In seinen „Anmerkungen übers Theater“ schreibt Jakob Michael Reinhold Lenz, daß „der wahre Dichter“ nicht nachahmen, sondern seinen Standpunkt vertreten solle. Er fordert den Dichter auf, in Beziehung zu seiner Zeit zu stehen, in sie einzuwirken und Kritik an ihr zu üben. Jedes seiner „sozialen Dramen“- zu denen auch „Die Soldaten“ und „Der neue Menoza“ gezählt werden- legt auch eine andere Seite des „Gesellschaftskörpers“ bloß: Der Dichter als Arzt an der Menschheit. Eine „Widerspiegelung der Gesellschaft“ ist das Ziel des jungen Dichters.
Im „Hofmeister“, seinem ersten Drama, während seiner Studienzeit in Königsberg 1772 geschrieben und später noch einmal überarbeitet, setzt Lenz diese Forderungen um. Das Stück spielt in seiner Heimat und die Figuren sind Leute, die er selber gesehen und beschreibt Dinge, die er selber erlebt hat. Er beruft sich beim „Grundkonflikt“ und der „Figurenkonstellation“ auf einen Vorfall aus dem Bekanntenkreis der Familie Lenz. Darüber hinaus hat Lenz selber Erfahrungen mit dem Hofmeisterstand gemacht. Während der Königsberger Zeit und später bei zwei Brüdern Heinrich von Kleists nimmt er eine hofmeisterähnliche Stellung ein, die mit „tiefen Demütigungen“ verbunden ist.
Desillusioniert resümiert Lenz am 16. Juni 1775 in den „Frankfurter Gelehrten Anzeigen“:
„Weil [...] mein Vorurteil wider diesen Stand immer lebhafter wurde, zog ich
mich wieder in meine arme Freiheit zurück und bin nachher nie wieder Hofmeister gewesen.“
Für Andreas Huyssen enthält diese Bemerkung das „ganze Dilemma des bürgerlichen Intellektuellen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.“ Bei den Brüdern Heinrich von Kleists findet er als „Student und Literat“ seine geistige Heimat und wird zum „Kritiker aller kulturellen und sozialen Werte und Einrichtungen.“ Er beginnt, „sich aus festen Bindungen der ständisch- feudalen Gesellschaft zu befreien“ und „in seinen Vorstellungen und Texten dagegen zu rebellieren.“
Diese biographischen Merkmale sind die Grundlage für ein gesellschaftskritisches Werk, wie den „Hofmeister“
An einigen ausgewählten Beispielen möchte ich diese Kritik herausarbeiten und veranschaulichen, wie Lenz ein Bild der Gesellschaft gibt. Bevor ich mit der Analyse einzelner Beispiele beginne, werde ich kurz auf den geschichtlichen Hintergrund, in dem der „Hofmeister“ entstand, eingehen, um die gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit aufzuzeigen. Der Ausarbeitung liegen die Regeln der „alten“ Rechtschreibung zugrunde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Stände- und Erziehungswesen im 18. Jahrhundert
- Gesellschaftskritik im Hofmeister
- Begründung eines neuen Genres
- Form
- Namenwahl
- Der Hofmeister Hermann Läuffer
- Der Erziehungsdiskurs im Hofmeister
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Drama „Der Hofmeister“ von Jakob Michael Reinhold Lenz und untersucht, inwiefern es als gesellschaftskritisches Werk interpretiert werden kann. Das Ziel der Arbeit ist es, die Kritik an der gesellschaftlichen Ordnung des 18. Jahrhunderts in Lenz' Drama herauszuarbeiten und zu analysieren, wie er die Problematik des Stände- und Erziehungswesens thematisiert.
- Die Kritik am Stände- und Erziehungswesen im 18. Jahrhundert
- Die Darstellung von gesellschaftlichen Konflikten und Ungleichheiten
- Die Rolle der Bildung und der Selbstentfaltung in einer starren Gesellschaftsordnung
- Die Darstellung des Hofmeister als Vertreter eines neuen Typus des bürgerlichen Intellektuellen
- Die Frage nach der Gattungszugehörigkeit des Dramas und Lenz' Konzept von Tragödie und Komödie
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in die Thematik des gesellschaftskritischen Dramas „Der Hofmeister“ von J.M.R. Lenz ein. Sie stellt Lenz' Idee eines „sozialen Dramas“ vor und erläutert seine Kritik an der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. Der Autor befasst sich mit Lenz' eigener biographischer Erfahrung mit dem Hofmeisterstand und zeigt auf, wie diese seine schreibende Tätigkeit prägte.
Stände- und Erziehungswesen im 18. Jahrhundert
In diesem Kapitel wird der historische Hintergrund des Dramas beleuchtet, indem das Stände- und Erziehungswesen im 18. Jahrhundert erläutert wird. Die Autorin beschreibt die starre Gesellschaftsordnung, die durch die Geburt bestimmt war, sowie den Einfluss der Aufklärung auf die Bildungsdiskussionen der Zeit.
Gesellschaftskritik im „Hofmeister“
Der dritte Teil der Arbeit widmet sich der Analyse von Lenz' Kritik an der Gesellschaft in „Der Hofmeister“. Es werden verschiedene Aspekte des Dramas beleuchtet, darunter die Frage nach der Gattungszugehörigkeit, die Namenswahl und die Darstellung des Hofmeisters Hermann Läuffer.
Der Erziehungsdiskurs im Hofmeister
Das Kapitel befasst sich mit dem Erziehungskonzept, das im „Hofmeister“ dargestellt wird. Die Autorin untersucht, wie Lenz die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler, die Rolle der Bildung und die Aussichten auf eine individuelle Selbstentfaltung in einem starren gesellschaftlichen Kontext thematisiert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind: „Der Hofmeister“, J.M.R. Lenz, Gesellschaftskritik, Ständeordnung, Erziehungswesen, Bildung, Selbstentfaltung, bürgerlicher Intellektueller, Tragödie, Komödie, Drama.
- Arbeit zitieren
- René Jungbluth (Autor:in), 2001, J.M.R. Lenz' Hofmeister ein gesellschaftskritisches Drama?, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/48858