In dieser Arbeit werde ich zunächst den Begriff und die Voraussetzungen der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung erläutern. Anschließend gehe ich auf den Verlauf der Rechtsprechung und deren Auslegungen ein und stelle dar, ob es eine abschließende beziehungsweise einheitliche Rechtsprechung zu der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung gibt. Am 01. Januar 2001 ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in Kraft getreten und hat das Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG) abgelöst.
In seiner Begründung zu dem Teilzeit- und Befristungsgesetz stellt der Bundestag dar, dass in Deutschland das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall der Beschäftigung ist und das auch bleiben soll. Diese Aussage unterstützt auch die von Statista durchgeführte Befragung, wonach im Jahr 2017 von rund 37.290.000 Erwerbstätigen in Deutschland 32.500.00 unbefristete und 4.790.000 befristete Arbeitsverträge hatten.
Eine Maßnahme die unbefristeten Arbeitsverhältnisse als Normalfall zu erhalten stellt der § 14 II TzBfG mit den Regelungen über die sachgrundlose Befristung zum Schutze vor Befristungsketten dar. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder unterschiedliche Rechtsprechungen bezüglich der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung vom Bundesarbeitsgericht (BAG) und Bundesverfassungsgericht (BVerfG).
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Begriffsbestimmung
I. Sachgrundlos
II. Befristung
a) Dauer der sachgrundlosen Befristung
b) Verlängerung der Befristung
III. Vorbeschäftigung
C. Zweck der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung
D. Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung – „demselben Arbeitgeber“
E. Rechtsprechung
I. Beschäftigungsförderungsgesetz
II. Teilzeit- und Befristungsgesetz
a) Urteil des BAG vom 06.11.2003
b) Urteil des BAG vom 06.04.2011
c) Urteil des BVerfG vom 06.06.2018
d) Urteile des BAG vom 23.01.2019
e) Sachverhalte
aa) 1. Fall: Urteil BAG 23.01.2019 – 7 AZR 733/16
bb) 2. Fall: Urteil BAG 23.01.2019 – 7 AZR 13/17
cc) 3. Fall: Urteil BAG 23.01.2019 – 7 AZR 161/15
f) Auslegung
aa) „sehr lang zurückliegende“ Vorbeschäftigung
bb) „ganz anders geartete“ Vorbeschäftigung
cc) „sehr kurze“ Vorbeschäftigung
g) Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht Nr. 29/19
F. Vertrauensschutz
G. Fazit
H. Literaturverzeichnis
A. Einleitung
Am 01. Januar 2001 ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in Kraft getreten und hat das Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG) abgelöst.1
In seiner Begründung zu dem Teilzeit- und Befristungsgesetz stellt der Bundestag dar, dass in Deutschland das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall der Beschäftigung ist und das auch bleiben soll.2
Diese Aussage unterstützt auch die von Statista durchgeführte Befragung, wonach im Jahr 2017 von rund 37.290.000 Erwerbstätigen in Deutschland 32.500.00 unbefristete und 4.790.000 befristete Arbeitsverträge hatten.3
Eine Maßnahme die unbefristeten Arbeitsverhältnisse als Normalfall zu erhalten stellt der § 14 II TzBfG mit den Regelungen über die sachgrundlose Befristung zum Schutze vor Befristungsketten dar.
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder unterschiedliche Rechtsprechungen bezüglich der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung vom Bundesarbeitsgericht (BAG) und Bundesverfassungsgericht (BVerfG).
In der folgenden Arbeit werde ich zunächst den Begriff und die Voraussetzungen der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung erläutern. Anschließend gehe ich auf den Verlauf der Rechtsprechung und deren Auslegungen ein und stelle dar, ob es eine abschließende bzw. einheitliche Rechtsprechung zu der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung gibt.
B. Begriffsbestimmung
I. Sachgrundlos
Sachgrundlos ist eine Befristung, wenn diese sich nicht durch einen sachlichen Grund rechtfertigen lässt. Insbesondere liegt ein sachlicher Grund dann vor, wenn er den Erfordernissen der Gründe aus § 14 I TzBfG genügt. Diese Erfordernisse sind jedoch nicht abschließend geregelt, sodass eine Verfassungskonforme Auslegung der Regelung unumgänglich ist.
II. Befristung
Befristet beschäftigt ist ein Arbeitnehmer gemäß § 3 I TzBfG, wenn er einen auf bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag hat. Es wird unterschieden in kalendermäßig befristete Arbeitsverträge und in zweckbefristete Arbeitsverträge.
a) Dauer der sachgrundlosen Befristung
Ein Arbeitsvertrag darf gemäß § 14 II TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von zwei Jahren befristet werden. Innerhalb dieser zwei Jahre darf der Arbeitsvertrag höchstens dreimal verlängert werden.
Unter dem Begriff „Verlängerung“ ist das einvernehmliche Hinausschieben des Endtermins der Beschäftigung zu verstehen.4
Die Dauer von zwei Jahren im Sinne des § 14 II TzBfG muss nicht ausgeschöpft werden. Demzufolge ist auch der Abschluss von Zeitverträgen mit kürzerer Laufzeit rechtswirksam möglich.5 Wird der Arbeitsvertrag nicht zu Beginn der Tätigkeit, sondern bereits zuvor geschlossen, rechnet die Höchstfrist von zwei Jahren ab dem ersten Arbeitstag.6
Zur Fristberechnung werden die Vorschriften aus dem BGB (§§ 187 II 1, 188 II, III BGB) herangezogen.7
b) Verlängerung der Befristung
Voraussetzung der Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages ist, dass der neue Vertrag lückenlos dem Alten folgt.8 Unproblematisch sollte es sein, wenn zwischen dem Ende des Alten und dem Beginn des neuen Vertragsverhältnisses ein arbeitsfreier Feiertag oder arbeitsfreies Wochenende liegt.9
Bei einer Verlängerung ist darauf zu achten, dass sich der anschließende bzw. verlängerte Arbeitsvertrag lediglich auf die Verlängerung beziehen darf.10
Folglich können Zweckbefristungen oder auflösende Bedingungen nicht im Rahmen des § 14 II TzBfG vereinbart werden.11
Ausnahmen bestehen nur, wenn der Arbeitsvertrag an eine geänderte Rechtslage angepasst wird12, der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vertragsänderung hat, z.B. in Form einer Erhöhung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG13, oder der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen gegenüber allen Mitarbeitern geändert hat.14
Das Bundesarbeitsgericht hält es allerdings für zulässig, dass die Arbeitsbedingungen während der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags einvernehmlich geändert werden, solange die Vertragsdauer beibehalten wird.15
Dies führt zu dem Umstand, dass mögliche Vertragsänderungen noch am Ende der Laufzeit des vorangegangenen Vertrages in Kraft gesetzt werden, welche dann in dem anschließenden bzw. verlängertem Arbeitsvertrag Anwendung finden.
So kann die Regelung, dass die Verlängerung sich lediglich auf die Verlängerung beziehen darf, indirekt umgangen werden.
III. Vorbeschäftigung
Gemäß § 14 II 2 TzBfG darf bei einer Vorbeschäftigung der Arbeitsvertrag nicht sachgrundlos befristet werden.
Eine Vorbeschäftigung in diesem Sinne liegt vor, wenn bereits ein Arbeitsverhältnis vorlag. Hierzu zählen auch ein früheres Beamtenverhältnis16 sowie ein früheres Heimarbeitsverhältnis.17
Bei der Vorbeschäftigung ist auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff abzustellen. Dieser ist in § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt und sagt, dass Arbeitnehmer ist, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit durch einen Arbeitsvertrag verpflichtet ist.
Haben die folgenden Beschäftigungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bestanden, ist die sachgrundlose Befristung ausgeschlossen.
Hierzu zählen Beschäftigungen im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres, als selbstständiger Mitarbeiter aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrags18, ein früheres Berufsausbildungsverhältnis19, Praktikanten, Volontäre, Umschüler20 sowie die praktischen Phasen eines dualen Studiengangs.21
C. Zweck der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung
Die sachgrundlose Befristung soll den Arbeitgeber dazu veranlassen, „den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen.“22
Durch die Möglichkeit den Arbeitsvertrag bis zu dreimal zu verlängern wird es dem Arbeitgeber ermöglicht einen zunächst nicht vorhandenen, aber später eintretenden Arbeitskräftebedarf mit erneuten Befristungen abzudecken.23
Außerdem soll die sachgrundlose Befristung den Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten und die Chance zu einer Dauerbeschäftigung bieten.24
„Das Ziel der Beschäftigungsförderung ist durch das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 I, 28 I Grundgesetz (GG) mit Verfassungsrang ausgestattet und Teil des in Art. 109 II GG verankerten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.“25
Des Weiteren soll der § 14 II 2 TzBfG verhindern, dass es zu extrem langen Befristungsketten kommt. Diese Aussage traf der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 26.01.2012. Bei einer Kettenbefristung im Rahmen einer Vertretung entschied das EuGH, dass eine wiederkehrende Befristung über elf Jahre hinweg zulässig ist, wenn der vertretungsbedarf sich als wieder auftretend oder ständig erweist.26
Das Bundesarbeitsgericht urteilte jedoch, im gleichen Fall, dass eine extrem lange Befristungskette nach ungefähr zehn Jahren und ab zehn oder mehr befristeten Verträgen nicht zulässig ist.27
D. Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung – „demselben Arbeitgeber“
Nach § 14 II 2 TzBfG ist eine Befristung dann unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Um festzustellen, ob die Befristung unzulässig ist wird auf den Arbeitgeber abgestellt.
Der Arbeitgeber ist die natürliche oder juristische Person, mit der ein Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag schließt.28
Entscheidend hierbei ist, dass die Vertragspartner völlig identisch sind. Eine Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 II 2 TzBfG liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer vor der sachgrundlosen Befristung in einer anderen Betriebsstätte29 oder einer anderen Dienststelle des Arbeitgebers beschäftigt war.30 Keine Personenidentität liegt vor, wenn der Arbeitnehmer zuvor bei einem anderen Konzernunternehmen beschäftigt war.31
Führen mehrere Vertragsarbeitgeber einen gemeinsamen Betrieb, gelten diese nicht als derselbe Arbeitgeber.32 Die Rechtsprechung beruht auf den § 1 III BeschFG, sie ist jedoch vollständig auf § 14 II 2 TzBfG anwendbar.33
Auch ein früherer Einsatz als Leiharbeitnehmer oder als Arbeitnehmer eines vom Arbeitgeber beauftragten Werk- bzw. Dienstleisters im Betrieb löst die Sperrwirkung des § 14 II 2 TzBfG nicht aus.34
Folglich ist die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages grundsätzlich möglich, wenn vorher kein Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bestanden hat.
Um festzustellen, ob ein Arbeitnehmer bereits zuvor bei dem Arbeitgeber beschäftigt war und um zu verhindern, dass der Arbeitgeber eine unwirksame sachgrundlose Befristung und folglich einen ungewollt unbefristeten Dauerarbeitsvertrag vereinbart, wird dem Arbeitgeber ein besonderes Fragerecht (z.B. im Vorstellungsgespräch oder im Personalbogen) zugesichert.35
E. Rechtsprechung
Seit dem Erlass des Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde immer wieder intensiv darüber diskutiert, ob jede frühere Beschäftigung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber unter den Begriff des „bereits zuvor“ bestehenden Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 14 II 2 TzBfG fällt oder nicht.36
[...]
1 Vgl. BGBl. S. 1966, Teil I, Nr. 59, www-bgbl.de.
2 Vgl. BTDrucks 14/4374, S. 12, www.dejure.org.
3 Vgl. Statistisches Bundesamt. "Anzahl der Erwerbstätigen mit befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen in Deutschland von 2005 bis 2017 (in Millionen)." Chart. 3. September, 2018. Statista. Zugegriffen am 11. November 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152407/umfrage/befristet-und-unbefristet-erwerbstaetige-in-deutschland/.
4 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, 19. Aufl. 2019, TzBfG § 14 Rn. 88.
5 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, 19. Aufl. 2019, TzBfG § 14 Rn. 86.
6 Vgl. LAG HM 16.02.2018 NZA-RR 2018, 235, www.beck-online.beck.de.
7 Vgl. Meinel/Heyn/Herms, 5. Aufl. 2015, TzBfG § 14 Rn. 256.
8 Vgl. BAG 09.09.2015 – 7 AZR 190/14>Rn. 25, www.bag-urteil.com.
9 Vgl. BeckOK ArbG/Bayruther, 53. Ed. 01.06.2019, TzBfG § 14 Rn. 94.
10 Vgl. BAG 20.02.2008 – 7 AZR 786/06>Rn. 13, www.lexetius.com.
11 Vgl. KR/Lipke 12. Aufl. 2019, TzBfG Rn. 532.
12 Vgl. BAG 23.08.2006 – 7 AZR 12/06>Rn. 5, www.hensche.de.
13 Vgl. BAG 16.01.2008 – 7 AZR 603 /06>Rn. 19, www.lexetius.com.
14 Vgl. BAG 23.08.2006 – 7 AZR 12/06>Rn. 11, www.hensche.de.
15 Vgl. BAG 18.01.2006 – 7 AZR 178/05>Rn. 19, www.hensche.de.
16 Vgl. BAG 24.02.2016 – 7 AZR 182/14>Rn. 26, www.bag-urteil.com.
17 Vgl. BAG 24.08.2016 – 7 AZR 625/15>Rn. 12, www.bag-urteil.com.
18 Vgl. Dörner, 2. Aufl. 2011, Rn. 441.
19 Vgl. BAG 12.04.2017 – 7 AZR 446/15>Rn. 15, www.bag-urteil.com.
20 Vgl. BAG 19.10.2005 – 7 AZR 31/05>Rn. 21; Dörner, 2. Aufl. 2011, Rn. 440.
21 Vgl. Meinel/Heyn/Herms, 5. Aufl. 2015, TzBfG § 14 Rn. 266.
22 Vgl. BTDrucks 14/4347, S. 14, www.dejure.org.
23 Vgl. BTDrucks 13/4612, www.dejure.org.
24 Vgl. BTDrucks 14/4374, S. 14, www.dejure.org.
25 Vgl. BVerfG 06.06.2018 – 1 BvR 1375/14>Rn. 48, www.bundesverfassunsgericht.de.
26 Vgl. EuGH 26.01.2012 – C-586/10, www.curia.europa.eu.
27 Vgl. BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09., www.bag-urteil.com.
28 Vgl. BAG 27.09.2012 – 2 AZR 838/11> Rn. 16, www.bag-urteil.com.
29 Vgl. BeckOK ArbG/Bayruther, 53. Ed. 01.06.2019, TzBfG § 14 Rn. 89.
30 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, 19. Aufl. 2019, TzBfG § 14 Rn. 93.
31 Vgl. BeckOK ArbG/Bayruther, 53. Ed. 01.06.2019, TzBfG § 14 Rn. 89.
32 Vgl. BAG 25.04.2001 – 7 AZR 376/00 >Rn. 15, www.lexetius.com.
33 Vgl. Meinel/Heyn/Herms, 5. Aufl. 2015, TzBfG § 14 Rn. 267.
34 Vgl. BAG 15.05.2013 – 7 AZR 525/11>Rn. 18, www.bag-urteil.de.
35 BTDrucks 14/4374, S. 19, www.dejure.org.
36 Vgl. Lembke/Tegel NZA 2019, 1029, S. 1.