"Man denke sich den folgenden dichterischen Charakter. Ein Mann, edel und leidenschaftlich, aber auf irgendeine Weise gezeichnet und in seinem Gemüt eine dunkle Ausnahme unter den Regelrechten, [...] einsam, ausgeschlossen vom Glücke, von der Bummelei des Glücks und ganz und gar auf die Leistung gestellt. Gute Bedingungen, das alles, um die ‚Lieblinge′ zu überflügeln, welche die Leistung nicht nötig haben; gute Bedingungen zur Größe. Und in einem harten, strengen und schweren Leben wird er groß, verrichtet öffentlich ruhmvolle Dinge, wird mit Ehren geschmückt für seine Vierdienste, - bleibt aber in seinem Gemüt eine dunkle Ausnahme, sehr stolz als ein Mann der Leistung, aber voller Mißtrauen in sein menschliches Teil und ohne Glauben daran, daß man ihn lieben könne. Da tritt ein junges Weib in sein Leben [...]"
Hier gerät der aufmerksame Leser ins Stutzen. Erwartet er doch bei dieser scheinbar auf Gustav von Aschenbach aus Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig" zutreffenden Beschreibung einen Hinweis auf den Jüngling Tadzio. Gemeint ist in diesem Fall jedoch Othello aus William Shakespeares gleichnamigem Drama.
Ich werde mich im Rahmen meiner Arbeit jedoch damit auseinandersetzen, wie "Gustav von Aschenbach zwischen Selbstdisziplin und Unruhe" im "Tod in Venedig" erscheint. Nach einer kurzen Inhaltsübersicht versuche ich grob die Entwicklung der beiden Charakteristikmerkmale im Laufe der Novelle herauszustellen, und zu belegen, inwiefern sich Unruhe und Selbstdisziplin bei Aschenbach selbst und in dessen Umwelt zeigen.
Da vor allem die Unruhe sich zuweilen als nervlich bedingtes Leiden äußert, und auch im Seminar das Thema "Nervosität und Literatur" behandelt wurde, werde ich schließlich noch auf den Begriff der Nerven, behandelt in der neuen Psychologie bei Hermann Bahr, eingehen und Vergleiche zum "Tod in Venedig" herstellen.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Inhaltsangabe der Novelle
- Kapitel 1
- Kapitel 2
- Kapitel 3
- Kapitel 4
- Kapitel 5
- Ursachen und Kennzeichen von Selbstdisziplin bei Gustav von Aschenbach
- Unruhe im Leben von Gustav von Aschenbach
- Ursachen und Kennzeichen innerer Unruhe
- Äußere Unruhe bei Aschenbach und in seiner Umwelt
- Gegenüberstellung von Selbstdisziplin und Unruhe
- Die Neue Psychologie von Hermann Bahr
- Aussagen der Neuen Psychologie
- Übertragung der Theorien Bahrs auf den „Tod in Venedig“
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Figur des Gustav von Aschenbach in Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“. Ziel ist es, die Entwicklung der beiden Charakteristika „Selbstdisziplin“ und „Unruhe“ bei Aschenbach im Laufe der Novelle zu untersuchen.
- Die Rolle von Selbstdisziplin im Leben von Gustav von Aschenbach, ihre Ursachen und Kennzeichen.
- Die verschiedenen Formen von Unruhe bei Aschenbach, sowohl innerlich als auch in seiner Umwelt.
- Die Gegenüberstellung von Selbstdisziplin und Unruhe bei Aschenbach und ihre Auswirkungen auf sein Verhalten und Handeln.
- Die Beziehung zwischen Aschenbachs Unruhe und den Theorien der „Neuen Psychologie“ von Hermann Bahr.
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die Novelle beginnt mit einer Beschreibung von Aschenbachs innerer Unruhe, die ihn dazu bringt, einen Spaziergang zu machen. Er beobachtet einen Fremden, der in ihm Fernweh weckt und eine chaotische Urwaldlandschaft in seinen Gedanken evoziert.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel gibt Einblicke in das Leben und Werk des Schriftstellers Aschenbach. Er ist ein hochbegabter und ehrgeiziger Mann, der schon in jungen Jahren von Leistung und Ruhm geprägt ist.
- Kapitel 3: Aschenbach reist nach Venedig, wo er dem jungen Tadzio begegnet, dessen Schönheit ihn fasziniert. Er kämpft mit inneren Konflikten und dem Wunsch, in Venedig zu bleiben oder zu gehen.
- Kapitel 4: Aschenbach verliebt sich in Tadzio und verbringt die meiste Zeit in dessen Nähe. Er schreibt eine Passage über den Jungen und erlebt ein Schlüsselerlebnis in Form eines gemeinsamen Lächelns.
- Kapitel 5: Die Hinweise auf eine Epidemie in Venedig werden deutlicher. Aschenbach verfolgt Tadzio nun aktiv. Ein Traum vom Gott Dionysos lässt ihn nach einer Verjüngungskur suchen. Er stirbt am Strand, während er Tadzio beobachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Figurenmerkmale Selbstdisziplin und Unruhe im Kontext von Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“. Die Schlüsselbegriffe der Arbeit sind: Selbstdisziplin, Unruhe, Leistung, Ruhm, Verfall, Ästhetik, Schönheit, Krankheit, Nerven, Psychologie, Hermann Bahr.
- Arbeit zitieren
- Florian Schaffelhofer (Autor:in), 1999, Gustav von Aschenbach zwischen Unruhe und Selbstdisziplin in Thomas Manns "Tod in Venedig", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/6083