In den letzten 100 Jahren ist unglaublich viel passiert. Der Alltag der Menschen hat sich gewandelt, unsere Gesellschaft ist so modern und fortschrittlich wie noch nie zuvor. Unser heutiger Wohlstand ist ein Kind der Wissenschaft und des technischen Fortschrittes. Strom, Autos, Fernsehen, Internet, Social Media und das Iphone: Das sind alles Dinge, die unser alltägliches Leben im 21. Jahrhundert bestimmen, und die es vor kurzem noch nicht gab.
Nur durch die Wissenschaft wurde den neuen Entdeckungen der Weg geebnet. Die folgende Arbeit möchte vermitteln, wie wichtig nicht nur die Wissenschaft an sich ist, sondern auch die Vermittlung dieser.
Für den Großteil der Gesellschaft, der nicht in der Forschung arbeitet, sind die Massenmedien heute der einfachste Zugang zu Forschung, Wissenschaft und neuen Innovationen. Wie mit diesen hier umgegangen wird, damit beschäftigt sich die Wissenschaftskommunikation. Wissenschaftsjournalismus, Wissenschafts- PR und Wissenschaftsmarketing: Sie alle sind ein Teil davon. In der Arbeit wird zunächst auf den ersten Teil der Forschungsfrage „Was ist Wissenschaftskommunikation“ eingegangen.
Wie kann man die Wissenschaftskommunikation am besten definieren? Nicht nur die Gesamtgesellschaft hat durch die neuesten wissenschaftlichen und technischen Innovationen einen rasanten Wandel hingelegt, auch die Wissenschaftskommunikation hat sich stetig weiterentwickelt. Genau diese Entwicklung wird im Hauptteil beleuchtet, das ist der zweite Teil der Forschungsfrage. Begonnen diese aufzuzeigen wird ab der Nachkriegszeit. Über die ersten Umweltbewegungen, über Katastrophen wie der Reaktorunfall von Tschernobyl wird die Geschichte der Wissenschaftskommunikation chronologisch aufgearbeitet. Im mittleren Part des Hauptteiles wird auf den großen Nachholbedarf des eigenen Ressorts, zu der Zeit, im Wissenschaftsjournalismus und auf den darauf folgenden Aufschwung eingegangen. Die Arbeit schließt mit der gegenwärtigen Situation der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter und zwei kurzen Fallbeispielen aus der Praxis.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Was ist die Wissenschaftskommunikation?
2.1 Definitionen von Wissenschaftskommunikation
2.2 Forschungsfeld und Forschungsstand von Wissenschaftskommunikation
3. Entwicklung und Geschichte der Wissenschaftskommunikation
3.1 Von der Nachkriegszeit bis zur Silent Spring Bewegung
3.2 Der Berichterstattungsgau Tschernobyl
3.3 Das verspätete Ressort - Eine Bezeichnung für den Wissenschaftsjournalismus von Walter Hömberg
3.4 Der Aufschwung der Wissenschaftskommunikation um die Jahrtausendwende
3.5 Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter
3.6 Akteuere aus der Praxis
3.6.1 Science Media Center
3.6.2 Informationsdienst Wissenschaft
4. Beantwortung der Forschungsfrage und Fazit
1.Einleitung
In den letzten 100 Jahren ist unglaublich viel passiert. Der Alltag der Menschen hat sich gewandelt, unsere Gesellschaft ist so modern und fortschrittlich wie noch nie zuvor. Unser heutiger Wohlstand ist ein Kind der Wissenschaft und des technischen Fortschrittes. Strom, Autos, Fernsehen, Internet, Social Media und das Iphone: Das sind alles Dinge, die unser alltägliches Leben im 21. Jahrhundert bestimmen, und die es vor kurzem noch nicht gab.
Nur durch die Wissenschaft wurde den neuen Entdeckungen der Weg geebnet. Die folgende Arbeit möchte vermitteln, wie wichtig nicht nur die Wissenschaft an sich ist, sondern auch die Vermittlung dieser. Für den Großteil der Gesellschaft, der nicht in der Forschung arbeitet, sind die Massenmedien heute der einfachste Zugang zu Forschung, Wissenschaft und neuen Innovationen. Wie mit diesen hier umgegangen wird, damit beschäftigt sich die Wissenschaftskommunikation. Wissenschaftsjournalismus, Wissenschafts-PR und Wissenschaftsmarketing: Sie alle sind ein Teil davon. In der Arbeit wird zunächst auf den ersten Teil der Forschungsfrage „Was ist Wissenschaftskommunikation“ eingegangen.
Wie kann man die Wissenschaftskommunikation am besten definieren? Nicht nur die Gesamtgesellschaft hat durch die neuesten wissenschaftlichen und technischen Innovationen einen rasanten Wandel hingelegt, auch die Wissenschaftskommunikation hat sich stetig weiterentwickelt. Genau diese Entwicklung wird im Hauptteil beleuchtet, das ist der zweite Teil der Forschungsfrage. Begonnen diese aufzuzeigen wird im Punkt 3.1 ab der Nachkriegszeit. Über die ersten Umweltbewegungen (Punkt 3.2), über Katastrophen wie der Reaktorunfall von Tschernobyl (Punkt 3.3) wird die Geschichte der Wissenschaftskommunikation chronologisch aufgearbeitet. Im mittleren Part des Hauptteiles wird auf den großen Nachholbedarf des eigenes Ressorts, zu der Zeit, im Wissenschaftsjournalismus und auf den darauf folgenden Aufschwung eingegangen. Die Arbeit schließt mit der gegenwärtigen Situation der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter und zwei kurzen Fallbeispielen aus der Praxis.
2. Was ist die Wissenschaftskommunikation?
Um diese scheinbar einfache Frage zu beantworten werden im folgenden Abschnitt zwei Definitionen betrachten. Daraufhin wird in der Arbeit auf den aktuellen Forschungsstand der Wissenschaftskommunikation eingegangen. Hier in diesem Punkt wird zunächst auf die Wissenschaft an sich eingegangen und versucht diese in klare Worte zu fassen.
Über eine konkrete Definition verfügen weder Wissenschaftler selber noch die Wissenschaftsphilosophen (vgl. Weitze; Heckl 2016: 25). Diese kann über Methoden, Ergebnisse, Disziplinen oder Institutionen beschrieben werden. Die Wissenschaft ist für die Menschheit wichtig und ermöglicht es, dass wir heute so fortschrittlich und modern leben können. Im Brockhaus Lexikon wird sie wie folgt definiert:
„Die Wissenschaft ist die Gesamtheit des menschlichen Wissens einer Epoche, das systematisch gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und überliefert wird inklusive der Erkenntnisarbeit“ (Brockhaus 2020).
Die Wissenschaft ist also die Differenz von Wissen und Nichtwissen und kennzeichnet moderne Gesellschaften (vgl. Dernbach; Kleinert; Münder 2012: 4). Die Wissenschaftskommunikation dreht sich also um diese Wissen, das wissenschaftliche Wissen (vgl. Weitze; Heckl 2016: 32). Die wissenschaftlichen Erkenntnisse beeinflussen heute beispielsweise die staatliche Politik, aber auch unternehmerische Entscheidungen oder individuelle Maßnahmen. Wissenschaftliches Wissen erreicht sehr viele Bürger medial vermittelt (vgl. Bonfadelli; Fähnrich; Lüttje; Milde; Rhomberg, Schäfer 2017: 3). Diese Medien sind für viele der einzige Zugang zur Wissenschaft und zur Forschung. Daraus lässt sich erahnen, wie wichtig die Veröffentlichungen dieser in den Medien sind, und welche Bedeutung demnach der Wissenschaftskommunikation zukommt.
2.1 Definitionen von Wissenschaftskommunikation
Zu der Wissenschaftskommunikation ist in der Literatur kein einheitliches Begriffsverständnis zu finden (vgl: Hagenhoff; Ortelbach; Schuhmann; Seidenfaden 2007: 4). In den folgenden zwei Definitionen wird der Begriff weitgefasst und viele Bereiche in die Wissenschaftskommunikation eingeschlossen. Die Forscher und Forscherinnen Schäfer et al., deren Definition zuerst genannt wird, haben sich zuvor ebenfalls einige Definitionen angesehen, die die Wissenschaftskommunikation auf den naturwissenschaftlichen Bereich einschränken, und den geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich ausklammern. Davon möchten sie sich aber distanzieren, weil alle diese Einschränkungen nicht sinnvoll sind (vgl. Schäfer; Kristiansen; Bonfadelli 2015: 13). „daher verstehen [die Forscher] Wissenschaftskommunikation im Folgenden als alle Formen von auf wissenschaftlichem Wissen oder wissenschaftlicher Arbeit fokussierter Kommunikation, sowohl innerhalb als auch außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft, inklusive ihrer Produktion, Inhalten Nutzung und Wirkungen" (Schäfer; Kristiansen; Bonfadelli 2015: 13).
Die zweite Definition, die in der Arbeit aufzeigt wird, ist die ebenfalls sehr breit gefasste von Burns et al.:
„The use of appropriate skills, media, activities, and dialogue to produce one or more of the following personal responses to science: Awareness, Enjoyment, Opinion-forming, Understanding. Science Communication may involve science practitioners, mediators, and other members of the general public, either peer-to-peer or between groups” (Burns; O´Connor; Stockmayer 2003: 191).
Diese beiden Definitionen geben einen Überblick, und schließen alle Arten der Kommunikation, die mit Wissenschaft zu tun hat, ein. Man kann die Wissenschaftskommunikation aber auch auf die Kommunikation von Forschungsergebnissen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft beschränken und auf diese Weise definieren (vgl. Hagenhoff; Ortelbach; Schuhmann; Seidenfaden 2007: 5). Ich möchte mich in meiner Arbeit an den ersten beiden Definitionen von Wissenschaftskommunikation orientieren, da meine Arbeit den Fokus auf die Entwicklung und die Geschichte der Wissenschaftskommunikation legt. Ich möchte auf alle Bereiche, sowohl die interne, also die Kommunikation innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft, als auch auf die allgemeine Wissenschaftskommunikation eingehen und keine Einschränkungen treffen.
2.2 Forschungsfeld und Forschungsstand von Wissenschaftskommunikation
Die Wissenschaftskommunikation wird relevanter. Durch die Verbreitung der Massenmedien im letzten Jahrhundert erreicht sie die Gesellschaft. Darauf wird in dieser Arbeit genauer eingegangen, besonders auf deren Aufschwung in der Jahrtausendwende und die Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter in den Unterpunkten 3.4 und 3.5. Durch die Vervielfältigung der Erscheinungsformen der Wissenschaftskommunikation wird diese durch die Kommunikationswissenschaft verstärkt betrachtet, einerseits mit theoretischen und methodischen Ansätzen der Kommunikationswissenschaft selbst, aber auch in Kooperationen mit anderen Sozialwissenschaften, wie mit der Soziologie oder Psychologie. Das gesamte Feld hat sich institutionalisiert. Unter anderem wurden die Fachzeitschrift „Public Understanding of Science“ und „Science Communication" gegründet und eigene Lehrstühle an Universitäten geschaffen (vgl. Bonfadelli; Fähnrich; Lüthje; Milde; Rhomberg; Schäfer 2017: 5).
Das Ausmaß der Aufmerksamkeit nimmt stetig zu. Die Kommunikation der Inhalte an nicht wissenschaftliche Publika wird wichtiger. Der Gegenstand und das Forschungsfeld der WK haben eine besondere Entwicklung durchlaufen (vgl. Schäfer; Kristiansen; Bonfadelli 2015: 15) . Genau auf diese Entwicklung wird im Hauptteil dieser Arbeit genau eingegangen.
3. Entwicklung und Geschichte der Wissenschaftskommunikation
3.1 Von der Nachkriegszeit bis zur Silent Spring Bewegung
Zur Wissenschaftskommunikation findet man besonders ab den 1990er Jahren vieles in der Literatur und Artikel zum Thema, schwieriger wird es herauszufinden, wie es um sie vor dieser Zeit und speziell ab der Nachkriegszeit stand. Im folgenden Absatz wird auf deren Entwicklung ab diesem Zeitpunkt weltweit eingegangen. Die Geschichte der Wissenschaftskommunikation wird in der Geschichte der Wissenschaft verortet.
Ab 1900 verbreitete sich der Terminus Wissenschaftler im deutschen Raum und vor dem 1. Weltkrieg war auch die Professionalisierung der Wissenschaft abgeschlossen. Bereits vor dem 2. Weltkrieg entwickelte sich in den USA eine erste Association of Science Writers. In England kam es dann zu ähnlichen Bestrebungen, dies aber erst nach 1945 (vgl. Bauer 2017: 22). Deutschland steckte zu diesem Zeitpunkt in der Wolfszeit. Die Menschen kümmerten sich um sich selbst und und ihre Familien, sie zogen sich zurück, wie ein Wolf in seinem Rudel (vgl. Jänner 2019: 5). Bis 1955 dauerte diese Epoche und führte auch zu einem Mangel in der naturwissenschaftlichen Bildung. Es gab wenig Anerkennung der Leistungen der Naturwissenschaftler. Es gab wenig Unterstützung, auch in finanzieller Hinsicht, für die Wissenschaftler, was in den 60er Jahren in einer Bildungskrise in Deutschland mündete (vgl: Weitze; Heckl 2016: 7). In der Wissenschaft entstand durch die mangelnde Unterstützung eine Art geistiger Hochmut, der in zunehmend unverständlicher Fachsprache der Wissenschaftler mündete. Als eine Reaktion auf diese schwierige Sprache entstand eine populärwissenschaftlichere Literatur, für das allgemeine Publikum (ebd.: 8).
1961 erschien das Buch „Der stumme Frühling“, welches im englischen Original „Silent Spring“ heißt. Die Autorin des Sachbuches ist die Biologin Rachel Carson. Das Buch machte Furore und schuf ein erstes Bewusstsein für ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mensch und Natur. (vgl. Curbach 2009: 70). Das Buch ist der Grund für das Aufkeimen der ersten Umweltbewegung in den 60er Jahren. „Silent Spring“ basiert auf einer wissenschaftsjounalistischen Untersuchung über eine Chemikalienverseuchung von Mensch und Umwelt. Es kam zu einer ersten Technologiekritk (vgl: Runge 2013: 29). Bis dahin wurde der technische oder wissenschaftliche Fortschritt von der Gesellschaft sehr begrüßt, das Buch bewegte allerdings die Öffentlichkeit sehr (vgl. Weitze; Heckl 2016: 9).
In den Jahren darauf haben Chemieunfälle und Katastrophen der Technik, wie zum Beispiel die Explosion der Raumfähre „Challenger“, die live im Fernsehen übertragen wurde, die Schattenseiten von Wissenschaft und Technik ins Bewusstsein der Menschen gebracht (vgl. ebd: 10).
3.2 Der Berichterstattungs-GAU Tschernobyl
Eines vieler Ereignisse, welches die Wissenschaftskommunikation besonders geprägt und erschüttert hat war das Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahre 1986. Zu dem Zeitpunkt herrschte kalter Krieg, eine Auseinandersetzung zweier Weltanschauungen (vgl. Stöver 2012: 7). Am 26. April um 1:24 Uhr geschah es: Im Reaktor 4 kam es zu einer Kernschmelze (vgl. Koepp-Schewryna 1996: 67). Ganze zwei Tage dauerte es, bis die ersten Meldungen des Unfalls die Bundesrepublik erreichten. Die skandinavischen Länder hatten zuvor erhöhte Strahlenwerte gemessen. Es geschahen viele Dinge nach dem Unfall in der Presse. Die Medien der DDR sagten den westdeutschen Medien Panikmache nach. In der BRD drehte sich alles um die riesige Angst vor der Strahlung. (vgl. Die Zeit 2016).
Es gab nicht nur eine widersprüchliche Informationspolitik offizieller Stellen, durch die allgemeine Verunsicherung blieben die Medien so weit hinter den Erwartungen der Bevölkerung zur Aufklärung, dass im Fall von Tschernobyl nicht nur von einem nuklearen, sondern auch von einer publizistischen Katastrophe gesprochen wurde (vgl. Teichert 1987: 185). Die Abkürzung GAU steht für „größter anzunehmender Unfall“. In den meisten Fällen wird hier ein Auslegungsstörfall in einem Kernkraftwerk gemeint (Bundesamt für Strahlenschutz 2020). Bei der Katastrophe von Tschernobyl kam es nicht nur zu diesem sondern auch zu einem GAU in der Berichterstattung. Was genau wurde gemeldet? Direkt nach der Katastrophe gab es erstmal kaum Informationen, da die UdSSR die Katastrophe so lange wie möglich geheim hielt. Erst am 28. April veröffentlichte eine russische Nachrichtenagentur eine lapidare Meldung. Diese bestand nur aus wenigen kurzen Sätzen. Es wurde ein Unfall im Kernkraftwerk von Tschernobyl bestätigt, bei dem auch der Reaktor beschädigt wurde (vgl. Grotzky 2018: 9). Zwei Tage später wurde in der DDR Fernsehsendung „Aktuelle Kamera“ eine Erklärung des Amtes für Atomenergie und Strahlenschutz vorgelesen, dass keinerlei gesundheitliche Gefährdung bestehe. Auch die Weltgesundheitsorganisation soll Entwarnung gegeben haben. Es seien keine besonderen Vorsichtsmaßregeln notwendig (vgl. MDR Zeitreise 2019). In der DDR kam es auch in den folgenden Tagen zu einer Verharmlosung in den Medien. Am 22. April 1987, also ein Jahr nach der Katastrophe wurde im DDR Magazin „Objektiv“ ein Beitrag gezeigt, in dem ein Reporter einen Bewohner eines Dorfes, welches neu entstanden ist, interviewt der sagt, dass sie alle gesund seien, und dass es den Bewohnern im neuen Dorf gefalle (vgl. MDR Zeitreise 2019). In der BRD fehlten auch viele Informationen, hier wurde aber neben falschen Informationen auch Unfug berichtet. Fußballtrikots und Wodka sollen gegen Strahlen schützen (vgl. die Zeit 2016 ).
Die Berichte zeugen von einer Hilflosigkeit der Journalisten und Journalistinnen, es wurden aber auch viele Fehler der Verantwortlichen unterschlagen (vgl. Grotzky: 10), was die Fehler der Journalisten und Journalistinnen aber nicht rechtfertigt. Wie schlimm die Katastrophe tatsächlich war, wird erst Jahre später nach Ende des kalten Krieges beleuchtbar. „Die wirkliche Berichtserstattung findet erst nach Abschluss des Krieges statt, wenn alle Quellen zugänglich sind und alle Seiten gehört wurden“ (Grotzky 2018: 8). Bis heute wurden 15.000 Tote durch die Reaktorkatastrophe gezählt. Ganze Landstriche wurden nuklear verseucht (vgl. Müller 2001: 12). Im folgenden wird noch genauer auf die Fehler und deren Anzahl eingegangen, die in der Berichterstattung über das Unglück entstanden. Wie in den oberen Beispielen zu erkennen ist haben die Journalisten und Journalistinnen Fehler gemacht. Der Medienwissenschaftler Michael Haller hat die Korrektheit der Tschernobyl-Berichterstattung in angesehenen deutschsprachigen Zeitungen analysiert. Diese waren die FAZ, Frankfurter Rundschau, SZ und die NZZ. Dazu wurden in seinem Experiment zwei Physiker 171 Berichte über das Unglück aus den Zeitungen vorgelegt. Die beiden untersuchten die Artikel auf Fehler. Dadurch konnten pro Artikel von Haller 1,2 Fehler, vor allem Datenfehler und weit aus folgenschwerer: falsche Behauptungen identifiziert werden. Haller beschränkte seine Analyse auf physikalisch technische Aspekte, er klammerte die Biologischen und medizinischen Aspekte aus. Das bedeutet, die tatsächliche Fehlerrate könnte noch höher liegen (vgl. Haller 1987: 305 f.).
Durch diese Katastrophe und die Silent Spring Bewegung, die als Beginn der Umweltbewegung gesehen werden kann, wurde Wissenschaft und Technik nun deutlich kritischer betrachtet. Dies führte dazu, den Berufsverband Wissenschaftspressekonferenz - kurz WPK - zu gründen (vgl. Wormer 2017 : 431). Der 1986 in Bonn von 23 Wissenschaftsjournalisten und Wissenschaftsjournalistinnen gegründete Verein verstand sich, wie im Namen abzulesen, als ein Pendant zu Bundespressekonferenz. Die Wissenschaftspressekonferenz möchte wissenschaftliche Themen in die öffentlichen Debatten und Massenmedien bringen (vgl. Mäder 2012: 238). Es fanden sich also Wissenschaftsjournalisten zu einer Berufsorganisation zusammen. Das kann einerseits als ein Indiz für eine Identitätsbildung gesehen werden, andererseits auch für eine Bestrebung der Professionalität des Wissenschaftsjournalismus (vgl. Pütz 2011). Die 23 Gründer legten großen Wert auf die Unabhängigkeit. Zunächst war vorgesehen, nur Wissenschafts- und Technikjournalisten ohne Bindung an Pressestellen beitreten zu lassen. Pressesprecher sollten ausgeschlossen sein. Die WPK initiierte Anfangs fast wöchentliche Pressekonferenzen mit aktuellen Themen. Sie ist auch heute noch ein Erfolgsmodell und schafft es Diskussionen zwischen Journalisten und Journalistinnen und WissenschaftlerInnen zu objektivieren.
3.3 Das verspätete Ressort - Eine Bezeichnung für den Wissenschaftsjournalismus von Walter Hömberg
Wie im Punkt 3.1 besprochen, ist der Fortschrittsglaube der Wissenschaft in Misskredit geraten, nicht nur wegen der letzten Katastrophen. 1990 erschien das Buch „Das verspätete Ressort - die Situation des Wissenschaftsjournalismus“. Verfasst wurde es vom deutschen Kommunikationswissenschaftler Walter Hömberg. Das Werk prägte die Wissenschaftskommunikation und machte das verspätete Ressort zu einem Diktum des Wissenschaftsjournalismus (vgl: Wormer 2017: S. 430 f.). Was genau er damit meint und in diesem Buch beschrieben hat, darauf werde ich im folgenden Absatz eingehen. Einleitend erklärt Hömberg die aktuelle Lage Ende der 80er Jahre wie folgt:
„Wissenschaftsskepsis, Wissenschaftskritik, Wissenschaftsfeindlichkeit - diese drei Stichworte bestimmten viele Diagnosen der gegenwärtigen politisch-kulturellen Situation. Der ungebrochene Fortschrittsglaube […] ist in Mißkredit geraten, und zunehmend richtet sich der Blick auf die negativen Nebenfolgen wissenschaftlicher Entdeckungen und Technisierung sowohl der Arbeitswelt, als auch des Alltagslebens ist es notwendig, diesem Einstellungswandel nachzugehen“(Hömberg: 7).
Wie die Situation um Tschernobyl gezeigt hat, ist es schwierig für die Journalisten und Journalistinnen, mit den wissenschaftlichen Informationen umzugehen, auf der anderen Seite ist für die Gesellschaft der Zugang über die Massenmedien zur Wissenschaft oftmals der Einzige. Wie stand es zu der Zeit um die strukturellen Voraussetzungen journalistischer Wissenschaftsvermittlung in den Redaktionen in Deutschland? Hömberg befragte Chefredakteure und Programmdirektoren. Zehn Jahre zuvor tätigte er als Mitglied einer Studiengruppe der Universität Bielefeld eine sehr ähnliche Forschung. Dadurch konnte er die Resultate vergleichen. Er mochte damit die Frage beantworten, wie sich die Rahmenbedingungen in den Redaktionen bezüglich der Wissenschaftsberichtserstattung in den Jahren zwischen den Erhebungen gewandelt hat (vgl. Hömberg: 8). Es ergab sich, dass die Rahmenbedingungen der Redaktionen nicht gut sind. Der zuständige Wissenschaftsredakteur ist häufig noch mit anderen Aufgaben belastet. Nur etwa 40% der untersuchten Zeitschriften verfügten über einen eigenen Wissenschaftsteil. Unter den 500 Redakteuren der großen Nachrichtenagenturen befanden sich genau zwei WissenschaftsjournalistenInnen.
Demnach nimmt der Wissenschaftsjournalismus nur eine Randposition ein. (vgl. Hömberg: 140 f.). Das Buch macht auf das Problem aufmerksam, wie schwierig die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist. In ganz Deutschland gab es zu wenige WissenschaftsjournalistenInnen. „Das Wissenschaftsressort ist ein Schwellenressort, dem die Etablierung nur bei großen Medienunternehmen geglückt ist“ (ebd: 142). Dadurch kann man sagen, dass das Wissenschaftsressort ein verspätetes Ressort ist.
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