Was bedeutet Selbstständigkeit wirklich, wenn der Alltag zur unüberwindbaren Hürde wird? Dieser Bericht enthüllt die Herausforderungen eines Mannes, der nach einem Klinikaufenthalt den Schritt in ein betreutes Wohnen wagen soll – ein Neuanfang, der jedoch von tiefgreifenden Unsicherheiten und praktischen Defiziten überschattet wird. Im Fokus steht das lebenspraktische Training "Einkaufen", ein entscheidender Test für seine Fähigkeit, den Alltag selbstständig zu meistern. Doch hinter der vermeintlich simplen Aufgabe verbirgt sich ein komplexes Geflecht aus kognitiven Einschränkungen, emotionaler Labilität und sozialer Unsicherheit. Begleiten Sie den Patienten auf seinem Weg durch das Labyrinth eines Einkaufszentrums, wo Reizüberflutung und die schiere Auswahl zur unüberwindbaren Barriere werden. Erleben Sie mit, wie er mit einfachsten Rezepten kämpft, von der schieren Menge an Zutaten überfordert ist und an seiner eigenen Kompetenz zweifelt. Dieser Bericht ist mehr als nur eine Dokumentation; er ist ein schonungsloses Porträt eines Menschen, der mit den Tücken des Alltags ringt, und eine Mahnung, die Bedeutung gezielter Förderung und Unterstützung für ein selbstbestimmtes Leben nicht zu unterschätzen. Entdecken Sie, wie Gedächtnistraining, soziales Kompetenztraining und die Anpassung der Lernumgebung entscheidend dazu beitragen können, die Lebensqualität von Menschen mit ähnlichen Herausforderungen nachhaltig zu verbessern. Eine wichtige Lektüre für Pflegekräfte, Angehörige und alle, die sich für die Herausforderungen und Chancen der psychiatrischen Rehabilitation interessieren. Lernen Sie die Bedeutung von alltagsnahen Trainings kennen und erfahren Sie, wie Sie Menschen mit kognitiven und sozialen Defiziten auf ihrem Weg zu mehr Selbstständigkeit und Lebensqualität unterstützen können. Tauchen Sie ein in die Welt der psychiatrischen Pflege und entdecken Sie die kleinen Schritte, die Großes bewirken können. Dieser Bericht beleuchtet die entscheidende Rolle von lebenspraktischen Trainings im Kontext von Betreutem Wohnen, psychische Gesundheit, Selbstständigkeit im Alter, kognitive Defizite, soziale Kompetenz, Rehabilitation, psychiatrische Pflege, Alltagskompetenz, Gedächtnistraining, Reizüberflutung, Einkaufstraining und soziale Interaktion.
Einweisung:
Patient kam über die Innere Abteilung, war dort stationär wegen einer Hypertonie. Patient wird von dort aus verlegt wegen einer angeregter Betreuung durch die Angehörigen. Pat. nahm mehrmals selbstschädigende Handlungen an sich vor.
1.Einführung:
Anlass für den Bericht ist das lebenspraktische Training „Einkaufen“.
Der Patient ist bereits seit mehreren Wochen auf Station. Es ist geplant, dass der Patient nach seiner Entlassung nicht mehr in die häusliche Umgebung zurückkehren wird. Er wird, aller Voraussicht nach, in ein betreutes Wohnen gehen. Hier wird der Patient allerdings seinen Haushalt selber führen, das heißt, er wird auch für seinen Einkauf und das Kochen selber verantwortlich sein.
Hierbei war es für mich sehr interessant, diese Dinge mit dem Patienten zu trainieren, seine Ressourcen zu stärken und Defizite auszugleichen.
Mit der schriftlichen Reflexion des LPT möchte ich die Wirksamkeit meines Trainings überprüfen.
2.Pflegeerhebung anhand der psychiatrischen ATL´s
Atmung:
Bericht über das lebenspraktische Training Einkauf“ - 1 -
Michael Waibel Psychiatrie Fachkurs Nürnberg 1999/2001
R1: kann Probleme mitteilen
Regulation der Körpertemperatur:
R1: bemerkt Probleme bei Erhöhung der Körpertemperatur, kann dies mitteilen
Ernährung:
R1: kann alles essen
P1: hat zu Hause „Essen kochen / Einkaufen“ vernachlässigt R2: kann einfache Rezepte benennen
P2: hat zu Hause nie alleine gekocht, nur mitgeholfen
Ausscheidung:
R1: selbständig
Ruhen und Schlafen:
R1: hält Tag/Nachtrhythmus ein
Sicherheit:
R1: fühlt sich auf Station sicher
Körperpflege:
R1: Pat. kann sich selbständig pflegen
P1: hat Körperpflege zu Hause vernachlässigt, drohte zu verwahrlosen
Mobilität:
R1: Pat. ist mobil
Informieren und Orientierung:
R1: sozial-kommunikativ keine Einschränkung P1: schnell überfordert
Kommunikation:
R1: keine Einschränkung in der Kommunikation
Stimmungen wahrnehmen und leben:
R1: Pat. kann seine Stimmungen äußern
P1: Pat. kann schlecht Lob/ Kritik annehmen
Verantwortungsfähigkeit:
R1: übernimmt Dienste auf Station
Sinn finden:
R1: Pat. plant seinen weiteren Lebensweg im betreuten Wohnen P1: Pat. lebt in den Tag hinein
Sinnvolle Zeitgestaltung:
R1: macht gerne Gesellschaftsspiele
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R2: geht gerne spazieren P1: wenig eigener Antrieb
Arbeit:
Rentner
Persönlichen Besitz verwalten und finanzielle Sicherheit:
R1: finanzielle Sicherheit gewährleistet
P1: hat sich nicht mehr darum gekümmert
Wohnen:
R1: Pat. will ins betreute Wohnen
P1: Pat. mit der Führung eines eigenen Haushaltes überfordert
Sich als Mann/Frau/Kind/Jugendlicher fühlen und verhalten:
R1: Pat. hat eine Freundin
Rechte wahrnehmen und Pflichten erfüllen:
Betreuung durch Angehörige angeregt
Sterben:
Nicht suizidal
3. Pflegediagnose
Der Patient plant nach Entlassung in das betreute Wohnen zu gehen. Auf Station hat Patient bislang wenig Eigeninitiative gezeigt. Es bestehen Defizite im hauswirtschaftlichen Bereich.
Vorbereitung und Planung einer soziotherapeutischen Einzel-oder Gruppenaktivität: „Einkaufen“
1. Ziel
1.1. Begründung für die Maßnahme lt. Stationsziel/Handbuch
1.2. Was soll den PatientInnen vermittelt werden
Die Wiedergewinnung, bzw. das Erhalten der lebenspraktischen Fähigkeit Einkaufen. Dabei die Selbständigkeit und Kompetenz des Pat. fördern.
1.3 . Die PatientInnen sollen:
1.3.1. kognitiv
wissen, was er einkauft preißbewußt einkaufen
einfaches Rezept benennen können
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1.3.2. affektiv
mit den vielen reizen umgehen können
1.3.3. sozial-kommunikativ
Probleme äußern können, z.B. Waren nicht finden
1.3.4. psychomotorisch
nicht überfordert sein
2.Zielgruppe
2.1. Wer soll angesprochen werden
Einkaufsgruppe
2.2. Teilnahmekriterien
Meldung bei Vollversammlung Teilnahme an Kochgruppe
2.3. Teilnahmeausschluss
immobile Patienten
2.4. Gruppengröße
maximal 4 Personen
3. Planung
3.1. Zeitpunkt
Dienstag Mittag 14.15 Uhr
3.2. Dauer
ca. 1 h
3.3. Ort
Handelshof
3.4. Personalbedarf
1 Pflegeperson
3.5. Material
Bus Psychiatrie
3.6. Finanzierung
pro Person ca. 7 DM
3.7. Vorgehen/Methode
Es handelt sich um eine aktivierende - fördernde Gruppenaktivität. Das Vorgehen wird mit dem Patienten am Vortag besprochen.
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4.Programmablauf / Maßnahmen fiktiver Ablauf
Teilnahme wird am Montag in der Vollversammlung besprochen. Treffen um 14.00 Uhr vor dem Dienstzimmer. Kurze Befindlichkseitdrunde. „Wer übernimmt welchen Einkauf“ Gruppe bleibt beim Einkauf zusammen.
5. Mögliche Probleme & Alternativen
5.1. mögliche Probleme
- Pat. kennt sich im großen Einkaufszentrum nicht aus
- Überforderung durch Reizüberflutung
- Weiß nicht, was er einkaufen soll
5.2. Alternativen
- Orientierungshilfe geben
- Einkaufszentrum verlassen, Pause einlegen
- Unterstürzung geben durch Einkaufszettel/Beratung
6. Auswertung
6.1. in der Gruppe · Blitzlicht
- Feed-back
Der Patient wurde für seine Teilnahme an der Einkaufsgruppe gelobt, und ermutigt, nächste Woche wieder daran teilzunehmen. Der Pat. war mit sich selber unzufrieden, er meinte, für so wenig Geld könne man nichts vernünftiges einkaufen. Er habe sich durch den Einkauf im Einkaufszentrum nicht überfordert gefühlt.
6.2. Reflexion mit Kolleginnen (Co-)
6.3. Bericht im Team
Patient war beim Einkauf unsicher. Er hatte von Anfang an schlechte Laune, kam zwar pünktlich zum vereinbarten Abfahrtstermin, musste jedoch während des ganzen Einkaufes motiviert werden. Den Einkaufszettel für die Kochgruppe hat er selber geschrieben(Rezept: Kässpätzle), die Mengen waren jedoch sehr ungenau, da, wie sich herausstellte, Pat. dieses Rezept vorher noch nie gemacht hatte. Im EZ selber machte sich Patient keine große Mühe, die Zutaten zu finden, er musste immer Bericht über das lebenspraktische Training Einkauf“ - 5 - Michael Waibel Psychiatrie Fachkurs Nürnberg 1999/2001 wieder motiviert werden. Alle Dinge die er kaufte, fand er minderwertig und schlecht, und war sich von Anfang an sicher, dass es mit dem Kochen nicht klappen würde. Auf die Preise achtete der Pat. nicht.
Lob , dass er diese schwierige Situation durchgehalten hat, konnte Pat. nicht annehmen.
6.4. Dokumentation (analog1.3.)
Kognitiv: Pat. konnte ein relativ einfaches schwäbisches Rezept benennen, kannte im Groben die Zutaten, hatte jedoch wenig Ahnung über die Menge, die er einkaufen sollte.
Ausliegende Kochbücher mit Rezept Angaben benützte er nicht.
Affektiv: Pat. war während des ganzen Einkaufes gereizt und wertete sich ständig ab. Sozial-kommunikativ: Pat. konnte seine Probleme nicht äußern, blieb jedoch während der ganzen Aktivität gut im Kontakt, und konnte Hilfe annehmen. Psychomotorisch: Pat. war nicht überfordert.
7. Evaluation
Ein Erfolg war, dass sich der Pat. dazu motivieren ließ, an der Einkaufsgruppe teilzunehmen. Auffallend waren kognitive Defizite, welche der Pat. gereizt überspielte. Wichtig ist, das Einkaufstraining kontinuierlich weiterzuführen. Dabei ist im Vorfeld darauf zu achten, dass Pat. bei der Wahl der Zutaten Hilfestellung bekommt (Kochbuch, Beratung). Im Rahmen des Gedächtnistrainings könnte zum Beispiel mit dem Patienten in der Gruppe „Rezepte“ oder „Was koche ich gerne“ durchgesprochen werden. Bei der Wahl des Einkaufszentrums sollte beim nächsten Mal ein kleinerer, überschaubarer Laden gewählt werden, da sich Pat. in dem großen EZ überfordert gefühlt hat, und auch die Reizüberflutung für ihn sicherlich belastend war.
8.Zusammenfassung/Resümee
Der Pat. hat kognitive Defizite, ist schnell überfordert, und kann seine Stimmungen nicht adäquat mitteilen. Spezielles Training, wie z.B. Gedächtnistraining, Soziales Kompetenztraining kann sicher dazu beitragen, dass der Pat. sicherer wird.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Anlass für diesen Bericht über das lebenspraktische Training "Einkaufen"?
Der Bericht dokumentiert ein lebenspraktisches Training zum Thema "Einkaufen" mit einem Patienten, der nach seinem Klinikaufenthalt voraussichtlich in ein betreutes Wohnen ziehen wird. Ziel ist es, seine Fähigkeiten im selbstständigen Einkaufen und Kochen zu stärken und Defizite auszugleichen.
Welche Informationen enthält die Pflegeerhebung anhand der psychiatrischen ATL´s (Aktivitäten des täglichen Lebens)?
Die Pflegeerhebung bewertet verschiedene ATL´s des Patienten wie Atmung, Körpertemperaturregulation, Ernährung, Ausscheidung, Ruhen und Schlafen, Sicherheit, Körperpflege, Mobilität, Information und Orientierung, Kommunikation, Stimmungen, Verantwortungsfähigkeit, Sinnfindung, Zeitgestaltung, Arbeit, Finanzen, Wohnen und soziale Aspekte. Sie identifiziert Ressourcen (R1, R2) und Probleme (P1, P2) des Patienten in diesen Bereichen.
Welche Pflegediagnose wurde für den Patienten gestellt?
Die Pflegediagnose lautet, dass der Patient Defizite im hauswirtschaftlichen Bereich aufweist und bislang wenig Eigeninitiative gezeigt hat. Dies wird im Hinblick auf seinen geplanten Umzug in ein betreutes Wohnen als relevant angesehen.
Was sind die Ziele des lebenspraktischen Trainings "Einkaufen"?
Das Hauptziel ist die Wiedergewinnung bzw. Erhaltung der lebenspraktischen Fähigkeit Einkaufen. Dabei sollen die Selbstständigkeit und Kompetenz des Patienten gefördert werden. Kognitive Ziele umfassen preisbewusstes Einkaufen und das Benennen einfacher Rezepte. Affektiv soll der Patient mit Reizen umgehen können, sozial-kommunikativ Probleme äußern und psychomotorisch nicht überfordert sein.
Wer ist die Zielgruppe für diese Aktivität?
Die Aktivität richtet sich an eine Einkaufsgruppe, wobei Teilnahmekriterien die Meldung bei der Vollversammlung und die Teilnahme an der Kochgruppe sind. Immobile Patienten sind ausgeschlossen. Die Gruppengröße ist auf maximal 4 Personen begrenzt.
Wie ist der Ablauf des Einkaufstrainings geplant?
Die Teilnahme wird in der Vollversammlung besprochen. Ein Treffen findet vor dem Dienstzimmer statt, gefolgt von einer kurzen Befindlichkeitsrunde. Die Teilnehmer einigen sich, wer welchen Einkauf übernimmt, und die Gruppe bleibt beim Einkauf zusammen.
Welche möglichen Probleme können auftreten und welche Alternativen gibt es?
Mögliche Probleme sind Unsicherheit im Einkaufszentrum, Überforderung durch Reizüberflutung und Unwissenheit darüber, was eingekauft werden soll. Alternativen sind Orientierungshilfe, Pausen und Unterstützung durch Einkaufszettel/Beratung.
Wie erfolgt die Auswertung des Trainings?
Die Auswertung erfolgt durch ein Blitzlicht in der Gruppe, Reflexion mit Kollegen und einen Bericht im Team. Es wird auch eine Dokumentation der kognitiven, affektiven, sozial-kommunikativen und psychomotorischen Aspekte vorgenommen.
Wie lautet das Fazit der Evaluation?
Der Patient zeigte kognitive Defizite und war schnell überfordert. Es wird empfohlen, das Einkaufstraining kontinuierlich fortzuführen, Hilfestellung bei der Wahl der Zutaten zu geben und ein kleineres, überschaubareres Einkaufszentrum zu wählen.
Was ist die Zusammenfassung des Berichts?
Der Patient hat kognitive Defizite, ist schnell überfordert und kann seine Stimmungen nicht adäquat mitteilen. Spezielles Training wie Gedächtnistraining und soziales Kompetenztraining können zur Sicherheit des Patienten beitragen.
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- Michael Waibel (Author), 2000, ATL Einkaufen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/99258