Ein gut durchdachtes und auf das jeweilige Zielland ausgerichtetes Rechnungslegung- und Controllingsystem kann ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen sein, die einen Teil ihrer Produktion ins Ausland verlagern möchten.
Deswegen befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Einführung eines Rechnungslegungssystems in einer neu aufgebauten chinesischen Niederlassung eines deutschen mittelständischen Unternehmens.
Dazu wird zunächst die externe Rechnungslegung in ihrer zeitlichen Entwicklung in China im Vergleich zu den Rechnungslegungsnormen in Deutschland betrachtet. Darauffolgend werden allgemeine und bewertungsspezifische Unterschiede zwischen den beiden Rechnungslegungssystemen herausgearbeitet. Als Fazit dieser Arbeit werden die wesentlichen Herausforderungen der externen Rechnungslegung dargestellt, mit denen sich deutsche Unternehmen in China konfrontiert sehen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Externe Rechnungslegung in China und Deutschland
2.1 Allgemeines Verständnis externer Rechnungslegung
2.2 Rechnungslegungsstandards und ihre zeitliche Entwicklung
2.2.1 Handelsgesetzbuch (HGB) in Deutschland
2.2.2 Chinese Accounting Standards (CAS) in China
2.3 Wichtige Unterschiede zwischen Deutschland und China
2.3.1 Allgemeine Unterschiede zwischen dem HGB und CAS
2.3.2 Bewertungsunterschiede zwischen HGB und CAS
3. Fazit
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
ADHGB - Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
CAS - Chinese Accounting Standards
GuV - Gewinn- und Verlustrechnung
HGB - Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III,
Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist.
IAS - International Accounting Standards
IFRS - International Financial Reporting Standards
KMU - kleine und mittelständische Unternehmen
MoF - Ministry of Finance (dt. Ministerium für Finanzen)
SAV - Sachanlagevermögen
1. Einleitung
Ein gut durchdachtes und auf das jeweilige Zielland ausgerichtetes Rechnungslegungs- und Controllingsystem kann ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen sein, die einen Teil ihrer Produktion ins Ausland verlagern möchten.
Deswegen befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Einführung eines Rechnungslegungssystems in einer neu aufgebauten chinesischen Niederlassung eines deutschen mittelständischen Unternehmens.
Dazu wird zunächst die externe Rechnungslegung in ihrer zeitlichen Entwicklung in China im Vergleich zu den Rechnungslegunsnormen in Deutschland betrachtet. Darauffolgend werden allgemeine und bewertungsspezifische Unterschiede zwischen den beiden Rechnungslegungssystemen herausgearbeitet. Als Fazit dieser Arbeit werden die wesentlichen Herausforderungen der externen Rechnungslegung dargestellt, mit denen sich deutsche Unternehmen in China konfrontiert sehen.
2. Externe Rechnungslegung in China und Deutschland
2.1 Allgemeines Verständnis externer Rechnungslegung
In Deutschland und China hat sich die externe Rechnungslegung über unterschiedliche zeitliche Perioden entwickelt. In den Vorgängerstaaten der Bundesrepublik Deutschland bildeten sich bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Regularien zur externen Rechnungslegung heraus. Die Volksrepublik China nutzte hingegen, ab ihrer Gründung im Jahre 1949,1 ein Rahmenwerk, welches sehr stark an die Rechnungslegungsstandards der Sowjetunion angelehnt war. Nicht zuletzt, auch aufgrund der kulturellen Unterschiede, werden mit den unterschiedlichen Systemen verschiedene Interessen verfolgt. Traditionell verfolgt das deutsche System den nachhaltigen Ansatz der Unternehmenserhaltung, um den Schutz der Gläubiger sicherzustellen. Im chinesischen System wird der kulturell bedingte kollektivistische Ansatz deutlich, da eine zentral gesteuerte Wirtschaftspolitik zur Unterstützung der sozialistischen Marktwirtschaft angestrebt wurde. Im Zuge der Öffnung des chinesischen Marktes, Ende der 1970er Jahre, entwickelten sich die chinesischen Vorschriften und Regularien von dem sozialistischen, zum kapitalmarktorientierten Ansatz.2
Ein Erfahrungsbericht verdeutlicht, dass aufgrund der relativ späten Zuwendung zur Kapitalmarktorientierung und eines damit einhergehenden stärkeren Rendite- und Optimierungsdrucks, die Bedeutung der internen Steuerungssysteme bzw. des Controllings hinter der externen Rechnungslegung zurückliegen. In dem Erfahrungsbericht wird erwähnt, dass die Informationen, die der ehemalige Manager zur Steuerung des Unternehmens nutzte, aus dem externen Rechnungswesen kamen. Dem Controlling wurde damals die Kontrolle der Einkaufsabteilung zugeordnet. Interessant war dabei, dass die Abteilung des Controllings im Unternehmen nur aus diesem einen Grund gegründet wurde. Die Führung des Unternehmens basierte demnach wesentlich auf den Daten des externen Rechnungswesens.3
Diese Ausführungen sollen vorerst nur verdeutlichen, dass die Entwicklung und das Grundverständnis der externen Rechnungslegung, dieser beiden Nationen, ca. 100 Jahre auseinanderliegen und unterschiedliche Interessen verfolgen.
2.2 Rechnungslegungsstandards und ihre zeitliche Entwicklung
2.2.1 Handelsgesetzbuch (HGB) in Deutschland
1861 wurde das erste, einheitliche Handelsrecht in Deutschland unter dem Namen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB) in Kraft gesetzt. Die ersten Buchführungs- und Bilanzierungspflichten liegen bereits 155 Jahre zurück und sind heute im Handelsgesetzbuch (HGB) für alle Kaufleute verbindlich gültig.4 Bereits zu dieser Zeit wurden die allgemeinen handelsrechtlichen Regelungen, als verlässliche Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung, akzeptiert.5 1874 wurde ein wesentlicher Grundsatz des heutigen HGB, durch Bremen und Sachsen, per Gesetz entschieden. Dieser besagt, dass das Handelsbilanzergebnis die maßgebliche Grundlage zur Ermittlung der Einnahmen aus Gewerbebetrieb ist.6 Diese Entscheidung gilt als „Geburtsstunde“7 des im deutschen Handels- und Steuerrecht wichtigen Maßgeblichkeitsprinzips.8 Mit dem Inkrafttreten des HGB zum 01.01.1900 wurden die Gesetzesvorschriften des ADHGB im Wesentlichen übernommen9 und um Neuerungen, wie z.B. den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB), ergänzt.10 Das heute gültige HGB ist durch eine Vielzahl kleinerer und größerer Anpassungen entstanden. Die Aktienrechtsverordnung (1931)11 und die damit einhergehende Entstehung des Aktiengesetzes (1937)12 stellten erste große Anpassungen im Zeitverlauf dar. Die Einführung des Publizitätsgesetzes (1969) diente zur Befriedigung des gesteigerten Informationsinteresses bei Personengesellschaften.13 Im Zuge der Harmonisierung des europäischen Handelsbilanzrechts wurde 1985 das Bilanzrichtliniengesetz erlassen, in dem europarechtliche Vorgaben eingeleitet und umgesetzt wurden.14 Die hervorstechendste Änderung dabei war die Rückführung der zuvor ausgelagerten rechtsformspezifischen Rechnungslegungsvorschriften für Aktiengesellschaften in das HGB.15 Durch das in 2009 in Kraft getretene BilMoG wurden einzelne Wahrechte entfernt und eine teilweise Lösung zwischen dem Steuer- und Bilanzrecht durchgeführt.16 Das in 2015 in Kraft getretene BilRUG passte das HGB im Zuge der Harmonisierung in Europa, in einigen Punkten, an. Die Anhebung der Schwellenwerte für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) zur Einordnung in die Größenklassen und die Neudefinition der handelsrechtlichen Umsatzerlöse sind durch das BilRUG entstandene Änderungen.17
2.2.2 Chinese Accounting Standards (CAS) in China
Die modernen Rechnungslegungsstandards in China finden über einen vergleichsweise deutlich kürzeren Zeitraum Anwendung. 1949 geht der Beginn der Rechnungslegungspflichten mit der Gründung der Volksrepublik China einher. Als Zielsetzung wurde die Entwicklung eines zentral gesteuerten Systems, zur Unterstützung einer sozialistischen Wirtschaft, angestrebt. Dies sollte mithilfe der Rechnungslegungsstandards der Sowjetunion erreicht werden, welche im Wesentlichen adaptiert und angewandt wurden. 1978 wurde im Zuge der wirtschaftlichen Reformen festgestellt, dass für ausländische Investoren und moderne Führungsentscheidungsprozesse die bisherigen gesetzlichen Berichtssysteme unzweckmäßig sind. 1985 wurden erste international orientierten Rechnungslegungsregularien für chinesisch-ausländische Joint Ventures, vom Ministerium für Finanzen (MoF), verpflichtend herausgegeben.18 1999 wurde das Rechnungslegungsgesetz Chinas (Accounting law) letztmalig überarbeitet. Dieses Rechnungslegungsgesetz regelt u.a. die Funktionen des Rechnungswesens, die Organisation der Buchführung, die Anforderungen an die Qualifikationen der im Rechnungswesen tätigen Berufsgruppen und die rechtlichen Verantwortungen.19 1992 wurde die Abschaffung des dualen Systems (Accounting law und Sowjetunionmodell) durchgeführt. Das MoF hat dazu eigene Accounting Standards for Business Enterprises für alle chinesischen Unternehmen, unabhängig von der Eigentümerstruktur, verpflichtend herausgegeben. 2006 hat das MoF, einhergehend mit der fortschreitenden Öffnung des chinesischen Marktes für ausländische Investoren, einige vollständig neue Rechnungslegungsstandards veröffentlicht. Diese neuen chinesischen Rechnungslegungsstandards werden sowohl als New Accounting Standards for Business Enterprises20, Chinese Accounting Standards (CAS) oder Volksrepublik China Generally Accepted Accounting Principles in der Literatur genannt. Die derzeit gültigen Rechnungslegungsstandards beinhalten ein grundlegendes Rahmenkonzept, 38 spezifische Standards und stimmen in weiten Teilen mit den aktuellen International Financial Reporting Standards (IFRS) überein.21 Zur Vereinheitlichung wird in den folgenden Ausführungen einheitlich der Begriff CAS, für die derzeit gültigen Rechnungslegungsstandards, verwendet. Die unterschiedliche Entstehung des HGB und der CAS verdeutlichen, dass die CAS, mit ihrem weniger als 10jährigen Bestehen, nicht die Bedeutung und das Selbstverständnis der externen Rechnungslegung aufweisen wie es beim HGB der Fall ist. Die daraus entstehenden Herausforderungen werden im Kapitel 3.4 näher dargestellt.
2.3 Wichtige Unterschiede zwischen Deutschland und China
2.3.1 Allgemeine Unterschiede zwischen dem HGB und CAS
In diesem Abschnitt werden allgemeine und grundsätzliche Unterschiede zwischen dem HGB und den CAS näher erläutert. Für KMU ist es wichtig, die allgemeinen Differenzen der unterschiedlichen Rechnungslegungssysteme zu wissen, bevor der Markteintritt durchgeführt wird. Die im Folgenden näher betrachteten Bereiche der verschiedenen Systeme sind:
- Grundsatz
- Vorrangiges Ziel
- Regulatorisches Umfeld
- Bestandteile des Abschlusses
- Darstellung der Bilanz
- Sprache
- Währung
- Geschäftsjahr
- Buchhaltungssoftware
Dem Grundsatz nach bezieht sich das HGB auf den Gläubigerschutz, welcher sich aus dem allgemeinen Vorsichtprinzip heraus ergibt.22 Der Gläubigerschutz beinhaltet alle Rechtsbestimmungen und Vorgaben, die das Ziel verfolgen alle bereits vorhandenen und möglichen Gläubiger eines Unternehmens zu schützen.23 Bei den CAS steht vorrangig der Investorenschutz im Fokus. Es wird daraus abgeleitet, dass die CAS in einem hohen Maße mit den IFRS übereinstimmen24 und die IFRS vorrangig den Investorenschutz verfolgen.25 Für deutsche KMU stellen die CAS daher ein den tatsächlichen Umständen entsprechendes Unternehmensbild dar. Mit Blick auf die Übernahme von chinesischen Unternehmen ist der fair-presentation Ansatz als positiv zu bewerten. Bei der Integrierung eines chinesischen Einzelabschlusses in einen u.U. notwendigen deutschen Konzernabschluss wird es, durch die verschiedenen Grundsätze, zu Differenzen in der Überleitung kommen.
Das vorrangige Ziel des HGB ist die Gewinnermittlung für Ausschüttungen und die Erhaltung der Haftungssubstanz des Unternehmens.26 Das Ziel der Haftungssubstanz erschließt sich aus der konsequenten Verknüpfung des Gläubigerschutzes mit dem Vorsichtsprinzip, das häufig auf eine Bildung von stillen Reserven abzielt. Die CAS verfolgen einen fair-presentation Ansatz, wonach eine periodengerechte Gewinnermittlung und –darstellung erzielt werden soll, um bestehenden und potentiellen Investoren transparentere Informationen zur Entscheidungsfindung zur Verfügung zu stellen.27
Das regulatorische Umfeld des HGB richtet sich nach dem Code Law. Die Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften werden dazu in umfangreichen Gesetzesvorschriften erlassen.28 Durch den allgemeingültigen Charakter ist das HGB weniger umfangreich, jedoch ermöglichen die Vorschriften einen höheren Auslegungsgrad. Bei den CAS ist die Strukturierung der Rechnungslegungsvorschriften durch das Case Law bestimmt.29 Dies lässt sich aus der weitgehenden Übereinstimmung mit den IFRS schließen.30 Im Gegensatz zum Code Law kennzeichnet sich das Case Law durch eine Vielzahl von einzelfallbezogenen Regelungen aus. Vorteilhaft sind die exakten Regelungen von jedem einzelnen Sachverhalt, jedoch sind dadurch entstehenden Wiederholungen unvermeidlich.31
Die Bestandteile des HGB Abschlusses sind nach den §§ 242 und 264 Abs. 1 HGB die Bilanz, GuV, Anhang, Lagebericht und für kapitalmarktorientierte Unternehmen, die keinen Konzernabschluss aufstellen, eine Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalveränderungsrechnung. Das HGB sieht dabei für kleine Unternehmen und Kleinstkapitalgesellschaften Erleichterungen vor. Nach den CAS 30.2 hat jeder vollständige Jahresabschluss eine Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalflussrechnung und Anhang zu beinhalten. Deutsche KMU, die bisher nicht kapitalmarktorientiert waren und keinen Konzernabschluss aufstellen mussten, müssen erstmalig Elemente wie die Kapitalfluss- und Eigenkapitalveränderungsrechnung, bei einem möglichen chinesischen Tochterunternehmen (TU), aufstellen.
KMU, die keine Erfahrung in der chinesischen Buchhaltung haben, müssen bei der Darstellung der Bilanzen auf deren Aufbau achten. Die Darstellung im HGB hat grundsätzlich nach den in den §§ 266 und 275 HGB definierten Formaten zu erfolgen. Im Gegensatz dazu ist die Bilanz gem. dem im CAS 30 definierten Format aufzustellen und zu gliedern. Weitere Formate des Jahresabschlusses sind für bestimmte Unternehmenskategorien, wie z.B. Banken oder Versicherungen, vorgeschrieben. Die Gliederung erfolgt gem. CAS 30 i.d.R. nach Fristigkeiten, sodass nicht wie im HGB vom langfristigen zum kurzfristigen sondern vom kurzfristigen zum langfristigen Vermögen gegliedert wird. Es ist zulässig die Gliederung gem. CAS 30.12 nach der Liquidität durchzuführen, sofern dadurch verlässliche und relevantere Informationen bereitgestellt werden.32 Insgesamt muss darauf geachtet werden wie die Bilanzen von chinesischen Konkurrenzunternehmen oder möglichen zu übernehmenden Unternehmen gegliedert sind, damit keine unzureichend begründeten Entscheidungen gefällt werden.
In Bezug auf die Sprachvorgaben ist das HGB nicht so restriktiv wie die CAS. Das HGB erlaubt die Führung der Handelsbücher gem. § 239 Abs. 1 HGB in einer „lebenden Sprache“ durchzuführen. Deutsch ist folglich nicht fest vorgeschrieben. Jedoch muss der Jahresabschluss gem. § 244 HGB in deutscher Sprache aufgestellt werden und die Finanzverwaltung ist befugt eine Übersetzung der Handelsbücher in die deutsche Sprache zu verlangen.33 Die Sprache der Rechnungslegungsdokumente hat in China zwingend in Chinesisch zu erfolgen.34 Der Artikel 22 des chinesischen Accounting law erlaubt es Unternehmen, die einen ausländischen Anteilseigner haben, eine zusätzliche Fremdsprache bei der Führung der Handelsbücher zu nutzen. Das HGB erleichtert, in Bezug auf die flexible Wahl der Sprache der Handelsbücher, den Markteintritt von Unternehmen in Deutschland, im Gegensatz zu den CAS.
Ähnlich verhält es sich mit den nationalen Währungen. Gem. § 244 HGB ist der Jahresabschluss in Euro aufzustellen. Es ist allerdings zulässig unter bestimmten Voraussetzungen die Buchführung in einer Fremdwährung durchzuführen.35 Die CAS schreiben vor, dass der Jahresabschluss sowie die Buchführung in Renminbi zu erfolgen hat.36 Jedoch darf nach Artikel 22 des chinesischen Accounting law eine Fremdwährung als Erfassungswährung genutzt werden, sofern die Geschäfte des Unternehmens im Wesentlichen in dieser Währung erfolgen. Es muss aber zum Jahresabschluss eine Umrechnung aller Handelsbücher und Berichte in Renminbi erfolgen. In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Rechnungslegungssysteme, bezogen auf die nationalen Interessen, nicht.
Eine weitere Herausforderung ist die Vorgabe des Geschäftsjahres für die KMU, die ein Geschäftsjahr losgelöst vom Kalenderjahr haben. Im HGB gibt es keine direkten Vorgaben zum Abschlussstichtag eines Geschäftsjahres.37 Die Dauer eines Geschäftsjahres gem. § 240 Abs. 2 HGB darf den Zeitraum von zwölf Monaten nicht überschreiten. Im Artikel 11 des chinesischen Accounting law wird der 31. Dezember eines jeden Jahres als Abschlussstichtag des Geschäftsjahres festgeschrieben. Dies kann insbesondere bei Unternehmen mit saisonalem Hauptgeschäft zu einem erhöhten Aufwand führen, wie z.B. der Wirtschaftsprüfungsbranche, die traditional über den Jahreswechsel ihr Hauptgeschäft betreibt.
Die differierenden Systeme spiegeln sich auch bei den Vorgaben der zu nutzenden Buchhaltungssoftware wieder. Im Zuständigkeitsbereich des HGB ergeben sich die Anforderungen aus den GoB heraus, wie z.B. Nachverfolgbarkeit von Geschäftsvorfällen, Übersichtlichkeit zu Kontrollzwecken und der Vorbeugung von rückwirkenden Manipulationen. Die eingesetzte Software muss bei keiner staatlichen Stelle registriert werden.38 Bei der Buchhaltungssoftware besteht in China ein höherer Grad an Regulierung. Zum einen muss die Buchhaltungssoftware bei der örtlichen Finanzverwaltung registriert werden. Zum anderen werden verpflichtende Anforderungen an das System gestellt, wie z.B. eine chinesische Benutzeroberfläche, die Einrichtung des gesetzlich vorgeschriebenen Standard-Kontenrahmens, sämtliche Ausdrücke aus dem System müssen mind. in chinesischer Sprache geschrieben sein und eine Vermeidung von nachträglichen Änderungen von geschlossenen Berichtszeiträumen muss gewährleistet sein. In Ausnahmefällen muss bei der Änderung von historischen Daten die Nachverfolgbarkeit in Bezug auf den Nutzer und den Zeitpunkt sichergestellt sein.39
2.3.2 Bewertungsunterschiede zwischen HGB und CAS
Nachdem die allgemeinen und grundsätzlichen Unterschiede dargestellt wurden, werden in diesem Abschnitt die bewertungsspezifischen Differenzen zwischen dem HGB und den CAS auszugsweise erläutert. Es werden zur Veranschaulichung der beiden Rechnungslegungssysteme zwei unterschiedliche Sachverhalte näher erläutert. Die folgenden näher betrachteten Unterschiede sind:
- Fertigungsaufträge
- Wertaufholung im Sachanlagevermögen (SAV)
Als erstes Beispiel wird die unterschiedliche Bewertung von Fertigungsaufträgen, die über einen Zeitraum andauern der mind. einen Bilanzstichtag überschreitet, nach HGB und CAS dargestellt. Unter dem Begriff Fertigungsauftrag wird gem. IAS 11.3 und CAS 15.2 ein Vertrag über eine kundenspezifische Fertigung verstanden, der hinsichtlich Design, Technologie und Funktion aufeinander abgestimmt oder voneinander abhängig ist. Beispielhaft dafür ist die Fertigung einer Yacht mit einer geplanten Bauzeit von drei Jahren. Nach den CAS 15.18 ist dabei die Percentage-of-Completion-Methode (PoCM) anzuwenden, sofern das Ergebnis des Fertigungsauftrages zum Bilanzstichtag verlässlich geschätzt werden kann. Daraus ergibt sich die Pflicht, den periodenbezogenen Gewinn, bezogen auf den Fertigstellungsgrad, auszuweisen. Dabei werden der Gewinn, die Umsatzerlöse und die anteiligen Kosten periodengerecht im Jahresabschluss zugeordnet.40 Diese Verfahrensweise folgt dem fair-presentation Ansatz, der sich auch in den IFRS wiederfindet. Im HGB sind keine spezifischen Bilanzierungsregeln zum Thema Fertigungsaufträge enthalten. Die allgemeinen Regelungen, wie z.B. die Gewinnrealisierung nach dem Realisationsprinzip, sind daher anzuwenden.41 Gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ist eine grundsätzliche Gewinnrealisierung vor Auslieferung oder Abnahme durch den Auftraggeber nicht zulässig. Im deutschen Bilanzrecht wird demzufolge nach der „Completion-Contract-Methode“42 bilanziert. Die Fertigungsaufträge, die sich zum Bilanzstichtag noch in der Herstellung befinden, sind mit den bisherigen Herstellungskosten anzusetzen. Im Jahr der Lieferung bzw. Abnahme durch den Auftraggeber wird der vollständige Gewinn des Auftrages erfolgswirksam vereinnahmt.43 In begründeten Ausnahmefällen darf gem. § 252 Abs. 2 HGB eine Teilgewinnrealisierung durchgeführt werden. Voraussetzung für dieses Verfahren sind Verträge, die Meilensteinvereinbarungen beinhalten und durch die sich der Gesamtfertigungsumfang in einzelne abzurechnende Teilfertigungen unterteilen lässt.44
Ein weiterer bewertungsspezifischer Unterschied ist das Thema der Wertaufholung im SAV. In beiden Rechnungslegungssystemen werden gem. CAS 4.17 und § 253 Abs. 3 HGB, unter Beachtung der Nutzungsdauern, die Vermögensgegenstände des SAV planmäßig abgeschrieben. Bei den außerplanmäßigen Abschreibungen gibt es Differenzen. Gem. CAS 4.20, mit Verweis auf CAS 8, ist eine Anlage außerplanmäßig abzuschreiben, sofern der erzielbare Betrag einer Anlage unter seinem Buchwert liegt. Gem. § 253 Abs. 3 HGB ist eine außerplanmäßige Abschreibung ausschließlich bei dauernder Wertminderung erlaubt. Diese Unterschiede erschließen sich jeweils wieder aus dem fair-presentation Ansatz der CAS und dem Vorsichtsprinzip des HGB. Eine grundsätzliche Abweichung bezieht sich auf die Wertaufholung nach außerplanmäßiger Abschreibung im SAV. Im deutschen Bilanzrecht darf gem. § 253 Abs. 5 HGB ein niedrigerer Wertansatz nicht mehr beibehalten werden, sofern die Gründe dafür nicht mehr vorliegen. In der Literatur häufig auch als Wertaufholungsgebot vorzufinden.45 Gem. CAS 8.17 ist es verboten eine Wertaufholung im Folgezeitraum durchzuführen. Das ist eine Besonderheit der CAS, da er ebenfalls von den IAS 36.109 ff. abweicht. Durch diese beiden Unterschiede soll ein Gefühl dafür entwickelt werden, wie wichtig eine intensive Auseinandersetzung mit den beiden Rechnungslegungssystemen ist.
[...]
1 Vgl. Guo (2016), S. 21.
2 Vgl. Riccardi (2016), S.1.
3 Vgl. Gerlach (2009), S. 95.
4 Vgl. Schön (1997), S. 135.
5 Vgl. Krieger (1988), S. 331.
6 Vgl. Thiel/ Lüdtke-Handjery (2005), S. 111 f.
7 Sigloch (1994), S. V.
8 Vgl. Dauber (2003), S. 6 f.
9 Vgl. Schmalenbach (1962), S. 34.
10 Vgl. Eierle (2004), S. 95.
11 Vgl. List (1998), S. 154.
12 Vgl. Brandl (1987), S. 12.
13 Vgl. Sprißler (1976), S. 12.
14 Vgl. BGBl. I (1985), S. 2355 f.
15 Vgl. Eierle (2004), S. 145.
16 Vgl. Marx (2016), S. 391.
17 Vgl. Schön/ Cortez (2016), S. 60.
18 Vgl. Riccardi (2016), S.1.
19 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 19.
20 Vgl. Riccardi (2016), S. 2.
21 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 19 f.
22 Vgl. Geyer (2013), S. 155.
23 Vgl. Böcking/ Oser/ Pfitzer (o. Jg.).
24 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 19 f.
25 Vgl. Wöltje (2013), S. 17.
26 Vgl. Wulf/ Müller (2013), S. 13 f.
27 Vgl. Wöltje (2013), S. 18.
28 Vgl. Schmeisser/ Rönsch/ Zilch (2009), S. 61.
29 Vgl. Hauer/ Schneider (2008), S. 24.
30 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 19 f.
31 Vgl. Hauer/ Schneider (2008), S. 24.
32 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 28.
33 Vgl. ebenda, S. 27.
34 Vgl. ebenda, S. 26.
35 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 29.
36 Vgl. ebenda, S. 28.
37 Vgl. ebenda, S. 23.
38 Vgl. ebenda, S. 27.
39 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 26.
40 Vgl. Wöltje (2013), S. 71.
41 Vgl. Deloitte & Touche GmbH (2013), S. 67.
42 Hauer/ Schneider (2008), S. 23.
43 Vgl. Wöltje (2013), S. 71.
44 Vgl. Hauer/ Schneider (2008), S. 119.
45 Vgl. Vollmuth (2009), S. 325.