Das soziale Positionieren ist in der heutigen Zeit ein omnipotentes Thema. Besonders in etablierten Social-Media-Kanälen werden ununterbrochen unterschiedliche Positionen eingenommen, kritisiert oder auch diskutiert. In dieser Arbeit werden Positionen in besagten Internetplattformen zu den Themen Schule und Bildung näher untersucht. Wie wird sich zu den Themen geäußert? Gibt es Auffälligkeiten und wenn ja, wo liegen diese? Welche Muster zeigen sich bei Gegenpositionen sowie Zustimmungen, oder wie verläuft der Austausch hier im Allgemeinen? Diese Fragestellungen sollen mit wissenschaftlichen Ausarbeitungen versucht verstanden, als auch beantwortet zu werden.
Inhalt
1. Einführung
1.1. Hypothese
2. Theoretischer Einstieg zum Positionieren
3. Positionierungen in sozialen Medien
3.1 Das soziale Medium
3.2 Kommunikationsformen von sozialen Medien
4. Positionierungen zu Schule und Bildung
4.1 Positionierungen auf YouTube
4.2 Positionierungen auf Instagram
5. Fazit und Ausblick
6. Bildkorpus
7. Literaturverzeichnis
1. Einführung
Im Rahmen des Seminars „Liken, Bewerten, Kommentieren – (Schriftsprachliche) Praktiken des Positionierens“, welches im Sommersemester 2021 von Dr. Kristina Stog geleitet wurde, setzte man sich mit unterschiedlichen Varianten des Positionierens auseinander. Hierzu gehörte vor allem das soziale Positionieren oder auch das Stancetaking, bei denen kommunikative Handlungen im schriftsprachlichen, als auch dem mündlichen Bereich vorgenommen werden können. Diese Begriffe werden im weiteren Verlauf dieser Ausarbeit näher erläutert. Besonders im Fokus stand hier das Positionieren in den sozialen Medien, wie zum Beispiel in einer Kommentarspalte eines Online-Artikels des SPIEGEL (DER SPIEGEL, 2020). Hier wurde exemplarisch mit unterschiedlichen Medien, vor allem den sozialen, gearbeitet. Im schriftsprachlichen Positionieren wäre ein Graffiti oder ein Eintrag in einem Gästebuch ein Beispiel für das handschriftliche Positionieren. Im schriftsprachlichen Positionieren dominiert vor allem der Leserbrief, eine Mail, oder in den sozialen Medien Kommentare, Likes oder weitere Phänomene des Positionierens. Stancetaking oder Positionieren ist nicht nur an Worte oder Schrift gebunden. Bereits ein Daumen nach oben oder ein lachender Emoji vermitteln eine bestimmte Haltung zu einem konkreten Thema und sind somit auch relevant für die Praktik des Positionierens. Hier bot sich das Thema Bildung, beziehungsweise Schule als geeigneter Bereich für eine genauere Untersuchung der unterschiedlichen Positionierungen im Raum der sozialen Medien. Für eine einwandfreie Untersuchung wird sich in dieser Arbeit hauptsächlich auf die Medien YouTube und Instagram fokussiert. Es werden Beiträge etablierter Zeitungen und Zeitschriften oder andere Medien des Journalismus herangezogen, die in den zuvor genannten sozialen Netzwerken anzutreffen sind und sich mit dem Thema Bildung oder Schule befassen. Im Fokus der Arbeit stehen dann nicht konkret die Beiträge, sondern primär die dazu getätigten Kommentare der Leser in den dazugehörigen Spalten der Beiträge, Artikel oder Videos. Es soll geschaut werden, wie sich zu den beiden eben genannten Themen dort geäußert wird. Gibt es Auffälligkeiten? Wenn ja, wo liegen diese? Auch interessant wäre hier der weitere Austausch zwischen den Unterschiedlichen Standpunkten der einzelnen Personen. Gibt es hier bestimmte Muster, die erfasst werden können? Wie werden Gegenpositionen oder Zustimmungen formuliert? Zu guter Letzt lässt sich auch beobachten, ob es eventuell andere Möglichkeiten des Positionierens zu den Beiträgen gibt, die im weiteren Verlauf der Arbeit herausgestellt werden.
1.1. Hypothese
Bevor es an die nähere Analyse geht, lassen sich vorab bereits erste Hypothesen zu den möglichen Ergebnissen aufstellen. Zunächst sollten allgemeine und generelle Auffälligkeiten sichtbar werden, die fast auf alle Positionen zu den jeweiligen Themen Bildung und Schule anwendbar sind. Nach diesen gemeingültigen Erkenntnissen sollten sich auch differenziertere Unterschiede deutlich machen. Im Bereich der Bildung kann es zu abweichenden Formulierungen und Standpunkten als dem der Schule kommen. Auch die verschiedenen Möglichkeiten des Positionierens bieten bereits unterschiedliche Variationen des Äußerns. Diese sollten zunächst genau veranschaulicht werden, bevor auf die genauen Standpunkte näher eingegangen wird. Zu erwarten wären sachliche, als auch sehr emotional aufgeladene Meinungen zu den beiden Themen, die wahrscheinlich auch je nach Art des Beitrages unter dem kommentiert wird, variieren.
2. Theoretischer Einstieg zum Positionieren
Bevor es an die genauere Betrachtung und Analyse der einzelnen Positionierungen geht, muss zunächst ein theoretischer Rahmen geschaffen werden. Dieser bildet die Grundlage für die Beobachtung der kommenden sprachlichen Muster. Dessen Ursprung findet sich in der Diskursanalyse, beziehungsweise der diskursiven Psychologie. Bronwyn Davies und Rom Harré gehörten zu den Ersten, die 1990 eine Positionierungstheorie veröffentlichen. In dieser werden Positionierungen als „discursive production of selves“ (Davies und Harré 1990: 43). bezeichnet. Positionieren ist demnach ein methodischer Prozess, in dem sich einzelne Individuen innerhalb einer Konversation als Beobachter oder aktive Partizipanten aufhalten. Folglich kann eine Person durch Äußerungen einer weiteren Person positioniert werden, sowie sich selbst aktiv durch bestimmte Aussagen positionieren (Davies und Harré 1990: 48). Passender sind hier die Begriffe Rolle und Identität. Nach Lucius-Hoene und Deppermann können somit Menschen sich selbst, als auch andere, durch eine sprachliche Interaktion her- und darstellen (Lucius-Hoene und Deppermann 2004: 168). In diesem Fall wäre die Rolle Teil der zugeschriebenen Aspekte eines Individuums. Die Identität hingegen ist Teil der Herstellung des sich Positionierenden: „Das Erzählen von Selbsterlebtem ist somit sowohl Selbst dar stellung als auch interaktionell mitbestimmte und emergente Selbst her stellung, mit dem das aktuell erzählende Ich „Identitätsarbeit in Aktion“ betreibt und für sich selbst einen bestimmten Geltungsrahmen und soziale Konsequenzen beansprucht.“ (Lucius-Hoene und Deppermann 2004: 168). Solche Positionen sind wechselseitig und werden immer wieder weiter ausgehandelt. Sie können angenommen, als auch zurückgewiesen oder neu beansprucht werden und müssen dann neu ausgehandelt werden. Lucius-Hoene und Deppermann nennen hier unterschiedliche Themenbereiche, auf die sich soziale Positionierungen meistens festlegen. Besonders häufig werden persönliche Merkmale und Eigenschaften, soziale Identitäten wie zum Beispiel der Beruf, die eigene Herkunft, oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, sowie mit der eigenen Position einhergehende Rechte oder Pflichten genannt (Lucius-Hoene und Deppermann 2004: 171 ff.). In jedem Fall bleiben aber kommunikative Handlungen für das soziale Positionieren von Belang, sei es in tatsächlicher, akustischer Interaktion von Angesicht zu Angesicht, einer mündlichen Interaktion über ein Medium oder einer schriftlichen Interaktion durch die sozialen Medien. Nach Lucius-Hoene und Deppermann ist nicht nur ein bestimmtes sprachliches Mittel hier relevant, sondern gleich jede sprachliche Handlung, die für eine Positionierung wichtig ist. Trotz dieser allgemeinen Aussage lassen sich diese Mittel weiter eingrenzen. Auf der einen Seite wären da die direkten und expliziten Positionierungen, die vor allem durch eine Selbst- oder Fremdcharakterisierung erfolgen (Lucius-Hoene und Deppermann 2004: 168). Auf der anderen Seite gibt es die indirekten und impliziten Positionierungen. Hier werden die Positionierungen meist nicht eindeutig vorgenommen, sondern vielmehr durch eine weitere Person zugeschrieben. Solch eine Zuschreibung kann auch durch bestimmte Ausdrücke und Formulierungen stattfinden. Bei der expliziten Kategorisierung (Wolf 1999: 73). nimmt das Individuum konkret Stellung zu einem bestimmten Sachverhalt und macht damit seine Position eindeutig klar. Um Besonderheiten in diesen Formen des Positionierens deutlich herauszustellen, wird in den meisten Fällen die Konversationsanalyse herangezogen. Diese qualitative Methode untersucht anhand von Fallbeispielen die Wirkung von Sprache auf das Positionieren von Individuen (Ayaß 2008: 346 ff.). Ein weiterer Begriff, der mit dem Positionieren eng verbunden ist, ist das Konzept des Stancetaking. Dieses wurde vor allem durch Linguisten John W. Du Bois geprägt. Nach ihm ist das Stancetaking eine kommunikative Handlung, die sich in drei konkrete Teilhandlungen unterteilen lässt: Das Bewerten eines bestimmten Sachverhaltes, hier evaluation genannt, dem positioning, also der Positionierung zu dem eben genannten Sachverhalt, sowie der Ausrichtung an den Standpunkten anderer, hier als alignment bezeichnet (Du Bois 2007: 163 ff.). Diese werden in Du Bois stance triangle (Du Bois 2007: 163 ff.) näher erläutert. Hier bewertet eine Person ein bestimmtes Objekt, was ein Sachverhalt, ein Inhalt, eine Handlung oder etwas gänzlich anderes sein kann. Dadurch entsteht eine Art Wechselwirkung, da sich durch das Bewerten die Person auch in Relation zu dem Objekt setzt und eine Position einnimmt. Diese Position wird mit den Standpunkten einer dritten Person verglichen und ausgerichtet, während die weitere Person das Objekt ebenfalls bewertet und eine bestimmte Position beansprucht (s. Abbildung 1.) (Du Bois 2007: 163 ff.). Dieses Modell verdeutlicht bereits die ersten Aspekte, die für die spätere Auswertung der verschiedenen Positionen zu den Themen Bildung und Schule notwendig sind. Dadurch lässt sich nicht nur genauer auf die Meinung einzelner Individuen eingehen, sondern gleich auch deren Position und zusätzlich die von Personen, die ebenfalls eine Meinung zu den Betreffen haben. Es entsteht ein unweigerlicher kausaler Zusammenhang zwischen der Person, beziehungsweise dem Subjekt und dem Objekt, welches im Fokus der Positionierung steht. Im nächsten Schritt zur genaueren Betrachtung von Positionen wären die genauen sprachlichen Mittel, die zum Einsatz kommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. stance triangle nach Du Bois (2007, S. 163).
Anders als zum stance triangle, welches sich zunächst noch auf einer allgemeineren Stufe mit den verschiedenen Komponenten zum Positionieren befasst, werden hier die genauen Wörter und Begriffe auf einer sprachwissenschaftlicheren Ebene beobachtet. Hierzu gehören semantische Auffälligkeiten, in den meisten Fällen im Bereich der Wortebene, genauer gesagt den Adjektiven. Besonders mit Hinblick auf Reaktionen auf bereits getätigte Positionierungen, sind solche semantischen Auffälligkeiten von Belang. Diese sogenannten Bewertungen von Positionierungen ziehen meistens ebenfalls eine Positionierung mit sich.
[...]