Inhaltsverz eichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines zur germanischen Lautverschiebung
3. Gesetzmäßige Veränderungen und wesentliche Merkmale bei der ersten Lautverschiebung
3.1 Veränderungen der Verschlusslaute
3.2. Der Akzentwandel
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
»Von allem was die menschen erfunden und ausgedacht, bei sich gehegt und einander überliefert, [...] scheint die spräche das gröszte, edelste und unentbehrlichste besitzthum. «
Mit diesem aussagekräftigen Zitat Jacob Grimms, welches seine Liebe zur Sprache zum Ausdruck bringt, soll diese Arbeit beginnen, in der sich alles um Jacob Grimms wohl berühmteste sprachwissenschaftliche Entdeckung dreht: die germanische Lautverschiebung, welche auch erste Lautverschiebung oder Grimm's Law genannt wird. Neben der hochdeutschen Lautverschiebung zählt die germanische Lautverschiebung zu den relevantesten Phänomenen in der historischvergleichenden Sprachwissenschaft. Ihr Begründer Jacob Grimm, wurde durch sein Werk „Deutsche Grammatik“ zu einem der bedeutendsten Germanisten Deutschlands. Er und sein Bruder Wilhelm Grimm haben die germanistische Sprach- und Literaturwissenschaft besonders geprägt. Neben den Brüdern Grimm waren weitere Persönlichkeiten wichtig für die Begründung des historischen Sprachvergleichs, dazu zählen zum Beispiel der Däne Rasmus Kristian Rask und Franz Bopp. Sie dienten Jacob Grimm sozusagen als Wegbereiter für seine Erkenntnisse zum Lautwandel. Rask wies die Verwandtschaft der altnordischen Sprache mit anderen germanischen Sprachen sowie dem Slawischen, Griechischen und Lateinischen nach (Arens 1969: 191). 1818 erschien sein Hauptwerk Untersuchung über den Ursprung der alten nordischen oder isländischen Sprache mit vier Jahren Verzögerung (Gipper & Schmitter 1985: 29) . Zwei Jahre zuvor war die Abhandlung von Franz Bopp Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache erschienen. Die Untersuchungen von Rasmus Kristian Rask werden heute als eine der wichtigsten Grundlagen der vergleichenden indogermanistischen Sprachwissenschaft angesehen (Gipper & Schmitter 1985: 30). In seiner Untersuchung legte er Kriterien für die Festlegung von Sprachverwandtschaften fest. Rask nannte die grammatikalische Übereinstimmung als ein sicheres Zeichen der Verwandtschaft (Rask 1992: 59).
Bei seiner Untersuchung stieß er bereits auf die germanische Lautverschiebung, jedoch erkannte er die historische Bedeutung und die Gesetzmäßigkeiten des Lautwandels noch nicht, denn Rask sah diese als einzelne Phänomene des Lautwandels an (Gipper & Schmitter 1985: 31). Rasmus Kristian Rask legte damit den Grundstein für die vergleichende indogermanische Grammatik.1
Aber nicht nur Rask leistete bedeutende Arbeit im Bereich der vergleichenden Sprachwissenschaft. Durch das Erscheinen der Untersuchung Über das Conjugati- onssystem der Sanskritsprache von Franz Bopp, begann die Epoche der vergleichenden Sprachwissenschaft unter Einbezug der Sanskritsprache (Gipper & Schmitter 1985: 32). Unter anderem erkannte Bopp die Bedeutung des Ablauts für die Bildung der Tempora (Benfey 1869: 377), aber erst Jacob Grimm machte diese Funktion des Ablauts bekannt. Er bezeichnete diese Verben als starke Verben.2
Die Untersuchungen der unmittelbaren Vorgänger von Jacob Grimm, waren für seine Entdeckungen zur germanischen Lautverschiebung von großer Bedeutung. Er knüpfte an den Ergebnissen von Franz Bopp und Rasmus Kristian Rask an und erkannte ihre hohe Bedeutung für die gesamte vergleichende Sprachwissenschaft.
2. Allgemeines zur germanischen Lautverschiebung
Die Gruppe der germanischen Sprachen, dazu gehören die skandinavischen Sprachen, wie zum Beispiel Niederländisch, die deutsche Sprache, Englisch, Pennsylvanisch und weitere, hat einen gemeinsamen Vorfahren: das Protogermanische bzw. das Urgermanische. Es handelt sich dabei um eine rekonstruierte Sprache, deshalb ist man sich nicht hundertprozentig sicher, ob das Protogermanische in dieser rekonstruierten Form jemals gesprochen wurde, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Das germanische gehört zur indogermanischen Sprachfamilie und alle indoeuropäischen Sprachen gehen auf das Urindogermanische zurück (Speyer 2007: 13).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ungefähre Ausbreitung der indoeuropäischen Sprachen um 500 v. Chr. (Speyer 2007: 15).
Abbildung 1 stellt die ungefähre Ausbreitung der indoeuropäischen Sprachen um 500 v.Chr. dar. Es ist zu erkennen, dass das Indo-Iranische am weitesten verbreitet war, das Germanische dagegen war hauptsächlich im heutigen Mitteleuropa vertreten.
Die erste germanische Lautverschiebung, welche auch Grimm's Law genannt wird, kennzeichnet die Herausbildung des urgermanischen Konsonantensystems aus dem urindogermanischen. Später führt dann die zweite Lautverschiebung zur Herausbildung des Hochdeutschen. Dies wird in dieser Arbeit jedoch nicht weiter behandelt.
Insgesamt fanden fünf germanische Lautverschiebungen statt. Ihnen liegt allen der gleiche Mechanismus zugrunde. Sie unterscheiden sich zwar in einigen Punkten, wie beispielsweise in ihrer jeweiligen Durchführung, jedoch sind die Lautverschiebungen im Allgemeinen alle „spontane und systematische Lautwandel“, die ein gewisses Teilsystem ändern (Goblirsch 2005: 18f.).
Bei der ersten Lautverschiebung handelt es sich um drei aufeinanderfolgende Einzelverschiebungen, die voneinander abhängig sind. Sie müssen als eine Art Kettenverschiebung betrachtet werden (Speyer 2007: 29-31). Die genauen Gesetzmäßigkeiten der einzelnen Verschiebungen werden im Laufe der Arbeit genauer erläutert.
Von der Lautverschiebung betroffen sind alle Plosive, also alle Verschlusslaute (Speyer 2007: 32). Entdeckt wurde das Lautgesetz 1806 erstmals von Friedrich Schlegel, und, wie einleitend bereits geschildert, 1818 von dem dänischen Indogermanisten Rasmus Christian Rask, jedoch erkannte Rask die historische Bedeutung und die Gesetzmäßigkeit seiner Entdeckung nicht (Gipper & Schmitter 1985: 31). Erst Jacob Grimm formulierte 1822 den gesetzmäßigen Charakter des Lautwandels im ersten Band seiner Buchserie „Deutsche Grammatik“3 aus. Seitdem ist die germanische Lautverschiebung ein besonders wichtiger Teil der Sprachgeschichte geworden (Hammerich 1995: 1) und Jacob Grimm wurde zu einem der angesehensten Germanisten Deutschlands. Durch die Lautverschiebung grenzt sich das Germanische lautlich von den anderen indogermanischen Sprachen ab (Ham- merich 1995: 3) und sie gilt als Hauptmerkmal der germanischen Sprachen (Meine- ke 2001: 198). Sie ereignete sich in Europa und begann um 1200 bis 1000 v. Chr. Abgeschlossen war die Lautverschiebung circa 500 bis 300 v. Chr. (Glück 2000: 261). Eine genaue Datierung ist jedoch nicht möglich. Während der Lautverschiebung trennten sich die germanischen Einzelsprachen vom Indogermanischen ab und das Konsonantensystem wandelte sich (Sowinski 1974: 37).
Es ist schwierig zu sagen, welche Ursachen oder Gründe die erste Lautverschiebung hatte. Als sicherer Faktor für die Entstehung gelten Auseinandersetzungen zweier anderssprachiger Parteien, wodurch sprachliche Vorgänge einsetzen, die neue Einzelsprachen oder Sprachgruppen ausbilden können (Sowinski 1974: 143f.).
3. Gesetzmäßige Veränderungen und wesentliche Merkmale bei der ersten Lautverschiebung
Im Wesentlichen handelt es sich bei der Lautverschiebung um eine Veränderung der Verschlusslaute. Dabei werden Konsonanten einer Gruppe schrittweise durch Konsonanten einer anderen Gruppe ersetzt (Gamkrelidse & Wjatscheslaw 1990: 130). Wie in dieser Arbeit bereits erwähnt wurde, handelt es sich um drei aufeinanderfolgende und voneinander abhängige Einzelverschiebungen.
Vor der Betrachtung der Gesetzmäßigkeiten der einzelnen Verschiebungen, wird in diesem Teil der Arbeit auf die wesentlichen Merkmale, die bei der Lautverschiebung eine Rolle spielten, eingegangen. Es handelt es sich um phonetische und pho- nologische Merkmale, nämlich Artikulationsart, Konsonantenstärke und Konsonantenlänge (Goblirsch 2005: 19).
Bezüglich der Artikulationsart werden Stimmhaftigkeit, Aspiration und Verschluss betrachtet. Stimmhaftigkeit und Aspiration sind zweigliedrig, das heißt die Konsonanten sind entweder stimmhaft oder stimmlos und aspiriert oder nicht aspiriert. In Bezug auf die Art des Verschlusses handelt es sich entweder um Plosive, Affrikate oder Frikative. Die erste germanische Lautverschiebung betrifft nur Plosive. Bei der Lautverschiebung gehen zwei aus dem Indogermanischen stammende Merkmale, nämlich Stimmhaftigkeit und Okklusion verloren, jedoch entwickelt sich die Aspiration erst durch den Lautwandel.
Bei der Konsonantenstärke, also der Intensität spielen der orale Luftdruck und die Muskelspannung eine wichtige Rolle. Je höher beide sind, desto gespannter ist der Konsonant. Obstruenten, bei denen sowohl Stimmhaftigkeit, als auch Aspiration fehlen, werden in fortis und lenis unterschieden.
Sind der orale Luftdruck und die Muskelspannung höher, so handelt es sich um fortis, sind der Luftdruck und die Muskelspannung niedriger, handelt es sich um lenis. Einige Forscher vertreten seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Auffassung, dass die Konsonantenstärke für den Mechanismus des ganzen Verschiebungsprozesses verantwortlich ist.
Auch die Konsonantenlänge ist bedeutend für die Lautverschiebungen. Dabei spielt die Konsonantendehnung eine wichtige Rolle.
Die am weitesten verbreitete Veränderung in der germanischen Lautverschiebung, ist die Desonorisierung. Die indogermanischen, stimmhaften Verschlusslaute b, d, g, gw wurden zu den stimmlosen Verschlusslauten p, t, k, kw.
Laut Goblirsch ist aber die Aspiration der Auslöser des Lautverschiebungsprozesses bei allen germanischen Lautverschiebungen, da die Aspiration stets der erste Schritt der Spirantisierung ist. Er nennt die Aspiration auch als wesentliches Merkmal, dass die germanische Sprache von den übrigen indogermanischen Sprachen unterscheidet. Die meisten Forscher akzeptieren diese entscheidende Rolle der Aspiration, aber es gibt einige, die sie anzweifeln oder auch ausschließen (Goblirsch 2005: 18-45).
3.1 Veränderungen der Verschlusslaute
Die erste germanische Lautverschiebung betrifft nur Plosive und setzt das indogermanische System der Verschlusslaute voraus. Demnach werden vier Klassen von Plosiven unterschieden:
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Abbildung 2: Vier Klassen von Plosiven, vgl. Christian Lehmann.
[...]
1 Grimm, Jacob (1864): Kleinere Schriften I, S. 295.
2 Vgl. Grimm, Deutsche Grammatik I (1819), S. XXVII; vgl. auch Kap. 3.2., S. 11.
Häufig gestellte Fragen zum Text
Was ist die germanische Lautverschiebung (Grimm's Law)?
Die germanische Lautverschiebung, auch erste Lautverschiebung oder Grimm's Law genannt, ist ein phonologisches Phänomen, das die Herausbildung des urgermanischen Konsonantensystems aus dem urindogermanischen Konsonantensystem beschreibt. Es handelt sich um eine Reihe von systematischen Lautverschiebungen, die die germanischen Sprachen von anderen indogermanischen Sprachen abgrenzen.
Wer hat die germanische Lautverschiebung entdeckt?
Friedrich Schlegel erkannte das Lautgesetz erstmals 1806. Der dänische Indogermanist Rasmus Christian Rask erkannte sie 1818 ebenfalls, jedoch erkannte Rask die historische Bedeutung und die Gesetzmäßigkeit seiner Entdeckung nicht. Jacob Grimm formulierte 1822 den gesetzmäßigen Charakter des Lautwandels in seinem Werk "Deutsche Grammatik".
Wann fand die germanische Lautverschiebung statt?
Die germanische Lautverschiebung begann um 1200 bis 1000 v. Chr. und war etwa 500 bis 300 v. Chr. abgeschlossen. Eine genaue Datierung ist jedoch nicht möglich.
Welche Sprachen sind von der germanischen Lautverschiebung betroffen?
Die germanische Lautverschiebung betrifft alle germanischen Sprachen, einschließlich der skandinavischen Sprachen, Niederländisch, Deutsch, Englisch und Pennsylvanisch.
Was sind die wesentlichen Merkmale der germanischen Lautverschiebung?
Die wesentlichen Merkmale der germanischen Lautverschiebung sind Veränderungen der Verschlusslaute (Plosive) und phonetische und phonologische Merkmale wie Artikulationsart (Stimmhaftigkeit, Aspiration, Verschluss), Konsonantenstärke und Konsonantenlänge.
Welche Veränderungen der Verschlusslaute gab es bei der ersten Lautverschiebung?
Die erste germanische Lautverschiebung betrifft nur Plosive und setzt das indogermanische System der Verschlusslaute voraus. Demnach werden vier Klassen von Plosiven unterschieden: siehe Abbildung 2 im Text.
Was ist der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Lautverschiebung?
Die erste Lautverschiebung kennzeichnet die Herausbildung des urgermanischen Konsonantensystems, während die zweite Lautverschiebung zur Herausbildung des Hochdeutschen führt. Die zweite Lautverschiebung wird in diesem Dokument nicht weiter behandelt.
Was sind *fortis* und *lenis*?
Obstruenten, bei denen sowohl Stimmhaftigkeit, als auch Aspiration fehlen, werden in *fortis* und *lenis* unterschieden. Sind der orale Luftdruck und die Muskelspannung höher, so handelt es sich um *fortis*, sind der Luftdruck und die Muskelspannung niedriger, handelt es sich um *lenis*.
- Quote paper
- Darina Tonkova (Author), 2000, Engagement und Distanzierung von Norbert Elias, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/98122