Die iberoromanischen Sprachen verfügen im Vergleich etwa zum Französischen über ein äußerst ausdifferenziertes Verbalsystem. Der im allgemeinen eher konservative Charakter der Westromania, was die Bewahrung von vulgärlateinischen Sprachzuständen anbelangt, zeigt sich nicht zuletzt in der Tatsache, daß sich hier einige auf lateinische Tempora zurückgehende Verbformen wie das Plusquamperfekt länger als anderswo in der Romania halten konnten.
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, zunächst die morphologische Entwicklung der einzelnen Tempusformen vom Vulgärlatein über die mittelalterlichen Sprachstufen bis zum Zustand in den heutigen iberoromanischen Sprachen nachzuvollziehen. Darauf aufbauend sollen die Verbalsysteme auf der Grundlage des Modells von E. Coseriu in ihrem semantisch-funktionalen Aufbau beschrieben und einander gegenübergestellt werden, wobei ich der Frage nachgehen werde, welche grundlegenden, das System als solches betreffende Neuerungen es beim Übergang vom lateinischen zum romanischen Verbalsystem zu verzeichnen gibt. Ferner gilt es, die Unterschiede zwischen den einzelnen iberoromanischen Verbalsystemen (falls hier von verschiedenen Systemen gesprochen werden kann) herauszustellen.
Untersucht werden das Katalanische, das Spanische oder Kastilische, das Portugiesische und, soweit Unterschiede zum Portugiesischen bestehen, das Galicische. Die Auswahl der Sprachen ist zunächst rein geographisch bedingt und impliziert kein vorschnelles Urteil über eine mögliche Ähnlichkeit der Verbalsysteme untereinander. Bei den behandelten Tempusformen mußte ich allein schon aus praktischen Gründen eine Auswahl treffen. So habe ich auf die Behandlung von Konjunktivformen weitgehend verzichten, da diese eher dem modalen als dem temporalen Bereich zuzuordnen sind. Allerdings werden im letzten Kapitel auch aspektuelle Verbalperiphrasen behandelt, da diese gerade für die iberoromanischen Sprachen von Bedeutung sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vulgärlateinische Grundlagen
- Herausbildung des periphrastischen Perfekts
- Substituierung des synthetischen Futurs durch ein analytisches
- Weitere Entwicklungen
- Morphologische Entwicklungstendenzen im Spanischen, Portugiesischen und Katalanischen von der frühromanischen Phase an
- Weiterentwicklung von bereits im Lateinischen vorhandenen Tempora
- Verschiebungen innerhalb der Konjugationsklassen
- Entwicklungen im Präsens
- Entwicklungen im Imperfekt
- Synthetisches Perfekt
- Synthetisches Plusquamperfekt
- Herausbildung neuer Tempusformen
- Analytisches Perfekt / Plusquamperfekt
- Futur / Konditional
- Konjunktiv Futur
- Weiterentwicklung von bereits im Lateinischen vorhandenen Tempora
- Vergleich der heutigen Verbalsysteme mit dem des Lateinischen
- Verbalperiphrasen in den iberoromanischen Sprachen und ihre Rolle im Verbalsystem
- Schlußfolgerungen
- Anmerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit verfolgt das Ziel, die morphologische Entwicklung der einzelnen Tempusformen vom Vulgärlatein über die mittelalterlichen Sprachstufen bis zu den heutigen iberoromanischen Sprachen nachzuvollziehen und die Verbalsysteme anhand des Modells von E. Coseriu in ihrem semantisch-funktionalen Aufbau zu beschreiben und einander gegenüberzustellen. Dabei soll untersucht werden, welche Neuerungen beim Übergang vom lateinischen zum romanischen Verbalsystem stattgefunden haben und welche Unterschiede zwischen den einzelnen iberoromanischen Verbalsystemen bestehen.
- Morphologische Entwicklung der Tempusformen vom Vulgärlatein bis zu den heutigen iberoromanischen Sprachen
- Beschreibung und Vergleich der Verbalsysteme anhand des Modells von E. Coseriu
- Untersuchung der Neuerungen beim Übergang vom lateinischen zum romanischen Verbalsystem
- Hervorhebung der Unterschiede zwischen den einzelnen iberoromanischen Verbalsystemen
- Analyse der Rolle von Verbalperiphrasen in den iberoromanischen Sprachen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die besondere Bedeutung der iberoromanischen Sprachen als Sprachen mit einer maximalen Kodierungsdichte und einem ausgeprägten Tempus- und Aspektsystem. Sie stellt die Zielsetzung der Arbeit vor, die morphologische Entwicklung der Tempusformen vom Vulgärlatein bis zu den heutigen iberoromanischen Sprachen zu untersuchen und die Verbalsysteme in ihrem semantisch-funktionalen Aufbau zu beschreiben.
Das Kapitel über die vulgärlateinischen Grundlagen behandelt die Entstehung des periphrastischen Perfekts und die Substituierung des synthetischen Futurs durch ein analytisches Futur. Es zeigt, wie sich die Entwicklung des Tempussystems im Vulgärlatein bereits in der gesprochenen Sprache manifestiert und wie sich daraus wichtige Neuerungen für die romanischen Sprachen ergeben haben.
Das Kapitel über die morphologischen Entwicklungstendenzen im Spanischen, Portugiesischen und Katalanischen betrachtet die Weiterentwicklung von bereits im Lateinischen vorhandenen Tempora, wie zum Beispiel Verschiebungen innerhalb der Konjugationsklassen, sowie die Herausbildung neuer Tempusformen wie dem analytischen Perfekt / Plusquamperfekt, Futur / Konditional und dem Konjunktiv Futur.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen der Arbeit sind die morphologische Entwicklung der Tempusformen in den iberoromanischen Sprachen, die Analyse der Verbalsysteme anhand des Modells von E. Coseriu, die Herausarbeitung der Unterschiede zwischen den einzelnen iberoromanischen Verbalsystemen und die Untersuchung der Rolle von Verbalperiphrasen. Wichtige Schlüsselwörter sind: Vulgärlatein, Tempus, Aspekt, Periphrasen, Iberoromanische Sprachen, Spanisch, Portugiesisch, Katalanisch, Galicisch, E. Coseriu.
- Arbeit zitieren
- Rafael Sánchez Nitzl (Autor:in), 1999, Die Entstehung der Verbalsysteme in den iberoromanischen Sprachen, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/6619