Gesundheit und deren Förderung ist seit Jahren ein Thema, das sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wegen der explodierenden Kosten löst eine Gesundheitsreform die andere ab; statt auf die kurative wird immer mehr auf die präventive Medizin gesetzt. Und nicht zuletzt breiten sich die sog. Zivilisationskrankheiten (wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs) sowie auch psychosomatische Beschwerden und psychische Störungen immer weiter aus, letztere auch bzw. gerade unter Jugendlichen. Die Ursache wird vor allem in dem enormen Stress durch die heutigen, sich rapide verändernden Lebensbedingungen (Individualisierung, Verlust traditioneller Werte und Normen, sehr hohe Arbeitslosenquote etc.) gesehen, auf die speziell Jugendliche äußerst sensibel zu reagieren scheinen; manche durch direkte gesundheitliche Beeinträchtigungen, andere durch gesundheitsriskante Verhaltensweisen (wie z.B. Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum). NORDLOHNE (1992) bezeichnet dies treffend als die „Kosten jugendlicher Problembewältigung“. Die traditionelle Gesundheitserziehung mit ihrer kognitiv ausgerichteten Wissensvermittlung über Gesundheitsrisiken und ihren moralisierenden Ermahnungen konnte bei Jugendlichen weder gesundheitsbewusstes Verhalten bewirken noch bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen und muss letztendlich als gescheitert betrachtet werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse wird nun versucht, die Gesundheit bzw. das Gesundheitsverhalten von Jugendlichen durch Gesundheitsförderung zum Positiven zu verändern. So sind gesundheitsförderliche Maßnahmen mittlerweile auch an vielen Schulen eingeführt worden. Allerdings scheint die Realität schulischer gesundheitsfördernder Interventionen von der Umsetzung eines ganzheitlichen und salutogen ausgerichteten Konzeptes der Gesundheits-förderung im Sinne der WHO noch weit entfernt (vgl. z.B. LEPPIN/ KOLIP/HURRELMANN, 1996, S. 52).
Noch viel weiter entfernt von (schulischer und meist auch betrieblicher) Gesundheitsförderung sind allerdings die Jugendlichen, die sich in der Berufsausbildung befinden, was aus mehreren Gründen unverständlich ist.
INHALTSVERZEICHNIS
Verzeichnis der Abkürzungen
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Tabellen
TEIL I: GRUNDLEGUNG
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage und Erkenntnisinteresse
1.2 Bezug zur Berufs- und Wirtschaftspädagogik
1.3 Überblick zum Aufbau der Arbeit
2 Zum Beruf der Arzthelferin
2.1 Berufsbezeichnung
2.2 Ausbildung
2.3 Aufgaben und Tätigkeiten
2.4 Berufsaussichten und Entwicklungsmöglichkeiten
3 Die Zielgruppe der Jugendlichen
3.1 Zur Lebenssituation
3.2 Zum Gesundheitsverhalten
3.3 Zur gesundheitlichen Lage
3.4 Jugendliche in der Berufsausbildung
TEIL II: THEORETISCHER BEZUGSRAHMEN
4 Terminologische Orientierung
5 Konzepte und Ansätze zum Gesundheitsverhalten
5.1 Laienkonzepte
5.2 Wissenschaftliche Konzepte
5.2.1 Medizinisch orientierte Ansätze
5.2.2 Psychologisch orientierte Ansätze
5.2.3 Sozialwissenschaftlich orientierte Ansätze
5.2.4 Integrative, ganzheitlich orientierte Ansätze
6 Zur Gesundheitsförderung
6.1 Das Konzept der Gesundheitsförderung
6.2 Der Setting-Ansatz
6.2.1 Betriebliche Gesundheitsförderung
6.2.2 Schulische Gesundheitsförderung
6.3 Gesundheitsförderung und berufliche Bildung
6.3.1 Zur aktuellen Lage an berufsbildenden Schulen
6.3.2 Das duale System der beruflichen Bildung
6.3.3 Ein Konzept zur Integration von Gesundheitsförderung in die Berufsausbildung
TEIL III: EMPIRISCHE ERHEBUNG
7 Vorbereitung und Durchführung
7.1 Eingrenzung des Forschungsanliegens
7.2 Forschungsmethode Befragung
7.3 Konstruktion des Fragebogens
7.4 Pretest
7.5 Konstruktion und Beschreibung der Stichprobe
7.6 Durchführung der Befragung
8 Auswertung der Daten
8.1 Auswertungsverfahren
8.2 Auswertung und Interpretation der Daten
8.2.1 Themenbereich I: Verständnis und Kenntnisse
8.2.2 Themenbereich II: Belastungsfaktoren und Ressourcen
8.2.3 Themenbereich III: Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten
8.2.4 Themenbereich IV: Gegebenheiten, Erwartungen und Meinungen
8.2.5 Zusammenhänge
9 Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang A: Fragebogen
Anhang B: Statistische Angaben
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN:
Abb. 1: Stichprobenbeschreibung nach bislang erreichten Schulabschlüssen
Abb. 2: Stichprobenbeschreibung nach Altersgruppen
Abb. 3: Körperlicher und seelischer Gesundheitszustand im Vergleich
Abb. 4: Zufriedenheit mit der Berufsausbildung im Vergleich
VERZEICHNIS DER TABELLEN:
Tab. 1: Zutreffendste Definition von Gesundheit
Tab. 2: Persönliche Assoziation mit Gesundheit
Tab. 3: Persönlicher Stellenwert der eigenen Gesundheit
Tab. 4: Verständnis von Gesundheitsförderung
Tab. 5: Einschätzung von Kenntnissen
Tab. 6: Übersicht über die Kenntnisse insgesamt
Tab. 7: Belastende Faktoren am Arbeitsplatz vorhanden
Tab. 8: Körperliche Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz
Tab. 9: Seelische Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz
Tab. 10: Belastende Faktoren in der Berufsschule vorhanden
Tab. 11: Belastungsfaktoren in der Berufsschule
Tab. 12: Negative Auswirkungen durch Belastungsfaktoren
Tab. 13: Art der negativen Auswirkung auf die Gesundheit
Tab. 14: Personale und soziale Ressourcen
Tab. 15: Verteilung der Ressourcen insgesamt
Tab. 16: Subjektive Einschätzung des körperlichen und seelischen Gesundheitszustands
Tab. 17: Leiden unter Beschwerden oder Erkrankungen
Tab. 18: Anzahl der Beschwerden oder Erkrankungen
Tab. 19: Art der Beschwerden oder Erkrankungen
Tab. 20: Häufigkeit des gesundheitsschädigenden Verhaltens
Tab. 21: Gründe für gesundheitsschädigendes Verhalten
Tab. 22: Änderungen am Gesundheitsverhalten aufgrund erworbenen Wissens
Tab. 23: Art der Änderung am Gesundheitsverhalten
Tab. 24: Gründe für keine Verhaltensänderung
Tab. 25: Behandlung gesundheitlicher Themen
Tab. 26: Berücksichtigung von Schülerinteressen
Tab. 27: Erwartungen an eine gesundheitsfördernde schulische Berufsausbildung
Tab. 28: Erwartungen an eine gesundheitsfördernde betriebliche Berufsausbildung
Tab. 29: Anzahl der Veränderungsvorschläge für den Arbeitsplatz
Tab. 30: Anzahl der Veränderungsvorschläge für die Berufsschule
Tab. 31: Zufriedenheit mit der Berufsausbildung
Tab. 32: Body Mass Index
1 EINLEITUNG
1.1 Ausgangslage und Erkenntnisinteressen
Gesundheit und deren Förderung ist seit Jahren ein Thema, das sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wegen der explodierenden Kosten1 löst eine Gesundheitsreform die andere ab; statt auf die kurative wird immer mehr auf die präventive Medizin gesetzt. Und nicht zuletzt breiten sich die sog. Zivilisationskrankheiten (wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs) sowie auch psychosomatische Beschwerden und psychische Störungen immer weiter aus, letztere auch bzw. gerade unter Jugendlichen. Die Ursache wird vor allem in dem enormen Stress durch die heutigen, sich rapide verändernden Lebensbedingungen (Individualisierung, Verlust traditioneller Werte und Normen, sehr hohe Arbeitslosenquote etc.) gesehen, auf die speziell Jugendliche äußerst sensibel zu reagieren scheinen; manche durch direkte gesundheitliche Beeinträchtigungen, andere durch gesundheitsriskante Verhaltensweisen (wie z.B. Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum). NORDLOHNE (1992) bezeichnet dies treffend als die „Kosten jugendlicher Problembewältigung“. Die traditionelle Gesundheitserziehung mit ihrer kognitiv ausgerichteten Wissensvermittlung über Gesundheitsrisiken und ihren moralisierenden Ermahnungen konnte bei Jugendlichen weder gesundheitsbewusstes Verhalten bewirken noch bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen und muss letztendlich als gescheitert betrachtet werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse wird nun versucht, die Gesundheit bzw. das Gesundheitsverhalten von Jugendlichen durch Gesundheitsf ö rderung2 zum Positiven zu verändern. So sind gesundheitsförderliche Maßnahmen mittlerweile auch an vielen Schulen eingeführt worden. Allerdings scheint die Realität schulischer gesundheitsfördernder Interventionen von der Umsetzung eines ganzheitlichen und salutogen ausgerichteten Konzeptes der Gesundheits-förderung im Sinne der WHO noch weit entfernt (vgl. z.B. LEPPIN/ KOLIP/HURRELMANN, 1996, S. 52).
Noch viel weiter entfernt von (schulischer und meist auch betrieblicher) Gesundheitsförderung sind allerdings die Jugendlichen, die sich in der Berufsausbildung befinden, was aus mehreren Gründen unverständlich ist. Zunächst einmal erfordert Gesundheits bildung (die ja ein wesentlicher Bestandteil von GF ist), als lebenslanger und ganzheitlicher Prozess Kontinuität bis hinein in die Phase der Berufsausbildung, wenn nicht sogar noch weiter, da selbst erfolgreiche Programme zur Verhaltensänderung langfristig ihren Wirksamkeit verlieren (vgl. BONSE-ROHMANN, 1999, S. 33). Zweitens beginnen Auszubildende, als Folge der wachsenden emotionalen und finanziellen Unabhängigkeit von den Eltern, mehr und mehr selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln - auch in Bezug auf gesundheitsrelevante Verhaltensweisen. Daraus kann sich u. U. ein besonders gesundheitsriskantes bzw. -schädigendes Verhalten entwickeln (vgl. ebd.). Drittens befinden sich die meisten Auszubildenden altersmäûig in einer Phase des Übergangs von der mittleren zur späten Adoleszenz und damit auch in einer Übergangsphase von der Stabilisierung zur Habitualisierung gesundheitsriskanten Verhaltens (vgl. z.B. NORDLOHNE, 1992). Viertens sind gerade Auszubildende gesundheitlich (speziell psychosomatisch) stark belastet, was u.a. mit dem Einstieg in die Arbeitswelt zusammenhängt (weniger Freizeit, neue Anforderungen, evtl. Konflikte am Arbeitsplatz, evtl. körperliche Belastung etc.).
Bei Auszubildenden der sog. Gesundheitsfachberufe (z.B. Arzthelferinnen) ist Gesundheitsbildung bzw. -förderung nicht nur besonders naheliegend, sondern aus gesundheitspolitischer Perspektive auch wünschenswert: So könnten diese als Bindeglied zwischen dem professionellen und dem Laiensystem im Gesundheitswesen fungieren. Weiterhin könnten sich im Bereich der GF evtl. auch neue Tätigkeitsfelder für Angehörige der Gesundheitsfachberufe auftun, was aus beschäftigungspolitischer Sicht von Interesse wäre. Und nicht zuletzt könnte GF auch ein Element zur Identifikation und Vereinigung für alle Gesundheitsfachberufe sein (vgl. BONSE-ROHMANN, 1999, S. 34).
Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Ruf nach GF auch bzw. gerade in der Berufsausbildung immer lauter wird.
Eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Einführung effektiver gesundheitsfördernder Interventionen ist - egal, ob in Kindergarten, Schule oder Betrieb - eine Zielgruppenanalyse, also die Erkundung und Bestimmung der spezifischen Vorstellungen, Bedürfnisse, Interessen, (gesundheitlichen) Probleme, Ressourcen und Kompetenzen der jeweiligen Zielgruppe. Denn das bloûe „Überstülpen“ gesundheitsbezogener bzw. präventiver Maûnahmen ohne Bezug zur realen Lebenswelt der Zielgruppe hat sich als ineffektiv oder sogar kontraproduktiv erwiesen. Für GF in der Ausbildung bedeutet das, insbesondere auch die berufsbezogenen Aspekte (wie z.B. Anforderungsprofil, Tätigkeiten etc.) der jeweiligen Zielgruppe zu berücksichtigen. Diesbezüglich bestehen bislang allerdings noch erhebliche Forschungsdefizite.
Das Erkenntnisinteresse der empirischen Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit liegt deshalb in einer Zielgruppenanalyse von Auszubildenden zur Arzthelferin, die als Zugehörige der Gesundheitsfachberufe aus den o.a. Gründen für gesundheitsfördernde Maûnahmen besonders prädestiniert erscheinen.
Die erhaltenen Daten können evtl. als Anregung oder erste Ansatzpunkte für die Einführung zielgruppenorientierter gesundheitsfördernder Interventionen in der Ausbildung zur Arzthelferin dienen.
1.2 Bezug zur Berufs- und Wirtschaftspädagogik
Laut SCHMIEL/SOMMER (1992, S. 18) sind die folgenden drei Forschungskreise von zentraler Bedeutung für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik (BWP):
1. „Bereitstellung von Befunden zur Frage der Ziele, Inhalte, Vorgehensweisen und der lernerfolgstützenden Rahmenbedingungen berufs- und wirtschaftsbezogener Vor-, Aus- und Weiterbildungsmaûnahmen. Dazu zählen auch die Untersuchungen zum quantitativen und qualitativen Bildungsbedarf in definierten Anforderungsbereichen, jetzt und in absehbarer Zukunft.
2. Bereitstellung von Befunden für eine im Hinblick auf die späteren Anforderungen im Berufs- und Wirtschaftsleben optimale Gestaltung der Umweltbedingungen im Kindes- und Jugendalter und die Ziele und Inhalte der vorberuflichen Schulen.
3. Bereitstellung von Befunden, aus denen Hinweise für eine der Persönlichkeitsentfaltung förderliche und humanen Bedürfnissen entsprechende Gestaltung der Verhältnisse in Beruf und Wirtschaft gewonnen werden können.“
Beziehungen zur Thematik „GF (in der Berufsausbildung)“ lassen sich aus allen drei o.a. Forschungssektoren der BWP herleiten:
Zunächst können gesundheitsbezogene Aspekte in die unter Punkt 1 erwähnte „Frage nach Zielen, Inhalten, Vorgehensweisen und lernerfolgstützenden Rahmenbedingungen“ ohne weiteres mit eingeschlossen werden.
In Punkt 2 wird die optimale Gestaltung der Umweltbedingungen im Kindes- und Jugendalter sowie die Ziele und Inhalte der allgemeinbildenden Schulen im Hinblick auf spätere Anforderungen im Berufsleben angesprochen. Auch das kann mit GF insofern verbunden werden, als zum einen bereits in den vorberuflichen Schulen Gesundheitserziehung bzw. -bildung verstärkt betrieben werden sollte und zum anderen die Umweltbedingungen (also z.B. die Schulen) im Sinne von Verhältnisprävention so gestaltet werden sollten, dass die Schüler(innen) sich dort wohl fühlen können.
Die im 3. Punkt geforderten ¹Hinweise für eine der Persönlichkeits-entwicklung förderliche und humanen Bedürfnissen entsprechende Gestaltung der Verhältnisse in Beruf und Wirtschaftª erzwingen sogar geradezu die Beschäftigung mit dem Thema ¹GF (in der Berufsausbildung)ª. Somit kann festgehalten werden, dass Gesundheitsförderung (bzw. -bildung oder -erziehung) für die BWP durchaus relevante, aber bisher weitgehend vernachlässigte Themen darstellen (vgl. auch MANSTETTEN/BONSE-ROHMANN, 1992).
Durch die empirische Erhebung im Rahmen dieser Arbeit, in der Auszubildende zur Arzthelferin zu ausgewählten Aspekten der GF befragt werden, sollen ± im Sinne einer Zielgruppenanalyse ± Befunde zu den Forschungskreisen 1 und 3 der BWP bereitgestellt werden.
1.3 Überblick zum Aufbau der Arbeit
Zur Einführung in die Thematik und Hinleitung auf die empirische Untersuchung ist zunächst eine Betrachtung bestimmter theoretischer Hintergründe unumgänglich.
Unter dem Aspekt der Zielgruppenorientierung, die sowohl in der BWP als auch in der GF eine ganz wesentliche Rolle spielt, soll zunächst der Beruf der Arzthelferin beschrieben werden (s. Teil I, Kap. 2). Das ist auch insofern relevant, als dadurch bestimmte Fragen und Ergebnisse der empirischen Erhebung besser nachvollzogen werden können.
Hinsichtlich der Zielgruppenorientierung erscheint es weiterhin zweckmäûig, sich mit den Erkenntnissen der Jugend(gesundheits)forschung zu beschäftigen, da Auszubildende meistens im jugendlichen Alter sind (s. Kap. 3).
Weiterhin ist eine Klärung einschlägiger Begrifflichkeiten (Kap. 4) sowie die Vorstellung einiger ausgewählter Konzepte und Modelle zur Erklärung von Gesundheit bzw. Gesundheitsverhalten zwingend notwendig (Kap. 5). In Kapitel 6 sollen schlieûlich das Konzept der GF und der Setting-Ansatz sowie dessen zwei Umsetzungsfelder Betrieb und Schule dargestellt werden. Anschlieûend sollen die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Schwierigkeiten bzgl. der Integration von Gesundheitsförderung in die berufliche Bildung dargelegt werden.
In Teil III geht es um die empirische Untersuchung, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurde. In Kap. 7 werden Einzelheiten zur Vorbereitung und Durchführung erläutert.
Kap. 8 beinhaltet die Auswertung und Interpretation des Datenmaterials.
In Kap. 9 erfolgt eine zusammenfassende Schlussbetrachtung und ein Ausblick.
2 ZUM BERUF DER ARZTHELFERIN
2.1 Berufsbezeichnung
Der Beruf der Arzthelferin3 ist zunächst einmal dem Berufsfeld ÁGesundheitÂ, und spezieller den sog. ÁGesundheitsfachberufen zuzuordnen (vgl. BALS, 1993, S. 18ff.). Weitere Sammelbezeichnungen sind z.B. Ánichtärztlicher HeilberufÂ, nichtärztlicher GesundheitsberufÂ, GesundheitsdienstberufÂ, ÁMedizinalfachberufÂ, nichtärztlicher Beruf des Gesundheitswesens u.a.m. (vgl. ebd.).
Wenn auch die Bezeichnung ÁArzthelferin heutzutage die korrekte und gebräuchlichste ist, werden dennoch manchmal die Begriffe ÁSprechstundenhilfeÂ, ArzthilfeÂ, ArztassistentinÂ, Praxishelferin oder ÁÄrztlicheHelferin synonym verwendet (vgl.BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT, 1994, S. 17).
Laut Gesetzgeber dürfen dreijährige Ausbildungen nicht mehr mit der Bezeichnung ÁHelferin enden. Allgemein erwünscht ist die Bezeichnung ÁAssistentinÂ, welche in Deutschland allerdings vollverschulten Ausbildungen oder Fortbildungen vorbehalten ist. Deshalb favorisiert der BdA z.Zt. die Berufsbezeichnungen Á(Human-)MedizinischeFachangestellte und Á(Human-) Medizinische AssistentinÂ(vgl. BUNDESVERBAND DER ARZT-, ZAHNARZT- UND TIERARZTHELFERINNEN, 2002).
Näher auf die Problematik der Berufsbezeichnung kann und muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. So sei nur angemerkt, dass die Gründe hierbei einerseits in der Historie, anderseits in dem unterschiedlichen Berufsverständnis liegen.
2.2 Ausbildung
Der Beruf ÁArzthelferin ist ein anerkannter Ausbildungsberuf im dualen System, der dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) unterliegt (vgl. BUNDES- MINISTERIUM FÜR BILDUNG, WISSENSCHAFT, FORSCHUNG UND TECHNOLOGIE, 1995, S. 169). Die reguläre Ausbildungszeit beträgt drei Jahre, wobei diese in
Ausnahmefällen (z.B. bei Abitur, Vorbildung in einem verwandten Beruf oder besonders guten Leistungen während der Ausbildung) auch verkürzt werden kann. Die Verkürzung der Ausbildungszeit muss bei der zuständigen Ärztekammer beantragt werden und ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.
Ein bestimmter Schulabschluss ist nicht erforderlich; empfohlen und am häufigsten vertreten ist allerdings der Realschulabschluss/Sek. I (vgl. BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT, 1994, S. 11). Im Rahmen der schulischen Berufsausbildung kann zudem evtl. ein höherer Bildungsabschluss (bis zum erweiterten Realschulabschluss/Sek. I) erreicht werden.
Vor Ende des zweiten Ausbildungsjahres findet eine Zwischenprüfung statt, in welcher der Stand der Ausbildung ermittelt wird. Die Ausbildung wird mit einer schriftlichen und einer praktischen Prüfung vor dem Prüfungsausschuss der Ärztekammer abgeschlossen (vgl. ebd., S. 14).
2.3 Aufgaben und Tätigkeiten
Die Hauptaufgabe der AH besteht ± wie der Name schon sagt ± darin, die Ärztin/den Arzt in deren/dessen Tätigkeiten (wie Behandlung von Krankheiten, Erhaltung von Gesundheit usw.) zu unterstützen (vgl. ebd., S. 14).
Für folgende Aufgaben wird die AH eingesetzt:
- im medizinischen Bereich:
- Betreuung der Patienten vor, während und nach der Behandlung
- Assistenz bei Untersuchung und Behandlung der Patienten
- Dokumentation der Behandlungsabläufe
- Durchführung selbstständiger delegierbarer Tätigkeiten wie EKG, Verbände, Spritzen
- Durchführen von Laborarbeiten
- Desinfektion, Reinigung und Sterilisation von Instrumenten unter Einhaltung der Hygienekette und der gesetzlichen Vorschriften
- Umgang mit Arzneimitteln, medizinischen Instrumenten und Apparaten
- im Verwaltungsbereich:
- Organisation der Praxisabläufe
- Organisation und Durchführung der gesamten Büro- und Verwaltungsabläufe einschlieûlich der Abrechnung (vgl. BERUFSVERBAND DER ARZT-, ZAHNARZT- UND TIERARZTHELFERINNEN, 2002).
Der Tätigkeitsschwerpunkt von AH liegt laut dem BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (BiBB) auf kaufmännisch-verwaltenden Arbeiten, gefolgt von Arztassistenz und therapeutischem Behandeln (vgl. BAU, 1983, S. 23). Für die Bewältigung ihrer Arbeitsaufgaben werden von (angehenden) AH bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten erwünscht, welche in einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit erfasst und dargelegt wurden (vgl. BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT, 1994, S. 10).
An erster Stelle (und damit als sehr wichtig eingestuft) steht die Befähigung zum Umgang mit Menschen. Ebenfalls als sehr wichtig angesehen werden weiterhin Verschwiegenheit, Taktgefühl, Einfühlungsvermögen in andere Menschen, Bereitschaft und Fähigkeit zu Teamarbeit sowie die Fähigkeit zu planen und zu organisieren.
Als wichtig werden ferner ein gepflegtes äuûeres Erscheinungsbild, das Ertragen von Stress [!], Flexibilität bzgl. wechselnder Aufgaben, Denken in Zusammenhängen, sprachliches Ausdrucksvermögen sowie das Akzeptieren von bzw. die Bereitschaft zu Alleinarbeit genannt.
Es kann also festgehalten werden, dass sowohl das Aufgabenspektrum als auch das Anforderungsprofil von AH im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen äuûerst vielfältig und anspruchsvoll ist. Eine weitere Besonderheit am AH-Beruf ist, dass viele der o.a. Aufgaben bereits zum täglichen Repertoire der Auszubildenden gehören; d.h. dass diese meist schon wie Fachkräfte eingesetzt werden (vgl. HECKER, 1999, S. 27). Das kann eine groûe Belastung darstellen, insbesondere, wenn es um die Betreuung von Patienten geht und noch Unsicherheiten vorhanden sind (vgl. ebd.). Umgekehrt kann dies aber auch als positiv empfunden werden, wenn ein Gleichgewicht zwischen Arbeitseinsatz und Lernprozess gegeben ist (vgl. ebd., S. 31). Die Betreuung angehender AH in der Ausbildung wird jedoch als unterdurchschnittlich bewertet (vgl. ebd., S. 28).
2.4 Berufsaussichten und Entwicklungsmöglichkeiten
Die langfristigen Berufsperspektiven von AH werden allgemein als überaus ungünstig eingestuft (vgl. z.B. METTIN, 2002, S. 35). Infolge der Gesundheitsreform, der Kostendämpfung und der steigenden Konkurrenz der Praxen werden immer mehr Vollzeitstellen abgebaut und durch Teilzeitstellen ersetzt (vgl. HECKER, 1999, S. 31).
Ein weiterer Grund wird in den äuûerst begrenzten professionellen Entwicklungsmöglichkeiten dieses ¹Sackgassenberufsª gesehen (vgl. z.B. METTIN, 2002, S. 35; BALS, 1993, S. 127). So besteht für AH bislang nur eine einzige berufliche Aufstiegsmöglichkeit, nämlich die Weiterbildung zur ÁArztfachhelferin (vgl.BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT, 1994, S. 16). Diese gilt allerdings in ihrer Relevanz als veraltet und ist zudem i.d.R. lediglich eine Wiederholung und Vertiefung der Erstausbildung (vgl. METTIN, 2002, S. 35). Aufgrund des durch die Gesundheitsreform eingeleiteten Strukturwandels im Gesundheitswesen eröffnen sich jedoch auf längere Sicht auch neue Aufgabengebiete für AH. Die Schwerpunkte werden dabei im Management liegen und Bereiche wie Planung und Organisationsentwicklung, Kommunikation und Beratung, Personalführung, Qualitätssicherung etc. umfassen (vgl. ebd., S. 36). Infolgedessen wird seit kurzem ± im Rahmen eines Modellversuchs ± von der Ärztekammer Schleswig-Holstein eine Aufstiegs-fortbildung zur ¹Praxismanagerinª angeboten, die sich speziell an AH richtet. Nach Ablauf und Evaluation des Modellversuchs ist geplant, die ¹Praxismanagerinª als bundesweit geregelte Weiterbildungsmaûnahme zu implementieren, wodurch sich evtl. völlig neue berufliche Perspektiven für AH eröffnen könnten (vgl. ebd.).
3 DIE ZIELGRUPPE DER JUGENDLICHEN
3.1 Zur Lebenssituation
Begriffskl ä rung
Wenn von ÁJugendlichenÂ, dem Jugendalter bzw. der Adoleszenz die Rede ist, dann ist oft unklar, welche Altersgruppe damit eigentlich gemeint ist. Die Jugendphase wird in unserem Kulturkreis als Übergangsphase von der Kindheit zum Erwachsenenstatus definiert (vgl. ENGEL/HURRELMANN, 1993, S. 2). Allerdings ist deren inhaltliche und zeitliche Abgrenzung mittlerweile etwas unklar und diffus geworden. Während der Beginn noch relativ präzise mit dem Einsetzen der Pubertät angegeben werden kann, „ ... verliert sich das Ende dieser Phase hingegen zunehmend in Teil ü berg ä ngen oder verfranst sich ins Erwachsenendasein ... “ (MOLL/SCHMAUDER/KLEINDIENST, 1998, S. 68). Typische tiefgreifende Geschehnisse, die mit dem Übergang ins Erwachsenenleben assoziiert werden (wie z.B. der Einstieg ins Berufsleben, Heirat und Kinder), erfolgen immer später und auch nicht mehr ¹strengª chronologisch (vgl. ebd.). Insgesamt betrachtet hat sich die Dauer der Jugendphase in unserer heutigen, komplexen Gesellschaft stetig verlängert: Sie setzt einerseits früher ein und zögert sich andererseits durch die Ausdehnung von Schul- und Ausbildungszeiten immer weiter hinaus. Der Schulbesuch mit anschlieûender weiterer Ausbildung ist zum dominanten Merkmal der Jugendphase geworden (vgl. HURRELMANN, 1991, S. 63).
Zur groben zeitlichen Orientierung wird die Lebensphase Jugend heutzutage meistens auf die Altersspanne zwischen 10 und 20 Jahren festgelegt. Weiterhin werden i.d.R. drei Phasen der Adoleszenz unterschieden: Die fr ü he (ca. 10 bis 13 Jahre), die mittlere (ca. 14 bis 16 Jahre) und die sp ä te Adoleszenz (ca. 17 bis 20 Jahre), während die Altersgruppe der 20-25jährigen der sog. Postadoleszenz zugeordnet wird (vgl. z.B. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 20). Somit könnte man eigentlich auch von vier Adoleszenzphasen sprechen. Bei HURRELMANN (vgl. 1991, S. 108f.) findet sich ferner eine Einteilung in fr ü hes und sp ä tes Jugendalter und fr ü hes Erwachsenenalter, und zwar ohne konkrete Altersangaben in Jahren. Anzunehmen ist, dass das sp ä te Jugendalter ungefähr mit der Sp ä tadoleszenz und das fr ü he Erwachsenenalter in etwa mit der Postadoleszenz gleichzusetzen sind, weshalb diese Begriffe hier auch der Abwechslung halber synonym gebraucht werden. Es sei auûerdem angemerkt, dass auf die Entwicklungsaufgaben im fr ü hen Jugendalter nicht ausführlich eingegangen wird, da Auszubildende normalerweise der Spätadoleszenz (oder der Postadoleszenz) zugeordnet werden können.
Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen
Unter Entwicklungsaufgaben Jugendlicher werden Anforderungen und Begebenheiten verstanden, die auf das Lösen von strukturell vorgegebenen Problemkonstellationen bezogen sind und von den Jugendlichen selbstständig bewerkstelligt werden müssen, damit die notwendigen Entwicklungs-fortschritte für die weitere Persönlichkeits- und Identitätsbildung gewährleistet sind (vgl. z.B. NORDLOHNE, 1992, S. 28). Diese Aufgaben werden zum einen von der Gesellschaft gestellt, zum anderen liegen sie auf einer persönlichen, individuellen Ebene. HURRELMANN (1991, S. 108f.) nennt für das sp ä te Jugendalter folgende elementare Entwicklungsaufgaben: „ Neubestimmung des K ö rperverh ä ltnisses, abstrakte intellektuelle Operationen, emotionale Unabh ä ngigkeit von Eltern und anderen Erwachsenen, Vorbereitung auf Ehe und Familienleben, Vorbereitung auf die berufliche Karriere, Wertsystem als Leitfaden f ü r das Verhalten, stabiles Selbstbild und Ich-Identit ä t, Nutzung des Konsumwarenmarktes. “
Für das fr ü he Erwachsenenalter führt er an: „ Auswahl eines Partners, Aufbau einer Partnerbeziehung, Berufseinstieg, reflexive Person-Umwelt-Beziehungen im gesellschaftlichen Lebenszusammenhang, Gr ü ndung, Versorgung und Betreuung einer eigenen Familie, Haushalt organisieren, Verantwortung als Staatsb ü rger, Geburt von Kindern, Lebensstil finden. “
Zur Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben sind bestimmte charakteristische Handlungskompetenzen erforderlich, die z.T. noch nicht ausgebildet sind, so dass die eigentliche Aufgabe der Jugendlichen darin besteht, diese Kompetenzen in Konfrontation mit den jeweiligen Anforderungen zu entwickeln (vgl. ebd.).
Die Entwicklungsaufgaben müssen von den Heranwachsenden heutzutage in einem Umfeld groûer sozialer Unsicherheit (wie z.B. in Bezug auf die Arbeitsmarktlage) und gesellschaftlicher Veränderungen (z.B. der Verlust traditioneller Werte, Individualisierung etc.) bewältigt werden. Ferner kommt erschwerend hinzu, dass der Status von Jugendlichen durch einige Diskrepanzen in puncto Selbstständigkeit charakterisiert ist, was zur Folge hat, dass sie sich ± je nach Handlungsbereich ± auf ganz unterschiedliche Grade von Handlungsautonomie einlassen müssen. Heranwachsenden wird also ein flexibles Rollenverhalten abverlangt, das verschiedenartigen Maûstäben und Erwartungen folgt. Ein Beispiel dafür ist die geforderte Eigenständigkeit in der beruflichen Ausbildung bei gleichzeitig andauernder familiärer Unmündigkeit (vgl. z.B. NORDLOHNE, 1992, S. 31.).
Trotz der Vielzahl an zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben kann laut WALPER davon ausgegangen werden, dass normalerweise bei den Jugendlichen keine Überlastungen auftreten, da der Kontakt mit den Problemen gewöhnlich schrittweise erfolge und so Kumulierungen vermieden werden können. Dennoch kann es allerdings ± bei Mangel an adäquaten Bewältigungsstrategien und Ressourcen ± zu Überforderung und daraus direkt oder indirekt resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen (vgl. WALPER, 1990, zit. in: LOHAUS, 1993, S. 44).
3.2 Zum Gesundheitsverhalten
Dem Jugendalter scheint in Bezug auf gesundheitsförderliche wie auch gesundheitsriskante Verhaltensmuster eine Schlüsselrolle zuzukommen: Einerseits werden in dieser Zeit sowohl positive als auch negative Verhaltensweisen herausgebildet, die sich häufig im Erwachsenenalter verfestigen (z.B. Rauchen, Alkoholkonsum, mangelnde körperliche Betätigung usw.) (vgl. z.B. NORDLOHNE, 1992, S. 21f.). Andererseits ist die Jugendphase ± wie schon oben erwähnt ± eine relativ stressreiche Zeit voller Umbrüche, Anforderungen und Belastungen, die bewältigt werden müssen.
Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von empirischen Untersuchungen aus der Jugend(gesundheits)forschung, die belegen, dass (gesundheitliches) Risiko-verhalten in der Adoleszenz das Resultat bzw. gar die logische Konsequenz der Auseinandersetzung mit entwicklungsspezifischen Anforderungen im schulischen, familiären und gleichaltrigenbezogenen Bereich und somit durchaus funktional ist (vgl. z.B. FRANZKOWIAK, 1986; ENGEL/HURRELMANN, 1989; NORDLOHNE, 1992). So kann gesundheitsriskantes Verhalten beispielsweise den Zugang zu Freundesgruppen ermöglichen, Erwachsenen-verhalten demonstrieren, Protest und Gesellschaftskritik ausdrücken oder auch als Instrument für bewusstseinserweiternde Erfahrungen und Erlebnisse dienen.
Andererseits kann es aber auch eine Ohnmachtsreaktion bei Problemen wie sozialen Konflikten, Leistungsversagen oder Entwicklungsstörungen sein. Und nicht zuletzt kann es dem Versuch dienen, sich auf einfache Weise Entspannung zu verschaffen und Langeweile zu verdrängen (vgl. ENGEL/HURRELMANN, 1993, S. 18). Laut FRANZKOWIAK (vgl. 1992, S. 261) kann und sollte Risikoverhalten sogar als eigenständige Entwicklungsaufgabe verstanden werden.
Zur Funktionalität hinzu kommt noch, dass Jugendliche meist kein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein haben, schon allein deshalb, weil sie verhältnismäûig frei von Krankheit sind. Folglich nehmen sie auch objektiv gesundheitsgefährdende Handlungsweisen nicht als solche wahr (vgl. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 7). Nach FRANZKOWIAK stehen für die Heranwachsenden sowieso nicht die potentiellen Gesundheitsrisiken, sondern die unmittelbaren Erlebnismöglichkeiten im Vordergrund: ¹ Die k ö rperliche Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen, erscheint eher als Option zur Selbsterkundung und -erregung oder Umweltaneignung, denn als Einstieg in ferne Gesundheitssch ä den... ª (FRANZKOWIAK, 1989, zit. in: MOLL/SCHMAUDER/KLEINDIENST, 1998, S. 74). Vor diesem Hintergrund müssen gesundheitsriskante Verhaltensweisen im Jugendalter also als zwar inadäquate, aber subjektiv funktionale Strategien zur Problembewältigung (z.B. bei Orientierungskrisen, Belastungen und Verhaltensunsicherheiten) sowie auch als eigenständige Entwicklungsaufgabe angesehen werden. Und in moderater Form kann gesundheitliches Risikoverhalten sogar zur Kompetenzerweiterung und persönlicher Stabilität beitragen (vgl. z.B. ENGEL/HURRELMANN, 1993, S. 19; FRANZKOWIAK, 1992, S. 260f.).
Geschlechtsunterschiede
In den Verarbeitungs- und Bewältigungsstilen von Jugendlichen sind geschlechtsspezifische Unterschiede festzustellen. Generell scheint der männliche Bewältigungsstil eher auûengerichtet zu sein, was sich z.B. in aggressivem und destruktivem Verhalten äuûert, während der weibliche meist innengerichtet ist (vgl. HURRELMANN, 1991, S. 105f.). Mädchen suchen aber bei körperlichen und seelischen Problemen eher Hilfe und Unterstützung bei anderen Personen bzw. Einrichtungen (wie z.B. Ärzten oder Beratungsstellen) (vgl. SETTERTOBULTE, 1994, S. 177ff.).
Im Gesundheitsverhalten zeigen sich folgende Unterschiede: Jungen konsumieren früher Alkohol und Tabak als gleichaltrige Mädchen. Wenn sich auch die Prävalenzwerte von Alkohol- und Tabakkonsum allmählich angleichen, so lassen sich dennoch Differenzen in Intensität und Frequenz konstatieren: Jungen trinken und rauchen mehr und häufiger. Dafür greifen Mädchen eher zu Arzneimitteln als gleichaltrige Jungen (vgl. NORDLOHNE, 1992, S. 160ff.; KOLIP, 1994, S. 9).
3.3 Zur gesundheitlichen Lage
Vorbemerkung
Wenngleich es auch mittlerweile eine gröûere Anzahl von Untersuchungen zur gesundheitlichen Situation von Jugendlichen gibt, ist es dennoch schwierig, konkrete Zahlen über die Prävalenz von Krankheiten und Beschwerden in der Adoleszenz zu erhalten, da
1. speziell für diese Lebensphase kaum epidemiologische Studien vorliegen (vgl. KOLIP, S. 8), sondern diese Altersgruppe gewöhnlich der Kategorie ¹Kinder und Jugendlicheª subsumiert wird (vgl. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 47) und
2. meist nur Selbstberichtdaten oder Sekundärdaten (z.B. Inanspruchnahme der Krankenkassen) erhoben werden, die nicht unbedingt als verlässlich bezeichnet werden können (vgl. KOLIP, a.a.O.).
Als noch schwieriger erweist sich allerdings, gesundheitsbezogene Daten von Auszubildenden zu finden, da diesbezüglich bislang kaum empirische Untersuchungen vorgenommen wurden (Ausnahmen: BONSE-ROHMANN, 1999; SPANNHAKE, 1992). In Ermangelung ausreichenden Datenmaterials und entsprechender Literatur (z.B. in Bezug auf geschlechtsspezifische Unterschiede) wird deshalb in diesem Kapitel auch auf Studien an jüngeren Jugendlichen (frühe bis mittlere Adoleszenz) zurückgegriffen und nicht ausschlieûlich auf die Gesundheit Auszubildender, die ja eher der Spätadoleszenz zugehören, eingegangen.
Zur Morbidit ä t und Mortalit ä t
Im Allgemeinen wird das (Kindes- und) Jugendalter als ein vergleichsweise gesunder Lebensabschnitt angesehen (vgl. z.B. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 46). Die Mortalitätsrate ist niedrig und geht vorwiegend auf Verletzungen (speziell Verkehrsunfälle) und Vergiftungen zurück, während die häufigsten Todesursachen im Erwachsenenalter (Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs) höchst selten vorkommen (vgl. z.B. HURRELMANN, 1999, S. 217).
Überblickt man die Prävalenz von gesundheitlichen Problemen im Jugendalter, so zeigt sich zunächst einmal seit den 70er Jahren des letzten JH eine Verschiebung des Krankheitsspektrums von den infektiösen zu den chronisch-degenerativen Krankheiten und den psychischen Störungen (vgl. z.B. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 7; HURRELMANN, 1991, S. 38). Etwa 5 bis 10 % der Jugendlichen eines Jahrgangs sind als ¹chronisch krankª zu bezeichnen. Sind Heranwachsende also körperlich relativ gesund, sind jedoch psychische Störungen und psychosomatische Erkrankungen vergleichsweise weit verbreitet, wobei den Suchtkrankheiten eine Sonderstellung zukommt, da diesen immer gesundheitsriskante Verhaltensweisen zugrunde liegen (vgl. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 7). Für den Bereich der psychosozialen Auffälligkeiten beträgt die Prävalenz geschätzt 15 bis 20% (vgl. HURRELMANN, 1990, zit. in: KOLIP, 1994, S. 8). Besonderen Zuwachs erfahren Depression, Suizidalität und Anorexia nervosa (vgl. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 7). Aber auch Migräne und allergische Erkrankungen (wie Neurodermitis, Asthma bronchiale, Heuschnupfen), die auf der Grenze zwischen psychosomatischen und chronischen Erkrankungen liegen, sind auf dem Vormarsch (vgl. z.B. HURRELMANN, 1999, S. 218). Dennoch geben 80 bis 90 % der Jugendlichen (überraschenderweise auch die chronisch Kranken) einen guten bis sehr guten Gesundheitszustand an, wobei Mädchen ihre Gesundheit durchweg negativer bewerten als Jungen (vgl. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 47; ENGEL/HURREL-MANN, 1989; S. 34f.; NORDLOHNE, 1992; S. 180f.). Diese eher allgemeine Einschätzung steht allerdings im krassen Gegensatz zu der Vielzahl an genannten Beschwerden (insbesondere Stresssymptome), die Jugendliche nennen. Auffallend ist dabei die häufig diffuse Symptomatik bei geringer Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (vgl. z.B. SEIFFGE-KRENKE, 1994, S. 47). Auch hier zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Mädchen geben zum einen mehr Beschwerden und Krankheiten an als Jungen, zum anderen nennen sie auch häufiger psychosomatische Leiden (sog. charakteristische ¹Frauensyndromeª) wie Kopfschmerzen, Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen und Angstgefühle (vgl. VOGT, 1985, zit. in: KOLIP, 1994, S. 9; ENGEL/HURRELMANN, 1989, S. 80f.; HURRELMANN, 1999, S. 220ff.; NORDLOHNE, 1992, S. 186ff.). Auch in einer repräsentativen Umfrage der BZgA (1992) gaben 14-19jährige Mädchen eine signifikant höhere Anzahl von Beschwerden an, und zwar bei fast allen erfassten psychosomatischen Beschwerden (vgl. KOLIP, 1994, S. 10). Das Beschwerdebild von Mädchen in der Pubertät entspricht damit dem erwachsener Frauen und spiegelt ein nach innen gerichtetes (internalisierendes) Bewältigungsverhalten wider (vgl. ebd.). Jungen hingegen neigen bei Belastungen eher zu externalisierenden, konfliktorientierten Reaktionsformen, die sich z.B. in delinquentem Verhalten äuûern können (vgl. HURRELMANN, 1999, S. 222). Dieses unterschiedliche Bewältigungsverhalten erklärt ± zumindest ansatzweise ± das verstärkte Auftreten psychosomatischer Beschwerden bei weiblichen Jugendlichen. Ferner wird angenommen, dass Mädchen sensibler auf ihre Körpersignale reagieren und ihren (auch seelischen) Gesundheitszustand kritischer beobachten als Jungen (vgl. ebd.). Ein weiterer Grund wird in den sozialen Rollenbildern gesehen (vgl. ebd., S. 223ff.).
3.4 Jugendliche in der Berufsausbildung
Im Folgenden sollen die Lebenssituation und die gesundheitliche Lage von Jugendlichen in der beruflichen Ausbildung betrachtet werden. Die Berufsausbildung ist ein zentraler Bestandteil des Lernens im Jugendalter und ein wichtiger Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Gleichzeitig kann sie aber auch als ein schwieriger Übergang im Lebenszyklus (und damit als Stressor) angesehen werden (vgl. z.B. ENGEL/HURRELMANN, 1993, S. 109). Bei Aufnahme einer Berufstätigkeit werden Jugendliche mit Anforderungen konfrontiert, die sich aus dem Zusammentreffen von Entwicklungsschub und Arbeitsbelastungen ergeben (vgl. MOLL/SCHMAUDER/KLEINDIENST, 1998, S. 83f.). Die Arbeitsbelastungen einerseits und die sozialen Anforderungen in einer nun eher knappen Freizeit andererseits scheinen für Heranwachsende oft sehr strapaziös zu sein. Arbeitsunfähigkeit ist deswegen nicht bloû als Folge von Krankheit zu interpretieren. Statt dessen wirken vermutlich auch soziale und psychische Faktoren stark auf die Arbeits(un-)fähigkeit der Auszubildenden ein. Die für Auszubildende typischen wiederholten Krankschreibungen aufgrund von Erkältungskrankheiten in Verbindung mit einer insgesamt häufigen, aber kurzen Arbeitsunfähigkeit, scheinen Anzeichen von Überforderung zu sein (vgl. ebd., S. 79). Weitere Ursachen von Krank-schreibungen bei jungen Arbeitenden sind Verletzungen sowie Erkrankungen der Atemwege, der Verdauungsorgane und des Muskel- und Skelettsystems (vgl. BKK-BUNDESVERBAND, 1997, zit. in: MOLL/SCHMAUDER/KLEINDIENST, 1998, S. 81).
Die Untersuchung von SPANNHAKE (1992) dokumentiert die Belastungs-situation Jugendlicher in der Ausbildung: Am häufigsten genannt werden ¹einseitige Beanspruchungenª, gefolgt von ¹Arbeiten erledigen, die andere nicht machen wollenª und ¹Lärmª. Ebenfalls recht zahlreich werden ¹schweres Heben und Tragenª, ¹schlechte klimatische Verhältnisseª und ¹ Zwangs-haltungenª angegeben. Ferner als belastend empfunden werden ein ¹hohes Arbeitstempoª, dass ¹eigene Interessen zu kurz kommenª, ¹monotone Arbeitª, ¹wenige Erfolgserlebnisseª und der Umgang mit ¹gefährlichen Arbeitsstoffenª (vgl. SPANNHAKE, 1992, zit. in: MOLL/SCHMAUDER/KLEINDIENST, 1998, S. 80). Weiterhin zeigt die Untersuchung SPANNHAKEs, dass die gesundheitliche Situation von Auszubildenden insgesamt im Vergleich zu Schülern (jüngeren Jugendlichen) schlechter ist (vgl. ebd., S. 84). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch BONSE-ROHMANN (vgl. 1999, S. 190). Hinsichtlich des Gesundheits verhaltens stellt er bei Auszubildenden im Vergleich mit jüngeren Jugendlichen eine tendenzielle Zunahme sowie eine Habitualisierung von Alkohol- und Tabakkonsum fest (vgl. ebd., S. 241 und 257f.).
4 TERMINOLOGISCHE ORIENTIERUNG
Die Thematik der GF ist ± neben der enormen Komplexität ± durch sehr viele Unklarheiten in Bezug auf die Auslegung der elementaren Begrifflichkeiten charakterisiert. Die Schwierigkeiten beginnen bereits bei den Definitions-versuchen des Gesundheitsbegriffs und ziehen sich durch sämtliche damit zusammenhängende Termini. Im Folgenden sollen daher die zentralen Begriffe dieser Arbeit knapp erläutert und ± wenn es nötig erscheint ± auch kurz diskutiert werden, um möglichen Missverständnissen, die im Zuge der nicht vorhandenen allgemeingültigen Definitionen auftreten könnten, vorzubeugen.
Gesundheit
Um zusammengesetzte Begriffe wie z.B. ÁGesundheitsförderungÂ, ÁGesundheitsverhalten usw. klären zu können, ist es zunächst unumgänglich, sich dem zugrunde liegenden Begriff ÁGesundheit anzunehmen. Dafür gibt es eine Vielzahl von Definitionen; die wohl bekannteste ist die der Weltgesundheitsorganisation (WHO):
¹ Gesundheit ist der Zustand v ö lligen k ö rperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. ª (WHO, 1948).4
Wurde auch in der einschlägigen Literatur von diversen Autoren kritisiert, dass die Begriffe ÁZustand und völlig zu statisch bzw. utopisch seien (vgl. z.B. ROTHENFLUH, 1989, S. 11, zit. in: WULFHORST, 2002, S. 21), hat sich diese Definition dennoch aufgrund ihrer mehrdimensionalen und umfassenden Auslegung des Gesundheitsbegriffs durchsetzen können und gilt bis heute als Grundlage für eine programmatische bzw. auch (sozial-)politische Orientierung des Gesundheitsbegriffs (vgl. BONSE-ROHMANN, 1999, S. 17).5
Weiterhin kann konstatiert werden, dass die WHO-Definition fast allen neueren Gesundheitsdefinitionen der verschiedensten Autoren als Basis diente und von diesen lediglich leicht abgewandelt bzw. akzentuiert wurde (vgl. WULFHORST, 2002, S. 23).
In dieser Arbeit soll ÁGesundheit als Kontinuum oder Balanceakt zwischen den Polen ÁGesundheit und Krankheit verstanden werden, wobei die Kernidee der WHO-Definition, nämlich die Einbeziehung von psychischer und sozialer Dimension, beibehalten wird.
Gesundheitsverhalten
Unter ÁGesundheitsverhalten (synonym auch: gesundheitsrelevantes Verhalten) wird ± in Anlehnung an BONSE-ROHMANN (vgl. 1999, S. 19) ± jegliches Verhalten verstanden, das direkt oder indirekt Einfluss auf die momentane oder spätere Gesundheit eines Einzelnen oder einer Gruppe hat. Je nachdem, ob mit einer positiven oder negativen Wirkung auf die Gesundheit zu rechnen ist, werden die Begriffe ÁgesundheitsförderlichesÂ, Ágesundheitsriskantes oder gesundheitsschädigendes Verhalten verwendet. Gleichbedeutend für Ágesundheitsriskantes Verhalten wird in der Literatur auch oft die Bezeichnung (gesundheitliches) ÁRisikoverhalten benutzt. In der vorliegenden Arbeit wird dieser Begriff aus Gründen der Abwechslung ebenfalls gleichbedeutend verwendet.
Gesundheitsbildung und Gesundheitserziehung
Die Termini ÁGesundheitserziehung und Gesundheitsbildung werden gleichfalls häufig synonym und ohne erkennbare Abgrenzung gebraucht. Gemein ist den beiden Begriffen, dass sie sich vor allem in der Familie und in den Erziehungs- und Bildungseinrichtungen abspielen und durch Wissensvermittlung bestimmte Einstellungen, Fertigkeiten und Kompetenzen zur Selbstentfaltung und zum gesundheitsbewussten Verhalten erzielen wollen (vgl. LAASER/HURRELMANN/WOLTERS, 1993, S. 176f.).
Eine pragmatische Unterscheidungsmöglichkeit der beiden Begriffe ist das Alter der Zielgruppe: ÁGesundheitserziehung richtet sich an Kinder und Jugendliche, ÁGesundheitsbildung an Erwachsene (vgl. z.B.WALLER, 1996, S. 185). Allerdings bestehen einige Autoren (vgl. z.B. BONSE-ROHMANN, 1999; MANSTETTEN/BONSE-ROHMANN, 1992; HÖRMANN, 1998; BLÄTTNER, 1999) aus anderen Gründen auf einer Differenzierung: So sei laut HÖRMANN der Begriff der ÁGesundheitserziehung mit dem ¹ anhaftenden Beigeschmack des Apostolischen, des moralischen Zeigefingers und des Schulmeisterlichen bezeichnet ª und ÁGesundheitsbildung demnach eine ¹ begriffliche
Umorientierung ª (HÖRMANN, 1998, S. 115, zit. in: WULFHORST, 2003, S. 28).
Auch BLÄTTNER (1997, S. 119) sieht einen Paradigmawechsel von der ÁGesundheitsaufklärung und erziehung zur ÁGesundheitsbildung und -förderungÂ. Ihrer Meinung nach signalisiere Gesundheitsbildung eher die Orientierung an der Salutogenese und solle nicht mehr nur der Erwachsenenbildung vorbehalten sein (vgl. BLÄTTNER, 1999, S. 84). In Übereinstimmung mit den hier zitierten Autoren wird in dieser Arbeit daher im Folgenden der Begriff ÁGesundheitsbildung verwendet. Dennoch muss hier nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Begriff ÁGesundheitserziehung immer noch häufig verwendet wird (so z.B. auch im Bericht ¹ Zur Situation der Gesundheitserziehung ª der KMK 1992), wenn auch vermutlich eher im Sinne von ÁGesundheitsbildungÂ.
Ressourcen
Unter ÁRessourcen (auch: GesundheitsressourcenÂ; Protektiv- oder Schutz-faktorenÂ) lassen sich alle möglichen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Einstellungen zusammenfassen, die für die Entstehung, Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung von Gesundheit (im weitesten Sinne) förderlich sind. Die Ressourcen werden meist weiter unterschieden in personale (interne) sowie soziale und ö kologische (externe) Ressourcen6 (vgl. z.B. FRANZKOWIAK, 2003, S. 189). Zu den personalen (internen) Ressourcen werden individuelle Lebenskompetenzen (sog. ¹ life skillsª), Persönlichkeits-merkmale und spezifische Bewältigungsstrategien gezählt. Auch die physische Konstitution und genetische Disposition können hier subsumiert werden (vgl. ebd.).
Im psychosozialen Bereich gehören zu den internen Ressourcen generalisierte Einstellungen von Menschen zu sich selbst und ihrer Umwelt, wie z.B. Zuversicht/Optimismus, ein positives Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserwartungen, Handlungskompetenz zur aktiven Problembewältigung u.a.m. (vgl. ebd.).
Unter externen Ressourcen werden Protektivfaktoren verstanden, die in der sozial-ökologischen Umwelt zur Verfügung stehen. Darunter fallen beispielsweise elementare Bedingungen wie Arbeit, Wohnraum, angemessene Ernährung, gesundheitliche Grundversorgung etc., aber auch Aspekte wie sozialer Rückhalt, soziale Integration und Unterstützung (vgl. ebd.).
Pr ä vention
ÁPrävention ist von allen hier aufgeführten Begriffen noch am eindeutigsten definiert. Man unterscheidet Prim ä r -, Sekund ä r - und Terti ä rpr ä vention, wobei letzterer Begriff sich nie wirklich unangefochten durchsetzen konnte (vgl. LAASER/HURRELMANN/WOLTERS, 1993, S. 176f.). Die Prim ä rpr ä vention hat die Vermeidung der Entstehung einer Krankheit zum Ziel, und zwar durch Maûnahmen wie Impfung, Aufklärung etc. Die Sekund ä rpr ä vention will das Fortschreiten einer Krankheit vermeiden, und zwar durch Vorsorge- bzw. Früherkennungsuntersuchungen und ggf. Behandlungen. Die Terti ä rpr ä vention schlieûlich hat zur Aufgabe, eine Verschlechterung der Gesundheit und der Erkrankung eines bereits Erkrankten oder einen neuen Krankheitsausbruch zu verhindern, z.B. durch Rehabilitation, Palliativpflege etc. (vgl. z.B. NAIDOO/ WILLS, 2003, S. 90).
Präventionsmaûnahmen können sich sowohl auf das Verhalten von Einzelnen und Gruppen beziehen (Verhaltensprävention) als auch auf Veränderungen der Umwelt (Verhältnisprävention) (vgl. z.B. WULFHORST, 2002, S. 32).
Gesundheitsf ö rderung
Laut LAASER/HURRELMAMM/WOLTERS (1993, S. 177) bezeichnet ¹ Gesund- heitsf ö rderung .. zusammenfassend die vorbeugenden, pr ä ventiven Zug ä nge zu allen Aktivit ä ten und Ma ß nahmen, die die Lebensqualit ä t von Menschen beeinflussen, wobei hygienische, medizinische, psychische, psychiatrische, kulturelle, soziale und ö kologische Aspekte vertreten sein k ö nnen und verh ä ltnisbezogene Dimensionen ebenso wie verhaltensbezogene Dimensionen ber ü cksichtigt werden. ª Definitionen dieser Art, in denen GF als Ober- bzw. Sammelbegriff für alle nicht-therapeutischen Maûnahmen (inkl. der Prävention) zur Verbesserung von Gesundheit verwendet wird, werden als ¹weite Definitionenª bezeichnet (vgl. KABA-SCHÖNSTEIN, 2003, S. 105). Denen gegenüber stehen ¹engere Definitionenª, die sich konkreter auf die Ottawa-Charta der WHO (1986) beziehen und speziell die salutogenetische Orientierung (als Gegensatz zur pathogenetischen Ausrichtung der Prävention) betonen (vgl. ebd.). WALLER (vgl. 1996, S. 136) hat angeregt, GF und Prävention als die beiden elementaren Strategien zur Verbesserung bzw. Erhaltung der Gesundheit aufzufassen, wobei GF für die Bewahrung und Stärkung von Ressourcen zuständig sei und Prävention für die Reduzierung und Vermeidung von Gesundheitsrisiken. Das klingt ebenso einfach wie plausibel und hat ferner den Vorzug, dass sich dadurch die jeweiligen Strategien und Maûnahmen ableiten und begründen lassen (vgl. KABA-SCHÖNSTEIN, 2003, S. 105). Auch in der wissenschaftlichen Diskussion hat sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass sich GF und Prävention durch ihre grundsätzliche Orientierung differenzieren. Weiterhin zeichnet sich aber auch (speziell in Betrieben) die Entwicklung ab, Elemente aus der GF und der Prävention gezielt zu kombinieren, da sich solche Interventionen als besonders (langfristig) effektiv herausgestellt haben (vgl. ebd., S. 106).
Trotz einer prinzipiellen Übereinstimmung in Bezug auf die unterschiedliche Herkunft, Ausrichtung und Ziele dieser beiden Strategien und auch aufgrund der eben genannten Entwicklung soll in dieser Arbeit ± der Einfachheit halber ± GF als komplexer Oberbegriff oder auch Globalziel verstanden werden, der neben der Stärkung von Ressourcen und Selbstbestimmung u.a. auch die Prävention mit einschlieût. Somit wird der ¹weiten Definitionª der Vorzug gegeben.
Ans ä tze, Konzepte, Modelle
Auch diese Begriffe werden in der einschlägigen Literatur ständig synonym benutzt, so findet sich beispielsweise ¹Konzept der Salutogeneseª ebenso wie ¹Modell der Salutogeneseª und ¹ salutogenetischer Ansatzª. Teilweise lassen sich jedoch auch gewisse Hierarchisierungen erkennen, wie z.B. ¹der SettingAnsatz im Konzept der GFª.
Laut DUDEN ist ein Konzept als ¹Entwurf bzw. erste Fassungª oder auch als ¹Plan bzw. Programmª zu verstehen (vgl. WISSENSCHAFTLICHER RAT DER DUDENREDAKTION, 1994, S. 772). Ein Modell hingegen kann viele unterschiedliche Bedeutungen haben, u.a. ¹Muster, Vorbild, Entwurfª oder auch ¹vereinfachte Darstellung der Funktion eines Gegenstandes oder des Ablaufs eines Sachverhalts, die eine Untersuchung oder Erforschung erleichtert oder erst möglich machtª (vgl. ebd., S. 904). Im letzteren Fall wäre ein Modell also auf einer ¹höheren Ebeneª anzusiedeln als ein Konzept. Trotzdem wird auch ersichtlich, dass die Begriffe ÁKonzept und Modell zwar nicht das Gleiche bezeichnen m ü ssen, aber es zumindest k ö nnen. Somit erscheinen synonyme Verwendungen dieser beiden Bezeichnungen wohl in den meisten Fällen gerechtfertigt.
Eine Definition oder klarere Abgrenzung des Begriffs ÁAnsatz ist hingegen nicht auffindbar. Vom wörtlichen Sinn oder alltagssprachlichen Vorverständnis her sollte man vermuten, dass dieser Terminus hierarchisch noch unterhalb des Konzepts einzuordnen sei. Man assoziiert damit etwas ¹Unfertigesª, wie z.B. den ersten Schritt auf einem Lösungsweg, nach dem wiederum evtl. ein Konzept und letztendlich ein Modell erstellt werden könnte. Dennoch kann beispielsweise der durchdachte und ausgereifte ÁSetting-Ansatz der WHO wohl kaum in diesem Sinne aufgefasst werden ...
Als Schlussfolgerung lässt sich somit ziehen, dass die o.a. Begriffe anscheinend je nach persönlicher Betrachtungsweise des jeweiligen Autors bzw. der wissenschaftlichen Disziplin benutzt werden.
Aufgrund dessen werden in der vorliegenden Arbeit diese drei Termini stets entsprechend der jeweils zugrunde liegenden Literatur und somit ebenfalls synonym verwendet.
5 KONZEPTE UND ANSÄTZE ZUM GESUNDHEITSVERHALTEN
Gesundheitsbildung, welche die Selbstverantwortlichkeit und -bestimmung von Lernenden bekräftigt, ist ein maûgeblicher Faktor in der sehr komplexen GF. In folgenden Kapitel sollen daher gesundheitswissenschaftliche Konzepte (bzw. Ansätze oder Modelle) zur Erklärung bzw. Veränderung von Gesundheitsverhalten dargestellt werden, die für die Gesundheitsbildung und damit auch für die GF eine wichtige Rolle spielen.
5.1 Laienkonzepte
Durch die verstärkt individuenorientierte Betrachtungsweise von ÁGesundheitÂ, die ja auch der WHO-Definition zugrunde liegt, rückt die persönliche und subjektive Perspektive medizinischer Laien bzgl. ÁGesundheit ins Zentrum des Interesses (vgl. WIPPLINGER/AMANN, 1998, S. 23). So betont z.B. BECKER (1992, zit. in: WALLER, 1996, S. 12) die Wichtigkeit, sich neben den wissen-schaftlichen Konzepten gerade auch mit den subjektiven Ansichten von Gesundheit zu beschäftigen, u.a. deswegen, weil diese generelle Vorstellungen über die verantwortlichen Bedingungen von Gesundheit und Krankheit einer Person liefern und insbesondere, ob eine Mitverantwortung für die eigene Gesundheit eingeräumt wird. Zudem weisen Laienkonzepte und wissenschaftliche Theorien einige Analogien auf, so vermischen sich z.B. in beiden Bereichen Abgrenzungs- und Funktionskonzepte von ÁGesundheit mit wertorientierten Bestimmungen (vgl. FRANZKOWIAK, 2003, S. 226).
Subjektive Gesundheitskonzepte bilden sich aus der Konfrontation mit unterschiedlichen Lebensbedingungen und -erfahrungen heraus und sind abhängig von soziokulturellen Einflüssen. Sie müssen also im Zusammenhang mit den biographischen Lebensumständen und Handlungsanforderungen betrachtet werden. Dementsprechend können Gesundheitskonzepte und -assoziationen interkulturell und sozio-ökonomisch auch merklich variieren.
Diverse qualitative Studien (vgl. z.B. HERZLICH, 1973; FALTERMAIER, 1994) sind zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass Laien ÁGesundheit auf mindestens vier zentralen Dimensionen definieren:
[...]
1 So wurden im Jahr 2001 in Deutschland 226 Mrd. Euro für das Gesundheitswesen ausgegeben (STATISTISCHES BUNDESAMT, 2003, zit. in: BLECH, 2003, S. 116).
2 Im Folgenden wird aufgrund des häufigen Vorkommens `Gesundheitsförderung´ meist mit `GF´ abgekürzt.
3 Aufgrund des äuûerst geringen Männeranteils in diesem Beruf wird in dieser Arbeit der besseren Lesbarkeit wegen nur die weibliche Form benutzt. Weiterhin wird künftig i.d.R. die Abkürzung ÁAHÂ verwendet.
4 Abweichend findet sich häufig auch die Jahreszahl 1946 (vgl. z.B. BONSE-ROHMANN, 1999, S. 17; WIPPLINGER/AMANN, 1998, S. 23).
5 1998 hat die WHO übrigens auf diese Vorwürfe reagiert und in ihrem ¹ Glossar zur Gesundheitsf ö rderung ª auf den Wandel des ÁZustandbegriffs zum Ressourcenbegriff aufmerksam gemacht (vgl. WULFHORST, a.a.O.).
6 Es finden sich auch diverse andere Ein- bzw. Unterteilungen von Ressourcen (vgl. z.B. BECKER,1989; ANTONOVSKY, 1979,1987), auf die an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden soll und muss.
- Arbeit zitieren
- Alissa Henning (Autor:in), 2003, Zur Gesundheitsförderung in der Berufsausbildung - eine empirische Analyse aus der Sicht von Arzthelferinnen, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/56726