Pierre Bourdieu und Niklas Luhmann: zwei großartige Soziologen einer Generation, deren wissenschaftliches Soziologieverständnis kaum gegensätzlicher sein könnte. Bourdieu lässt sich eher als „Praktiker“ beschreiben, der es als seine Pflicht betrachtet, sein, durch wissenschaftliche Forschung entwickeltes Wissen im gesellschaftlichen Alltag gerade für die sozial benachteiligten Akteure einzusetzen. Er provozierte, besser: kämpfte teilweise fast schon distanzlos mitten im Feld seiner Untersuchungen (also: praxisnah), mit dem Ziel einen gesellschaftlichen Wandel im Frankreich der 1970er Jahre herbeizuführen. Der „gleichzeitig bescheidene und selbstbewusste Gestus“ (Nassehi/Nollmann 2004, S. 9) Luhmanns hingegen beschreibt ihn eher als klassischen Theoretiker, der operationale Begriffsbestimmungen vornahm. Er war an einer ausschließlich theoretischen Arbeit interessiert. Beide Sozialwissenschaftler verfolgten jedoch ein gemeinsames Ziel. Sowohl die Analysen zu Bourdieus Distinktionstheorie als auch die zu Luhmanns Systemtheorie sind an der modernen Gesellschaft orientiert. Zunächst scheinen beide viel zu verschieden, um eine sinnvolle Vergleichbarkeit anzugehen. Doch nachdem hier beide Theorien in ihren Grundzügen dargestellt werden, wobei eine sinnvolle Reihenfolge auf Grund eines weitreichenden Ineinandergreifens einzelner Theorieaspekte wohl nur bedingt erfolgen kann, eröffnet ein theoretischer Vergleich interessante Ähnlichkeiten und Unterschiede in ihren Theoriekonstruktionen. Diese müssen als solche aber gar keine große Gewichtung erhalten. Denn im Sinne der Forderung Webers (2005, S. 9f), sinnhaftes Verhalten generalisierend zu erklären, sollten die beiden hier behandelten Werke als sich gegenseitig ergänzende und nicht konkurrierende verstanden werden. Beide Soziologen strebten keinerlei theorievergleichend ausgerichtete soziologische Arbeiten an. Und ein genereller Vergleich lässt sich hier aufgrund der enormen Komplexität und Abstraktion beider Denkmodelle nicht realisieren.
Trotz einer Gegenüberstellung beider Denker dürfen die Gemeinsamkeiten nicht übertrieben werden. Auch wenn manche Ähnlichkeiten oder sogar Parallelitäten zu erkennen sind, liegen letztlich die entwickelten Theorien sehr weit auseinander. Und zwar in den Formen einer „Reformulierung des Strukturalismus und der Systemtheorie“ (Nasshi/Nollmann 2004, S. 18).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Pierre Bourdieu
- Distinktionstheorie Bourdieus.
- Differenzierungsbegriff Bourdieus
- Kapitalbegriff Bourdieus.
- Habitusbegriff Bourdieus.
- Klassenbegriff Bourdieus.
- Gegenwartsgesellschaft als Einheit sozialer Felder und als Geschmacksfrage
- Position des wissenschaftlichen Beobachters
- Zusammenfassung ......
- Distinktionstheorie Bourdieus.
- Niklas Luhmann
- Systemtheorie Luhmanns
- Differenzierungsbegriff Luhmanns .
- Systembegriff Luhmanns
- Entstehung sozialer Systeme.
- Klassenbegriff Luhmanns
- Gegenwartsgesellschaft als Kommunikationsbegriff..
- Position des wissenschaftlichen Beobachters
- Zusammenfassung.
- Systemtheorie Luhmanns
- Gegenüberstellung der theoretischen Konstruktionen....
- Wissenschaftliches Soziologieverständnis und Arbeitsweise.
- Selbstreflexion.......
- Theoriekonstruktion.
- Theorietraditionen.
- Kollektive Praxis vs. individualistische Grundlage
- Differenzierungsbegriff.
- Klassenbegriff.
- Beschreibung der Gegenwartsgesellschaft..
- Position des wissenschaftlichen Beobachters
- Zum Schluss ....
- Literaturverzeichnis....
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit verfolgt das Ziel, die theoretischen Konstruktionen von Pierre Bourdieu und Niklas Luhmann gegenüberzustellen und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede aufzuzeigen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Analyse der Distinktionstheorie Bourdieus und der Systemtheorie Luhmanns im Kontext der modernen Gesellschaft.
- Differenzierungsbegriff und soziale Felder
- Kapitalformen und ihre Bedeutung
- Habitus und die Entstehung sozialer Praktiken
- Klassenstrukturen und soziale Ungleichheit
- Der wissenschaftliche Beobachter und seine Rolle in der Sozialforschung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die beiden Soziologen Pierre Bourdieu und Niklas Luhmann vor und beschreibt deren unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze. Anschließend wird die Distinktionstheorie Bourdieus in ihren wichtigsten Bestandteilen beleuchtet. Dazu zählen der Differenzierungsbegriff, der Kapitalbegriff, der Habitusbegriff und der Klassenbegriff. Die Kapitel 2.2 und 2.3 behandeln die Gegenwartsgesellschaft als Einheit sozialer Felder und die Position des wissenschaftlichen Beobachters in Bourdieus Theorie. Das dritte Kapitel widmet sich Niklas Luhmanns Systemtheorie und untersucht die zentralen Elemente wie den Differenzierungsbegriff, den Systembegriff, die Entstehung sozialer Systeme und den Klassenbegriff. Es werden zudem die Sichtweise Luhmanns auf die Gegenwartsgesellschaft und die Rolle des wissenschaftlichen Beobachters betrachtet. Das vierte Kapitel analysiert die beiden Theorien im Vergleich, indem es die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf das wissenschaftliche Soziologieverständnis, die Theoriekonstruktion, die Beschreibung der Gegenwartsgesellschaft und die Position des wissenschaftlichen Beobachters beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die theoretischen Konstruktionen von Pierre Bourdieu und Niklas Luhmann und deren Anwendung auf die moderne Gesellschaft. Daher stehen Schlüsselbegriffe wie Distinktionstheorie, Systemtheorie, soziale Felder, Kapital, Habitus, Klassen, Differenzierung, Kommunikation, wissenschaftlicher Beobachter, und Gegenwartsgesellschaft im Mittelpunkt.
- Quote paper
- Sascha Luppa (Author), 2007, Eine Gegenüberstellung der theoretischen Konstruktionen Pierre Bourdieus und Niklas Luhmanns, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/86363