Wenn Denationalisierungsprozesse, die Ökonomisierung vieler gesellschaftlicher Bereiche, die zunehmenden Steuerungs- und Kontrollverluste der nationalen Politik sowie eine technokratische, quasi-aristokratische und eine unzureichend legitimierte Europäische Union die Grundlagen der demokratischen Herrschaft zerstören – wie steht es dann um die Zukunft der Demokratie? Werden wir uns darauf einstellen müssen, in mittelfristiger Zukunft in einer völlig an den Gesetzmäßigkeiten des Marktes orientierten, auf Effizienz ausgerichteten Europäischen Union zu leben, in der eine elitäre Kommission das Gemeinwohl definiert bzw. exekutiert und die national gewählten Führer den Zwängen der kapitalistischen Globalisierungslogik hilflos ausgeliefert sind? Oder gibt es in der „postnationalen Konstellation“ eine realistische (!) Aussicht, die modernen demokratischen Elemente wie Sozialstaatlichkeit, Bürgerpartizipation, Solidarität, öffentliche Deliberation sowie kollektive Identität zu erhalten und auszubauen?
Aufbauend auf den Vorleistungen moderner Demokratietheoretiker wie Max Weber, Ernst Fraenkel, Fritz Scharpf, Jürgen Habermas und Michal Zürn werden die Bausteine der modernen westlichen Demokratie vorgestellt, anschließend wird dargestellt, wie aktuelle Entwicklungen auf internationaler Ebene den Bestand der Demokratie gefährden.
Die Pfadabhängigkeit der europäischen Integration und das internationale politökonomische Klima in einer interdependenten Welt lassen es sehr unwahrscheinlich aussehen, dass wir die moderne Demokratie kontinentaleuropäischen Zuschnitts in noch lange werden genießen können. Die Spannungen zwischen Effizienz und Legitimität, zwischen Freiheit und Gleichheit und zwischen sozialstaatlicher Integration und kapitalistischer Wachstumslogik sind auf nationaler, theoretisch (jedoch nicht praktisch) auch auf europäischer Ebene beherrschbar, im internationalen Wettbewerb aber nicht. Zu befürchten ist, dass sich die Demokratie nach liberalem angelsächsischem Vorbild normativ ermäßigen wird. Der Schutz der Menschenwürde, bürgerliche Freiheiten und Rechtstaatlichkeit werden sich sicher weiter verbreiten im Zuge der Globalisierung. Aber die Ökonomisierung der Weltgesellschaft und der Abbau der Wohlfahrtssysteme werden die Demokratie ihrer sozialen Dimension berauben und damit die Integrität der Gesellschaft in Frage stellen.
Inhaltsverzeichnis
- 1.) Einleitung
- 2.) Bestandsaufnahme: Bausteine moderner Demokratien
- 3.) Demokratieverlust durch Globalisierung und Denationalisierung
- 4.) Die Europäische Union - Retter oder Totengräber der Demokratie?
- 5.) Zusammenfassung und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich kritisch mit der Zukunftsperspektive der modernen Demokratie westlicher Ausprägung und untersucht, ob und gegebenenfalls wie diese im Zeitalter der Globalisierung bewahrt und weiterentwickelt werden kann bzw. muss. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Denationalisierungsprozesse, die Ökonomisierung gesellschaftlicher Bereiche, der Verlust an nationaler Steuerung und die Europäische Union die Grundlagen der Demokratie zerstören.
- Analyse der Bausteine moderner westlicher Demokratien
- Untersuchung der Auswirkungen von Globalisierung und Denationalisierung auf die Demokratie
- Bewertung des Einflusses der Europäischen Union auf die Demokratie
- Diskussion der Zukunft der Demokratie in einer postnationalen Konstellation
- Bewertung der Möglichkeiten, demokratische Elemente wie Sozialstaatlichkeit, Bürgerpartizipation und Solidarität zu erhalten und auszubauen
Zusammenfassung der Kapitel
- 1.) Einleitung: Die Einleitung skizziert die problematische Situation der Demokratie in Europa, insbesondere im Kontext von Globalisierung und Denationalisierung. Sie stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor, nämlich die Zukunftsperspektive der modernen Demokratie in einer sich wandelnden Welt.
- 2.) Bestandsaufnahme: Bausteine moderner Demokratien: Dieses Kapitel befasst sich mit den grundlegenden Elementen der modernen Demokratie westlicher Prägung. Es beleuchtet die Ideen prominenter Vertreter der Demokratietheorie, wie Max Weber und Ernst Fraenkel, und diskutiert die Bedeutung von Institutionen und normativen Ansprüchen für die Herrschaft des Volkes.
- 3.) Demokratieverlust durch Globalisierung und Denationalisierung: In diesem Kapitel werden die Auswirkungen von Globalisierung und Denationalisierung auf die Demokratie analysiert. Es werden verschiedene Analysen von Wilhelm Heitmeyer, Hauke Brunkhorst und Klaus Müller, sowie von Michael Zürn und Jürgen Habermas vorgestellt, die sich mit den Herausforderungen für die Demokratie in einer globalisierten Welt befassen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt zentrale Themen der Demokratietheorie, wie die Legitimität von Herrschaft im Zeitalter der Globalisierung, die Auswirkungen von Denationalisierung auf die Demokratie, die Rolle der Europäischen Union, die Bedeutung von Sozialstaatlichkeit und Bürgerpartizipation sowie die Herausforderungen der Postmoderne für die Demokratie.
- Quote paper
- Robert Rädel (Author), 2004, Legitime Volksherrschaft im Europa des 21. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/35358