Die Arbeit vermittelt zunächst einen Überblick über die bisherige Rechtsprechung des EuGH zum Thema Kindergeld und evaluiert dabei die Entwicklung bis heute. Zum anderen beschäftigt sie sich im Kern mit der Frage, ob eine Indexierung des Kindergeldes für EU-Ausländer mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Unter anderem stellen sich die Fragen: Welcher Staat ist zum Beispiel für die Bereitstellung der Familienleistung primär zuständig? Soll sich die Höhe der Leistungen an den im Wohnstaat der Familie gezahlten Leistungen oder an denjenigen des Beschäftigungsstaates orientieren?
Die Indexierung des Kindergeldes für EU-Ausländer ist ein aktuelles Thema, das polarisiert. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Familienleistungen sich im europäischen Vergleich durch eine große Heterogenität in Bezug auf Zielsetzung, Anspruchsvoraussetzungen und Finanzierung auszeichnen. Gerade im Fall von grenzüberschreitenden Sachverhalten werfen sie im Zusammenhang mit der in Art. 45 AEUV verankerten Grundfreiheit auf Arbeitnehmerfreizügigkeit viele Fragen auf. Darüber hinaus ist das Wohlstandsgefälle zwischen den einzelnen Mitgliedstatten nach wie vor hoch. So ist es wenig verwunderlich, dass bei politischen Diskussionen um den missbräuchlichen Zuzug von Unionsbürgern und anderen Migranten in die Sozialsysteme der reicheren Mitgliedstaaten auch die Zahlung von Kindergeld ins Visier rückt. Bestrebungen, Kindergeld für EU-Ausländer zu beschränken oder diese vom Bezug ganz auszuschließen sind daher nicht neu.
Im Rahmen der Debatte um einen Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union stellte der Europäische Rat im Jahr 2016 die Option in Aussicht, das Kindergeld für dort lebende Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten an den Lebensstandard des Wohnmitgliedstaates ihrer Kinder zu koppeln. Die Kommission hat daraufhin mit Blick auf die weitere EU-Mitgliedschaft Großbritanniens am 13.12.2016 Reformvorschläge zur Änderung der VO (EG) Nr. 883/2004 vorgelegt. Mit dem Austrittsansuchen des Vereinigten Königreichs vom 29.03.2017 ist eine Annahme der Verordnung jedoch gegenstandslos geworden. Österreich hat diese Idee wieder aufgegriffen und eine entsprechende Indexierung für im Ausland lebende Kinder, welche zum Jahresbeginn 2019 in Kraft trat, eingeführt.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Kurzdarstellung der gemeinschaftsrechtlichen Koordinierung der Familienleistungen
- C. EuGH-Rechtsprechung zum Thema Kindergeld.
- I. Beschäftigungsland- vs. Wohnlandprinzip „Pinna I“.
- 1. Sachverhalt..
- 2. Argumentationslinie des EuGH
- II. Weitere Rechtsprechung..
- 1. Die Tatbestandsgleichstellung ...
- a) Urteile,,Bronzino“ und „Gatto“.
- b) Urteil,,Trapkowski“..
- 2. Das Günstigkeitsprinzip...........
- a) Urteile „Bosmann“, „Hudzinski“ und „Wawrzyniak“.
- b) Urteil,,Franzen“.
- 3. Das Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich.
- 4. Der Fall,,Bogatu“.
- 5. Der Gleichbehandlungsgrundsatz.
- D. Bewertung der Rechtsprechung bis heute
- E. Indexierung des Kindergeldes
- I. Bezugsgröße der Indexierung...
- II. Nationale Regelung zur Indexierung des Kindergeldes am Beispiel Österreichs
- 1. Vereinbarkeit mit dem sekundären Unionsrecht.....
- a) Koordinierungsverordnung (EG) Nr. 883/2004.
- aa) Art. 67 S. 1 VO (EG) Nr. 883/2004...
- bb) Art. 7 der VO (EG) Nr. 883/2004
- cc) Art. 4 der VO (EG) Nr. 883/2004...
- (1) Offene Ungleichbehandlung
- (2) Versteckte Ungleichbehandlung
- (3) Rechtfertigung.......
- b) Art. 7 der Freizügigkeitsverordnung (EU) Nr. 492/2011
- 2. Zwischenergebnis.
- III. Sekundärrechtsänderung im Bereich des koordinierenden EU-Sozialrechts
- 1. Vereinbarkeit mit dem primären Unionsrecht .\n
- a) Legislativer Ausgestaltungsspielraum?..\n
- b) Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ........\n
- aa) Offene Diskriminierung.\n
- bb) Versteckte Diskriminierung\n
- (1) Vorliegen einer Diskriminierung.\n
- (2) Rechtfertigung..\n
- c) Verbot der Einführung neuer Unterschiede auf Sekundärrechtsebene\n
- d) Vereinbarkeit mit dem primärrechtlich verankerten Exportprinzip.………....\n
- e) Vereinbarkeit mit Art. 34 Abs. 2 GRCh\n
- 2. Zwischenergebnis\n
- IV. Zusammenfassung.\n
- V. Rechtsschutzmöglichkeiten\n
- 1. Rechtsschutz auf europäischer Ebene.…….....\n
- a) Vertragsverletzungsverfahren\n
- b) Direktklage vor den europäischen Gerichten.......\n
- 2. Rechtsschutz auf nationaler Ebene\n
- F. Fazit und Ausblick\n
- Gemeinschaftsrechtliche Koordinierung der Familienleistungen
- Rechtsprechung des EuGH zum Kindergeld
- Vereinbarkeit der Indexierung mit dem Unionsrecht
- Rechtliche Auswirkungen einer nationalen Regelung zur Indexierung
- Rechtsschutzmöglichkeiten im Fall einer Verletzung des Unionsrechts
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der aktuellen und polarisierenden Debatte um die Indexierung des Kindergeldes für EU-Ausländer. Sie analysiert die Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH zum Thema Kindergeld und untersucht, ob eine Indexierung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Darüber hinaus werden die rechtlichen Implikationen einer nationalen Regelung zur Indexierung des Kindergeldes und einer potenziellen Änderung der Koordinierungsverordnung (EG) Nr. 883/2004 im Hinblick auf das Primärrecht und das Sekundärrecht beleuchtet.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung (A.) skizziert den aktuellen Stand der Debatte um die Indexierung des Kindergeldes für EU-Ausländer und die damit verbundenen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Kapitel B. liefert eine Kurzdarstellung der gemeinschaftsrechtlichen Koordinierung der Familienleistungen. Kapitel C. analysiert die Rechtsprechung des EuGH zum Thema Kindergeld, insbesondere die Leitentscheidung „Pinna I“ und die Entwicklung des Rechtsprechungsumfangs. Kapitel D. bewertet die Rechtsprechung bis heute. Kapitel E. beschäftigt sich mit der Frage, ob eine Indexierung des Kindergeldes für EU-Ausländer mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wobei sowohl eine nationale Regelung als auch eine Änderung der Koordinierungsverordnung (EG) Nr. 883/2004 im Hinblick auf das Primärrecht und das Sekundärrecht untersucht werden. Kapitel F. bietet ein Fazit und Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf das Thema Kindergeld, EU-Recht, Freizügigkeit, Koordinierung von Familienleistungen, Rechtsprechung des EuGH, Indexierung, nationale und europäische Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Analyse konzentriert sich auf die Vereinbarkeit der Indexierung des Kindergeldes mit dem Unionsrecht im Lichte der primären und sekundären Rechtsnormen.
- Quote paper
- Lioba Geppert (Author), 2020, Ist eine Indexierung des Kindergeldes für EU-Ausländer mit dem Unionsrecht kompatibel?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/935539