Nach dem Erfolg von Miss Sara Samphson (1755) schreibt Gotthold Ephraim Lessing sein zweites bürgerliches Trauerspiel Emilia Galotti (1772). Das Drama soll anlässlich des Geburtstags von Herzogin auf dem Braunschweiger Hof uraufgeführt werden.
Besorgt um die Reaktionen mit welchen das Stück aufgenommen werden könnte, versichert Lessing dem Herzog seine unpolitischen Intentionen. Emilia Galotti sollte „weiter nichts als die alte römische Geschichte der Virginia in einer modernen Einkleidung“ sein.
Lessing greift in seinem bürgerlichen Drama bewusst auf den Virginia-Stoff zurück, mit dem er sich in den 50er Jahren intensiv beschäftigte. Die vom Titus Livius überlieferte Virginia-Geschichte handelt vom Schicksal einer Tochter, die von ihrem Vater getötet wurde. Die Handlung spielt sich in Rom des 5. Jahrhunderts v. Chr. ab.
Virginia stirbt, weil sie nach dem öffentlichen Prozess und seinem ungerechten Urteil dem herrschenden Tyrannen Appius Claudius als Sklavin ausgeliefert werden soll. Dieses will ihr Vater um jeden Preis verhindern. Er bringt seine Tochter im Namen der Freiheit und Demokra-tie um, aber auch um ihre Ehre und Tugend von den „Begierden“ des wollüstigen Herrschers zu retten. Das Verbrechen von Appius Claudius zieht einen Volksaufstand nach sich und endet mit der Bestrafung des Schuldigen (Tyrannenmord). Die Gerechtigkeit und ursprüngliche Ordnung, die heile Welt, werden schließlich im Staate wiederhergestellt.
Abweichend zu der antiken Vorlage hat Lessing in Emilia Galotti den Handlungsort an einem absolutistisch regierten Fürstenhof der Renaissance situiert. Eine weitere Differenz zu dem Werk Livius΄ ergibt sich aus der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung. Während in der römischen Ge-schichte die politische Thematik eine bedeutende Rolle spielt, wird bei Lessing das tragische Geschick einer Bürgertochter in den Vordergrund gerückt. Auf die damaligen Lebensverhältnisse des Autors bezogen mag es wenig verwundern, weshalb er seinem neuen Stück politische Absichten entsagte. Er musste sich wohl ernsthaft davor gefürchtet haben, dass die dargestellte Handlung auf die aktuellen Verhältnisse auf dem Hof (Maträssenwesen, Intrigen) bezogen werden könnte. Dass Lessing sein Unbehagen über die gesellschaftlichen Missstände im absolutistisch regierten Deutschland nicht offen ausdrücken konnte, ist aus seinem Briefwechsel mit Nikolai zu ersehen:
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die bürgerliche Moral und ihre Vertreter
- Odoardo Galotti
- Emilia Galotti
- Graf Appiani
- Claudia Galotti als eine zwiespältige Figur
- Die höfische Gesellschaft und ihre Wertvorstellung
- Der Prinz
- Marinelli
- Gräfin Orsina
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Ständekonflikt in Lessings Emilia Galotti. Sie untersucht die Ursachen des Konflikts und analysiert die Werte und Moralvorstellungen der verschiedenen Figuren, die in der bürgerlichen und höfischen Sphäre angesiedelt sind. Darüber hinaus beleuchtet die Arbeit die Folgen des Konflikts für die Figuren und die Gesellschaft im Allgemeinen. Die Arbeit betrachtet den Ständekonflikt als ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit.
- Die gegensätzlichen Moralvorstellungen von Bürgertum und Adel
- Die Folgen des Ständekonflikts für die Figuren
- Die politische Kritik in Emilia Galotti
- Die Rolle der Aufklärung in der Lösung des Konflikts
- Die Unfähigkeit des Bürgertums zur politischen Aktion
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Ständekonflikts in Emilia Galotti ein und beleuchtet die historischen und literarischen Hintergründe. Das zweite Kapitel befasst sich mit den Vertretern der bürgerlichen Moral: Odoardo, Emilia und Graf Appiani. Es wird ihre Weltanschauung, ihre Ideale und die Auswirkungen auf ihr Schicksal analysiert. Im dritten Kapitel wird Claudia Galotti als eine zwiespältige Figur vorgestellt, die sich zwischen der bürgerlichen und höfischen Sphäre bewegt. Das vierte Kapitel stellt die höfische Gesellschaft und ihre Vertreter, insbesondere den Prinzen, Marinelli und die Gräfin Orsina, vor. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den Folgen des Ständekonflikts und analysiert die Kritik an der absolutistischen Herrschaft und die Unfähigkeit des Bürgertums zu politischer Aktion.
Schlüsselwörter
Ständekonflikt, bürgerliche Moral, höfische Gesellschaft, Feudalabsolutismus, Aufklärung, politische Kritik, Tugend, Sittlichkeit, Familienleben, Hofintrigen, Macht, Gewalt, Entscheidung, Schicksal, Tragödie, Moral, Ideale.
- Arbeit zitieren
- Studentin Renata Paluch-Kompalla (Autor:in), 2007, Der Ständekonflikt in Emilia Galotti, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/80937