Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) und Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792) haben auf den ersten Blick einiges gemein. Beide leben zur gleichen Zeit, beide entspringen einer Pastoren- bzw. Pfarrerfamilie, und beide sind stark von den Ideen der Aufklärung geprägt. Sowohl Lessing als auch Lenz äußern sich öffentlich zu dramentheoretischen Fragen und setzen ihre Vorstellungen in eigenen Theaterstücken um. Beschäftigt man sich mit diesen Dramen, so stellt man fest, dass sie in Bezug auf Inhalt und Form Unterschiede aufweisen -Unterschiede, die in ungleichen Auffassungen über die Mimesis im Theater begründet liegen. Die vorliegende Arbeit verfolgt Ziel, diese Differenzen aufzuzeigen.
Um die Aufgabenstellung verständlicher zu machen, wird vorerst der Begriff der Mimesis näher erläutert. Danach erfolgt ein kurzer Einblick in die deutsche Dramentheorie im 18. Jahrhundert, in dem die maßgeblichsten Personen kurz vorgestellt werden. Der Kern der Arbeit beschäftigt sich dann mit den oben bereits erwähnten divergierenden Auffassungen der beiden Theatertheoretiker und -praktiker. Jedem Unterkapitel folgt eine kurze Zusammenfassung. Die Arbeit endet mit der obligaten Schlussbetrachtung.
Der Verfasser möchte auf den Umfang hinweisen, den dieses Thema impliziert. Eine Seminararbeit wie diese reicht nicht aus, um sich diesem Thema in jener Art und Weise zu widmen, die ihm zustehen würde. Es handelt sich daher lediglich um einen knappen Einblick.
Inhaltsverzeichnis
1 Ziel und Methode
2 Die Mimesis – ein umfassender Begriff
3 Die deutsche Dramentheorie im 18. Jahrhundert
4 Die Dramentheorie im Sinne von Lessing und Lenz – ein Vergleich
4.1 Die Dramengattungen
4.2 Die drei Einheiten
4.3 Die Charaktere
4.4 Die Dramenhandlung
5 Schlussbetrachtung
Literatur
1 Ziel und Methode
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) und Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792) haben auf den ersten Blick einiges gemein. Beide leben zur gleichen Zeit, beide entspringen einer Pastoren- bzw. Pfarrerfamilie, und beide sind stark von den Ideen der Aufklärung geprägt. Sowohl Lessing als auch Lenz äußern sich öffentlich zu dramentheoretischen Fragen und setzen ihre Vorstellungen in eigenen Theaterstücken um. Beschäftigt man sich mit diesen Dramen, so stellt man fest, dass sie in Bezug auf Inhalt und Form Unterschiede aufweisen – Unterschiede, die in ungleichen Auffassungen über die Mimesis im Theater begründet liegen. Die vorliegende Arbeit verfolgt Ziel, diese Differenzen aufzuzeigen.
Um die Aufgabenstellung verständlicher zu machen, wird vorerst der Begriff der Mimesis näher erläutert. Danach erfolgt ein kurzer Einblick in die deutsche Dramentheorie im 18. Jahrhundert, in dem die maßgeblichsten Personen kurz vorgestellt werden. Der Kern der Arbeit beschäftigt sich dann mit den oben bereits erwähnten divergierenden Auffassungen der beiden Theatertheoretiker und -praktiker. Jedem Unterkapitel folgt eine kurze Zusammenfassung. Die Arbeit endet mit der obligaten Schlussbetrachtung.
Der Verfasser möchte auf den Umfang hinweisen, den dieses Thema impliziert. Eine Seminararbeit wie diese reicht nicht aus, um sich diesem Thema in jener Art und Weise zu widmen, die ihm zustehen würde. Es handelt sich daher lediglich um einen knappen Einblick.
2 Die Mimesis – ein umfassender Begriff
Bevor im Konkreten auf mimetische Auffassungsunterschiede eingegangen werden kann, ist der Begriff der Mimesis zu behandeln – über dessen konkreten kulturgeschichtlichen Hintergrund Uneinigkeit herrscht. Als gesichert gilt, dass in der Antike unter „Mimesis“ die Darstellung von lebendigen und konkreten Eigenschaften verstanden wird. Der Begriff taucht in einem ästhetischen Zusammenhang erstmals bei Platon auf.[1]
In Platons Gedankenwelt wird Mimesis noch negativ gedeutet. Die Unmöglichkeit einer absolut korrekten Darstellung der Wirklichkeit führt den Lehrer von Aristoteles zu dem Schluss, dass jeglicher Versuch der Nachahmung einer Lüge gleichkomme und daher unmoralisch sei – auf diese Argumentation kommen kirchliche Vertreter in der Neuzeit gerne zurück.
Aristoteles hingegen meint, eine positive Wirkung der Nachahmung auf den Betrachter zu bemerken. Die Mimesis gem. Aristoteles ruft eine Reizung der Leidenschaften hervor und führt Erregungszustände herbei. Er bezeichnet diese Zustände als „Eleos“ und „Phobos“, was mit „Jammern“ und „Schaudern“ übersetzt werden kann. Dieses Jammern und Schaudern entstehe u.a. durch das Mitfühlen des Zusehers mit den dargestellten heldenhaften Figuren, weshalb Lessing den Begriff „Eleos“ später auch als „Mitleid“ übersetzt. Die durch menschliches Jammern und Schaudern begründete Aufregung führt gem. Aristoteles zu einer „Reinigung“ („Katharsis“) des Rezipienten. Die Mimesis heile bzw. läutere den einzelnen Betrachter aufgrund ihrer reinigenden Wirkung auf den jeweiligen Seelenzustand.
Man könnte auch sagen, dass Aristoteles den Wirklichkeitsbegriff nicht nur auf Vorgänge in der Natur, sondern ebenso auf innere menschliche Vorgänge anwendet – und seine bisherige Bedeutung dadurch ausweitet. Die „Darstellung“ bezieht sich demnach nicht mehr ausschließlich auf die äußerlich wahrnehmbare Natur, sondern ebenso auf eine geistige Dimension. Die Mimesis kann daher per se nicht als „Lüge“ bezeichnet werden.
Im 18. Jahrhundert reduziert man in philosophischen Diskursen den Begriff der Mimesis v.a. auf die Nachahmung der Natur, wobei „Nachahmung“„im wesentlichen als ‚Ähnlichkeit’ eines Artefaktes mit einem natürlichen Vorbild interpretiert“[2] wird.
Heute wird Mimesis als sehr umfassender Begriff verstanden. In mimetischen Prozessen werden Beziehungen auf andere Welten hergestellt. Durch einen Vergleich der dargestellten Welt mit eigenen Erfahrungen können Ähnlichkeiten entstehen; diese Ähnlichkeiten sind jedoch nicht per se Voraussetzung. Ähnlichkeiten werden demnach nur mehr als Folge von mimetischer Bezugnahme betrachtet, wobei Imitation lediglich als ein Sonderfall von Mimesis gilt.[3]
Mimesis entsteht durch Handlung, welche praktisches Wissen der verantwortlichen Personen (dies sind v.a. Schauspieler, Regisseur und Dichter) voraussetzt. Dieses Wissen kann auch als Erfahrung bezeichnet werden. Die Summe aller Erfahrungen wiederum führen zu ästhetischen Grundhaltungen. Ästhetik kann sehr individuell ausgeprägt sein und unterschiedlicher Sinn für Ästhetik ist ein wichtiger Motor der Kunst. Im Bereich des Theaters bedingen ästhetische Auffassungsunterschiede divergierende Einstellungen in Bezug auf die Mimesis. Diese individuellen Einstellungen führen zu unterschiedlichen Anforderungen an die Mimesis in Hinsicht auf Inhalt und Form ihrer Handlung.
Um mit Adorno zu argumentieren: Mimesis ist das Bindeglied zwischen Wirklichkeit und Kunst. Wie dieses Bindeglied beschaffen ist, hängt von der individuellen Auffassung des jeweiligen Theaterkünstlers ab. Man könnte auch sagen: Mimesis ist dargestellte Handlung, die stets durch Individuen entsteht. Inhalt und Form der Handlung sind hierbei zentrale mimetische Bestandteile. Mimesis beinhaltet daher wichtige dramentheoretische Aspekte. Speziell in der deutschen Dramentheorie des 18. Jahrhunderts steht der formale Aspekt in Hinblick auf die Nachahmung der Wirklichkeit im Vordergrund. Folglich werden in dieser Arbeit vor allem dramentheoretische Auffassungsunterschiede in Bezug auf die dichterische Darstellung der Welt behandelt. Im Konkreten werden diese in Bezug auf Dramengattungen, die drei Einheiten, Charakterbeschreibungen und die Anforderungen an den Inhalt behandelt. Die Anforderungen an die Schauspielkunst werden nicht behandelt, da im Zuge der Recherchen für diese Arbeit keine diesbezüglichen Äußerungen von Lenz gefunden wurden.
3 Die deutsche Dramentheorie im 18. Jahrhundert
Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen im Europa des 18. Jahrhunderts führen langsam aber stetig zu einem erstarkenden Bürgertum. Auch für das Theater haben diese Veränderungen großen Einfluss, denn es vollzieht sich die Wandlung vom höfischen zum bürgerlichen Theater.
Durch das neue Zielpublikum entstehen neue Anforderungen an die zu spielenden Theaterstücke. Eine rege Diskussion um ästhetische Grundsätze des neuen Theaters des bürgerlichen Zeitalters entbrennt. Angefacht werden die in jener Zeit entstehenden theaterästhetischen Schriften nicht zuletzt durch die Debatte um ein deutsches Nationaltheater. Auch wenn sich die Bemühungen um ein ebensolches aufgrund der politischen Zersplitterung auf viele Kleinstaaten im deutschsprachigen Raum als schwierig erweisen, führt der geistige Austausch letztlich zu zukunftsweisenden Ergebnissen.
Ein einflussreicher Theoretiker ist Johann Christoph Gottsched (1700-1766). In seinem „Versuch einer critischen Dichtkunst“ (1730) spricht er sich gegen das damals beliebte Improvisationstheater aus und setzt sich für eine glaubhafte Nachbildung von Handlung und Charakteren ein. Er besteht auf die Einheit von Ort und Zeit. Eine moralisch Aussage müsse darüber hinaus klar erkennbar sein. Sein Plädoyer für ein literarisch hochwertiges und tugendhaftes Theater führt jedoch zu Problemen. Zum einen will er dem Theater eine normative Regeldramatik aufzwängen und zum anderen jedwede komödiantische Theatralität bekämpfen – und wird so zum rigiden Geschmacksdiktator.
Auch Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) sieht unter anderem im moralischen Erkenntnisgewinn einen Nutzen des Theaters. Der Erkenntnisgewinn solle auf dem Weg der Empathie für die handelnde Figur erfolgen. Gellert tritt für „rührende Lustspiele“ und sogenannte Verlachkomödien ein.
Im Rahmen der Nationaltheater-Debatte verfasst Johann Elias Schlegel (1719-1749) eine Schrift[4], in der er die Ansicht vertritt, das deutsche Theater solle historische, lokale und soziale Voraussetzungen berücksichtigen und müsse alle Stände ansprechen.
[...]
[1] Vgl. Gebauer/Wulf (1992), S. 44ff.
[2] Gebauer/Wulf (1992), S. 219.
[3] Vgl. Gebauer/Wulf (1992), S. 431ff.
[4] Bereits 1747 verfasste er für den dänischen Hof ein Programm für ein öffentliches Theater: sein „Schreiben von der Errichtung eines Theaters in Kopenhaben“ und die „Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters“ erschienen jedoch erst 1764.