A. Einleitung
Mit der Umsetzung der europäischen Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (im Folgenden TEHG genannt) und in dem Zuteilungsgesetz für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 (im Folgenden ZUG 2007 genannt) ist auch in Deutschland am 01. Jan. 2005 der europaweite Handel mit Emissionszertifikaten in seine Probephase gestartet. Ziel dieses
Handelssystems ist die kosteneffiziente Reduktion von Treibhausgasen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden EU genannt). Zeitraum für die Reduktionserfüllung ist die Zeit der zweiten Handelsperiode von 2008 – 2012. Reduziert werden muss nach einem bestimmten Reduktionsindex, dem „sog. Burden-Sharing-Agreement“, wonach sich die einzelnen Mitgliedstaaten je nach wirtschaftlicher Entwicklung zu individuellen Reduktionszielen verpflichtet haben. Danach hat sich die Bundesrepublik Deutschland zu einer Reduktion seiner Treibhausgasemissionen von 21%, die gesamte Europäische Union zu einer Reduktion von 8% unter den Wert von 1990, verpflichtet. Obwohl im Wesentlichen in der Naturwissenschaft 5 Treibhausgase für die Klimaveränderung verantwortlich gemacht werden, ist das Emissionshandelsystem in der EU derzeit jedoch nur auf die Reduktion des Treibhausgases Kohlendioxid (CO²) ausgerichtet(1).
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(1) Vgl. Ebsen – Emissionshandel in Deutschland, Rn. 19 ff.
Gliederung
A. Einleitung
B. Auswirkung der Auslegung des Anlagenbegriffs in der Praxis
C. Der Begriff der Anlage im TEHG
I. Die Verwaltungspraxis der DEHSt
II. Kritik an dieser Praxis
1) Zufallsergebnisse durch unterschiedliche Genehmigungspraxis der Landesbehörden
2) Unterschiedlicher Regelungszweck des BimSchG und des TEHG
3) Auslegung der Verwaltungspraxis der DEHSt nach dem Wortlaut des Gesetzes
D. Fazit
Literaturverzeichnis
Gutachten
A. Einleitung
Mit der Umsetzung der europäischen Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (im Folgenden TEHG genannt) und in dem Zuteilungsgesetz für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 (im Folgenden ZUG 2007 genannt) ist auch in Deutschland am 01. Jan. 2005 der europaweite Handel mit Emissionszertifikaten in seine Probephase gestartet. Ziel dieses Handelssystems ist die kosteneffiziente Reduktion von Treibhausgasen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden EU genannt). Zeitraum für die Reduktionserfüllung ist die Zeit der zweiten Handelsperiode von 2008 - 2012. Reduziert werden muss nach einem bestimmten Reduktionsindex, dem „sog. Burden-Sharing-Agreement“, wonach sich die einzelnen Mitgliedstaaten je nach wirtschaftlicher Entwicklung zu individuellen Reduktionszielen verpflichtet haben. Danach hat sich die Bundesrepublik Deutschland zu einer Reduktion seiner Treibhausgasemissionen von 21%, die gesamte Europäische Union zu einer Reduktion von 8% unter den Wert von 1990, verpflichtet. Obwohl im Wesentlichen in der Naturwissenschaft 5 Treibhausgase für die Klimaveränderung verantwortlich gemacht werden, ist das Emissionshandelsystem in der EU derzeit jedoch nur auf die Reduktion des Treibhausgases Kohlendioxid (CO²) ausgerichtet1.
Kern des Emissionshandelssystems ist die Pflicht der Betreiber bestimmter Anlagen der Energiewirtschaft bzw. der energieintensiven Industrie mit i.d.R. über 20 MW installierter Feuerungsleistung für die Kohlendioxidemissionen dieser Anlagen bestimmte Emissions-Berechtigungen, sog. Zertifikate, abzugeben2. Dabei bedürfen die Betreiber derartiger Anlagen gem. §4 TEHG eine sog. Emissionsgenehmigung, bzw. ist diese gem. §4 VI TEHG in einer Genehmigung nach BImSchG enthalten soweit diese für die betreffende Anlage besteht. Dies wird jedoch bei den allermeisten der vom TEHG betroffenen Anlagen der Fall sein3.
Für die Handelsperiode 2005-2007 bekommen die betroffenen Anlagenbetreiber die Berechtigungen gem. ZUG 2007 nach festgelegten Zuteilungsregeln je nach Art und Beschaffenheit der Anlage kostenlos zugewiesen. Die Zuteilung erfolgt grds. deckungsgleich mit den Emissionen der Anlage jedoch gem. §5 ff. ZUG 2007 reduziert auf einen bestimmten Erfüllungsfaktor, der die Minderung der Emissionen bewirken soll. Dieser beträgt gem. §5 ZUG 2007 in der ersten Handelsperiode 0,9709. Emittieren die Anlagen mehr Kohlendioxid als ihnen an Berechtigungen zugeteilt wurde, müssen die Betreiber zusätzliche Berechtigungen am Markt ankaufen um ihrer Abgabepflicht nachkommen zu können. Kommen sie dieser nicht nach, greift gem. §§17, 18 TEHG ein Sanktionsmechanismus in Form einer Zahlungspflicht i.H.v. 40 € pro nicht gedeckter Tonne Kohlendioxid ein. Für Zuteilung, die Abgabe und die Überwachung des Handels mit den Berechtigungen ist die Deutsche Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt (im Folgenden DEHSt genannt) zuständig.
Die Zuteilungsregeln unterscheiden sich danach, welcher Art und Beschaffenheit die Anlage ist. Grundsätzlich unterscheidet das ZUG 2007 neben zahlreichen Ausnahmeregelungen, z.B. für Anlagen der Energieindustrie, drei Arten von Anlagen für die jeweils verschiedene Zuteilungsregeln angewendet werden. Diese sind namentlich die vor dem 31. Dez. 2002 in Betreib genommenen sog. Altanlagen gem. §7 ZUG 2007, die nach dem 01. Jan. 2005 in Betreib genommenen sog. Neuanlagen gem. §§10,11 ZUG 2007 und Anlagen die gem. §8 ZUG 2007 zwischen dem 01. Jan. 2003 und 31. Dez. 2004 in Betrieb genommen wurden. Die Einordnung einer vom Emissionshandel betroffenen Anlagen in einer der drei Kategorien hat demnach durch Anwendung unterschiedlicher Zuteilungsregeln auch Einfluss auf die Anzahl der zugeteilten Zertifikate4.
Vergleichbar mit dem Immssionsschutzrecht handelt es sich beim Emissionshandelsrecht also um eine anlagenbezogene Materie. Da das TEHG und das ZUG 2007 auf viele den Begriff der „Anlage“ betreffenden Fragen keine eindeutigen Antworten liefert, bestehen in diesem jungen Rechtsbereich noch erhebliche praxisrelevante Unklarheiten die durch Auslegung der strittigen unbestimmten Rechtsbegriffe behoben werden müssen. Dabei ist eine der praxisrelevantesten Rechtsfragen dieses Regelungsbereiches die Frage, wann eine benachbarte Feuerungsanlage einer unter das TEHG fallenden Anlage als eigenständiges Zuordnungsobjekt behandelt wird, und dementsprechend eigenständig mit Emissionsberechtigungen ausgestattet wird, und wann es sich lediglich um bloße Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen i.S.v. §2 II TEHG handelt5. Die Frage, ob ein Unternehmen beispielsweise drei einzelne Anlagen mit je 50 MW Feuerungsleistung oder eine Hauptanlage und zwei Nebenanlagen mit insgesamt 150 MW Feuerungsleistung betreibt gewinnt dadurch an erheblicher Praxisrelevanz, dass zum Einen in der Praxis Anlagenkomplexe mit mehreren selbstständigen Produktionsanlagen recht gängig sind, und zum Anderen eine Betrachtung als eigenständige Anlagen die Möglichkeit einer unterschiedlichen Antragstellung nach sich zieht und damit zu einer unterschiedlichen Zuteilungsmenge führen kann6. Die Zuteilungsmenge hat wiederum einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der betroffenen Anlage bzw. des gesamten Anlagenkomplexes, wie im Folgenden dargestellt wird.
B. Auswirkungen der Auslegung des Anlagenbegriffs in der Praxis
Besonders gravierende Auswirkungen für die praktische Betriebsführung einer vom Emissionshandel erfassten Anlage bzw. eines Anlagenkomplexes, kann die Auslegung von selbstständigen benachbarten Feuerungsanlagen als Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen für in Betrieb genommene Neuanlagen haben. Wer eine neue Anlage in Betrieb nimmt und dafür gleichzeitig eine alte, unter dem Dach derselben Genehmigung legalisierte Anlage stilllegt, bekommt in der Regel nach §10 ZUG 2007 eine Sonderzuteilung in Form von der weiteren Zuteilung der auf Grundlage der alten Anlage berechneten Emissionsberechtigungen für einen Zeitraum von vier Jahren, sowie ein Verzicht auf Anwendung eines Erfüllungsfaktors für die weiteren vierzehn Jahre. Diese Regelung soll für Anlagenbetreiber einen Anreiz schaffen, ältere wesentlich emissionsintensivere Anlagen gegen neue emissionsarme Anlagen auszutauschen. Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Anreizregelung ergeben sich natürlich dann, wenn in einem Anlagenkomplex mehrere an sich einzeln zu betrachtende Anlagen als eine Anlage behandelt werden.
Zudem sind die Zuteilungsregeln des ZUG 2007 mit einer Vielzahl von Sonderregeln versehen. Diese beziehen sich zum Einen auf frühzeitige Emissionsreduktionsmaßnahmen, den sog. „Early-Action-Maßnahmen“ nach §12 ZUG 2007, zum Anderen gibt es aber auch eine Vielzahl von Sonderregelungen die an der Art der Anlage ansetzen, wie z.B. die Sonderzuteilung für Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung nach §14 ZUG 2007, spezielle Regelungen für Anlagen der Stromwirtschaft nach §11 II ZUG 2007 oder Härtefallregelungen wie z.B. §7 XI ZUG 2007. Diese Regelungen sind jedoch nur wirksam anwendbar, wenn man als Anlage i.S.d. TEHG die technisch kleinste mögliche Einheit betrachtet.
Die Regelungen im TEHG dazu, die Verwaltungspraxis der DEHSt hinsichtlich der Auslegung des Anlagenbegriffs und die hervorgebrachte Kritik aus Lehre und Praxis an der Auslegung der DEHSt sollen im Weiteren dargestellt und diskutiert werden.
C. Der Begriff der Anlage im TEHG
Der Begriff der Anlage ist im TEHG nicht legaldefiniert. Eine Legaldefinition ergibt sich jedoch aus Art. 3 lit. e) der Emissionshandelsrichtline 2003/87/EG.
Danach ist eine Anlage eine ortsfeste technische Einheit, in der eine oder mehrere der in Anhang I genannten Tätigkeiten sowie andere damit verbundene Tätigkeiten durchgeführt werden, die mit den an diesem Standort durchgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können. Infolge der Lückenhaftigkeit des deutschen Rechts ist daher in erster Linie die gemeinschaftsrechtliche Definition der Emissionshandelsrichtlinie für den Emissionshandel auch in Deutschland zu Grunde zu legen, bildet sie doch die Vorgabe für das nationale Umsetzungsrecht und ist, wenn dieses Lücken aufweist, jedenfalls zu Interpretationszwecken heranzuziehen7. Ob eine Anlage in den Anwendungsbereich des TEHG fällt bestimmt sich nach der Regelung des §2 TEHG i.V.m Anhang 1. Im Anhang 1 des TEHG ist zunächst abschließend aufgezählt welche Anlagen und welche darin verübten Tätigkeiten dem Regelungsbereich des Gesetzes unterliegen. Gemäß §2 I S.2 TEHG fallen unter den Anwendungsbereich auch die in Anhang 1 genannten Anlagen, die lediglich Anlagenteil von Hauptanlagen sind, welche nicht in Anhang 1 aufgeführt sind.
§2 II Nr. 1 TEHG erweitert den Anwendungsbereich des Gesetzes bei betroffenen Anlagen noch auf die zum Betrieb notwendigen Anlagenteile und Verfahrensschritte. Durch die Formulierung „Anlagenteile und Verfahrensschritte“ hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine Anlage nach dem TEHG die Gesamtheit der Anlagenteile und Verfahrensschritte umfasst, die notwendig sind, um unabhängig von anderen Anlagenteilen Emissionen zu erzeugen. Zusammengenommen bilden diese Anlagenteile und Verfahrensschritte eine sog. Haupteinrichtung. Eine solche sog. Haupteinrichtung stellt i.S.d. TEHG die kleinste Zurechnungseinheit dar, die für die Verursachung und die Erfassung von Emissionen notwendig ist und damit über die Teilnahme am Emissionshandel entscheidet8.
Zusätzlich unterstellt §2 II Nr. 2 TEHG sog. Nebeneinrichtungen, welche mit der Haupteinrichtung in räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang stehen und die für das Entstehen von Treibhausgasen von Bedeutung sein können. Strittig ist nun, wann eine benachbarte Feuerungsanlage einer in den Regelungsbereich des TEHG fallenden Anlage als eigenständige Anlage oder als Anlagenteil bzw. Nebeneinrichtung der erfassten Anlage eingestuft wird. Diese Frage stellt sich jedoch nur, wenn die benachbarte Feuerungsanlage ebenfalls die Voraussetzungen des §2 I S.1 i.V.m. Anlage 1 erfüllt, also i.d.R. eine Feuerungsleistung über 20 MW besitzt. Ist dies nicht der Fall besteht nur noch die Möglichkeit die benachbarte Anlage als Anlagenteil bzw. als Nebeneinrichtung der erfassten Hauptanlage zu qualifizieren.
In der Praxis kommt es bei der Beantwortung der Frage maßgeblich auf die Verwaltungspraxis der DEHSt als zuständige Behörde an. Diese Auslegungspraxis und die hervorgebrachte Kritik daran soll im Folgenden dargestellt werden.
[...]
1 Vgl. Ebsen - Emissionshandel in Deutschland, Rn. 19 ff.
2 a.a.O, Rn. 29
3 Theuer, in: Frenz, Emissionshandelsrecht, §4 TEHG Rn. 34
4 vgl. Zenke / Vollmer, IR 2006, 269, 270
5 vgl. Frenz, NVwZ 2006, 1095, 1096
6 Zenke / Vollmer, IR, 269, 270
7 Theuer, in: Frenz, Emissionshandelsrecht, §2 TEHG Rn. 9
8 Zenke/Fuhr, Handel mit CO2 Zertifikaten, Rn. 132