Die Vorstellungen über ‘Geschlechtlichkeit’ bzw. über die Geschlechtszugehörigkeit werden durch ein Konglomerat von alltagstheoretischen Grundannahmen bestimmt. Seitdem jedoch das Geschlecht selbst Gegenstand zahlrei¬cher wissenschaftlicher Untersuchungen geworden ist, sind diese alltagstheoretischen Definitionen von Geschlecht zur Disposition gestellt. Ausgehend von dieser Kritik, wird im ersten Kapitel der feministische, sozio¬logische und philosophische Diskurs über die Kategorie Geschlecht verkürzt dargestellt.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der konkreten Ausgestaltung der männlichen Ge-schlechtsidentität. Existiert eine einheitliche Definition von ‘Männlichkeit’ oder der männlichen Identität? Kann man von einer statischen männlichen Rolle ausgehen, oder muss man von ‘Männlichkeiten’ sprechen?
Vor diesem Hintergrund werden im dritten Kapitel die Grundzüge männlicher Soziali¬sation dargestellt.
Im vierten Kapitel wird der Bezug zur koedukativen Realität hergestellt. Koedukation ist durch die zweite Frauenbewegung, insbesondere durch die feministische Schulforschung, wieder zu einem umstrittenen Konzept geworden. Erst in den letzten Jahren widmete sich eine Reihe von Autoren explizit der Situation von Jungen (Schnack-Neutzling 1990, Ottemeier-Glücks 1994, Böhnisch/Winter 1993, Möller 1997, Zimmermann 1998), dabei beschäftigten sie sich hauptsächlich mit der bisher vernachlässigten Seite der Jungen¬sozialisation. Daher wird in diesem Kapitel die Situation von Jungen in der ko¬edukativen Praxis auf zwei Ebenen darge¬stellt. Auf der einen Seite werden Ergebnisse der feministischen Schulforschung dis-kutiert. Demgegenüber wird verdeutlicht, daß die Be¬dürfnisse und die Lebensrealitäten der Jungen in der Grundschule strukturell nicht aus¬reichend berücksichtigt werden (S. Richter) und daß das Verhalten von Jungen in der Schule einer Neubewertung bedarf.
Im fünften Kapitel werden die bisherigen Ergebnisse zu den Möglichkeiten und Formen einer engagierten Arbeit mit Jungen zusammengefasst. Insbesondere wird dabei der Frage nachgegangen, welche Veränderungen im Bereich der Schulstruktur die Basis für die ge-schlechterreflektierende Arbeit bilden. Grundlegend für die Konzeption von Jungen¬arbeit ist jedoch die Rückbeziehung auf die Mädchenarbeit, bzw. auf die koedukative Praxis.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Problemstellung
- Aufbau der Arbeit
- Die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlecht
- Das Sex/Gender Modell
- Die moderne Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit
- Das Dispositiv der Geschlechter
- Resümee
- Die Konstruktion von Männlichkeiten
- Die Modernisierung von ‘Männlichkeit’
- ‘Männlichkeit und die, Geschlechtsrolle’
- Schwulenbewegung und das Verständnis von ‘Männlichkeit’
- ‘Der Mann’ existiert nicht
- Das Modell der hegemonialen ‘Männlichkeit’
- Resümee
- Grundstruktur männlicher Sozialisation
- Der Sozialisationsrahmen
- Begriffsbestimmung Sozialisation
- Das Fehlen der Männer oder die Feminisierung der frühkindlichen Sozialisation
- Strukturmerkmale von ‘Männlichkeit’
- Externalisierung
- Keine Gefühle zulassen
- Körperferne
- Resümee
- Darstellung der aktuellen Koedukationsdebatte
- Sechs Jungen und der Rest Mädchen - Der ‘heimliche Lehrplan’
- Interaktionsmuster im Bildungswesen
- Geschlechtertypisierungen in Schulbücher
- Die andere Seite der Medaille
- Geschlechterhierarchie im Lehrerinnenzimmer
- Gewaltverhalten in der Schule
- Zusammenfassung des bisher Dargestellten oder Warum Koedukation nicht stattfindet
- Geschlechtsbezogenes Arbeiten im schulischen Kontext
- Veränderungsmöglichkeiten
- Veränderungen im Bereich der Schulstruktur
- Die Rolle des Pädagogen
- Die Lehrpläne - Der Unterricht
- Spezielle, pädagogische Angebote
- Methodisch-didaktische Überlegungen
- Themenschwerpunkte für die Jungenarbeit
- Homophobie
- Selbstwahrnehmung - Wahrnehmung anderer
- Körperarbeit
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Konstruktion von Männlichkeit und der Bedeutung von Jungenarbeit im schulischen Kontext. Sie untersucht die gesellschaftlichen und sozialen Faktoren, die zur Konstruktion von Männlichkeit beitragen und wie diese Konstruktionen im Bildungssystem zum Ausdruck kommen.
- Die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlecht und Männlichkeit
- Die Bedeutung der Sozialisation für die Entwicklung von Geschlechterrollen
- Die Koedukationsdebatte und die Kritik an der Gleichstellung von Jungen und Mädchen in der Schule
- Die Notwendigkeit von geschlechtsspezifischen Angeboten für Jungen im schulischen Kontext
- Die Bedeutung von Pädagogik und Lehrerrolle für die Förderung einer gleichberechtigten Geschlechterkultur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Problematik der Geschlechterungleichheiten in Bildungseinrichtungen und die daraus resultierende Notwendigkeit der Jungenarbeit. Kapitel 2 erörtert die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlecht, insbesondere die moderne Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und das Dispositiv der Geschlechter. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Konstruktion von Männlichkeiten, der Modernisierung von ‘Männlichkeit’ und dem Modell der hegemonialen ‘Männlichkeit’. Kapitel 4 analysiert die Grundstruktur männlicher Sozialisation, einschließlich des Sozialisationsrahmens und der Strukturmerkmale von ‘Männlichkeit’. Kapitel 5 präsentiert die aktuelle Koedukationsdebatte und die Kritik an der Gleichstellung von Jungen und Mädchen in der Schule. Kapitel 6 untersucht geschlechtsbezogenes Arbeiten im schulischen Kontext und stellt Veränderungsmöglichkeiten sowie spezielle pädagogische Angebote für Jungen vor.
Schlüsselwörter
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Geschlechterkonstruktionen, der Sozialisation, der Männlichkeiten, der Koedukation, der Jungenarbeit, der Geschlechterungleichheit im Bildungssystem und der Entwicklung von pädagogischen Angeboten für Jungen. Die Arbeit setzt sich mit den Erkenntnissen der feministischen Wissenschaft und der aktuellen Geschlechterdebatte auseinander.
- Quote paper
- Christoph Berens (Author), 2000, Koedukation und Schule. Jungenarbeit im Spiegel des aktuellen Geschlechterdiskurses., Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/7354