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Hausarbeit, 2018
30 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Rechtliche Hintergründe
2.1 Recht auf Rehabilitation und Teilhabe (SGB IX)
2.2 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen SGB XII
3. Behinderungsbegriff
4. Konzept einer WfbM
4.1 Aufgaben einer WfbM
4.2 Aufbau und Organisation einer WfbM (SGB IX, WVO)
5. Bundesteilhabegesetz (BTHG)
5.1 Historie
5.2 Umsetzung
5.3 Teilhabeverfahren/Gesamtplanverfahren
5.4 Bedarfsermittlung
5.5 Alternativen zur WfbM
5.5.1 Andere Leistungsanbieter
5.5.2 Budget für Arbeit
6. UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)
6.1 Inklusion
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auf die Arbeit in Werkstätten für Menschen mit seelischen Behinderungen (WfbM). Thematisiert werden sollen hierbei zum einen mögliche strukturelle Veränderungen in den Werkstätten und auch die direkten Auswirkungen auf das Leben der Menschen mit Behinderungen, die in einer WfbM tätig sind (im weiteren Verlauf Beschäftigte genannt). Ich habe dieses Thema für die vorliegende Ausarbeitung gewählt, da ich den Praxisanteil meines dualen Studiums der Sozialen Arbeit an der Hochschule Fulda im Sozialdienst einer Werkstatt für Menschen mit seelischen Behinderungen absolviere und im Rahmen dieser Tätigkeit nahezu täglich die Folgen dieses Gesetzes bedenken und in die Praxis umsetzen muss. Ich stelle immer wieder fest wie groß die Bedeutung von Arbeit für die Beschäftigten ist und wie sehr sich viele über Arbeit definieren. Die Aufnahme der Tätigkeit in einer WfbM war für viele ein mutiger Schritt, da sie damit anerkennen mussten den Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes zunächst nicht oder nicht mehr gewachsen zu sein. Aufgrund dessen habe ich die Hintergründe des Gesetzes durch die Recherchen zu dieser Arbeit ergründet. Die Arbeit gibt zunächst einen Einblick in die relevanten Rechtsgebiete für den Arbeitsauftrag einer WfbM. Grundlegend wichtig für diese Ausarbeitung ist das sich wandelnde Verständnis des Behinderungsbegriffes, welcher danach erläutert wird. Anschließend wird das Konzept einer WfbM dargestellt, worauf eine ausführliche Beschreibung des BTHG's und seine Auswirkungen auf die Arbeit in einer WfbM für seelische behinderte Menschen folgt. Abschließend wird eine kurze Darstellung der UN-Behinder- tenrechtskonvention (UN-BRK) erfolgen, da diese der Impulsgeber für das BTHG ist. In diesem Zusammenhang wird der Inklusionsbegriff und seine Bedeutung für die Gesetzesnovellierungen durch das BTHG erläutert. Im Rahmen dieser Arbeit wird lediglich auf die für eine WfbM wichtigen Aspekte der UN-BRK eingegangen. Zudem können für einige Novellierungen nur Vermutungen über mögliche entstehende Folgen des BTHG's dargelegt werden, da es sich um aktuelle Änderungen handelt. Folglich gibt es noch keine auswertbaren Ergebnisse die als Bezugsquelle verwertbar gewesen wären.
Um nachzuvollziehen warum und inwiefern die Veränderungen des BTHG's eine WfbM für seelisch Behinderte Menschen betreffen, ist es notwendig die rechtlichen Hintergründe zu kennen auf die die Arbeit einer WfbM sich stützt. Hierbei ist es wichtig die rechtliche Legitimation und die Vorgaben für eine WfbM durch das SGB IX zu kennen. Zudem ist eine Auseinandersetzung mit dem SGB XII erforderlich, da die Leistungen dieses Gesetzbuches vielen Beschäftigten den Lebensunterhalt sichert und ihnen darüber hinaus die soziale Teilhabe ermöglichen sowie ein selbstbestimmtes Leben fördern sollen.
„Rehabilitation lässt sich beschreiben als der koordinierte Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer, psychologischer und technischer Maßnahmen sowie die Einflussnahme auf das physische, psychische und soziale Umfeld zum Erreichen einer größtmöglichen Eigenaktivität und zur weitestgehenden Partizipation in allen Lebensbereichen“ (Minninger 2013: 190). Diese Definition wird der vorliegenden Ausarbeitung zugrunde gelegt, da es sich bei einer WfbM um eine teilstationäre rehabilitative Einrichtung handelt und die Definition die große Bedeutung des Arbeitsauftrages einer WfbM verdeutlicht.
Das Sozialgesetzbuch IX- „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" trat 2001 in Kraft. Mit seiner Einführung wurde das Schwerbehindertenrecht und das Rehabilitationsrecht dem Sozialgesetzbuch zugeordnet. Es untersteht jedoch einem ständigen Wandel, so gab es zuletzt durch das Inkrafttreten der zweiten Stufe des BTHG's zum 01.01.2018 eine komplette Neufassung. Durch die Schaffung des SGB IX wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die vorher aufgeteilten Sozialleistungssysteme für das Rehabilitations- und das Teilhaberecht zusammengeführt werden, wodurch eine einheitliche Gewährung der Leistungen erfolgen soll und Menschen mit Behinderungen Leistungen „aus einer Hand" erhalten können (vgl. Eikötter 2017: 79). Infolgedessen sollen die verschiedenen Rehabilitationsträger (z.B. Unfallversicherung, Versorgungsämter, Rentenversicherung, Sozialämter) miteinander kooperieren, um die Leistungen zu koordinieren (vgl. ebd. 79f). Das Ziel des Gesetzbuches ist darin begründet Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen in ihrer Selbstbestimmung und ihrer gleichberechtigten sozialen Teilhabe zu fördern und Benachteiligungen zu vermeiden oder entgegenzuwirken (vgl. §§ 1, 4 SGB IX). Es ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen getroffen (§§1-89 SGB IX). Dieser Teil wird auch Rehabilitations- und Teilhaberecht genannt, welches für alle Rehabilitationsträger gilt (vgl. BMAS 2018:7) Der zweite Teil befasst sich mit den besonderen Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht) (§§90-150 SGB IX). Durch das BTHG werden diese Leistungen aus dem SGB XII herausgelöst und reformiert. Der dritte Teil stellt besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht) dar (§§151-241). Die Auswahl des Leistungserbringers muss danach erfolgen, welcher Erbringer am besten für die Rehabilitation des Hilfebedürftigen geeignet ist (§36 Abs.2 SGB IX). Im Bereich der Leistungen zur Teilhabe für behinderte Menschen wird zwischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Teilhabe am sozialen Leben, Leistungen zur Teilhabe an Bildung, sowie unterhaltssichernden und ergänzenden Leistungen wie Krankengeld, Übergangsgeld und Renten unterschieden. Eine WfbM ist eine Einrichtung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben anbietet. Die Leistungen haben die Aufgabe präventiv, beseitigend oder mindernd auf die Behinderung und ihre Folgen zu wirken, Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit vermeiden, überwinden oder einschränken, die dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Zudem soll die soziale Teilhabe mithilfe einer ganzheitlichen Förderung der persönlichen Entwicklung unterstützt werden, damit Menschen mit Behinderungen ein selbstständiges, selbstbestimmtes Leben führen können (vgl. Knittel 2017: 47). Alle Leistungen werden von Leistungserbringern erbracht (§28 SGB IX), wobei die Leistungsträger darauf zu achten haben, dass ausreichend Dienste zur Durchführung vorhanden sind (§36 Abs.1 SGB IX). Folglich erfolgt eine individuelle Förderung. Sie werden von den verschiedenen Rehabilitationsträgern, jeweils auf Grundlage der Sozialgesetze für ihren Bereich erbracht (vgl. Frings 2015: 279), weswegen beim Zusammentreffen mehrerer Leistungsträger die Regelungen zur Koordination der Teilhabeplanung zur beachten sind (vgl. Rosemann 2017: 23). Durch das Verhältnis von Leistungsträger und Leistungserbringer entsteht ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis (vgl. Abb. 1 Boeßenecker 2005: 256). Dieses Dreieck veranschaulicht, dass zwischen den drei Akteuren sechs Beziehungen bestehen, die jeweils voneinander abhängig sind. So sind die Leistungsträger an ihren gesetzlichen Auftrag für die Leistungsempfänger gebunden (§28 SGB IX), den sie jedoch nicht ohne die Leistungserbringer erfüllen könnten. Die Leistungserbringer werden wiederum von den Leistungsträgern finanziert und müssen sich gleichzeitig auch auf die Bedürfnisse der Leistungsempfänger einstellen. Die Leistungsempfänger sind jedoch auch vom Leistungsträger abhängig, der ihnen ein Leistungsrecht anerkennen muss (§9 SGB IX) (vgl. König 2017: 10f). Für die Arbeit des Sozialdienstes einer WfbM bedeutet dies beispielsweise, dass die ein Kostenanerkenntnis des Leistungsträgers benötigen, um den Menschen mit Behinderung überhaupt beschäftigen zu können, da sie die Maßnahme finanzieren müssen. Im Gegenzug erwartet der Leistungsträger eine individuelle Förderung des Menschen durch die Fachkräfte der WfbM. Der Leistungsempfänger, in diesem Falle der Beschäftigte erwartet dies ebenso von der WfbM, zudem muss er jedoch aktiv am Arbeitsprozess mitwirken, damit der Leistungsträger die Kosten übernimmt und die WfbM einen Förderansatz hat. Eine vierte Komponente bei der Arbeit in einer WfbM sind die Auftraggeber, die der WfbM auf der einen Seite die Grundlage für ihre Existenz geben auf der anderen Seite jedoch gute Arbeitsergebnisse erwarten.
Die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums wird durch die Verfassung garantiert. „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind" (Bundesverfassungsgericht, 2009). Bis zum 31.12.2004 wurden diese Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Bedürftigkeit und Erwerbsminderung durch das SGB III, das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) geregelt. Zum 01.01.2005 wurde das BSHG abgeschafft und die ehemalige Arbeitslosenhilfe aus dem SGB III im neuen SGB II als Grundsicherung für erwerbsfähige (zwischen 15 und 65+ Jahren und nicht für mehr als 6 Monate aus gesundheitlichen Gründen unfähig, mindestens 3 Stunden täglich zu arbeiten), arbeitssuchende Menschen (Arbeitslosengeld/ ALG II oder auch im Volksmund „Hartz IV" genannt) angesiedelt. Dieses wird nicht bezogen, wenn die leistungsberechtigte Person dauerhaft erwerbsunfähig ist. Regelungen für Leistungen zur Existenzsicherung im Alter, bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt (langfristig aber reversibel erwerbsunfähig) sind seit der Reform im SGB XII zu finden. Folglich wurden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe mit der neuen Gesetzgebung zusammengeführt und Menschen die Gelder zur Existenzsicherung erhalten in zwei Kategorien nach erwerbsfähig und nicht erwerbsfähig aufgeteilt (vgl. Frings 2015: 183). Die Höhe des ihnen zustehenden Regelsatzes wird durch das Statistikmodell ermittelt (vgl. Sauer 2017: 13). Durch Stichproben in der Bevölkerung werden die Verbrauchsgewohnheiten von Angehörigen unterer Einkommensgruppen ermittelt. Dieser festgestellte Bedarf ist jedoch „fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln, weil der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er besteht" (Bundesverfassungsgericht 2009). Der notwendige Lebensunterhalt der Menschen wird somit pauschaliert und standardisiert. Dies steht dem Individualisierungsgrundsatz (vgl. §9 SGB XII) gegenüber, welcher besagt, dass eine der momentanen Bedarfslage des Individuums angepasste Hilfe gewährleistet werden soll (vgl. Bieritz- Harder 2015: 106). In den Nachrang der Sozialhilfe ist das Selbsthilfeprinzip eingebettet, welches besagt, dass Sozialhilfe hauptsächlich Hilfe zur Selbsthilfe ist. Es soll folglich dazu beitragen, dass die Leistungsberechtigten ihre eigenen Kräfte entfalten, um eigenständig ohne Sozialhilfe leben zu können (vgl. Bieritz- Harder 2015: 39). Um diesen Nachrang zu realisieren, wurde festgelegt, dass Sozialhilfeempfänger durch die Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit Einkommen erzielen können (vgl. § 11 Abs. 3 SGB XII), sowie die mindernde Auswirkung von Einkommen und Vermögen auf den Regelsatz der Sozialhilfe (vgl. §§ 82 bis 91 SGB XII). Träger der Sozialhilfe sind die örtlichen und überörtlichen Sozialämter (vgl. § 3 Abs. 2 AGB XII). Eingliederungshilfe nach § 52 SGB XII erhalten Menschen mit Behinderungen, die in ihrer Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben wesentlich eingeschränkt. Der Sozialstaat reagiert damit auf den Umstand, dass die Leistungsgesellschaft in starke und schwache Individuen unterteilt (vgl. Masuch 2015: 99). Jedoch bedeutet die Einschränkung durch das Wort „wesentlich“ auch, dass nicht allen Menschen mit Behinderungen Leistungen aus diesem Bereich zustehen. Was eine „wesentliche Behinderung“ für seelisch behinderte Menschen darstellt wurde durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch am 27.12. 2003 definiert. Zu dem Personenkreis der seelisch wesentlich behinderten Menschen gehören Personen, die unter körperlich nicht begründbaren Psychosen leiden, seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des Gehirn, von Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen erlitten haben, Menschen mit Suchtkrankheiten sowie Menschen mit Neurosen und Persönlichkeitsstörungen (vgl. BGBl. I, 3022,3059). Diese Beschreibung des leistungsberechtigten Personenkreises wird jedoch aktuell im Zuge des BTHG's überarbeitet und soll sich zukünftig auf das Konzept der Bedarfsermittlung der ICF beziehen (s. 5.4). Ein Großteil der Beschäftigten einer WfbM für Menschen mit seelischen Erkrankungen erhalten Leistungen zur Existenzsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.
Der Begriff „Behinderung“ wird in verschiedenen Rechtstexten variierend ausgelegt. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK), nennt keine explizite Definition des Behinderungsbegriffes. In Art. 1 Unterabs. 2 UN-BRK wird beschrieben, dass „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“ (Welke 2012: 16), als behindert angesehen werden können. Allerdings ist dieser Begriff unbestimmt gelassen, um auch mögliche, unvorhersehbare zukünftige Entwicklungen abzudecken. Darüber hinaus entstehe Behinderung „aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern" (Welke 2012: 10).
Die Definition des SGB IX hingegen beschreibt „Behinderung" mithilfe von Zeitangaben und setzt Funktionsbeeinträchtigungen voraus. § 2 Abs.1 SGB IX gibt vor, dass Menschen behindert sind, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Zudem kann der Mensch im SGB IX einen „Grad der Behinderung" erreichen, wodurch er, je nach Schwere der Behinderungen, Ausgleichsleistungen wie z.B. eine erhöhte Anzahl an Urlaubstagen zugesprochen bekommt.
Die Ansätze unterscheiden sich voneinander. Die Definition in der UN-BRK bringt zum Ausdruck, dass Behinderung u.a. durch gesellschaftliche Barrieren aus einer Beeinträchtigung resultiert. Im Umkehrschluss wäre die Behinderung durch Beseitigung der Barrieren also auch wieder abbaubar. Dieser Gedanke wird im SGB IX nicht bedacht, da es im Gegensatz zur UN-BRK keine soziale, sondern eine medizinische Sicht verfolgt (vgl. Eikötter 2017: 51). Die UN-BRK schließt auch Einzelfälle ein und kann somit eine höhere Zahl von beeinträchtigten Menschen schützen. Diese Auslegung des Behinderungsbegriffes stellt heraus, dass behinderte Menschen keine homogene Gruppe sind, sondern dass die Ursachen und Folgen von Behinderungen und Benachteiligungen sich individuell zeigen und sich je nach sozialen und gesellschaftlichen Faktoren unterschiedlichen darstellen (vgl. Beck 2016: 19). Es kristallisiert sich heraus, dass im SGB IX ganz klare Regeln definiert werden, um bestimmte Leistungen nicht jedem beeinträchtigten Menschen gewähren zu müssen (vgl. Eikötter 2017: 56). Dieses Vorgehen ist kritisch zu reflektieren, da behinderte Menschen von politisch gesteuerten Dienstleistungen und Hilfen abhängig sind. Das SGB IX arbeitet eher defizitorientiert und die UN-BRK teilhabeorientiert. Da die UN-BRK im deutschen Rechtssystem jedoch umgesetzt werden muss (s.6), ist absehbar, dass die Definition des Behinderungsbegriffes im deutschen Rechtssystem an die UN-BRK angepasst wird. Das soll bis 2023 durch das BTHG geschehen.
Eine WfbM erbringt teilstationär Rehabilitationsleistungen zur T eilhabe am Arbeitsleben. Die rechtlichen Grundlagen einer WfbM lassen sich in der Werkstättenverordnung (WVO), der Werkstättenmitwirkungsverordnung (WMVO) sowie im ersten und im dritten Teil des SGB IX finden. Im ersten Teil regeln die §§49-63 die Teilhabe am Arbeitsleben allgemein. Die §§219-227 im dritten Teil setzen Regeln für WfbM fest. Grundlegend lässt sich eine WfbM als Einrichtung definieren, die Menschen mit Behinderungen dazu dient am Arbeitsleben teilhaben zu können und sie beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt begleiten soll (vgl. §163 Abs.1 SGB IX). Einrichtungen müssen von der Bundesagentur für Arbeit und den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe anerkannt werden (vgl. §§136, 142 SGBIX).Beschäftigt werden können in einer WfbM Menschen die aufgrund ihrer Behinderung einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, einem Inklusionsbetrieb oder einer Berufsvorbereitung nicht oder noch nicht nachkommen können, jedoch in der Lage sind ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit zu erbringen (vgl.§ 58 Abs. 1 SGB IX). Ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit meint, dass Menschen mit Behinderungen dazu in der Lage sein müssen das wirtschaftliche Gesamtergebnis der Werkstatt zu bereichern. Dafür reicht ein Minimum an Arbeitsleistung aus. Menschen mit Behinderungen müssen durch ihre Arbeit nicht die Kosten des Werkstattplatzes refinanzieren, es kommt lediglich darauf an, ob sich das Arbeitsergebnis als Ware oder Dienstleistung verkaufen lässt (vgl. Knittel 2017: 1547). Folglich gehören zum Personenkreis von Menschen die in einer WfbM beschäftigt sein dürfen, nur voll erwerbsgeminderte Menschen nach § 43 Abs.2 SGB VI und nicht erwerbsfähig Menschen nach § 8 Abs.1 SGB II. Menschen von denen eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist, deren Ausmaß an Betreuung und Pflege dauerhaft eine Einzelbetreuung bedarf und Menschen deren Arbeitsleistung das Gesamtergebnis der Werkstatt nicht bereichert, können nicht in einer WfbM beschäftigt werden (vgl. Knittel 2017: 1547). Aktuell sind ca.300.000 Erwachsene mit Behinderungen in einer WfbM beschäftigt, davon ca. 16% mit seelischen Behinderungen (vgl. Knittel 2017: 1538). Die Anzahl der Werkstätten ist von 2002 bis 2017 von 668 auf 731 gestiegen (vgl. BAG WfbM 2017), was einen steigenden Bedarf vermuten lässt. Schwerbehinderten Menschen wird die Teilhabe am Arbeitsleben jedoch verwehrt, was im Hinblick auf Art. 27 der UN-BRK für Diskussionen sorgt, da dieser ein Recht für Arbeit für jeden Menschen fordert.
Werkstätten verfolgen quasi einen zweifachen Auftrag, da sie behinderten Menschen zum einen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen und somit der beruflichen Rehabilitation dienen, wenn eine Eingliederung oder eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt absehbar ist (vgl. §§33ff. SGB IX, §40 Abs. 2, §41 Abs. 2 SGB IX). Sie leisten aber auch Eingliederung in das Arbeitsleben für Menschen die aufgrund ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können und eine Tätigkeit dort auch zukünftig unwahrscheinlich ist (vgl. Knittel 2017: 513).
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