Inmitten des tobenden Dreißigjährigen Krieges entfaltet sich eine erschütternde Chronik von Überlebenswillen und unerbittlicher Geschäftstüchtigkeit. Anna Fierling, genannt Mutter Courage, zieht mit ihrem Planwagen über die Schlachtfelder, stets bemüht, aus dem Elend Profit zu schlagen und ihre drei Kinder – den draufgängerischen Eilif, den ehrlichen Schweizerkas und die stumme Kattrin – durch die Wirren der Zeit zu bringen. Doch der Krieg, an den sie sich klammert, wird ihr zum Verhängnis. Brechts Meisterwerk entlarvt auf eindringliche Weise die zerstörerische Kraft des Krieges, der nicht nur Land und Leben verwüstet, sondern auch die menschliche Moral korrumpiert. Während Courage unermüdlich um ihren Handel und ihr Überleben kämpft, verliert sie nach und nach alles, was ihr lieb ist. Der clevere Eilif, im Krieg für seine Grausamkeit gefeiert, findet im Frieden den Tod als Mörder. Der rechtschaffene Schweizerkas wird Opfer seiner Ehrlichkeit und stirbt, weil Courage zu lange feilscht, um ihn freizukaufen. Schließlich opfert auch die stumme Kattrin ihr Leben, um eine Stadt vor dem Angriff der Soldaten zu warnen. Mutter Courage, von Verlusten gezeichnet und dennoch unbelehrbar, zieht am Ende allein ihren Karren weiter, getrieben von dem unbändigen Willen, im Geschäft zu bleiben. Ist sie eine Überlebenskünstlerin oder eine tragische Figur, die ihre Menschlichkeit dem Profit opfert? "Mutter Courage und ihre Kinder" ist ein aufrüttelndes Drama über Krieg, Kapitalismus und die Frage nach Moral in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Brecht, der Meister des epischen Theaters, fordert den Zuschauer heraus, sich aktiv mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen und kritisch über die Zusammenhänge von Krieg und Wirtschaft nachzudenken. Die berühmten Songs von Paul Dessau verstärken die Verfremdung und regen zur Reflexion an. Ein zeitloses Antikriegsstück, das bis heute nichts von seiner Brisanz verloren hat und zur Diskussion über die Verantwortung des Einzelnen in Krisenzeiten anregt, eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen Kriegsgewinnlertum, Familiendrama und Überlebenskampf.
Inhalt:
Als Marketenderin Courage zieht Anna Fierling durch den Dreißigjährigen Krieg, immer hinter den Heeren und Schlachten her. Sie verdient am Krieg und hofft ihre drei Kinder Eilif, Schweizerkas und die stumme Kattrin gut durch die schlimme Zeit zu bringen. Dieser Krieg aber, den sie für sich und ihre Geschäfte auszunutzen glaubte, richtete Courage zugrunde, nimmt ihr alle Kinder, wenngleich sie unbelehrbar bleibt: „Ich laß mir den Krieg von euch nicht madig machen. Es heißt, er vertilgt die Schwachen, aber die sind auch hin im Frieden. Nur, der Krieg nährt seine Leute besser.“
1624 in Schweden verliert die Courage ihren ältesten Sohn, den kühnen Eilif, an die Soldatenwerber. Sie will den Feldwebel eine neue Gürtelschnalle aufschwatzen, doch er macht das Geschäft und listet ihr den Sohn ab: „Wer vom Krieg leben will, muß ihm auch etwas geben.“ 1626 in Polen erntet Eilif als Soldat Lob vom Feldhauptmann, da er den Bauern unbarmherzig das Vieh abjagt. Als kleine Darstellung singt er für den Koch und den Feldprediger das Lied vom Weib und den Soldaten und führt den Säbeltanz vor. Einige Jahre später wird er als Mordbrenner hingerichtet - wofür man ihn ausgezeichnet hat im Krieg, das wird im kurzen Zwischenspiel des Friedens als Verbrechen bestraft. Das konnte Eilif, der nur den Krieg kennt, nicht wissen. Auch den jüngeren Sohn Schweizerkas zwingt man den Soldatendienst auf. Wegen seiner Redlichkeit wird er erschossen, da er, von den Kaiserlichen gefangen, immer noch den Schweden und der ihm anvertrauten Regimentskasse die Treu hält. Courage feilscht zu lange, um ihn die Freilassung zu erkaufen, und wird mitschuldig an seinem Tod. Unverdrossen passt sie sich an, singt das Lied von der großen Kapitulation und verzichtet darauf, ihre Rechte bei der Obrigkeit einzuklagen. Koch und Feldprediger schließen sich der Marketenderin an und begleiten ihren Planwagen. Die stumme Kattrin verstößt mit ihrer Menschlichkeit immer wieder gegen den Geschäftssinn ihrer Mutter. Das Mädchen schielt begehrlich nach den roten Stiefeln der Lagerhure Yvette, sie nimmt sich auch eines Säuglings an, der nach dem Tod seiner Mutter hilflos im zerstörten Haus wimmert. Der Koch macht der Courage einen Antrag. Da er in Utrecht eine kleine Kneipe geerbt hat, bietet er ihr ein Zuhause; allerdings ohne Kattrin. Courage lehnt ab und will die Tochter nicht im Stich lassen. Das Lied von König Salomo bekräftigt, dass in dieser finsteren Zeit Menschlichkeit und Tugend gefährlich und überflüssig sind. Jede Menschlichkeit richtet Kattrin zugrunde, als sie 1636 durch wildes Getrommel die Stadt Halle vor dem Überfall der Landsknechte warnt, wird sie mit einer Soldateska vom Dach heruntergeschossen. Doch in der Stadt hat man die Warnung mit dem letzten Trommelschlag gehört und die Gefahr erkannt. Zuletzt spannt Mutter Courage sich allein vor den Wagen und zieht ihn weiter mit den Worten: „Ich muß wieder in´n Handel kommen.“
Interpretation:
Bertolt Brecht wurde am 10.02.1898 in Augsburg als Sohn eines Angestellten geboren. Sein Vater wird später zum Prokuristen und Kaufmännischen Direktor einer Augsburger Papierfabrik. Schon früh veröffentlicht Brecht Gedichte und Aufsätze in den „Augsburger Neuesten Nachrichten“.1919 bringt Paula Banholzer Brechts ersten Sohn Frank zur Welt, der 1943 als russischer Soldat fällt. 1919 - 1924 ist Brecht in München und studiert Medizin und Theaterwissenschaften. Er ist auch Dramaturg bei den Münchner Kammerspielen unter Otto Falckenberg tätig. 1922 erhält er den Kleist-Preis für das Drama „Trommeln in der Nacht“. 1922 - 1927 Ehe mit Marianne Zoff, 1923 Geburt der Tochter Hanne. 1924 - 1933 lebt er in Berlin. 1924 Geburt des Sohnes Stefan und 1930 Geburt der Tochter Barbara. 1924 - 1926 ist er dramaturgischer Mitarbeiter am dt. Theater in Berlin bei Max Reinhardt. 1933 emigriert er vor den Nationalsozialisten nach Prag, Wien, die Schweiz, Paris und Dänemark. Dort bleibt er bis 1939, dann übersiedelt er 1940 nach Schweden und 1941 nach Finnland. 1941 - 1947 lebt er mit seiner Familie in Santa Monica.1947 - 1949 lebt er in Zürich. Bertolt Brecht starb am 14.08.1956 in Ost Berlin an einem Herzinfarkt.
Hauptwerke/Dramen: Baal (1918); Trommeln in der Nacht (1919); Die Dreigroschenoper (1928); Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930); Die hl. Johanna der Schlachthöfe (1932); Der Dreigroschenroman (1934); Leben des Galilei (1938); Der gute Mensch von Sezuan (1939); Die Geschäfte des J.Caesar (1944); Der kaukasische Kreidekreis (1945).
„Mutter Courage und ihre Kinder“ ist eine Chronik des Dreißigjährigen Krieges in 12 Bildern, die am 19.04.1941 in Zürich Uraufgeführt wurde.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in "Mutter Courage und ihre Kinder"?
Das Stück handelt von Anna Fierling, genannt Mutter Courage, die während des Dreißigjährigen Krieges als Marketenderin unterwegs ist. Sie versucht, durch den Krieg ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihre drei Kinder, Eilif, Schweizerkas und Kattrin, durchzubringen. Ironischerweise wird sie aber gerade durch den Krieg, den sie auszunutzen versucht, zugrunde gerichtet, indem sie alle ihre Kinder verliert.
Was passiert mit Eilif, dem ältesten Sohn der Courage?
Eilif wird von Soldatenwerbern angeworben. Später wird er als Soldat für seine Brutalität gelobt, aber in Friedenszeiten für Mord hingerichtet, da seine Kriegstaten dann als Verbrechen gelten.
Was geschieht mit Schweizerkas, dem jüngeren Sohn?
Schweizerkas wird ebenfalls zum Soldatendienst gezwungen. Er wird erschossen, weil er loyal zur Regimentskasse steht, die ihm anvertraut wurde. Mutter Courage zögert zu lange, um seine Freilassung zu erkaufen, und trägt so zu seinem Tod bei.
Was widerfährt Kattrin, der stummen Tochter der Courage?
Kattrin zeigt immer wieder Menschlichkeit, die im Krieg keinen Platz hat. Sie stirbt, als sie die Stadt Halle vor einem Angriff warnt, indem sie trommelt und daraufhin von Soldaten erschossen wird.
Was sind die zentralen Themen des Stücks?
Das Stück thematisiert die Verstrickung des Menschen in den Krieg, die Ausbeutung des Krieges, die Frage nach Moral und Menschlichkeit in Zeiten des Krieges und die Zerstörung von Familien durch den Krieg.
Was ist die Bedeutung des Liedes von der großen Kapitulation?
Dieses Lied symbolisiert die Anpassungsfähigkeit und den Opportunismus der Mutter Courage, die bereit ist, ihre Rechte aufzugeben, um im Krieg zu überleben.
Welche Rolle spielen Koch und Feldprediger im Leben der Courage?
Koch und Feldprediger begleiten Courage und ihren Planwagen. Sie sind opportunistische Figuren, die ebenfalls versuchen, vom Krieg zu profitieren.
Was ist die Aussage des Liedes von König Salomo?
Das Lied bekräftigt, dass in finsteren Zeiten Menschlichkeit und Tugend gefährlich und überflüssig sind.
Was ist der historische Hintergrund des Stücks?
Das Stück spielt im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und basiert teilweise auf Grimmelshausens Roman "Der abenteuerliche Simplicissimus".
Was ist der Verfremdungseffekt und welche Rolle spielt er in Brechts Theater?
Der Verfremdungseffekt (V-Effekt) ist ein zentrales Stilmittel im epischen Theater Brechts. Er soll den Zuschauer zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Bühnengeschehen anregen, indem er Illusionen vermeidet und Distanz schafft. Dazu gehören unter anderem Songs, Kommentare, Projektionen und die Anrede des Publikums.
Was ist das Ziel des epischen Theaters nach Brecht?
Brecht wollte mit seinem epischen Theater den Zuschauer nicht in eine passive Rolle versetzen, sondern ihn zum Nachdenken, zur Stellungsnahme und zu sittlich-sozialer Entscheidung treiben. Das epische Theater soll den Zuschauer aktivieren und ihn mit einem Problem konfrontieren.
Was macht "Mutter Courage und ihre Kinder" zu einem so bedeutenden Drama?
Das Stück ist ein Appell gegen den Krieg, der zeigt, wie Handel, Geschäft und Krieg miteinander verflochten sind und wie der Krieg menschliche Beziehungen und Werte zerstört.
- Arbeit zitieren
- Harald Messner (Autor:in), 2000, Brecht, Bertolt - Mutter Courage, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/96897