Die Ausarbeitung hat das Ziel, die Ergebnisse der „Untersuchung zum Temporal- und Historizitätsbewusstsein von Grundschülern“ darzustellen, welche im Rahmen des Seminars „Schülervorstellungen von Geschichte“ an der Universität Münster durchgeführt wurde.
Da zwei Dimensionen des Geschichtsbewusstseins untersucht wurden, wird unter Punkt zwei zunächst geklärt, was unter den Dimensionen Temporal- und Historizitätsbewusstsein zu verstehen ist. Unter Punkt drei werden die Fragestellungen und Hypothesen aufgeführt, die der Studie zu Grunde lagen. Daran schließt sich eine Begründung der Fragestellung an. Punkt vier geht auf die Methoden ein und erläutert die Stichprobe, die verwendeten Instrumente, die Durchführung und die Gütekriterien. Im Anschluss daran werden unter Punkt fünf Ergebnisse der Erhebung dargestellt und den Abschluss bildet die kritische Reflexion der Untersuchung. Im Anhang sind der Fragebogen, der Interviewleitfaden und die transkribierten Interviews zu finden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Zu den Begriffen Temporal- und Historizitätsbewusstsein
3. Fragestellung
3.1 Untersuchungsfragen
3.2 Hypothesen
3.3 Begründung der Fragestellung
4. Methode
4.1 Stichprobe
4.2 Instrumente
4.3 Durchführung
4.4 Gütekriterien
5. Ergebnisse
5.1 Ergebnisse der Fragebogenerhebung
5.2 Ergebnisse der Interviews und deren Interpretation.
6. Kritische Reflexion der Untersuchung
7. Literatur
8. Anhang
8.1 Fragebogen
8.2 Interviewleitfaden
8.3 Interviewtranskripte
8.3.1 Kind 1
8.3.2 Kind 2
8.3.3 Kind 3
1. Einleitung
Die vorliegende Ausarbeitung hat das Ziel, die Ergebnisse der „Untersuchung zum Temporal- und Historizitätsbewusstsein von Grundschülern“ darzustellen, welche im Rahmen des Seminars „Schülervorstellungen von Geschichte“ an der Universität Münster durchgeführt wurde.
Da zwei Dimensionen des Geschichtsbewusstseins untersucht wurden, wird unter Punkt zwei zunächst geklärt, was unter den Dimensionen Temporal- und Historizitätsbewusstsein zu verstehen ist. Unter Punkt drei werden die Fragestellungen und Hypothesen aufgeführt, die der Studie zu Grunde lagen. Daran schließt sich eine Begründung der Fragestellung an.
Punkt vier geht auf die Methoden ein und erläutert die Stichprobe, die verwendeten Instrumente, die Durchführung und die Gütekriterien. Im Anschluss daran werden unter Punkt fünf Ergebnisse der Erhebung dargestellt und den Abschluss bildet die kritische Reflexion der Untersuchung. Im Anhang sind der Fragebogen, der Interviewleitfaden und die transkribierten Interviews zu finden.
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Zu den Begriffen „Temporal- und Historizitätsbewusstsein“
Nach der Theorie des Geschichtsdidaktiker Hans-Jürgen Pandel gliedert sich das Geschichtsbewusstsein in sieben Dimensionen. Das Temporal- und das Historizitätsbewusstsein bilden zusammen mit dem Wirklichkeitsbewusstsein die drei Basisdimensionen des Geschichtsbewusstseins. Des Weiteren beinhaltet das Geschichtsbewusstsein vier gesellschaftliche Dimensionen: Das Identitätsbewusstsein, das politische Bewusstsein, das ökonomisch-soziale Bewusstsein und das moralische Bewusstsein.1
Da im Rahmen dieser empirischen Studie die beiden Dimensionen Temporalbewusstsein2 und Historizitätsbewusstsein untersucht wurden, sollen diese nun näher erläutert werden.
Unter Temporalbewusstsein wird die Fähigkeit verstanden, die drei Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von einander zu unterscheiden.3 Sprachlich drückt sich das Temporalbewusstsein darin aus, dass Kinder Ereignissen die Begriffe „gestern“, „heute“ und „morgen“ zuordnen können.4 Zudem ermöglicht ein entwickeltes Temporalbewusstsein die Einordnung von Ereignissen in historische Epochen.5 Doch das Temporalbewusstsein geht über die zeitliche Lokalisierung von Ereignissen hinaus.6 Die Unterscheidung von physikalischer und historischer Zeit gehört ebenfalls zum Temporalbewusstsein, wobei erst die historische Zeit ein Gegenstand des Temporalbewusstseins ist, denn hier geht es um den Zusammenhang von Zeit und individuellem und gesellschaftlichem Geschehen, also um die Deutung und inhaltliche Füllung von Zeit.7
Wie bedeutsam die Förderung des Temporalbewusstsein ist, wird an einem Zitat von Klaus Bergmann deutlich: „Didaktisch gesehen, ist die Förderung des Temporalbewusstseins die Voraussetzung für die Fähigkeit, Zeit zu gestalten, sich an menschliche Erfahrungen zu erinnern, Zukunftsperspektiven zu entwickeln und sich überhaupt in der Zeit zu orientieren. Zeitbewusstsein und Persönlichkeitsentwicklung hängen eng zusammen.“8
Die Worte „Nichts bleibt so wie es ist“ drücken aus, was jeder Mensch aus seinem eigenen Leben kennt, doch ist diese Aussage richtig?
Die Erkenntnis, dass sich Strukturen, Institutionen und menschliche Denk-, Lebens- und Verhaltensweisen in der Geschichte verändert haben, gehört zu den grundlegenden Erkenntnissen des historischen Lernens. Die Veränderungen geschahen und geschehen jedoch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, so vollzogen sich in der vorindustriellen Gesellschaft relativ wenige Veränderungen, seit der Mitte des 19. Jahrhundert jedoch erlebten die Menschen eine rasante Veränderung ihrer Lebensverhältnisse.9 Und die Veränderungen dürften im 21. Jahrhundert angesichts der globalen Vernetzung weiter zunehmen. Die Veränderungsgeschwindigkeit ist somit ein unverzichtbares Element des Historizitätsbewusstseins.10
Das Historizitätsbewusstsein meint den Aspekt des Geschichtsbewusstseins, der Annahmen darüber enthält, was sich verändert und was statisch bleibt.11 Mit Historizitätsbewusstsein ist die Fähigkeit der Wahrnehmung und Unterscheidung von „veränderlich“ und „statisch/dauerhaft“ gemeint.12 Es drückt die Differenzierungsleistung zwischen Statik und Prozeß aus. Einige Dinge verändern sich im Laufe der Zeit, andere hingegen bleiben statisch.13
Die oben gestellte Aussage kann also mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden, denn nicht alle Dinge und Verhältnisse verändern sich im Laufe der Zeit.
3. Fragestellung
3.1 Untersuchungsfragen
Neben der Fokussierung auf das Temporal- und das Historizitätsbewusstsein, hatte die Studie auch das Ziel, die Vorstellungen von Grundschülern zur Geschichte zu erheben. Aus diesem Grund wurden zwei Untersuchungsfragen formuliert. Diese lauten wie folgt:
„Welche grundsätzlichen Vorstellungen haben Schüler der vierten Klasse von Geschichte?“ und „Wie sind die Dimensionen Temporalbewusstsein und Historizitätsbewusstsein des Modells des Geschichtsbewusstseins nach Pandel bei Grundschülern in der vierten Klasse ausgeprägt?“
3.2 Hypothesen
Da durch die Studie drei unterschiedliche Bereiche, die Vorstellungen von Grundschülern der 4. Klasse von Geschichte, das Temporalbewusstsein und das Historizitätsbewusstsein untersucht werden sollten, wurden zu jedem Bereich im Vorfeld Hypothesen aufgestellt.
Zunächst zu den Hypothesen zu den Vorstellungen von Grundschülern von Geschichte:
Schüler der 4. Klasse verfügen über Vorstellungen von Geschichte, da sie bereits vor ihrer Schulzeit und auch später außerhalb der Schule der so genannten „Geschichtskultur“ ausgesetzt sind.14 Jedoch sind oft, im wissenschaftlichen Sinne, „falsche“ Vorstellungen von Geschichte vorhanden. So vermuten Grundschüler, dass Geschichte das ist, was bereits vergangen ist und was früher passierte. Eine zusätzliche Verständnisschwierigkeit liegt dem Begriff „Geschichte“ zugrunde, da er zwei verschiedene Bedeutungen trägt und Kinder schnell dazu verleitet werden, unter dem Begriff „Geschichte“ Erzählungen, Geschichten oder Märchen zu verstehen.
Nun zu den Hypothesen zum Temporalbewusstsein: Die Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind Grundschülern der 4. Klasse bekannt. Die Schüler können zwischen „früher“, das ist bereits vorbei, „heute“, das passiert gerade, und „Zukunft/zukünftig“, das wird noch geschehen, differenzieren. Viertklässler sind grundsätzlich dazu in der Lage, Ereignisse den drei Zeitdimensionen zuzuordnen. Sie haben zum Teil auch bereits die Fähigkeit, verschiedene historische Ereignisse in eine chronologische Reihenfolge zu bringen, was von einem vorhandenen Bewusstsein von „früher/später“ zeugt. In der Ausprägung dieses Bewusstseins darf von Differenzen zwischen den Schülern ausgegangen werden. Wobei von einer „falschen“ chronologischen Reihung von historischen Ereignissen nicht unbedingt auf ein unausgeprägtes Temporalbewusstsein geschlossen werden kann, da, um diese Aufgabe zu lösen, auch die Kenntnis der historischen Ereignisse wichtig ist.
In Bezug auf das Historizitätsbewusstsein wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine Reihe von Viertklässler bereits über die Fähigkeit verfügt, zu erkennen, dass sich viele Dinge in der Vergangenheit verändert haben und auch noch verändern werden.
3.3 Begründung der Fragestellung
Da die Erhebung aller sieben Dimensionen des Geschichtsbewusstseins nach Pandel in einer empirischen Studie aufgrund des Umfangs nur sehr schwer zu bewerkstelligen ist, wurde die Entscheidung getroffen, lediglich die beiden Dimensionen Temporal- und Historizitätsbewusstsein zu untersuchen. Den Schwerpunkt der Untersuchung bildete die Erhebung des Temporalbewusstseins von Grundschülern. Erst an zweiter Stelle ging es auch um die Erhebung des Historizitätsbewusstsein. Um den Schülern den Einstieg in das Thema Geschichte zu erleichtern, wurden, sowohl bei der Fragebogenerhebung als auch bei dem Interview, an den Beginn jeweils einige Fragen zu den Vorstellungen von Geschichte gesetzt. Die Vorstellungen von Grundschülern von Geschichte sind für die Lehrkraft bei der Durchführung einer historischen Unterrichtsreihe im Rahmen des Sachunterrichts von großem Nutzen, denn wenn sie die Vorstellungen der Schüler kennt, kann sie ihren Unterricht daran anknüpfend gestalten und den Schülern geeignete Lernumgebungen für aktives, selbstständiges Lernen schaffen.
4. Methode
4.1 Stichprobe
Wie unter Punkt 4.2 noch deutlich werden wird, bestand die empirische Untersuchung aus zwei Teilen, woraus sich auch Konsequenzen für die Stichprobe ergeben. Das Untersuchungssample setzte sich aus Schülern einer vierten Klasse einer Münsteraner Grundschule zusammen. Aufgrund einer erwarteten höheren Sprachkompetenz und Dialogfähigkeit bei Viertklässlern im Vergleich zu jüngeren Grundschülern, wurde die Entscheidung getroffen, Viertklässler als Untersuchungssample auszuwählen.
Im ersten Teil der Untersuchung füllten alle Kinder einer vierten Klasse einen selbstkonzipierten Fragebogen aus. Im Anschluss daran wurden anhand der Ergebnisse des Fragebogens drei Schüler ausgewählt, die in einem zweiten Teil der Untersuchung in einem Einzelinterview befragt wurden. Bei den drei interviewten Schülern handelte es sich, ausgehend von den Ergebnissen des Fragebogens, um je einen Schüler mit guten, mittleren und eher schlechten Leistungen bei der Fragebogenerhebung. Die Auswahl wurde getroffen, um die Differenzen hinsichtlich des Geschichtsbewusstseins innerhalb einer Klasse zu verdeutlichen.
4.2 Instrumente
Die Instrumente, die bei der Untersuchung verwendet wurden, sind eine selbstkonzipierter Fragebogen und ein Interviewleitfaden, der ebenfalls in der Gruppe konzipiert wurde.
Bei dem Interview handelte es sich um ein teilstandardisiertes Interview. Das teilstandardisierte Interview orientiert sich an einem Interviewleitfaden, jedoch sind Spielräume in den Frageformulierungen, Nachfragestrategien und in der Abfolge der Fragen gegeben.15
Der Fragebogen und der Interviewleitfaden befinden sich im Anhang unter den Punkten 8.1 und 8.2. Es sollen nun einige Erläuterungen zu der Konzeption des Fragebogens und des Leitfadeninterviews folgen.
Einleitend wurden, sowohl im Fragebogen als auch im Interview, Fragen zum allgemeinen Verständnis von Geschichte gestellt, um einen Einblick in die kindlichen Vorstellungen und das Interesse von Geschichte zu bekommen. Außerdem sollte den Befragten der Einstieg in das Themenfeld „Geschichte“ durch allgemeine Fragen zu Geschichte ermöglicht werden.
Aufgrund der Komplexität der Dimension des Temporalbewusstseins16 wurde der Schwerpunkt auf die Erfassung der Fähigkeit des chronologischen Ordnens geschichtlicher Ereignisse gelegt, wobei es sich um lokalgeschichtliche Ereignisse Münsters und welthistorische Ereignisse handelte. Es schlossen sich Aufgaben zum Historizitätsbewusstsein an.
Die Erhebung musste in zwei Teile untergliedert werden, da lediglich über die Auswertung der Fragebögen keine verlässlichen Aussagen zu dem Temporal- und Historizitätsbewusstsein der einzelnen Schüler möglich wären. Außerdem wurden über die Fragebogenerhebung die drei Schüler ausgewählt, mit denen ein Einzelinterview geführt werden sollte, da eine größere Befragung im vorgegebenen zeitlichen Rahmen nicht möglich gewesen wäre. Die Auswahl der Schüler sollte jedoch nicht willkürlich erfolgen, da ansonsten die möglichen Differenzen innerhalb des Klassenverbands bezüglich des Geschichtsbewusstseins nicht aufgezeigt werden würden. Das Einzelinterview ermöglichte ein tieferes Hinterfragen der zum Teil bereits im Fragebogen gegebenen Schülerantworten. Durch die Begründungen, die die Interviewten gaben, war eine qualitativere Auswertung der Ausprägung der befragten Dimensionen des Geschichtsbewusstseins möglich.
Insgesamt wurde bei der Untersuchung die deduktive Vorgehensweise angewandt.
4.3 Durchführung
An dieser Stelle sollen die einzelnen Schritte der Untersuchung aufgeführt werden.
Am Anfang stand die Formulierung der Untersuchungsfragen und der Hypothesen. Darauf folgte die Konzeption des Fragebogens, der von der ganzen Klasse beantwortet wurde, und des Interviewleitfadens für die drei Einzelinterviews innerhalb der Gruppe. In Anschluss daran fand die Fragebogenerhebung mit anschließender Auswertung und Auswahl der zu interviewenden Schüler statt. In einem nächsten Schritt wurden die Interviews durchgeführt und transkribiert. Schließlich fanden die Auswertung der Interviews und deren Interpretation statt.
4.4 Gütekriterien
Die Gütekriterien, die zur Überprüfung der Qualität einer Untersuchung herangezogen werden, sind Objektivität, Reliabilität und Validität.17 Darüber, ob die Reliabilität durch die Untersuchung gewährleistet ist, kann keine Aussage getroffen werden.
Die Objektivität einer Untersuchung gibt an, inwieweit die Ergebnisse vom Anwender unabhängig sind.18 Das Gütekriterium Objektivität kann untergliedert werden in Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität. Die Durchführungsobjektivität ist in der vorliegenden Untersuchung nur zum Teil gegeben, da bei den Interviews kein strenger Interviewleitfaden verwendet wurde. Dies war im Rahmen der Untersuchungsdurchführung jedoch angemessen, um flexibel auf die Antworten der Schüler reagieren zu können. Außerdem wurde die Durchführungsobjektivität dadurch beeinflusst, dass drei verschiedene Interviewer die Interviews durchführten. Angenommen werden kann, dass sich die Interviewführung bei den verschiedenen Interviewern unterschied und die Durchführungsobjektivität größer gewesen wäre, wenn alle Interviews von einem Interviewer durchgeführt worden wären.
Die Auswertungs- und Interpretationsobjektivität ist unserer Meinung nach gegeben, da die Auswertung der transkribierten Interviews und die Interpretation der Ergebnisse von der gesamten Gruppe gemeinsam durchgeführt wurden und nicht nur von einer Einzelperson. Insgesamt ist die Objektivität bei der empirischen Untersuchung also nicht vollständig gegeben.
Das Gütekriterium Validität gibt an, wie gut die Untersuchung das misst, was sie zu messen vorgibt.19 Die Validität ist unserer Meinung nach, wenn auch mit Einschränkungen, gegeben, auch wenn die Dimensionen Temporal- und Historizitätsbewusstsein nicht in ihrem ganzen Ausmaß erfasst werden konnten. Da die Untersuchung zum Ziel hatte, neben dem Temporal- auch das Historizitätsbewusstsein zu erfassen, halten wir das Gütekriterium Validität für gegeben.
5. Ergebnisse
5.1 Ergebnisse der Fragebogenerhebung
Die Ergebnisse der Auswertung der Fragebögen werden an dieser Stelle nicht alle erläutert, sondern es werden lediglich die für das nachfolgende Interview relevanten Ergebnisse dargestellt, um zu vermitteln, inwieweit die ganze Klasse in der Lage war, die Fragen zu beantworten.
Zunächst zu Frage 4 des Fragebogens,20 die sich auf das Temporalbewusstsein bezieht. Bei der chronologischen Reihung der historischen Ereignisse hatten 4 Schüler keine richtige Antwort, 10 Schüler eine Antwort richtig, 7 Schüler hatten zwei oder drei richtige Antworten und drei Schüler hatten vier oder mehr richtige Antworten. In Aufgabe 5 hatten die Schüler die gleichen historischen Ereignisse wie in Aufgabe 4 in einen Zeitstrahl einzuordnen, wobei sie sich mehrheitlich an die von ihnen in Aufgabe 4 getroffene chronologische Ordnung hielten.
Aufgabe 6, die sich auf das Historizitätsbewusstsein bezieht und bei der Bilder von Fortbewegungsmitteln geordnet werden sollen, lösten beinah alle - bis auf zwei Schüler - richtig.
5.2 Ergebnisse der Interviews und deren Interpretation
Die Ergebnisse der Interviews und deren Interpretation sollen nun dargestellt werden. Die Ergebnisse der Interviews werden ausführlicher dargestellt als die Ergebnisse der Fragebogenerhebung, da die Interviews den eigentlichen Schwerpunkt der Untersuchung bilden. Nach der Auswertung der Fragebögen handelt es sich bei Kind 1 um ein Kind, dass zu der Gruppe mit guten Leistungen bei der Fragebogenerhebung zählt, bei Kind 2 um ein Kind der Gruppe mit mittleren Leistungen und bei Kind 3 um ein Kind mit schlechten Leistungen.
Zunächst zur ersten Frage des Interviews, die, Bezug nehmend auf den Fragebogen, klären sollte, was die interviewten Grundschüler unter „Geschichte“ verstehen. Aus den Interviews lassen sich drei unterschiedliche Vorstellungen von Geschichte folgern:
Aus den Antworten von Kind 1 lässt sich zunächst schließen, dass das Kind den Begriff „Geschichte“ mit Märchen verbindet, jedoch wird im Laufe des Interviews deutlich, dass es sich darüber bewusst ist, dass Märchen fiktiv sind und Geschichte das ist, was wirklich passiert ist. Es kann also zwischen Geschichten und Geschichte unterscheiden.
Kind 2 versteht Geschichte als das, was früher passierte, als etwas Vergangenes. Geschichte ist nach seiner Aussage das, wie die Welt früher aussah. Der Aspekt des Historizitäts- bewusstseins spielt hier mit hinein.
Kind 3 macht Geschichte an einem historischen Ereignis, dem 2. Weltkrieg fest, aber trifft keine allgemeinen Aussagen zu Geschichte.
Der zweite größere Frageblock des Interviews fordert die Schüler in Anlehnung an die Aufgaben vom Fragebogen dazu auf, die historischen Ereignisse chronologisch zu ordnen und die Ereignisse auch in den Zeitstrahl einzuordnen.
Zunächst soll nun die chronologische Ordnung der drei Kinder aufgeführt werden:
Kind 1: Bau der Pyramiden, Christi Geburt, 2.Weltkrieg, Columbus entdeckt Amerika, Westfälischer Frieden, Bau des Doms in Münster.
Kind 2: Pyramiden, Christi Geburt, Columbus entdeckt Amerika, Bau des Doms in Münster, 2. Weltkrieg, Westfälischer Frieden.
Kind 3: Pyramiden, Christi Geburt, Bau des Doms, Columbus entdeckt Amerika, Westfälischer Frieden, 2.Weltkrieg.
Gemeinsam ist allen drei Schülern, dass sie die Ereignisse Bau der Pyramiden und Christi Geburt in die richtige Reihenfolge bringen mit der Begründung, dass die Pyramiden sehr alt seien und Christi Geburt erst nach dem Bau der Pyramiden stattgefunden habe. Auch bei der Einordnung am Zeitstrahl ordnen die Kinder die Ereignisse den richtigen Jahreszahlen zu. Kind 3 schreibt sogar das Jahr Null an die richtige Stelle. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass allen Kindern bewusst ist, dass Christi Geburt nicht der Beginn der Menschheitsgeschichte war, sondern vorher schon etwas existierte.
Nun zu den Begründungsmustern der einzelnen Schüler für die von ihnen vorgenommene chronologische Ordnung der Ereignisse: Kind 1 ordnet die Ereignisse 2.Weltkrieg, Columbus entdeckt Amerika und Westfälischer Frieden ohne nähere Begründung. Bei Nachfragen äußert es, dass es nicht wisse, in welcher Reihenfolge die Ereignisse stehen müssen, es habe sie willkürlich geordnet. Der Bau des Doms wurde als letztes Ereignis aufgeführt. Das Kind äußert die Begründung, dass es meine, dass der Dom noch nicht so alt sei. Hier könnte die Vorstellung zugrunde liegen, dass es den Dom noch sehen kann und sich somit nicht vorstellen kann, dass der Dom sehr alt ist.
Kind 2 liefert nicht zu allen chronologischen Einordnungen Begründungen. Der Westfälische Frieden wird nach dem 2.Weltkrieg eingeordnet und das Kind äußert im Laufe des Interviews die Vorstellung, dass erst Krieg gewesen sei und dann Frieden geschlossen wurde. Der Westfälische Frieden ist dem Kind also anscheinend unbekannt. Der Bau des Doms wird vor den 2.Weltkrig eingeordnet, weil der Dom im 2.Weltkrieg kaputt gegangen ist – hier zeigt sich, dass das Kind über Faktenwissen verfügt. Es weiß, dass große Teile Münsters und der Dom im 2.Weltkrieg zerstört wurden.
Kind 3, das nach der Fragebogenerhebung zu der Gruppe mit den schlechten Leistungen gehört, ordnet erstaunlicher Weise alle Ereignisse in der richtige Reihenfolge und ordnet sie zusätzlich richtig, mit höchstens einer Differenz von 100 Jahren, an den Zeitstrahl an. Zusätzlich begründet es die Ein- und Anordnung der Ereignisse durch eine Verknüpfung der verschiedenen Ereignisse. So äußert es beispielsweise, dass Amerika im 2.Weltkrieg eine Rolle gespielt habe, also müsse es vorher schon entdeckt worden sein.
Etwas irritiert durch die Differenzen bei Kind 3 zwischen den Leistungen bei der Fragebogenerhebung und bei dem Interview, wurde eine Erzieherin der Klasse darauf angesprochen und durch ihre Aussagen sind die aufgetretenen Differenzen besser zu verstehen: An dem Tag, als die Fragebogenerhebung durchgeführt wurde, berichtete das Kind in der Schule, dass ihm seine Eltern vor kurzem mitgeteilt hätten, dass sie sich scheiden lassen würden. Daher war es bei der Fragebogenerhebung sehr unkonzentriert. Das Kind sei laut Aussage der Erzieherin an Geschichte interessiert, wozu auch die Mutter, die selbst Geschichtslehrerin sei, beitrage. Anscheinend hat sich das Kind bei seiner Mutter nach der Fragebogenerhebung über die verschiedenen historischen Ereignisse informiert und erbrachte am Tag darauf, als das Interview geführt wurde solch überraschend gute Leistungen.
Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der Fragen zum Historizitätsbewusstsein näher erläutert. Kind 1 besitzt bereits eine klare Vorstellung über Veränderungen und Entwicklungen im Verlauf der Weltgeschichte. Es benutzt das Wort „entwickelt“ und betont, dass sich alle Dinge entwickelt haben. Bei Nachfrage erläutert es die Entwicklung von der Pferdekutsche, zum Zug und dann zum Auto, wobei es hier anscheinend Bezug nimmt auf Aufgabe 6 des Fragebogens. Es spricht auch die Entwicklungen in der Bauweise von Häusern an. Interessant ist, dass es während des Interviews angibt, dass es nicht wisse, wie Häuser in der Zukunft aussehen werden. Auch die Menschen werden als sich entwickelnde Wesen aufgefasst, wobei die Entwicklung immer weiter geht. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kind 1 das Temporal- und das Historizitätbewusstsein in Ansätzen bereits besitzt.
[...]
1 Vgl. von Reeken 2004, S. 8f.
2 Eine andere Bezeichnung für Temporalbewusstsein ist Zeitbewusstsein. (Vgl. von Reeken 2004, S. 8.)
3 Vgl. von Reeken 2004, S. 9.
4 Vgl. Pandel 1991, S. 5.
5 Vgl. von Reeken 2004, S. 5.
6 Vgl. Pandel 1991, S. 5.
7 Vgl. von Reeken, S. 9.
8 Bergmann 2002, S. 97.
9 Vgl. von Reeken 2004, S. 10.
10 Vgl. Pandel 1991, S. 11.
11 Vgl. Pandel 1991, S. 11.
12 Vgl. Bergmann 2002, S. 97.
13 Vgl. Pandel 1991, S. 11.
14 Vgl. Bergmann 2002, S. 95.
15 Vgl. Hopf 2005, S. 351.
16 Vgl. Kapitel 2.1 Zu den Begriffen Temporal- und Historizitätsbewusstsein.
17 Vgl. Steinke 2005, S. 319.
18 Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 195.
19 Vgl. Bortz/Döring 1995, S. 185.
20 Vgl. Kapitel 8.1 Fragebogen.