beklagt. Generell scheinen Institutionen (auch wirtschaftliche wie z.B. das Unternehmen) einen Großteil ihrer Bedeutung verloren zu haben, die ihnen noch zu Zeiten von Max Weber, Hans Kelsen oder Joseph Schumpeter zuerkannt wurde. Seit den 1970er Jahren interessierte sich die Politikwissenschaft vorrangig für policies, was zu einer „beinahe völligen Nichtbeachtung von Institutionen“ führte.1 Erst seit den 80er Jahren und insbesondere nach den Erfahrungen mit den Transformationsprozessen in den neuen Staaten in Osteuropa (in politischer wie ökonomischer Hinsicht) machte sich die späte Erkenntnis breit, daß policies ohne Institutionen nicht funktionieren. Seither hat sich der Interessenfokus der Wissenschaft der Bedeutung von Institutionen wieder etwas zugewandt.2 Der Grund hierfür liegt wohl vor allem in der strukturellen Einmaligkeit der osteuropäischen Transformationen: Ihre Besonderheit liegt in der Gleichzeitigkeit von ökonomischer, politischer und teilweise auch staatlicher Transformation: „Kein früherer Systemwechsel hatte eine so ungeheure Last der Institutionenbildung zu tragen.“3
1 Nohlen, Dieter: Institutional Reform in Latin America from the Perspective of Political Engineering, Paper presented to the XVIth World Congress of IPSA, Berlin August 1994, Universität Heidelberg, Insititut für Politische Wissenschaft, Arbeitspapier Nr. 14, S. 8f.
2 vgl. March, James/Olsen, Johan P.: The New Institutionalism: Organizational Factors in Political Life in: American Political Science Review 78 (1984), S. 734; auch Colomer, Josep M.: Stratégies Institutionnelles et Transitions Politiques en Europe Centrale et Orientale, in: L′Année sociologique, 47 (1997), Nr. 2, S. 105-124; als Indiz für die lange Vernachlässigung von Institutionen darf auch das Fehlen entsprechender Artikel in etlichen wichtigen politikwissenschaftlichen Nachschlagewerken gedeutet werden, so z.B. Nohlens Handwörterbuch Staat und Politik.
3 Beyme, Klaus von: Systemwechsel in Osteuropa, Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1130, 2. Auflage, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1994, S. 49.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- I. Einleitung
- II. Der (neue) Institutionalismus
- II. Der (neue) Institutionalismus
- III. Die Wahl von Institutionen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit zielt darauf ab, die Bedeutung von Institutionen für politische Transformationen anhand des Ansatzes von Arend Lijphart zu untersuchen. Lijphart konzentriert sich auf die Rolle von Wahlsystemen (Verhältniswahlrecht vs. Mehrheitswahlrecht) und der Beziehung zwischen Exekutive und Legislative (parlamentarisches vs. präsidentielles System) bei der Gestaltung demokratischer Prozesse. Dabei werden die Stärken und Schwächen des neuen Institutionalismus im Kontext politischer Transformationen beleuchtet.
- Der neue Institutionalismus und seine Bedeutung für politische Transformationen
- Die Rolle von Institutionen bei der Lösung von Demokratisierungsproblemen
- Der Zusammenhang zwischen Institutionengebung und dem "freezing of initial choices"
- Die Wahl von Institutionen als zentrales Element des Transformationsprozesses
- Kritik am Lijphart'schen Ansatz und seine möglichen Widersprüche
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung beleuchtet den Niedergang traditioneller Institutionen im späten 20. Jahrhundert und die Wiederentdeckung der Bedeutung von Institutionen, insbesondere im Kontext der Transformationsprozesse in Osteuropa. Die Arbeit konzentriert sich auf den Lijphart'schen Ansatz der Institutionenanalyse und seine Relevanz für die Untersuchung von politischen Transformationen.
II. Der (neue) Institutionalismus
Dieses Kapitel analysiert den neuen Institutionalismus mit Fokus auf den Ansatz von Arend Lijphart. Es werden die zentralen Elemente des neuen Institutionalismus und die Bedeutung von Institutionen für politische Transformationen erörtert. Darüber hinaus wird die Frage nach dem Zusammenhang zwischen rational-choice-Ansätzen und dem neuen Institutionalismus untersucht.
III. Die Wahl von Institutionen
In diesem Kapitel wird die Bedeutung der Wahl von Institutionen während des Transformationsprozesses hervorgehoben. Es werden die Herausforderungen und Chancen der Institutionengebung im Kontext von politischer Transformation diskutiert, wobei der Fokus auf den "freezing of initial choices"-Effekt und die langfristigen Folgen der Institutionenwahl liegt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem neuen Institutionalismus, Arend Lijphart, politischen Transformationen, Institutionen, Wahlsystemen, Exekutive-Legislative-Beziehung, Demokratisierung, "freezing of initial choices", rational-choice-Ansätze.
- Quote paper
- M.A. Hans Christian Siller (Author), 2000, Die Bedeutung von Institutionen für politische Transformationen nach Arend Lijphart, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/5488