Die vielseitige Darstellung des Frauenbildes ist ein oft bevorzugter Gegenstand in expressionistischen Werken und daher für eine genauere Analyse besonders reizvoll. Nach einer der Übersicht dienenden Einführung über das expressionistische Zeitalter beschäftigt sich diese Arbeit zunächst mit einer Einführung in den Themenkomplex der Frauendarstellung in der Moderne. Im Anschluss wird die Fragestellung untersucht, wie die zur gesellschaftlich marginalisierten Gruppe gehörenden Dirnen auf unterschiedliche Weise in der expressionistischen Literatur dargestellt werden, um anhand dessen aufzeigen zu können, dass Prostituierte eine zentrale weibliche Figur im Expressionismus darstellen und in diesen das Wesen mit dem Produkt vereinigt wird. So entsteht ein Warencharakter, der von Autoren in der expressionistischen Literatur auf unterschiedliche Art und Weise präsentiert wird. Durch die ambivalente Darstellungsweise wird die Prostituierten außerdem als Personifizierung der expressionistischen Welterfahrung erörtert.
Die Expressionisten erfuhren die Großstadt als ein Abbild der totalen Entfremdung, das Endprodukt einer Verfallsgeschichte der Menschheit. Künstler/-innen nahmen vieles als künstlich, feindlich, schnell und laut auf. In diesem Gebilde der Großstadt taucht die Prostituierte als eine zentrale Figur auf. Käufliche Frauen wurden in der genannten Zeit zum Gegenstand facettenreicher literarischer Positionen und Phantasien der zumeist männlichen Autoren und erfüllten eine Reihe unterschiedlicher Funktionen. Die Darstellung der Prostituierten erfolgt in der Dichtung und in Liedern auf unterschiedliche Art und Weise. So wird sie als Personifikation von Vitalität, Wahrhaftigkeit, Lebenserfahrung und existentieller Menschlichkeit dargestellt und tritt in einem degenerierten Umfeld als das Wilde, Ungebändigte und Zügellose im Menschen auf. Innerhalb der rückwärtsgerichteten und erstarrten Gesellschaft spiegelt die Prostituierte unter anderem auch das Idealbild eines nicht in den gesellschaftlichen Konventionen gefangenen Lebens wider. Ferner repräsentiert sie die Versinnbildlichung des noch nicht erforschten Leiblichen, des Sinnlichen, des Sexuellen in einer von moralischen Normen und Regeln dominierten bürgerlichen Gesellschaft. Die Dirne als Wesenhafte wird aber nicht immer als Geliebte, Einzigartige und Wahrhaftige dargestellt. Auch viele negative Charakterisierungen lassen sich in der Literatur der Expressionisten wiederfinden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung.
- 2. Das expressionistische Zeitalter
- 3. Die weibliche Moderne: Expressionismus und Geschlechterdiskurs um 1900
- 3.1 Frauen in der literarischen Konzeption des Expressionismus
- 4. Die Prostituierte als Schlüsselfigur.
- 4.1 Die Prostituierte als Personifikation der expressionistischen Welterfahrung
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die ambivalente Darstellung der Prostituierten im expressionistischen Zeitalter. Sie beleuchtet, wie diese Figur in der Literatur des Expressionismus als Personifizierung der expressionistischen Welterfahrung fungierte und dabei unterschiedliche Funktionen und Bedeutungen einnahm.
- Die Rolle der Prostituierten als Symbol der Entfremdung und des Verfalls in der Großstadt
- Die ambivalenten Bedeutungen der Prostituierten als Personifikation von Vitalität und Wahrhaftigkeit, aber auch von Degeneration und Zügellosigkeit
- Die Prostituierte als Spiegelbild des gesellschaftlichen Konflikts zwischen Tradition und Moderne
- Die Frage nach der weiblichen Rolle im Expressionismus im Kontext der männlichen Identitätskrise
- Die Darstellung der Prostituierten als Ware und Objekt des männlichen Begehrens
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und bietet einen einleitenden Überblick über die Themenbereiche der Hausarbeit. Das zweite Kapitel beleuchtet das expressionistische Zeitalter mit seinen zentralen Motiven und Strömungen. Dabei wird die Bedeutung der Urbanisierung, der Industrialisierung und des Ersten Weltkriegs für die Entstehung des Expressionismus herausgestellt. Das dritte Kapitel widmet sich der Darstellung der Frau in der literarischen Konzeption des Expressionismus und erörtert die Geschlechterverhältnisse um 1900. Die Prostituierte als Schlüsselfigur der expressionistischen Literatur steht im Mittelpunkt des vierten Kapitels, in dem die unterschiedlichen Darstellungsweisen der Prostituierten und ihre Bedeutung als Personifizierung der expressionistischen Welterfahrung analysiert werden. Das fünfte Kapitel bietet ein Fazit der Arbeit und fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Schlüsselwörter
Expressionismus, Prostituierte, Großstadt, Entfremdung, Urbanisierung, Geschlechterdiskurs, weibliche Moderne, Vitalität, Degeneration, Zügellosigkeit, Warencharakter, Welterfahrung.
- Arbeit zitieren
- Olivia Schulze Wierling (Autor:in), 2020, Die ambivalente Darstellung der Prostituierten in der Lyrik des Expressionismus, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/958290