Mit seinem "Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation" hat Norbert Elias ein Werk geschaffen, das anfänglich auf wenig Resonanz in der sozialwissenschaftlichen Forschung gestoßen ist. Dabei ist er einer der wenigen Soziologen, die versucht haben, einen wissenschaftsübergreifenden Ansatz hinsichtlich einer Verbindung von Individual- und Gesellschaftsstrukturen zu erarbeiten. Mit der Kombination von Geschichts- und Sozialwissenschaft und der Einbeziehung der Sozialpsychologie hat Norbert Elias außerdem versucht, das Problem des Mikro-Makro-Dualismus in der Soziologie zu entschärfen - der zweite große Verdienst eines Soziologen, der bemüht war, mit seinen Arbeiten den Sozialwissenschaftlern den "fachlichen Tunnelblick" zu nehmen.
Und dennoch ist der Prozess der Zivilisationen nicht unkritisch zu betrachten und unhinterfragt zu akzeptieren. Anliegen des Seminars war es, einzelne Kapitel des Buches kritisch zu durchleuchten, Defizite zu erkennen und das Gesamtwerk hinsichtlich seines Nutzens für eine moderne Kulturwissenschaft zu überprüfen.
Ich habe mich auf die Kapitel "Das Verhalten im Schlafraum" und "Wandlungen in der Einstellung zu den Beziehungen von Mann und Frau" konzentriert und versuche in erster Linie, die Schwachpunkte dieser Kapitel zu analysieren mit Bezugnahme auf die am häufigsten genannten Kritiker Elias`. Abschließend bemühe ich mich, um eine Zusammenfassung der wichtigsten Kritikpunkte des Gesamtwerkes.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Über das Verhalten im Schlafraum
- ,,Wandlungen in der Einstellung der Beziehungen von Mann und Frau“
- Zur Kritik am Zivilisationsprozeß
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert zwei ausgewählte Kapitel aus Norbert Elias' "Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation" und untersucht die Kritik an seinem Zivilisationsprozeß. Die Arbeit zielt darauf ab, die Schwachpunkte der Kapitel "Das Verhalten im Schlafraum" und "Wandlungen in der Einstellung zu den Beziehungen von Mann und Frau" zu beleuchten und eine Zusammenfassung der wichtigsten Kritikpunkte des Gesamtwerkes zu liefern.
- Analyse der Kapitel "Das Verhalten im Schlafraum" und "Wandlungen in der Einstellung zu den Beziehungen von Mann und Frau"
- Identifizierung von Schwachpunkten in den beiden Kapiteln
- Kritische Auseinandersetzung mit Elias' Argumentation
- Zusammenfassung der wichtigsten Kritikpunkte an Elias' Zivilisationstheorie
- Bewertung des Nutzens des Gesamtwerkes für die moderne Kulturwissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Über das Verhalten im Schlafraum
Elias argumentiert, dass sich Menschen im Mittelalter im Vergleich zum 16. bis 19. Jahrhundert wesentlich unbefangener in Bezug auf Schlafen, Nacktheit und Sexualität verhalten haben. Er stellt fest, dass es im Mittelalter normal gewesen sei, in einem Raum zu schlafen, ohne Scham oder Peinlichkeit. Im Gegensatz dazu sei das Schlafzimmer im modernen Zivilisationszustand zum "privatesten" und "intimsten Bezirk" geworden. Elias geht auf Massenübernachtungen in einem Raum nur kurz ein und beleuchtet den Aspekt der Nacktheit, ohne ausreichende Quellen zu hinterfragen. Er behauptet, dass der Laienstand nackt geschlafen habe, während Kleriker in ihrer Alltagsbekleidung zu Bett gingen. Er führt aus, dass es im Mittelalter keine spezielle Nachtbekleidung gegeben habe, da die Scham- und Peinlichkeitsschwelle gering gewesen sei. Es sei sogar mit negativen Assoziationen verbunden gewesen, sich während des Schlafes zu bekleiden, außer dies sei durch eine Ordensgemeinschaft oder ähnlichem vorgeschrieben.
,,Wandlungen in der Einstellung der Beziehungen von Mann und Frau“
Dieses Kapitel behandelt die Veränderungen in den Beziehungen zwischen Mann und Frau im Laufe der Zeit. Elias argumentiert, dass sich die Beziehungen von Mann und Frau im Laufe der Zivilisationsprozesse durch eine zunehmende Rationalisierung und Kontrolle des Affekts verändert haben. Er beleuchtet die Entwicklung von Verhaltensnormen und den Wandel der Geschlechterrollen. Insbesondere konzentriert er sich auf die Herausbildung einer „höheren“ Form der Liebe, die auf gegenseitiger Zuneigung und Respekt basiert und die Ausübung von Macht und Gewalt in der Beziehung reduziert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Norbert Elias, Zivilisationsprozeß, „Das Verhalten im Schlafraum“, „Wandlungen in der Einstellung der Beziehungen von Mann und Frau“, Kritik, Kulturwissenschaft, Sozialgeschichte, Sozialpsychologie, Geschlechterrollen, Affektkontrolle, Mikro-Makro-Dualismus.
- Arbeit zitieren
- Dörte Göhler (Autor:in), 2002, Norbert Elias und der Prozeß der Zivilisation. Eine kritische Auseinandersetzung anhand zweier Kapitel., München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/6517