Sowohl Gustave Flauberts Madame Bovary als auch Theodor Fontanes Effi Briest gehören der Literatur des Realismus im 19. Jahrhundert an, wobei letzteres Werk, das knapp 40 Jahre später erschien als Flauberts Roman, auf den ersten Blick wie eine leicht abgewandelte Version des ersteren erscheint. Schon die Tatsache, dass beide Autoren von real existierenden Personen inspiriert wurden – Flaubert von „der mit einem Arzt verheirateten Bauerstochter Delphine Delamare“ und Fontane von der Adligen Freifrau von Ardenne – stellt eine erste Gemeinsamkeit dar, die aber auch dadurch relativiert wird, dass es sich um zwei unterschiedliche Stoffgrundlagen handelt. Insgesamt lässt sich bei eingehender Betrachtung feststellen, dass Fontanes Effi Briest durchaus eigenständigen Charakter besitzt und deshalb keinesfalls nur als ein von Madame Bovary abhängiges oder mit diesem Roman zu vergleichendes Werk gesehen werden sollte. Die grundlegenden Ähnlichkeiten resultieren hauptsächlich aus der gleichen Thematik der beiden Werke, die den Ehebruch junger Frauen behandelt, sowie der Epoche, für die ausführliche Beschreibungen der Räume, Personen und Umstände kennzeichnend sind. So beginnen auch beide Werke mit solch bildlichen Darstellungen, die dem Leser eine genaue Vorstellung des Beschriebenen vermitteln, wobei zu Anfang von Madame Bovary Charles Bovary an seinem ersten Tag in der Schule vorgestellt wird, Effi Briest jedoch mit der Schilderung des Elternhauses der Protagonistin in Hohen-Cremmen beginnt. Dieser Unterschied mag zunächst belanglos erscheinen, deutet jedoch schon auf eine weitere Differenz zwischen den Werken bezüglich der Bedeutung und den Rollen von Kultur und Natur hin, die in der vorliegenden Arbeit genauer ausgearbeitet werden sollen. Das lässt sich in diesen beiden Werken gut beobachten, da dem Leser einerseits sowohl die Natur- als auch die Kulturräume mithilfe von detaillierten Ausführungen nahe gebracht werden. Des Weiteren werden die beiden weiblichen Hauptfiguren bereits sehr früh mit bestimmten Attributen verknüpft, die sie mit jeweils einem der Räume stärker verbinden als mit dem anderen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Jugend und Elternhaus
- Natur in Les Bertaux und Hohen-Cremmen
- Kulturelle Erziehung der Protagonistinnen
- Eheleben
- Natur als Ausflucht
- Bedeutung der Kunst/Kultur
- Ehebruch und Liebhaber
- Natur als von Normen befreiter Raum
- Kultur als zu überwindende Einschränkung
- Tod als Rückkehr in die Gesellschaft?
- Schluss: Die Attribute Künstlichkeit und Natürlichkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, die unterschiedlichen Rollen von Natur und Kultur in Gustave Flauberts „Madame Bovary“ und Theodor Fontanes „Effi Briest“ zu untersuchen und deren Bedeutung für die Entwicklung der beiden Protagonistinnen aufzuzeigen. Dabei werden die jeweiligen Elternhäuser als Ausgangspunkt für die Analyse dienen.
- Die Rolle der Natur als Raum der Freiheit und Ungebundenheit im Kontrast zur Kultur als Raum der Ordnung und Einschränkung
- Die Verbindung der Protagonistinnen mit der Natur bzw. Kultur und deren Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung
- Die Ambivalenz der Natur in beiden Romanen: Freiheit vs. Einschränkung, Idyll vs. Vergänglichkeit
- Die Darstellung der Kultur als Ort der Bildung und sozialen Normen, die jedoch auch zu Konflikten und Unfreiheit führen kann
- Die Bedeutung der Raumgestaltung als erzählerisches Mittel, um die Charaktere und ihre Beziehungen zur Natur und Kultur zu verdeutlichen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die beiden Romane „Madame Bovary“ und „Effi Briest“ in den Kontext des Realismus des 19. Jahrhunderts vor und beleuchtet Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Werke hinsichtlich ihrer Thematik und der Bedeutung von Natur und Kultur.
- Jugend und Elternhaus: Dieses Kapitel analysiert die Darstellung der Elternhäuser der Protagonistinnen Emma Bovary und Effi Briest, wobei insbesondere der Einfluss der Natur auf ihre Kindheit und Jugend beleuchtet wird. Dabei wird untersucht, wie die Naturräume in Les Bertaux und Hohen-Cremmen beschrieben werden und welche Assoziationen sie beim Leser hervorrufen.
- Natur in Hohen-Cremmen und Les Bertaux: Dieser Abschnitt vertieft die Analyse der Naturräume in den Elternhäusern und beleuchtet deren Ambivalenz: Die Natur erscheint gleichzeitig als Raum der Freiheit und der Einschränkung. Außerdem wird die Bedeutung der detaillierten Raumgestaltung als Mittel zur Charakterisierung der Protagonistinnen hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Natur und Kultur in den Romanen „Madame Bovary“ und „Effi Briest“. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Charaktere Emma Bovary und Effi Briest, deren Persönlichkeitsentwicklung durch ihre Beziehung zu Natur und Kultur geprägt ist. Die Analyse konzentriert sich auf die Raumgestaltung als erzählerisches Mittel und untersucht die Ambivalenz von Natur und Kultur, die sowohl Freiheit als auch Einschränkung implizieren.
- Quote paper
- Judith Schneider (Author), 2013, Der Gegensatz von Natur und Kultur in Flauberts "Madame Bovary" und Fontanes "Effi Briest", Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/273761