Die folgende Arbeit befasst sich mit der Ambivalenz der Person des Gerichtsrats Walter in Heinrich von Kleist Werk "Der zebrochene Krug" und der Aufführung des Theaterstückes des Regisseurs Michaek Thalheimer 2017.
"Der zerbrochne Krug", eines von Kleists bekanntesten und am häufigsten adaptierten Stücken, erntete bei dessen Uraufführung im Weimarer Hof 1808 nur wenig Erfolg. Das klassische Lustspiel, in dem Dorfrichter Adam in dem kleinen Dorf Huisum einen vom Gerichtsrat Walter überprüften Gerichtsprozess führt, dessen Bestand ihn selbst zum Täter hat, konnte das Publikum damals nicht überzeugen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Goethe das Stück in drei Akte aufteilte, in dessen Folge Kleist die Länge seines Lustspiels noch einmal überarbeitete
Dies gibt verschiedensten Adaptionen die Freiheit, sich bewusst dafür oder dagegen zu entscheiden, den Variantschluss auszuspielen und damit gegebenenfalls eine vorgesehene Wirkung zu offerieren und zu stärken.
Diesen Weg geht auch Michael Thalheimer: In seiner Inszenierung, die in Hamburg im Deutschen Schauspielhaus am 25. März 2017 seine Premiere feierte, wird die durchaus ambivalente Schlussszene verwendet und suggeriert damit eine Deutung, die das Prinzip von Ohnmacht und Korruption in den Fokus rückt: Gerichtsrat Walter küsst Eve gewaltsam, fasst ihr an die Brust, wird übergriffig.
Die Inszenierung ist bitter, durch Vereinfachung und zugleich Überspitzung des Leitmotivs Kleists von Macht und Ohnmacht wird das tragische Schicksal Eves stärker ausgespielt und somit viel direkter offengelegt. Hier spielt die Figur des Gerichtsverwalters Walter, der als Revisor in das Dorf Huisum kommt und den Gerichtsprozess um den zerbrochnen Krug untersucht, eine entscheidende Rolle, denn in der Inszenierung wird er ganz deutlich zum Träger eines Misstrauensimpulses, welcher eine absolute Macht des Gerichtswesens und parallel Ohnmacht der restlichen Bevölkerung aufzeigt.
Dies wirft die Frage auf, welche Ambivalenzen die Person Walters bereits in dem Kleisttext aufweist und ob die Konkretisierung jener in der Inszenierung auf brutale Weise eine Deutungsvariante offenlegt, die bereits im Dramentext anklingt. Der Begriff der Ambivalenz wird hier vor allem als ein bestehendes Spannungsfeld verschiedener Verhaltensweisen und im spezifischen charakterlicher Züge aufgegriffen, also einer Zwiespältigkeit im Bezug auf die Gesamtdeutung der behandelten Figur.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ambivalenz der Figur Walter
- Walters Rolle im Prozess
- Walters Verhalten
- Misstrauensdilemma im Variantschluss
- Konkretisierung in Thalheimers Inszenierung
- Machtstrukturen in der Inszenierung
- Walter als unterdrückender Machtvollstrecker
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Analyse befasst sich mit der Figur des Gerichtsrats Walter in Michael Thalheimers Inszenierung von „Der zerbrochne Krug“ und untersucht, wie die Ambivalenz dieser Figur in der Inszenierung konkretisiert wird. Sie betrachtet Walters Rolle im Prozess, sein Verhalten und die Machtstrukturen, die in der Inszenierung dargestellt werden. Ziel ist es, aufzuzeigen, wie Thalheimers Inszenierung die Ambivalenz der Figur Walter verstärkt und gleichzeitig eine Deutungsvariante des Stücks präsentiert.
- Ambivalenz der Figur Walter
- Machtstrukturen im Gerichtswesen
- Konkretisierung der Ambivalenz in der Inszenierung
- Ohnmacht und Korruption
- Tragisches Schicksal Eves
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Stück „Der zerbrochne Krug“ vor und erklärt die Ambivalenz der Figur Walter. Sie erläutert, wie Thalheimers Inszenierung die Ambivalenz der Figur Walter in den Vordergrund rückt und wie die Inszenierung den tragischen Gehalt des Stücks verstärkt.
Das zweite Kapitel analysiert die Ambivalenz der Figur Walter in Kleists Stück. Es untersucht Walters Rolle im Prozess, sein Verhalten und die Machtstrukturen, die im Stück dargestellt werden. Es widmet sich besonders dem Variantschluss und der Bedeutung von Walters Kuss für Eve.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Konkretisierung der Ambivalenz der Figur Walter in Thalheimers Inszenierung. Es analysiert die Inszenierung anhand der Aufführung vom 27. April 2018 und zeigt, wie Thalheimer die Machtstrukturen und die Ambivalenz der Figur Walter darstellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter dieser Analyse sind: „Der zerbrochne Krug“, Heinrich von Kleist, Michael Thalheimer, Gerichtsrat Walter, Ambivalenz, Machtstrukturen, Inszenierung, Tragik, Variantschluss, Korruption, Ohnmacht.
- Quote paper
- Johanna Willruth (Author), 2018, Die Konkretisierung der Ambivalenz Gerichtsrat Walters in Michael Thalheimers Inszenierung von "Der zerbrochne Krug", Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/470687