Die Arbeit beschäftigt sich nun mit der Frage, ob die Einschätzung, dass Hobbes Staatsvorstellung im Leviathan eine paradoxe Konstruktion einer kontraktualistischen Begründung des Absolutismus ist, oder ob es Elemente in seiner Theorie gibt, welche dagegen sprechen.
Hierfür werden zunächst Kriterien für eine absolutistische Staatstheorie festgelegt, anhand derer später die Analyse vorgenommen werden soll. Im nächsten Schritt soll auf das Leben und Werk von Thomas Hobbes eingegangen werden, da dort wichtige Ansätze zu finden sind, die für die Entwicklung seiner staatstheoretischen Vorstellung von Bedeutung sind. Daraufhin wird die Staatstheorie von Thomas Hobbes auf Grundlage des Leviathan dargestellt. Im darauf folgenden Abschnitt werden seine Aussagen analysiert und dahingehend geprüft, ob diese Vorstellungen als absolutistisch einzustufen sind oder nicht. Zum Schluss werden die wichtigsten Argumente nochmal in einem Fazit aufgegriffen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kriterien einer absolutistischen Staatstheorie
3. Leben und Werk von Thomas Hobbes
4. Darstellung der Staatstheorie von Thomas Hobbes
4.1 Menschenbild und Naturzustand
4.2 Entstehung des Staates
5. Analyse der Theorie auf absolutistische Merkmale
5.1 Die Macht des Souverän
5.2 Die Freiheitsrechte der Bürger
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Idee eines Gesellschaftsvertrags ist bereits im politischen Denken der Antike sowie dem Mittelalter vorzufinden (vgl. Kersting 1995: 680). Dort tritt das Vertragsmotiv in Gestalt eines Herrschaftsvertrags zwischen Volksgesamtkeit und dem Herrscher auf. (vgl. Kersting 1995: 680). Allerdings entstand erst mit „der Ablösung der mittelalterlichen Naturrechtsteleologie und Ordo-Spekulation durch einen methologischen und normativen Individualismus“ (vgl. ebd.: 680) ein konstruktiver Kontraktualismus. Dieser hat das Denken der politischen Philosophen im 17. und 18. Jahrhundert mit seinem Argumentationsdreischritt: anarchischer Naturzustand – Vertrag – Gesellschaft/Staat enorm geprägt (vgl. ebd.: 680).
Als Begründer der modernen politischen Philosophie gilt der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679). In den Augen von Thomas Hobbes haben die christlichen Naturrechtler und aristotelischen Ethiker den Vollendungsgestalten menschlichen Lebens die größte Aufmerksamkeit geschenkt und damit die Sicherung der notwendigen Voraussetzung für individuelles Glück und gesellschaftlichen Fortschritt völlig außer acht gelassen (vgl. Kersting 1994: 59f.) Für Hobbes lag das Versagen der traditionellen Ethik und Politik in ihrem unwissenschaftlichen Charakter begründet (vgl. Kersting 1994: 60). Deshalb schlug Hobbes auch in der Methodik neue Wege ein. So wollte er eine Friedenswissenschaft entwickeln, welche bei den menschlichen Angelegenheiten ebenso gültiges Wissen produziert wie die mathematischen Wissenschaften auf ihrem Gebiet (vgl. Kersting 1994: 60).
In der Literatur gelten seine Staatsvorstellungen im Allgemeinen als absolutistisch. So schreibt Kersting, dass Hobbes Staatsvorstellung im Leviathan, eine „paradoxe Konstruktion einer kontraktualistischen Begründung des Absolutismus„ (1995: 682) darstellt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich nun mit der Frage, ob diese Einschätzung begründet ist oder ob es Elemente in seiner Theorie gibt welche dagegen sprechen.
Hierfür werden zunächst Kriterien für eine absolutistische Staatstheorie festgelegt, anhand derer später die Analyse vorgenommen werden soll. Im nächsten Schritt soll auf das Leben und Werk von Thomas Hobbes eingegangen werden, da dort wichtige Ansätze zu finden sind, die für die Entwicklung seiner staatstheoretischen Vorstellung von Bedeutung sind. Daraufhin wird die Staatstheorie von Thomas Hobbes auf Grundlage des Leviathan dargestellt. Im darauf folgenden Abschnitt werden seine Aussagen analysiert und dahingehend geprüft, ob diese Vorstellungen als absolutistisch einzustufen sind oder nicht. Zum Schluss werden die wichtigsten Argumente nochmal in einem Fazit aufgegriffen.
2. Kriterien einer absolutistischen Staatstheorie
Vor der Analyse bedarf es der Festlegung von Kriterien, welche für eine absolutistische Staatstheorie maßgeblich sind. Anhand dieser Kriterien wird die Staatsvorstellung von Hobbes auf absolutistische Elemente überprüft.
Absolutistische Staatstheorien zeichnen sich insbesondere durch zwei essentielle Merkmale aus. Das erste Kennzeichen ist die durch Gottesgnadentum erlangte absolute Souveränität des Herrschers (vgl. Freist 2008: 24).
Der französische Staatsrechtler Jean Bodin (1530-1596) gilt als Begründer und Analytiker der absolutistischen Staatsform (vgl. Pohlmann 1988: 34). Bodin hat den Souveränitätsbegriff entwickelt und Merkmale beschrieben, die den Souverän auszeichnen (vgl. Pohlmann 1988: 34). Dabei ist das wichtigste Merkmal, dass der Souverän unbeschränkt über das Recht verfügen kann (vgl. ebd.: 34). Dies bedeutet, dass er ohne Rücksicht auf bestehendes Verfassungsrecht neues Recht schaffen und außer Kraft setzen kann ohne dafür eine Zustimmung anderer Personen zu benötigen (vgl. ebd.: 34). Außer dem Souverän kann niemand sonst so unbeschränkt über das Recht verfügen. Desweiteren steht der Souverän „außerhalb des von ihm erlassenen Rechts.“ (ebd.: 35)
Dies bedeutet, dass sich alle anderen außer dem Souverän an die vom Souverän erlassenen Gesetze halten müssen (vgl. ebd.: 35). Ein weiteres wichtiges Merkmal stellt die zeitliche Unbeschränktheit dar. So gibt es keine zeitliche Beschränkung der Herrschaft, da es auch keine Instanz gibt die den Souverän beschränken könnte (vgl. ebd.: 35). Desweiteren gilt noch die inhaltliche Unbeschränktheit des Souverän (vgl. ebd.: 35). Damit ist gemeint, dass es keine Normen und Werte gibt, die die Souveränität des Souverän legitimieren. Somit kann seine Herrschaftsausübung auch nicht durch deren Vernachlässigung limitiert werden (vgl. ebd.: 35). Zuletzt sorgt der Herrscher für die Sicherheit nach außen und nach innen (vgl. Freist: 24).
Das zweite Kennzeichen einer absolutistischen Staatsvorstellung stellen die nicht vorhandenen Bürgerrechte dar. Diese leiten sich aus den Rechten des Souveräns ab. Dies bedeutet, dass alle Bürger an das Recht gebunden sind und auch keinerlei Möglichkeiten haben die Macht des Souverän einzuschränken (vgl. ebd.: 35). Da keine rechtlichen Normen existieren haben die Beherrschten auch kein Widerstandsrecht (vgl. ebd.: 35).
3. Leben und Werk von Thomas Hobbes
Hobbes wird im Jahr 1588 als Sohn eines armen, bildungsfernen Landvikars in Westport bei Wiltshire geboren. Schon früh ermöglichte ihm sein wohlhabender Onkel den Besuch auf einer Privatschule der Universität Oxford wodurch er bereits 1607 das Baccalaureat und die Lehrbefugnis für Logik erhält (vgl. Schwan 2000: 178). Hier beschäftigte er sich kritisch mit Aristoteles und der Scholastik. Er bekam die Chance Hofmeister und Tutor in der einflussreichen Familie des Barons Cavendish of Hardwick zu werden. Diese Position garantierte ihm materielle Unabhängigkeit und einige Reisen nach Frankreich und Italien die ihm Bildungs- und Begegnungsmöglichkeiten schaffen (vgl. ebd.: 178). So führte ihn dies zu einigen der wichtigsten Begründern des naturwissenschaftlich geprägten neuzeitlichen Weltbildes. Unter anderem Rene Descartes, Pierre Gassendi und Galileo Galilei (vgl. ebd.: 179).
Als sich der Konflikt in Großbritannien zwischen Karl I. und dem Parlament verschärfte, floh er aufgrund seiner Parteinahme für die Krone 1640 aus Angst vor Verfolgung nach Paris (vgl. ebd.: 179). Dort blieb er über zehn Jahre und veröffentlichte eine umgearbeitete Fassung seiner Staatstheorie unter dem Namen De Cive sowie die letzte und reifeste Fassung mit dem Leviathan im Jahr 1651 (vgl. ebd.:179).
Der Bürgerkrieg hatte einen enormen Einfluss auf das Leben von Thomas Hobbes. Deshalb war sein zentrales Ziel eine Staatstheorie als Wissenschaft zu entwickeln, mit deren Hilfe man den absoluten Frieden herbeiführen kann (vgl. ebd.: 180).
Als er wieder nach England zurückkehrt, genießt er die Unterstützung seiner adligen Freunde, welche ihn insbesondere gegen Angriffe aus der Kirche verteidigen. Von der Kirche wird Hobbes zu dieser Zeit des Atheismus bezichtigt (vgl. ebd.: 179).
Nach der Veröffentlichung der beiden anderen Teile seiner Staatsphilosophie (De corpore und De homine) enthüllt er 1668 eine lateinische Version des Leviathan, die an einigen stellen etwas abgeändert wurde (vgl. ebd. 179).
Thomas Hobbes starb 1679 im Alter von 91 Jahren auf einem Gut der Familie Cavendish (vgl. ebd.: 179).
4. Darstellung der Staatstheorie von Thomas Hobbes
Für Hobbes ist der Mensch nicht nur Konstrukteur sondern auch Werkstoff des Staates (vgl. Kersting 1994: 64). Deshalb muss zuerst erkannt werden wie die menschliche Natur beschaffen ist und wie gut sich diese zur Bildung eines Staates eignet (vgl. Kersting 1994: 62). Aufgrund dieser Grundlage soll im Folgenden auf das im Leviathan beschriebene Menschenbild von Hobbes eingegangen werden.
4.1 Menschenbild und Naturzustand
Einer der berühmtesten Zitate von Thomas Hobbes lautet „Homo homini lupus“ (Kersting 2016: 41) und bedeutet, dass der Mensch gegenüber anderen Menschen zum Wolf wird. Diese Formulierung beschreibt den vorstaatlichen Zustand im Naturzustand ziemlich treffend. Damit ist aber keine wölfische Triebnatur gemeint, sondern das die Menschen im Naturzustand eine wölfische Überlebenstrategie entwickeln müssen (vgl. ebd.: 41).
Für Hobbes nimmt der Naturzustand deshalb den Charakter eines Kriegszustandes an, „ein Zustand des Krieges aller gegen alle, eines jeden gegen einen jeden.“ (Kersting 1994: 65) Dies müssen allerdings nicht immer tatsächliche kriegerische Handlungen sein, sondern meint auch einen Zustand der Unsicherheit, Furcht und des Misstrauens gegenüber den anderen Menschen (vgl. Kersting 1994: 65).
Im Naturzustand sind alle Menschen am Erfolg ihrer Handlungen interessiert und wollen ihre eigenen Interessen verfolgen (vgl. Kersting 2016: 39). Ihr fundamentales Interesse gilt der Erhaltung des eigenen Lebens. Dies ist für den Menschen wichtiger als das Leben und das Wohlergehen anderer (vgl. ebd.: 39).
Desweiteren konkurrieren die Naturzustandsbewohner unter der Bedingung einer doppelten unaufhebbaren Knappheit um begehrte Güter (vgl. ebd.: 39). Dies bedeutet, dass sowohl die Güter als auch die Mittel für den Erwerb der Güter knapp sind (vgl. ebd.: 39). Somit sind die Menschen in zweifacher Hinsicht Konkurrenten, wodurch wiederum Konflikte erzeugt werden (vgl. ebd.: 39). Laut Hobbes werden Konkurrenten im Naturzustand auch automatisch zu Feinden welche grundsätzlich gewaltbereit sind (vgl. ebd.: 40).
Allerdings verfügt der Mensch im Naturzustand auch über Vernunft, wodurch er versucht, bestmöglich für sich zu Planen um seinen Nutzen zu maximieren (vgl. ebd.: 40). Die Naturzustandsbewohner sind also Nutzenmaximierer, sie sind vom Stamme des „homo oeconomicus“. Dies sind rationale Egoisten, die versuchen, durch offensives Misstrauen und präventives handeln Schaden abzuwehren (vgl. ebd.: 40). Dabei gilt, das auf die Friedfertigkeit der anderen zu Vertrauen irrational wäre. Rational hingegen ist es immer mit dem schlimmsten zu rechnen und der Gewalt der anderen zuvorzukommen (vgl. ebd.: 40).
Die letzte Vorraussetzung des Naturzustandsarguments ist die natürliche Gleichheit zwischen den Menschen (vgl. ebd.: 42). Hinsichtlich der geistigen und körperlichen Fähigkeiten sind im Naturzustand alle Menschen so geschaffen, dass der stärkste Mensch durch den schwächsten Menschen getötet werden kann (vgl. Pohlmann 1988: 39). Das heißt, dass es von Natur aus keine natürlichen Sieger oder Verlierer gibt (vgl. Kersting 1994: 42). Durch diese „Bedrohungssymmetrie“ (Kersting 2016: 42) ist jeder Mensch für jeden Menschen eine lebensgefährliche Bedrohung. „Die natürliche Gleichheit der Menschen verhindert, dass sich jemand im Naturzustand dauerhafte Vorteilspositionen schaffen kann“ (ebd.: 42).
Da der Mensch vernünftig ist, erkennt er, dass „nur im Frieden die Sicherheit menschlichen Lebens vor gewaltsamem Tod angesichts des allgemeinen Machtstrebens gewährleistet ist“ (Schwan 2000: 183). Dies verläuft in einem dreiphasigen Lernprozess. In der ersten Phase merkt der Mensch, dass die rationale Strategie des Wettrüstens den Naturzustand zu einem lebensgefährlichen Ort macht (vgl. Kersting 1994: 79).
Die Individuen erkennen weiter, dass sie mit den anderen Menschen kooperieren müssen um den Naturzustand aufzuheben (vgl. ebd.: 79). In der zweiten Phase wird die Aufrüstungsstrategie durch ein System von Kooperationsregeln ausgetauscht (vgl. ebd.: 79).
In der dritten Phase sieht die Vernunft ein, dass es nicht genügt Kooperationsregeln zu entwerfen um Frieden zu gewährleisten (vgl. ebd.: 79). Nun wird erkannt, dass die allgemeine Befolgung der Friedens- und Kooperationsvorschriften erst dann gewährleistet ist, sobald eine Zwangsgewalt existiert, welche diesen Vorschriften auch Wirksamkeit verschafft.
Nach Hobbes muss für die Schaffung des Friedens zuerst eine staatliche Zwangs- und Herrschaftsordnung geschaffen werden (vgl. Kersting 2016: 45f.). Seine Vorstellungen zu dessen Konstruktion und Beschaffenheit werden nun genauer erläutert.
4.2 Entstehung des Staates
Die durch den Lernprozess erlangte Erkenntnis und die freiwillige Kooperation reichen für Hobbes nicht aus, um den Kriegszustand zu beenden (vgl. Kersting 1994: 79). Den zweiten entscheidenden Schritt sieht Hobbes in der Errichtung einer Zwangsgewalt, einer Souveränität die in der Lage ist die Menschen zu schützen und ihnen Sicherheit zu gewährleisten. So schreibt Hobbes: „Und Verträge ohne das Schwert sind bloße Worte und besitzen nicht die Kraft, einem Menschen auch nur die geringste Sicherheit zu bieten“ (Hobbes 1984: 131). Dieser Vertragsschluss zwischen allen Individuen sieht folgendermaßen aus:
„Der alleinige Weg zur Errichtung einer solchen allgemeinen Gewalt, die in der Lage ist, die Menschen vor dem Angriff Fremder und vor gegenseitigen Übergriffen zu schützen und ihnen dadurch eine solche Sicherheit zu verschaffen, daß sie sich durch eigenen Fleiß und von den Früchten der Erde ernähren und zufrieden leben können, liegt in der Übertragung ihrer gesamten Macht und Stärke auf einen Menschen oder eine Versammlung von Menschen, die ihre Einzelwillen durch die Stimmenmehrheit auf einen Willen reduzieren“ (Hobbes 1984: 134)
So kann man hierbei auch von einem Rechtsübertragungsvertrag sprechen, da alle Individuen ihre gesamten Rechte an einen unbeteiligten Dritten übertragen (vgl. Kersting 2016: 48). Alle Bürger geben ihren egoistischen Willen auf und schaffen dadurch den einen Willen, der den sehnlichst gewünschten Frieden durchzusetzen vermag (vgl. Schwan 2000: 184). Dieser unbeteiligte Dritte ist der Souverän, also der Staat. Der Souverän ist hierbei kein Vertragspartner sondern erhält die Macht aller Menschen um ihnen Selbsterhaltung zu ermöglichen (vgl. Pohlmann 1988: 40). Der Unterwerfungsvertrag wird also nur von den Unterworfenen untereinander geschlossen.
Der dabei geschlossenen Vertrag ist eine Mischung aus Herrschafts- und Gesellschaftsvertrag (vgl. Kersting 2016: 47). Er ist der Grund der Vergesellschaftung der Individuen und zeitgleich der Grund der Herrschaftserrichtung (vgl. ebd.: 47). Das oberste Ziel des Staates ist also die Friedenssicherung nach innen und nach außen.
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