„Der Kannibalen-Fall muss neu verhandelt werden!“.So lautet eine Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vom 22. April 2005. Über viele Monate beherrschte der „Kannibale von Rothenburg“ die Schlagzeilen. Die Gesellschaft reagierte auf diese Art von Sex-Kannibalismus mit Entsetzen und es erwuchs daraus die Erwartung an die Justiz, diese Tat mit der höchstmöglichen Strafe zu ahnden. Eine Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes erschien geradezu selbstverständlich. Betrachtet man diesen Fall jedoch genauer, zeigt sich, dass nicht nur diese Entscheidung möglich ist, sondern auch eine Reihe anderer Entscheidungsmöglichkeiten im Raume steht: von Mord gem. § 211 StGB über Totschlag gem. § 212 bis hin zur Tötung auf Verlangen gem. § 216. Die letztgenannte Entscheidungsmöglichkeit einer Tötung auf Verlangen soll die Grundlage der nachfolgenden Arbeit sein. In dieser in der genannten Pressemitteilung enthaltenen Entscheidung des 2. Strafsenats wurde die eingelegte Revision des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Kassel (AZ: Landgericht Kassel - 6 Ks 2650 Js 36980/02) als unbegründet verworfen, das Urteil aufgehoben und an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen. Zwar wurden in Deutschland und anderen Ländern in vergangener Zeit vereinzelt so genannte „Kannibalen“ verurteilt, so z.B. in den zwanziger Jahren Fritz Haarmann in Hannover wegen Mordes in 26 Fällen, wobei nie geklärt wurde, ob der Fleischer seine Opfer selbst aß oder als Dosenfleisch verkaufte und Karl Denke in Schlesien wegen Mordes in 17 Fällen. Nirgendwo hatten unsere Gerichte bislang aber einen Fall zu entscheiden, indem einerseits Mordmerkmale nahe lagen, andererseits Einverständnis bei der Tötung zwischen dem Täter und dem Opfer vorlag. Auch wenn die Empfehlungen des BGH offensichtlich auf der Hand liegen und das zukünftige Urteil des Schwurgerichts voraussehbar zu sein scheint, wirft der „Kannibalen-Fall“ viele neue Fragen auf.
Inhaltsverzeichnis
- IA. Vorwort
- B. Der Grundfall
- C. Tatbestand des § 216
- a) Privilegierung
- b) Rechtsnatur
- c) Stellungnahme
- I. Objektiver Tatbestand
- a.) Zur Tötung ausdrücklich und ernstlich bestimmt
- b.) Zeitdauer
- c.) Täterschaftliche Tötung
- d.) Subsumtion
- II. Subjektiver Tatbestand
- III. Rechtswidrigkeit / Schuld
- E. Fazit
- IV. Konkurrenzen
- IIA. Vorwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der strafrechtlichen Bewertung des „Kannibalen-Falls“ von Rothenburg. Der Fall wirft aufgrund der besonderen Konstellation von Mordmerkmalen und Einverständnis des Opfers zahlreiche Fragen auf. Die Arbeit zielt darauf ab, die rechtliche Einordnung des Falls unter besonderer Berücksichtigung des Tatbestands der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) zu analysieren.
- Relevanz des Tatbestands der Tötung auf Verlangen im Kontext des Kannibalen-Falls
- Juristische und rechtphilosophische Aspekte des Einverständnisses mit der Tötung
- Die Rolle der psychischen Verfassung des Opfers und des Täters
- Die Abgrenzung von Mord und Totschlag im vorliegenden Fall
- Die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Kontext von sexueller Abweichung und krankhafter seelischer Störung
Zusammenfassung der Kapitel
Das Kapitel „Der Grundfall“ beschreibt die Fakten des „Kannibalen-Falls“ anhand der Gerichtsakten. Die Motivation des Täters sowie die psychische Verfassung des Opfers werden beleuchtet. In Kapitel „C. Tatbestand des § 216“ wird der Tatbestand der Tötung auf Verlangen im Kontext des Kannibalen-Falls analysiert. Hierbei werden die rechtlichen Voraussetzungen sowie die Einordnung des Falles in das Strafgesetzbuch diskutiert.
Die Kapitel „I. Objektiver Tatbestand“ und „II. Subjektiver Tatbestand“ widmen sich den einzelnen Elementen des Tatbestands der Tötung auf Verlangen. Es wird geprüft, ob die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale im Kannibalen-Fall erfüllt sind.
Das Kapitel „III. Rechtswidrigkeit / Schuld“ untersucht die Rechtswidrigkeit und Schuld des Täters im Kontext des Falls. Die Frage, ob das Einverständnis des Opfers die Rechtswidrigkeit oder Schuld des Täters ausschließt, wird in diesem Kapitel erörtert.
Schlüsselwörter
Tötung auf Verlangen, § 216 StGB, Kannibalismus, Mord, Totschlag, Einverständnis, sexueller Masochismus, psychische Störung, rechtliche Bewertung, Strafbarkeit, Schuld, Rechtswidrigkeit.
- Quote paper
- Steffen Bucksteeg (Author), 2006, Der Tatbestand der Tötung auf Verlangen in Hinblick auf den Rotenburger Kannibalenfall, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/58640