Die nachfolgende Arbeit beschäftigt sich mit der Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses um eine Stelle auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt dabei auf der ersten Stufe des Bewerbungsprozesses, also der Einreichung der Bewerbungsunterlagen und die damit verbundene Einladung zum Bewerbungsgespräch oder Einstellungstest.
In diesem Rahmen werden zunächst der Begriff der Diskriminierung sowie ihre Entstehung als auch die gesetzliche Grundlage dazu in Deutschland betrachtet. Im folgenden Kapitel werden anschließend explizite Problemfelder beziehungsweise Diskriminierungsmerkmale analysiert. Das Ganze wird gestützt durch aktuelle Studien, insbesondere die der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Infolgedessen sollen im abschließenden Kapitel Lösungsmöglichkeiten zur Prävention von Diskriminierung im Bewerbungsprozess gemacht werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Diskriminierung
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Entstehung von Diskriminierung – Unconscious Bias
2.3 Gesetzliche Grundlage
3. Problemfelder
3.1 Aussehen und Attraktivität
3.2 Alter
3.3 Geschlecht
3.4 Menschen mit Behinderung
3.5 Herkunft und Religionszugehörigkeit
4. Lösungsansätze
4.1. Personalverantwortliche trainieren
4.2 Anonymisierte Bewerbungen
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die nachfolgende Arbeit beschäftigt sich mit der Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses um eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt. In diesem Rahmen werden zunächst der Begriff der Diskriminierung sowie ihre Entstehung als auch die gesetzliche Grundlage dazu in Deutschland betrachtet. Im vierten Kapitel werden anschließend explizite Problemfelder bzw. Diskriminierungsmerkmale analysiert. Das Ganze wird gestützt durch aktuelle Studien, insbesondere die der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Folge dessen sollen im fünften Kapitel Lösungsmöglichkeiten zur Prävention von Diskriminierung im Bewerbungsprozess gemacht werden. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der ersten Stufe des Bewerbungsprozesses, also der Einreichung der Bewerbungsunterlagen und die damit verbundene Einladung zum Bewerbungsgespräch oder Einstellungstest.
2. Diskriminierung
2.1 Begriffsdefinition
Der Terminus der Diskriminierung wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Der Antidiskriminierungsverband Deutschland definiert den Begriff als „…die ungleiche Behandlung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Kultur, Hautfarbe, Nationalität, Geschlecht, sexuelle Identität, Sprache oder Religion. Dazu zählen alle Äußerungen, Handlungen oder Unterlassungen, die Menschen herabwürdigen, benachteiligen, belästigen oder bedrohen“.1 Die Definition erhält somit die verschiedenen Merkmale der Diskriminierung sowie die Aktionen, welche mit ihr einhergehen.2
2.2 Entstehung von Diskriminierung – Unconscious Bias
Bei Bewerbungsverfahren kommt es oftmals zu unbewussten Generalisierungen und Vorurteilen, welche in der Unternehmenskultur auch als Unconscious Bias bezeichnet werden. „Der Begriff Bias kommt aus dem Englischen und beschreibt kognitive Wahrnehmungsverzerrungen wie z.B. Vorurteile, Stereotypen und andere Denkfehler. Bias können unbewusst (= Unconscious Biases) auftreten“.3
Bei Stereotypen handelt es sich um relativ emotionslose, neutrale Erwartungen und Vorstellungen in Bezug auf das Verhalten oder auch das Aussehen einzelner sozialer Gruppen. Schenkt man diesen Stereotypen Glauben, werden diese zu Vorurteilen, welche mit Emotionen behaftet sind, da diese eine persönliche negative oder positive Bewertung bestimmter Gruppen hervorruft.4
Im Gehirn werden Assoziationen durch bestimmte Bilder, Worte und Erscheinungen hervorgerufen, welche Emotionen auslösen. Diese Emotionen können Entscheidungen erheblich beeinflussen. Die Harvard University hat den Implication Assiociation Test (IAT) entwickelt, welcher die Schnelligkeit der Reaktion von Assoziationen zeigt. Dabei kam heraus, dass die Reaktion auf „Männer und Karriere“ schneller ausfällt als bei „Frauen und Karriere“. Es stellte sich ebenfalls heraus, dass Menschen andere Menschen gleicher Nation mehr mögen, als Menschen anderer Nationen. Dies verdeutlich die impliziten Vorurteile z.B. gegenüber Menschen mit unterschiedlicher Herkunft.5
2.3 Gesetzliche Grundlage
Die gesetzliche Grundlage bildet in Deutschland primär das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006, welches den Fokus auf den Arbeitsmarkt legt. Das Gesetz soll die Benachteiligung aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion oder Weltanschauung sowie rassistischer Zuschreibung verhindern und beseitigen.6
3. Problemfelder
Diskriminierungsmerkmale in den Bewerbungsunterlagen können dazu führen, dass einem Bewerber der Zugang zu einem Arbeitsplatz verwehrt wird. Dazu gehören z.B. der Name und die damit verbundene ethnische Herkunft sowie das Geschlecht, die Religionszugehörigkeit, das Alter oder Behinderungen bzw. chronische Krankheiten. Personalverantwortliche können durch diese Merkmale von Vornherein auf Defizite, wie z.B. Sprachkenntnisse oder eine vermeintlich negative Wirkung auf Kunden sowie Kosten durch z.B. Ausfallzeiten oder Weiterbildungen schließen. Das Diskriminierungsrisiko ist im Arbeitsleben besonders hoch. Bei einer Betroffenenbefragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stammten die mit Abstand meisten Fälle aus dem Bereich Arbeitsleben. Insgesamt beläuft sich das auf 4.037 Diskriminierungserfahrungen in diesem Lebensbereich. Die Benachteiligung im Teilbereich Arbeitssuche bzw. Bewerbungsverfahren beläuft sich hierbei auf 23,9 Prozent.7 Insgesamt wurden somit 972 Erfahrungen geschildert, bei denen Menschen aus diskriminierenden Gründen nicht eingestellt wurden. So werden viele Bewerber oftmals gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch eingeladen.8
Das folgende Schaubild zeigt den Anteil der einzelnen Diskriminierungsmerkmale aufgrund dessen Bewerber im Bewerbungsverfahren abgelehnt wurden. Auf einige bedeutende soll dieses Kapitel näher eingehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017,S. 241. 9
3. 1 Aussehen und Attraktivität
Das Bewerbungsfoto ist wesentlicher Bestandteil einer Bewerbung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Hierbei handelt es sich um Porträtaufnahmen, welche für die Verbreitung innerhalb einer Bewerbung um eine Arbeitsstelle erstellt werden. Ziel hierbei ist es, dem Arbeitgeber ein besseres Bild von sich zu liefern und einen guten „ersten Eindruck“ zu machen.
Der Arbeitnehmer kann durch das Bewerbungsfoto auf diverse äußerliche Merkmale des Bewerbers schließen, wie z.B. die Attraktivität.
Der US-Forscher Bradley Ruffle untersuchte an der Ben-Gurion-Universität in Israel den Einfluss der Attraktivität im Bewerbungsprozess. Im Laufe der Studie (Juli 2008 bis Januar 2010) wurden so 5.312 Bewerbungen an 2.656 Stellenanzeigen verschickt. Dies entspricht somit zwei Bewerbungen pro Stelle, jeweils einmal mit und einmal ohne Foto. Zuvor wurden zahlreiche Studenten hinsichtlich der Kriterien „attraktiv“ und „durchschnittlich“ ausgewählt. Hierbei wurden vier männliche und vier weibliche Juroren zu Rate gezogen, darunter Haarstylisten, PR-Berater, Bildhauer und Betriebswirte. In diesem Rahmen wurden die „Bewerber“ nach einem Punktesystem bewertet und so in Schönheiten und Allerweltstypen eingeteilt. Die Hälfte der Bewerbungen mit Bild waren somit entweder Durchschnittsgesichter oder besonders schöne Menschen.10
Die Jobangebote bezogen sich hauptsächlich auf Stellen als Buchhalter, Ingenieure, Programmierer, Controller, Vertriebsleiter oder Kundenbetreuer. Bei keinem der Angebote waren geschlechtliche Präferenzen erkennbar, noch wurden Bewerbungsbilder gefordert. Alle Bewerberpaare hatten jeweils das gleiche Geschlecht, identische Qualifikationen und hießen entweder Cohen oder Levy. Die Bewerber unterschieden sich somit nur durch ihre Bilder.11
Das Ergebnis war auf Seiten der Männer nur wenig überraschend. So wurden Männer, welche zuvor als attraktiv eingestuft wurden, mit 19,7 Prozent besonders häufig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Durchschnittlich aussehende Männer hatten mit 9,2 Prozent die schlechteste Rücklaufquote. Bewerber ohne Fotos bekamen mit über 13 Prozent mehr Feedback.12
Bei den weiblichen Bewerbern hatte die Attraktivität eher den gegenteiligen Effekt. So wurden attraktive Frauen mit 12,8 Prozent am wenigsten zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Bewerberinnen ohne Fotos hatten mit über 16 Prozent die größten Chancen auf ein Bewerbungsgespräch. Eine durchschnittlich aussehende Frau erhielt in 13,6 Prozent der Fälle eine Einladung.13
Die Studie macht allerdings nur wenige Aussagen über die Gründe dieses „Phänomens“, weshalb sich darüber nur Spekulationen anstellen lassen. Erstens ist es wichtig zu beachten, dass Personalverantwortliche auch nur Menschen sind, die nicht nur auf objektive Kriterien, wie z.B. Noten und Kompetenzen achten. So sitzen in Personalabteilungen erfahrungsgemäß vermehrt Frauen. Diese könnten einen attraktiven Mann gegenüber einem durchschnittlich aussehenden Mann bevorzugen. Gegenüber attraktiven Frauen könnten sie allerdings Argwohn, Neid, Vorurteile und Konkurrenzgedanken hegen. Auf der anderen Seite könnten männliche Personalverantwortliche eine schöne Bewerberin benachteiligen, weil sie sich nicht vorwerfen lassen wollen, sie würden attraktive Frauen aufgrund ihres Aussehens bevorzugen und laden somit lieber durchschnittlich aussehende Frauen ein. Ein weiterer Grund könnte außerdem sein, dass sie die Befürchtung haben, eine attraktive Mitarbeiterin könnte die anderen männlichen Kollegen ablenken.14
Ein weiterer Faktor, welcher bei dieser Studie beachtet werden sollte, sind die Auswählenden. So wurden etwa 75 Prozent der Bewerbungen an externe Recruiting-Agenturen versendet. 25 Prozent gingen an die Unternehmen selbst. Bei letzterem bekamen attraktive Frauen deutlich weniger Einladungen zum Bewerbungsgespräch. So war nur jede elfte Bewerbung erfolgreich. Bei attraktiven männlichen Bewerbern war es jede sechste. Ruffle und Co. schließen daraus, dass die vorwiegend weiblichen Personalverantwortlichen „keine attraktiven Kolleginnen um sich herum haben“15 wollen. Externe Personaldienstleister hingegen bevorzugten weder attraktive noch durchschnittlich aussehende Bewerberinnen. Infolgedessen stellen die Forscher folgende These auf: „Personalerinnen wollen keine attraktiven Kolleginnen, denn die könnten mit ihnen um die Aufmerksamkeit der männlichen Kollegen konkurrieren. Dagegen lässt das Aussehen der Bewerberinnen Frauen in externen Agenturen kalt, sie haben ja später nichts mit ihnen zu tun. Und hübsche Männer - die laden eben alle Recruiterinnen gern ein.“16
3.2 Alter
Ein weiters Merkmal, welches einen Einfluss auf eine Personalentscheidung haben kann, ist das Alter. So greifen sowohl bei älteren als auch bei jüngeren Menschen verbreitete Stereotypen, welche diskriminierende Wirkungen auf die Personalauswahl haben. Dies hängt meist von der Unternehmenskultur und der Einstellung Personalverantwortlicher ab.17 Die Betroffenenbefragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat gezeigt, dass im Arbeitsleben insbesondere Vorfälle von Altersdiskriminierung überproportional oft geschildert werden.18
Grundsätzlich haben ältere Bewerber schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.19 „Im Teilbereich Arbeitssuche und Bewerbung wird demnach mehr als dreimal so häufig von Benachteiligung aufgrund zu hohen Alters berichtet als zu erwarten war“.20 So werden Personen, welche älter als 50 Jahre alt sind, diverse Beschäftigungsrisiken zugeordnet. Dazu gehören unter anderem eine geringere Leistungsfähigkeit, geringere Änderungsbereitschaft, geringere Lernfähigkeit, kürzere Verbleibszeit sowie eine sinkende Belastbarkeit und höhere Krankheitsanfälligkeit.21 Sie stellen außerdem eine finanzielle Belastung dar, welche durch die Arbeits- und Rentenpolitik des Staats weiter vorangetrieben wird. Somit strebt die Beschäftigungspolitik vieler Unternehmen an, ältere Arbeitnehmer im Rahmen des Personalabbaus auszugliedern, um Kosten hinsichtlich Renten- und Arbeitslosenversicherung abzubauen. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Maßnahme von Weiterbildungen, welche bei jüngeren Arbeitskräften weniger notwendig sind. Somit erfolgt im Bewerbungsverfahren meist schon eine Selektion in der ersten Stufe, wodurch ältere Bewerber keine Chance haben sich zu beweisen. Früher oder später werden Arbeitgeber jedoch, aufgrund des demografischen Wandels, welcher eine Alterung der Bevölkerung mit sich bringt, auf das Arbeitspotential älterer Menschen zurückgreifen müssen.22
[...]
1 Vgl. Genkova und Ringeisen 2016, S. 237
2 Vgl. ebd., S. 237
3 Wondrak 2014
4 Vgl. Wondrak 2014
5 Vgl. Genkova und Ringeisen 2016, S. 242
6 Vgl. ebd., S 237
7 Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017, S. 236
8 Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017, S. 239–240
9 Ebd., S. 241
10 Vgl. Töpper 2012
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. ebd.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. absolventa
15 Töpper 2012
16 Ebd.
17 Vgl. Pagels und Savioli 2013, S. 1
18 Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017, S. 237
19 Vgl. Over 2009, S. 51
20 Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017, S. 237
21 Vgl. Pagels und Savioli 2013, S. 1
22 Vgl. Over 2009, 60 ff.