Im Rahmen meiner Magisterarbeit möchte ich mich vergleichend mit Thomas Manns Roman Der Zauberberg und Max Schelers politisch-pädagogischer Schrift Der Genius des Krieges und der deutsche Krieg beschäftigen. Beide Texte verbindet in erster Linie die schriftstellerische und philosophische Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg in pädagogischer Absicht. Dazu kommt noch, daß die beiden Autoren als bedeutende Zeitgenossen den Ausbruch und Verlauf des Ersten Weltkrieges auch auf ähnliche Art und Weise erlebten und verarbeiteten. Thomas Mann und Max Scheler setzten sich während des Ersten Weltkrieges in der Öffentlichkeit mit ähnlichen Argumenten gegen die Attacken der Propaganda der Alliierten zur Wehr (vgl. Staude 1967: 65f). Die Erfahrung des Ersten Weltkrieges resultierte dann schließlich bei beiden in der Wandlung zum „Vernunftrepublikaner“ (vgl. Staude 1967: 150). Inwieweit dabei eine wechselseitige Beeinflussung stattfand, ist jedoch nur schwer nachweisbar: neben dem Umstand, daß beide lange Zeit in München beheimatet waren, existieren allerdings auch Zeugnisse bezüglich der gegenseitigen Rezeption des Zauberbergs und des Genius des Krieges.
Die Handlung des Zauberbergs gipfelt zwar im Ausbruch des Ersten Weltkrieges, allerdings erstreckte sich die Produktion zwischen 1913 und 1924 über einen Zeitraum, der weit über den Ersten Weltkrieg hinausreicht, Scheler dagegen revidierte seine bei Kriegsausbruch im Genius des Krieges vertretenen Auffassungen bereits schon wenige Monate später. Um den Umfang nicht zu sprengen, möchte ich mich in meiner Arbeit jedoch gezielt auf diesen Vergleich des schriftstellerischen und philosophischen Schaffens der beiden Zeitgenossen konzentrieren. Dabei soll die Kriegsdarstellung im Mittelpunkt stehen. Dieses Ereignis umklammert beide Texte recht deutlich: die Stimmung der deutschen Bevölkerung zu Kriegsausbruch, die Schelers Genius des Krieges wie kein anderer Text zum Ausdruck brachte, ist genau der Punkt, auf den hin die Handlung des Zauberbergs kulminiert, auch wenn der Roman mit deutlicher Distanz zum Kriegsgeschehen erst 1924 endgültig fertiggestellt wurde. Ziel meiner Arbeit ist es, anhand dieser Werke die von Staude (1967: 65f + 150 + 232f) angedeuteten Entsprechungen von Manns Zauberberg mit Themen der Lebensphilosophie und der politischen Philosophie Schelers näher darzustellen und zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie tatsächlich gegeben sind.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ziel der Arbeit
- Forschungsstand
- Max Scheler
- Thomas Mann
- Max Scheler (1874-1928) und seine Philosophie im Genius des Krieges
- Zu Leben und Werk Max Schelers
- Katholische Prägung
- Wichtige Stationen und Schriften
- Zur Philosophie und zur Wirkung Max Schelers
- Phasen
- Zur Wirkung Schelers
- Schelers Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg
- Der Genius des Krieges und der Deutsche Krieg (1915)
- Wandel mit Krieg und Aufbau (1916)
- Zur Person Thomas Manns (1875-1955) und der philosophischen Interpretation des Zauberbergs (1913-1924)
- Entstehung/Konzeption
- Besonderheiten der Erzähltechnik des Zauberbergs
- Leitmotivik und Ironie
- Wichtige Charaktere und Motive
- Zauberberg versus Flachland
- Mittelmäßigkeit Hans Castorps
- Settembrini und Naphta
- Peeperkorn: Sein statt Meinen
- Mme Chauchat als Gegenspielerin Settembrinis
- Dekadenz
- Das Schnee-Kapitel
- Interpretationsansätze
- Bildungsroman oder Entbildungsroman?
- Zeitroman oder metaphysischer Roman?
- Kriegserlebnis: Thomas Mann und der Erste Weltkrieg
- Die Betrachtungen eines Unpolitischen
- Die Kriegsdarstellung im Zauberberg
- Anknüpfungspunkte zwischen dem Genius des Krieges und dem Zauberberg
- Wechselseitige Wahrnehmung von Max Scheler und Thomas Mann
- Verweise von Max Scheler auf Thomas Mann
- Selbstäußerungen Thomas Manns zu Max Scheler und dessen Schriften
- Kennzeichnung der allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland um die Zeit des 1. Weltkriegs (ca. 1910-1923)
- Kriegsphilosophie und Kriegserlebnis: Verarbeitung des Ersten Weltkriegs durch Max Scheler und Thomas Mann
- Kriegsdienst mit Worten
- Politisches Engagement des Literaten Thomas Mann und des Philosophen Max Scheler
- Mittelalterrezeption
- Kriegserleben als „kollektive Erfahrung“
- Auseinandersetzung mit den Pazifisten
- Das Motiv der Dekadenzüberwindung und dessen Ausdruck in der persönlichen Wandlung von Max Scheler und Thomas Mann
- „Los von England“: Die Sicht des Ersten Weltkriegs im Kontext europäischer Konflikte
- Deutsche Mittlerrolle bei Max Scheler und Thomas Mann
- Direkte Bezüge des Zauberbergs zum Genius des Krieges
- (Lebens-)Philosophie Max Schelers in Thomas Manns Zauberberg
- Der Mensch als liebendes Wesen (ens amans)
- Leiden
- Todeserfahrung
- Politisch-pädagogische Absichten
- Europagedanke
- Erwartungen an die europäische Jugend
- Ausblick: Weitere Gemeinsamkeiten
- ,,Breites Interesse"
- Rezeption im Ausland
- Zwei Exkurse
- EXKURS A: Schopenhauer- und Nietzsche-Rezeption
- Thomas Mann und die Philosophie
- Schopenhauer-Rezeption im Zauberberg
- Ablehnung Schopenhauers vor dem Hintergrund der Nietzsche-Rezeption
- Der,,katholische Nietzsche\" Max Scheler
- Scheler, Nietzsche und der Genius des Krieges
- Zur Bedeutung der Beziehung zwischen Scheler und Mann in Bezug auf die Nietzsche-Rezeption
- Scheler und Schopenhauer
- Die Dreiecksbeziehung Scheler - Schopenhauer - Mann
- Todesfaszination bei Max Scheler und Thomas Mann
- EXKURS B: Der Bereich des Möglichkeitsdenkens Max Schelers und der Zauberberg
- Vergleichende Analyse von "Der Zauberberg" und "Der Genius des Krieges"
- Schriftstellerische und philosophische Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg
- Rezeption und Verarbeitung des Ersten Weltkriegs durch Thomas Mann und Max Scheler
- Politisch-pädagogische Absichten der beiden Autoren
- Einfluss von Kriegserfahrungen auf die Wandlung zum „Vernunftrepublikaner“
- Einleitung: Die Einleitung stellt das Ziel der Arbeit vor und skizziert den Forschungsstand. Sie erläutert die vergleichende Analyse von "Der Zauberberg" und "Der Genius des Krieges" sowie die Relevanz der beiden Texte für die Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg. Der Fokus liegt auf der pädagogischen Absicht beider Autoren und der Frage nach einer möglichen wechselseitigen Beeinflussung.
- Max Scheler: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Leben und Werk des Philosophen Max Scheler. Es beleuchtet seine katholische Prägung, wichtige Stationen und Schriften sowie seine philosophische Entwicklung. Der Abschnitt behandelt Schelers Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg und seine Schriften "Der Genius des Krieges und der Deutsche Krieg" (1915) sowie "Wandel mit Krieg und Aufbau" (1916).
- Thomas Mann: Dieser Abschnitt widmet sich der Person und dem Werk von Thomas Mann. Er analysiert die Entstehungsgeschichte und die Konzeption von "Der Zauberberg" sowie die Besonderheiten der Erzähltechnik, die Leitmotivik und die wichtigen Charaktere und Motive. Der Abschnitt betrachtet verschiedene Interpretationsansätze des Romans und seine Einordnung in verschiedene literarische Genres.
- Kriegserlebnis: Thomas Mann und der Erste Weltkrieg: Dieses Kapitel untersucht die Darstellung des Ersten Weltkriegs im Roman "Der Zauberberg". Es analysiert Thomas Manns Kriegserlebnis und die Rolle der Kriegserfahrung in seinem Werk. Zudem werden die Anknüpfungspunkte zwischen "Der Genius des Krieges" und "Der Zauberberg" beleuchtet.
- Wechselseitige Wahrnehmung von Max Scheler und Thomas Mann: Dieser Abschnitt untersucht die gegenseitige Wahrnehmung der beiden Autoren. Er beleuchtet Verweise von Max Scheler auf Thomas Mann und Selbstäußerungen Thomas Manns zu Max Scheler und dessen Schriften. Darüber hinaus wird die allgemeine gesellschaftliche und politische Situation in Deutschland um die Zeit des Ersten Weltkriegs (1910-1923) skizziert.
- Kriegsphilosophie und Kriegserlebnis: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Verarbeitung des Ersten Weltkriegs durch Max Scheler und Thomas Mann. Es analysiert die Rolle von Kriegserfahrungen und Kriegsphilosophie im Werk der beiden Autoren, das politische Engagement von Thomas Mann und Max Scheler, die Rezeption des Mittelalters, das Kriegserleben als "kollektive Erfahrung" und die Auseinandersetzung mit den Pazifisten.
- Das Motiv der Dekadenzüberwindung: Dieser Abschnitt analysiert das Motiv der Dekadenzüberwindung und dessen Ausdruck in der persönlichen Wandlung von Max Scheler und Thomas Mann. Er untersucht die Sicht des Ersten Weltkriegs im Kontext europäischer Konflikte und die Rolle der deutschen Mittlerrolle bei Max Scheler und Thomas Mann.
- Direkte Bezüge des Zauberbergs zum Genius des Krieges: Dieser Abschnitt beleuchtet die direkten Bezüge des Romans "Der Zauberberg" auf Schelers "Der Genius des Krieges". Er untersucht die Philosophie Max Schelers in Thomas Manns Werk und die Bedeutung von Motiven wie dem liebenden Wesen (ens amans), Leiden, Todeserfahrung und den politisch-pädagogischen Absichten.
- Europagedanke: Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit dem Europagedanken bei Max Scheler und Thomas Mann. Er untersucht die Erwartungen der beiden Autoren an die europäische Jugend und die Bedeutung des Europagedankens in ihren Werken.
- Ausblick: Der letzte Abschnitt gibt einen Ausblick auf weitere Gemeinsamkeiten zwischen Max Scheler und Thomas Mann. Er beleuchtet die Rezeption ihrer Werke im Ausland und stellt zwei Exkurse vor, die sich mit der Schopenhauer- und Nietzsche-Rezeption im Werk der beiden Autoren sowie mit dem Bereich des Möglichkeitsdenkens bei Max Scheler in Bezug auf "Der Zauberberg" befassen.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit der vergleichenden Analyse von Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" und Max Schelers politisch-pädagogischer Schrift "Der Genius des Krieges und der deutsche Krieg". Beide Texte thematisieren die Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft, wobei die pädagogische Absicht eine wichtige Rolle spielt. Die Arbeit untersucht die Rezeption des Ersten Weltkriegs durch die beiden Autoren, die während dieser Zeit ähnliche Argumente gegen die Propaganda der Alliierten einsetzten und sich später beide zum „Vernunftrepublikaner“ entwickelten.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die vergleichende Analyse von "Der Zauberberg" und "Der Genius des Krieges". Dabei stehen die Themen Kriegsphilosophie, Kriegserlebnis, pädagogische Absicht, politische Philosophie, Dekadenzüberwindung, Europagedanke und die Rezeption von Schopenhauer und Nietzsche im Vordergrund. Weitere wichtige Schlüsselbegriffe sind "Vernunftrepublikaner", "kollektive Erfahrung", "deutsche Mittlerrolle" und "Möglichkeitsdenken".
- Quote paper
- Felix Brenk (Author), 1999, Zeitgenössicher Vergleich zwischen Max Scheler und Thomas Mann am Beispiel der Kriegsphilosophie im Genius des Krieges und im Zauberberg, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/6581