I. Einleitung
Das Beihilferegime nimmt eine besondere Stellung im Rahmen des europäischen Wirtschaftsrechts ein. In den letzten Jahren gewinnt die beihilferechtliche Kontrolle der EU immer mehr an Bedeutung, weil die restriktiven Vorschriften bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik von den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müssen. Die gestiegene Kontrolltätigkeit der Europäischen Kommission kann man mit der Verwirklichung des Binnenmarktes und der in den letzten Jahren vollzogenen Liberalisierung der Märkte erklären. Besonders aktuell ist die Diskussion über die beihilferechtliche Beurteilung der staatlichen Ausgleichszahlungen an die Unternehmen, die mit der Erbringung der Leistungen im gemeinwirtschaftlichen Interesse betraut sind. Waren es früher die staatlichen Monopolbetrieben, die Dienstleistungen der Da-seinvorsorge erbracht haben, und den Schutz des Staates genossen, sind es jetzt privatisierte Unternehmen, die zum Teil im staatlichen Auftrag arbeiten und dafür die Zuschüsse erhalten. Solche Ausgleichszahlungen unterliegen aber der Regelung über das Beihilfeverbot (Art. 87 Abs. 1 EGV). Für die Europäische Gemeinschaft ist einerseits wichtig, das Prinzip des freien Wettbewerbs einzuhalten; andererseits wird aber auch der Erbringung der Leistungen der Da-seinvorsorge ein hoher Wert beigemessen.
In meiner Arbeit möchte ich zuerst die Grundlagen des Beihilfesystems schildern. Ich gehe kurz auf das Verfahren der Beihilfeprüfung ein, in dem die Europäische Kommission eine besondere Stellung einnimmt. Danach folgt die Schilderung der zentralen Vorschrift im Beihilferecht, nämlich Art. 87 EGV. Im dritten Kapitel geht es um die Definition der Beihilfe und die Relevanzkriterien, bei denen der Tatbestand der Beihilfe bejaht wird. Im vierten Abschnitt möchte ich ein aktuelles Problem schildern, nämlich die Finanzierung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben. Dabei verdient das sog. Altmark-Urteil, in dem die Voraussetzungen für die Qualifizierung einer Ausgleichszahlung als Beihilfe ausgearbeitet wurden, besondere Aufmerksamkeit. Die Diskussion um die Finanzierung der Aufgaben im öffentlichen Interesse ist auch für den Bereich des Medienrechts aktuell. Dabei steht die umstrittene Frage der Einordnung der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Beihilfe im Zentrum der Diskussion. [...]
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Rechtliche Grundlagen des Beihilfesystems
- 1) Grundstruktur des Beihilferechts
- 2) Das grundsätzliche Beihilfeverbot des Art. 87 I EGV und die Ausnahmetatbestände
- III. Begriff der staatlichen Beihilfe und die begriffsbestimmenden Relevanzkriterien
- 1) Weite Definition des Begriffs und Tatbestandvoraussetzungen
- 2) „Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen“
- 3) Begünstigungskriterium
- 4) Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils für bestimmte Unternehmen bzw. Produktionszweige
- 5) Beeinträchtigung des Wettbewerbs und Handels
- IV. Aktuelle Problematik: Die Beihilferechtliche Beurteilung der staatlichen Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben
- 1) Mitgliedstaatliche Daseinvorsorge und Wettbewerb
- 2) Die Rechtssache „Altmark“: Kriterien für die Qualifizierung der Maßnahme als Beihilfe
- 3) Bedeutung des Altmark-Urteils und Kritikpunkte
- 4) Beihilferechtliche Charakteristik der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
- a) Prüfung nach den Beihilfe-Tatbestandsmerkmalen
- b) Prüfung nach den Altmark-Kriterien
- V. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit den europarechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe staatlicher Beihilfen, analysiert die derzeitige Rechtslage und beleuchtet aktuelle Problemfelder. Im Mittelpunkt steht dabei die staatliche Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben, insbesondere im Kontext des Altmark-Urteils und der umstrittenen Frage der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
- Grundlagen des Beihilfesystems
- Das Beihilfeverbot des Art. 87 EGV und dessen Ausnahmen
- Definition und Relevanzkriterien der staatlichen Beihilfe
- Beihilferechtliche Beurteilung der Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben
- Das Altmark-Urteil und seine Bedeutung für die Beihilfekontrolle
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des Beihilferechts ein und beleuchtet dessen besondere Stellung im europäischen Wirtschaftsrecht. Die Arbeit betrachtet die erhöhte Bedeutung der Beihilferechtlichen Kontrolle im Kontext der europäischen Wirtschaftspolitik und der Liberalisierung der Märkte, wobei insbesondere die staatlichen Ausgleichszahlungen an Unternehmen im gemeinwirtschaftlichen Interesse im Fokus stehen.
Kapitel II behandelt die rechtlichen Grundlagen des Beihilfesystems. Hier werden die wichtigsten Vorschriften der gemeinschaftlichen Beihilfeaufsicht, insbesondere Art. 87 bis 89 EG, beleuchtet. Die Rolle der Europäischen Kommission im Beihilfeaufsichtsverfahren und das Verfahren der Beihilfeprüfung werden erläutert.
Kapitel III beschäftigt sich mit dem Begriff der staatlichen Beihilfe und den Relevanzkriterien, die für die Bejahung des Tatbestands der Beihilfe maßgeblich sind. Hier werden die Tatbestandvoraussetzungen, die "staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen" und die Begünstigungskriterien näher betrachtet.
Kapitel IV widmet sich der aktuellen Problematik der Beihilferechtlichen Beurteilung der staatlichen Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben. Es werden die Spannungen zwischen der Mitgliedstaatlichen Daseinvorsorge und dem Wettbewerb sowie die Auswirkungen des Altmark-Urteils auf die Qualifizierung von Ausgleichszahlungen als Beihilfe analysiert. Die Diskussion um die Finanzierung der Aufgaben im öffentlichen Interesse im Bereich des Medienrechts und die Einordnung der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Beihilfe bilden den Schwerpunkt dieses Kapitels.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter und Themenbereiche dieser Arbeit sind: Beihilferecht, Europarecht, staatliche Beihilfen, Beihilfeverbot, gemeinwirtschaftliche Aufgaben, Altmark-Urteil, Gebührenfinanzierung, öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Wettbewerbsrecht, Binnenmarkt.
- Arbeit zitieren
- Viktoria Semenyuchenko (Autor:in), 2004, Die Europarechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe staatlicher Beihilfen: Derzeitige Rechtslage und aktuelle Probleme, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/53924