"Kind als Schaden?" - Eine unglückliche Bezeichnung für einen interessanten Teil der deutschen Rechtsprechung.
Wenn ein Arzt einen Fehler macht, ist er grundsätzlich zum daraus entstehenden Schaden verpflichtet. Die Frage, ob ein aufgrund eines Behandlungsfehlers geborenes Kind selbst oder nur dessen Unterhaltsanspruch einen Schaden darstellt, war lange in der Rechtsprechung umstritten. Diese Diskussion sorgte in der Öffentlichkeit für Empörung und Unverständnis.
Wenn in der Rechtsanwenung Zweifel bestehen, wird im Normalfall die strittige Rechtsfrage vom Bundesverfassungsgericht entschieden und geklärt. Die geschah jedoch nicht in der Debatte, ob die den Eltern entstehenden Unterhaltskosten für ein Kind einen Schaden darstellen können oder dürfen, welcher im Wege der Arzthaftung ersetzbar ist, oder ob dem die in Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes verankerte Menschenwürde des geborenen Kindes entgegensteht.
Der Autor stellt die unterschiedlichen Fallgruppen der zu Grunde liegenden Entscheidungen des BGH sowie die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Senate des BVerfG dar. Anschließend erfolgt eine Auswertung der Argumente, welche unterschiedlicher nich sein können.
Insbesondere wird auf die Grundlegenden Urteile des BGH (BGHZ 76, 249 - Fehlgeschlagene Sterilisation vom 18.03.1980; BGHZ 124, 128 - Fehlerhafte genetische Beratung vom 16.11.1993), die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 88, 203ff.- sog. Abtreibungsurteil vom 28. Mai 1993; BVerfGE 96, 375 - Entscheidung des BVerfG vom 12.11.1997) und die darauf resultierende Rechtsprechung eingegangen. Der Streit um die Bindungswirkung des Beschlusses des Zweiten Senates des BVerfG hinreichend berücksichtigt.
Zwei Urteile von 1969 und 1970, den Anfangsjahren der Diskussion:
1. Ein Apotheker gab einer Frau, weil er das Rezept nicht richtig gelesen hatte, statt des Empfängnisverhütungsmittels Eugynon das Magenmittel Enzynorm. Daraufhin kam es zur Geburt eines Kindes. Der Apotheker wurde verurteilt, den Eheleuten den für das Kind aufzubringenden Unterhalt zu ersetzen.
2. Kurz darauf verneinte aber ein anderes Gericht den Schadensersatzanspruch einer Mutter, der in der Apotheke ein falsches Verhütungsmittel verkauft worden war.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. BGHZ 76, 249 - Fehlgeschlagene Sterilisation
- III. BGHZ 124, 128 - Fehlerhafte genetische Beratung
- IV. Dissens zwischen dem Ersten und Zweiten Senat des BVerfG
- V. Die Argumente der Gerichte
- 1. Keine Identität von Kind und Unterhalt
- 2. Trauma für das Kind
- 3. Arzthaftung und ärztliche Verantwortung
- VI. Stellungnahme
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit der Rechtsfrage, ob Unterhaltskosten für ein Kind einen Schaden darstellen können, der im Wege der Arzthaftung ersetzbar ist, oder ob dies der Menschenwürde des Kindes widerspricht. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der unterschiedlichen Standpunkte des BGH und des Bundesverfassungsgerichtes in Bezug auf die "Kind als Schaden"-Problematik. Die Arbeit untersucht dabei verschiedene Fallgruppen und diskutiert die jeweiligen Argumente der Gerichte.
- Arzthaftung bei fehlgeschlagener Sterilisation
- Fehlerhafte genetische Beratung vor der Zeugung eines Kindes
- Die rechtliche Verantwortlichkeit des Arztes im Kontext der Familienplanung
- Das Verhältnis von Schadensersatzrecht und Menschenwürde des Kindes
- Die Rolle der Gerichte in der Debatte um die Ersatzfähigkeit von Unterhaltskosten
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung skizziert die Problematik der "Kind als Schaden"-Debatte und beleuchtet die unterschiedlichen Standpunkte der Gerichte in der Vergangenheit. Sie erläutert den Ausgangspunkt der Diskussion mit zwei Urteilen aus den 1960er Jahren und stellt die Zielsetzung der Arbeit vor.
II. BGHZ 76, 249 - Fehlgeschlagene Sterilisation
Dieses Kapitel beleuchtet die Grundsatzentscheidung des BGH im Fall einer fehlgeschlagenen Sterilisation. Es beschreibt den Sachverhalt und die Argumentation des BGH, der die Ersatzfähigkeit der Unterhaltsbelastung bejaht.
III. BGHZ 124, 128 - Fehlerhafte genetische Beratung
Das Kapitel befasst sich mit der Haftung des Arztes bei einer fehlerhaften genetischen Beratung. Es stellt den Sachverhalt dar und analysiert die Argumentation des BGH in Bezug auf die Ersatzfähigkeit von Unterhaltskosten in diesem Kontext.
Schlüsselwörter
Die Seminararbeit behandelt zentrale Themen wie Arzthaftung, Schadensersatzrecht, Menschenwürde, Familienplanung und die Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichtes im Zusammenhang mit der "Kind als Schaden"-Problematik. Weitere wichtige Begriffe sind Unterhaltspflicht, Sterilisation, genetische Beratung, Fehlgeburt, und rechtliche Verantwortlichkeit.
- Quote paper
- Torsten Kellotat (Author), 2005, Die Kontroverse zwischen BGH und BVerfG zur sogenannten 'Kind als Schaden'-Problematik, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/85863