In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wird häufig über Möglichkeiten der Wirtschaft zur Behebung oder wenigstens zur Linderung der Arbeitslosigkeit diskutiert. Ein Punkt, der die deutsche Industrie im Vergleich mit anderen Staaten ineffizient erscheinen lässt, sind die gesetzlichen Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung. Diese Mitbestimmungsregelungen erschweren es beispielsweise Betrieben der Bundesrepublik Deutschland, mit Betrieben anderer Staaten zu fusionieren. Da die Gesetze zur Mitbestimmung in Deutschland im Wesentlichen durch den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit, aber auch infolge wirtschaftlicher Argumente zustande gekommen sind, möchte ich im Folgenden neben den ökonomischen Gründen für Mitbestimmung, die in der Regel die Effizienz von Mitbestimmung betreffen, auch sog. sozialpolitische Gründe darstellen und auf ihren argumentativen Wert prüfen. Ich habe die Argumente jeweils in zwei Unterkapitel unterteilt, um eine differenzierte Betrachtungsweise zu ermöglichen. An dieser Stelle möchte ich auf die inhaltliche Nähe beider Argumentationsstränge zueinander verweisen: Da Staats- und Wirtschaftsmacht in Deutschland durch gesetzliche Regelungen in enger Verbindung zueinander stehen, möchte ich im Anschluss an die ökonomischen Argumente auch eine kurze Darstellung zweier von mir als sozialpolitisch bezeichneten Argumentationsstränge hinzufügen. Im ersten Teil der Arbeit werden die einzelnen Argumente dargestellt, die im zweiten Teil auf ihren argumentativen Wert hin überprüft werden mithilfe von Umfrageergebnissen, um ihre Empirie zu überprüfen, ebenso werden sie mit Gegenargumenten konfrontiert um ihren argumentativen Wert zu überprüfen.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Argumente für Mitbestimmungsgesetze
1.1 Ökonomische Argumentation
1.1.1 Abhängigkeit der Mitbestimmung von ihrer Effizienz bzw. Kostenverteilung
1.1.2 Regulierung adverser Selektion
1.1.3 Gerechte Umsetzung und Ausdifferenzierung von Arbeitsverträgen
1.1.4 Sicherstellung eines regulierten Umgangs mit Senioritätslöhnen
1.1.5 Vertrauliche Informationsübermittlung
1.1.6 Gesetzeskonnotation kontra Vertragskonnotation
1.1.7 Mitbestimmung durch Verhandlungen?
1.2 Sozialpolitische Argumentation
1.2.1 Demokratisierungsgedanke
1.2.2 Gleichwertigkeit von Kapital und Arbeit
2. Ermittlung der Argumentationskraft
2.1 Untersuchung der ökonomischen Begründungen
2.1.1 Abhängigkeit der Mitbestimmung von ihrer Effizienz bzw. Kostenverteilung
2.1.2 Regulierung adverser Selektion
2.1.3 Gerechte Umsetzung und Ausdifferenzierung von Arbeitsverträgen
2.1.4 Sicherstellung eines regulierten Umgangs mit Senioritätslöhnen
2.1.5 Vertrauliche Informationsübermittlung
2.1.6 Gesetzeskonnotation kontra Vertragskonnotation
2.1.7 Mitbestimmung durch Verhandlungen?
2.2 Untersuchung der sozialpolitischen Begründungen
2.2.1 Demokratisierungsgedanke
2.2.2 Gleichwertigkeit von Kapital und Arbeit
3. Schluss
4. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wird häufig über Möglichkeiten der Wirtschaft zur Behebung oder wenigstens zur Linderung der Arbeitslosigkeit diskutiert. Ein Punkt, der die deutsche Industrie im Vergleich mit anderen Staaten ineffizient erscheinen lässt, sind die gesetzlichen Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung.
Diese Mitbestimmungsregelungen erschweren es beispielsweise Betrieben der Bundesrepublik Deutschland, mit Betrieben anderer Staaten zu fusionieren.
Da die Gesetze zur Mitbestimmung in Deutschland im Wesentlichen durch den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit, aber auch infolge wirtschaftlicher Argumente zustande gekommen sind, möchte ich im Folgenden neben den ökonomischen Gründen für Mitbestimmung, die in der Regel die Effizienz von Mitbestimmung betreffen, auch sog. sozialpolitische Gründe darstellen und auf ihren argumentativen Wert prüfen. Ich habe die Argumente jeweils in zwei Unterkapitel unterteilt, um eine differenzierte Betrachtungsweise zu ermöglichen.
An dieser Stelle möchte ich auf die inhaltliche Nähe beider Argumentationsstränge zueinander verweisen: Da Staats- und Wirtschaftsmacht in Deutschland durch gesetzliche Regelungen in enger Verbindung zueinander stehen, möchte ich im Anschluss an die ökonomischen Argumente auch eine kurze Darstellung zweier von mir als sozialpolitisch bezeichneten Argumentationsstränge hinzufügen.
Im ersten Teil der Arbeit werden die einzelnen Argumente dargestellt, die im zweiten Teil auf ihren argumentativen Wert hin überprüft werden mithilfe von Umfrageergebnissen, um ihre Empirie zu überprüfen, ebenso werden sie mit Gegenargumenten konfrontiert um ihren argumentativen Wert zu überprüfen.
1. Argumente für Mitbestimmungsgesetze
1.1 Ökonomische Argumentation
1.1.1 Abhängigkeit der Mitbestimmung von ihrer Effizienz bzw. Kostenverteilung
Ein sehr starkes Argument für Mitbestimmung wird durch ihre Effizienz, bzw. Ineffizienz begründet. Wäre Mitbestimmung effizient für das Unternehmen, würde sie freiwillig eingeführt.[1] In jedem Fall bringen Mitbestimmungsrechte einen Vorteil für die Arbeitnehmer, da sie die Möglichkeit bieten, Vorteile zu verhandeln. Gegenargumente der Betriebsleitung zur Einführung eines Betriebsrats sind dementsprechend der sog. Machtverlust, die durch Mitbestimmung entstehenden Kosten und damit zusammenhängend der nun geringere Gewinn der Eigentümer. Die Unternehmensleitung würde freiwillig nur so viel Mitbestimmung gewähren, um eine Produktivitätssteigerung zu erreichen. Da die Unternehmensleitung in erster Linie an der Steigerung der eigenen Gewinne interessiert ist, würden freiwillig nur Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt, die sicherstellen, dass die erzielten Gewinne nicht mit den Arbeitnehmern geteilt werden müssten. Würden demgegenüber Arbeitnehmern Kosten aufgrund der Mitbestimmung entstehen, würde deren Interesse an Mitbestimmungsrechten sinken. Aus diesem Grund könnte eine gesetzliche Regelung dieses optimale Maß an Mitbestimmung herbeiführen.[2]
1.1.2 Regulierung adverser Selektion
Großen Anteil an der Effizienz eines Unternehmens haben die Beschäftigten und ihre jeweilige Motivation. Die freiwillige Einführung eines Betriebsrates, bzw. beispielsweise eines besonderen Kündigungsschutzes zieht, nach Levine, vor allem Arbeitnehmer an, die nicht die durchschnittliche Leistung erbringen. Dieser Vorgang wird als adverse Selektion bezeichnet. Denn die genannten Arbeitnehmer haben den größten Vorteil vom Entgegenkommen der Betriebsleitung. In diesem Fall würde der Betrieb sich selbst schaden, wenn er einen Betriebsrat einrichtet. Es entsteht ein zwischenbetriebliches Gefangenendilemma[3], denn der erste Betrieb, der Mitbestimmungsmöglichkeiten einführt, wird schnell viele weniger produktive Arbeitskräfte erhalten.
Die Unternehmensleitung besitzt in der Regel keine oder nur wenige Informationen über die jeweilige Leistung des Angestellten. Durch einen Betriebsrat, der ebenfalls das Interesse hat, arbeitsscheue Mitarbeiter aus der Firma zu entlassen[4], könnte dieser Mangel auf Dauer behoben werden.[5] Ein externer Nachteil dieser hire-and-fire-Politik ist die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Fluktuation, infolge dessen die Arbeitgeber aufgrund der steigenden Einstellungs- und Kündigungskosten die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten immer schwerer sicherstellen können.[6] Würden Unternehmen per Gesetz zur Einräumung von Mitbestimmungsmöglichkeiten verpflichtet, könnten diese Probleme umgangen werden.[7]
1.1.3 Gerechte Umsetzung und Ausdifferenzierung von Arbeitsverträgen
Abstimmungen über die Leistung des Arbeitnehmers können zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses innerhalb eines Vertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Da die Leistung allerdings erst nach Vertragsabschluss erbracht werden kann und die Sachverhalte oft zu komplex sind, um vertraglich klar formuliert zu werden, muss ein Arbeitsvertrag zwangsläufig unvollständig sein. In vertraglich nicht geregelten, bzw. regelbaren Fällen, muss der Angestellte in einem gewissen Rahmen den Anweisungen des Arbeitgebers folgen. Hier entsteht häufig ein Spannungsverhältnis zwischen der Option einer Anweisung zu folgen und der Kündigung.[8]
Ein von beiden Seiten anerkannter Betriebsrat hätte die Möglichkeit in einer Mittlerposition zu wirken. Diese Einigungsmöglichkeit ist günstiger und zeitsparender als beispielsweise Gerichtsverfahren[9]. Wäre diese Mittlerposition von der Unternehmensleitung eingerichtet, hätte diese auch die Möglichkeit, den Betriebsrat wieder abzuschaffen, falls er der Aspiration der Unternehmensleitung nicht entspricht. Wäre die Existenz eines Betriebsrates gesetzlich geregelt, könnte er beispielsweise aufgrund von Abweichungen nicht abgeschafft werden.[10]
An das Problem der unvollständigen Arbeitsverträge schließt sich das Problem bezüglich Transaktionskosten an. Jede Kündigung, jeder Erstellung eines Arbeitsvertrages, jede Einstellung und jede Einigung zweier Parteien kostet Ressourcen wie Zeit und Geld. Könnten die genannten Angelegenheiten direkt, bzw. ohne anfallende Kosten geregelt werden, wäre ein Betriebsrat nicht notwendig. Da dies in der Praxis fast unmöglich ist, ist eine Interessenvertretung notwendig, um beispielsweise individuelle (Gerichts-)Verhandlungen zu sparen.
Wäre die Einführung eines Betriebsrats gesetzlich vorgeschrieben, könnten die anfallenden Transaktionskosten Verhandlungen über die Einführung nicht verhindern. Es würden Transaktionskosten gespart, die bei Verhandlungen über einen Betriebsrat anfallen. Des weiteren wäre eine abschreckende Wirkung reguliert: die anfallenden Transaktionskosten bezüglich der Einrichtung eines Betriebsrates[11]. Die Einführung der gesetzlichen Mitbestimmung sollte sich jedoch nur auf minimale Regelungen zum Einsatz eines vorläufigen Vertretungsorgans beschränken. Dieser vorläufige Betriebsrat könnte dann alle weiteren Absprachen mit der Betriebsleitung durch Verhandlungen regeln.[12]
Ebenfalls dem Problem der unvollständigen Verträge zuzuordnen, ist nachvertraglicher Opportunismus aufgrund einer Nichteinschätzbarkeit über die Umsetzung der Verträge. Dieser Sachverhalt kann ein Gefangenendilemma innerhalb des Betriebes zur Folge haben, wenn beide Seiten um jeden Preis den persönlichen Vorteil durchzusetzen suchen. Durch eine über einen langen Zeitraum bestehende Arbeitsbeziehung könnte dieses Gefangenendilemma vermieden werden, da ein über mehrere Jahre bestehendes Arbeitsverhältnis häufig auch ein zwischenmenschliches Verhältnis entstehen lässt. Würden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer kooperativ verhalten, würden beide Seiten im Endeffekt besser dastehen, da dies die Basis für ein ausgewogenes Verhältnis von Zu- und Eingeständnissen ist. Ein Betriebsrat könnte bei der Sicherung dieses Verhältnisses durch seine Position zwischen Beschäftigten und Unternehmensleitung dienen. Eine gesetzliche Regelung dieses Betriebsrates ist notwendig, da ein Betriebsrat, der nur durch die Gunst der Unternehmensleitung eingesetzt wurde von dieser ebenso wieder abgesetzt werden könnte.[13]
1.1.4 Sicherstellung eines regulierten Umgangs mit Senioritätslöhnen
Um das Problem einer raschen Mitarbeiterfluktuation in Betrieben zu vermeiden, könnte die Firmenleitung Senioritätslöhne zahlen. Der Arbeitnehmer würde in den ersten Jahren seiner Firmenzugehörigkeit eine unterdurchschnittliche Entlohnung erhalten, nach mehreren Jahren innerhalb des Betriebs eine überdurchschnittliche Entlohnung, so dass er insgesamt betrachtet, bei mehrjähriger Firmenzugehörigkeit einen durchschnittlichen Lohn erhält.[14]
Verlässt der Arbeitnehmer bereits nach kurzer Zeit das Unternehmen, würde er dabei einen Verlust hinnehmen müssen. Dies gilt ebenso, wenn er beispielsweise aufgrund opportunistischen Verhaltens entlassen würde. Allgemeine Vorteile, die eine Senioritätsentlohnung mit sich bringt, sind beispielsweise die geringere Fluktuationsrate der Arbeitnehmer sowie die Minderung daraus resultierender Störungen, eine höhere Arbeitsplatzsicherheit, eine Minderung der Einarbeitungsaufwendungen und des innerbetrieblichen Wissenstransfers, eventuell eine höhere Bereitschaft beziehungsspezifische Investitionen zu tätigen. Diese Argumente bewirken auf längere Sicht gesehen eine Reduktion der Arbeitskosten und somit eine Gewinnsteigerung.
[...]
[1] Vgl.: ZfB (1998), S. 455.
[2] Vgl.: Freeman/ Lazear (1995), S. 29ff. (Dilger 1999, 211 und Dilger 2002, 24ff.)
[3] Vgl.: Dilger (1999), S. 212.
[4] Vgl.: Dilger (2002), S. 50f.
[5] Vgl.: Fritsch/ Wein/ Ewers (1993), S. 185.
[6] Vgl.: Frick (1997), S. 173ff.
[7] Vgl.: Dilger (1999), S. 213.
[8] Vgl.: Sadowski (2002), S. 72-81.
[9] Vgl.: Dilger (2002), S. 58-59.
[10] Vgl.: Dilger (1999), S. 212.
[11] Vgl.: ZfB, S. 456.
[12] Vgl.: Dilger (2002), S. 57-58.
[13] Vgl.: Backes-Gellner/ Frick/ Sadowski (1997) zit. nach: Dilger (1999), S. 212 und Dilger (2002), S. 55f.
[14] zitiert nach: Frick (1997), S. 130f.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2005, Die Tragfähigkeit verschiedener Argumente für die gesetzliche Regelung von Mitbestimmungsmöglichkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/50205