Die Herausbildung der japanischen Nation wich in vielerlei Hinsicht von der Entstehung der europäischen Nationalstaaten ab. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kann man von der Existenz einer japanischen Nation sprechen. Das Jahr 1868 markierte hierbei einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg der nationalen Identitätskonstruktion in Japan. Der Begriff „Konstruktion“, dem keineswegs ein negativer Sinngehalt zugewiesen werden soll, wurde hierbei bewusst gewählt, denn „die Nation“ soll in der vorliegenden Arbeit als eine als begrenzt und souverän vorgestellte politische Gemeinschaft im Sinne von Benedict Anderson gedeutet werden.
Die Restauration des Jahres 1868 und die Wiederherstellung der obersten Regierungsgewalt in den Händen des Kaisers, nachdem über ein Jahrtausend lang der tenno zwar eine einzigartige religiöse Verehrung erfuhr, politisch jedoch eine vollkommen bedeutungslose Stellung inne hatte, stellte mehr als einen rein formellen Akt dar. Viel mehr bedeutete es den Übergang Japans von einem zunächst feudalen, dann größtenteils zentralistisch gelenkten und von der übrigen Welt weitestgehend abgeschotteten Staat zu einem modernen Nationalstaat und einer Großmacht westlicher Prägung.
Warum erfolgte die japanische Nationalstaatswerdung erst so spät? Was unterscheidet die japanische von der europäischen Nationalstaatswerdung? Welche gesellschaftlichen Kräfte trugen diese Entwicklung? Wer waren also die treibenden Kräfte, die hinter der Politik standen, die schließlich zum Sturz des bakufu geführt hat? Und wie stark muss man dem ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmenden Einfluss des Westens auf diese Entwicklung Tribut zollen? Hätte es auch ohne die Intervention der USA zu einer Reform oder gar einer Revolution in Japan kommen müssen, weil die Auflösungserscheinungen des politischen und sozio- ökonomischen Systems des Shogunats der Familie Tokugawa schon zu weit fortgeschritten war?
Die Beantwortung dieser Fragen soll im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Einleitend soll zunächst ein Abriss der internationalen Forschung dargestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
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Einleitung
- Abriss der internationalen Forschung
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Hauptteil
- Nationalstaat und nationale Identität – Versuch einer Begriffsbestimmung
- Besonderheiten der japanischen Geschichte
- Die Herrschaft der Familie Tokugawa und ihr Untergang
- Die Meiji- Restauration und die Entstehung des japanischen Nationalstaates
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Entstehung des japanischen Nationalstaates und die Entwicklung einer nationalen Identität im 19. Jahrhundert. Sie analysiert die Schlüsselfaktoren, die zu dieser Transformation führten, insbesondere die Rolle der Meiji-Restauration und die Auswirkungen des westlichen Einflusses.
- Die Entstehung des japanischen Nationalstaates im Kontext der europäischen Nationalstaatsbildung.
- Die Herausbildung einer nationalen Identität in Japan im Vergleich zu anderen Ländern.
- Die Bedeutung der Meiji-Restauration für die nationale Entwicklung Japans.
- Der Einfluss des Westens auf die japanische Gesellschaft und Politik.
- Die Rolle von gesellschaftlichen Kräften wie Samurai, Kaufleuten und der Landbevölkerung.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Besonderheiten der japanischen Nationalstaatswerdung im Vergleich zu den europäischen Modellen dar. Der Begriff „Konstruktion“ der Nation wird eingeführt und die Bedeutung des Jahres 1868 als Wendepunkt in der Entwicklung der japanischen Identität wird hervorgehoben. Zudem werden zentrale Forschungsfragen formuliert, die im Hauptteil der Arbeit behandelt werden.
Abriss der internationalen Forschung
Dieser Abschnitt bietet eine Übersicht über verschiedene Ansätze in der internationalen Forschung zum Thema der Meiji-Reformen und dem Zusammenbruch des Tokugawa-Shogunats. Die unterschiedlichen Interpretationen zur Rolle von Samurai, Kaufleuten und der Landbevölkerung sowie zum Einfluss des Westens werden diskutiert. Die Forschungslandschaft präsentiert sich als heterogen, ohne ein eindeutiges Konsens über die Ursachen des Wandels.
Nationalstaat und nationale Identität - Versuch einer Begriffsbestimmung
Dieser Abschnitt analysiert die Begriffe „Nation“, „Staat“ und „nationale Identität“ und geht auf unterschiedliche wissenschaftliche Definitionen ein. Die Entstehung des Nationalstaates wird im Kontext der sozialwirtschaftlichen Prozesse der Industrialisierung und Verstädterung sowie der Entwicklung einer gemeinsamen Sprache, Symbole und einer nationalen Geschichte beleuchtet. Die Rolle des japanischen Kaisers als Integrationsfigur wird erwähnt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die japanische Nationalstaatswerdung, die Meiji-Restauration, nationale Identität, Tokugawa-Shogunat, Samurai, Kaufleute, Landbevölkerung, westlicher Einfluss, Nation, Staat, sozialwirtschaftliche Prozesse, Integration, Symbolismus, Geschichte.
- Arbeit zitieren
- Stephan Fischer (Autor:in), 2004, Die Nationalstaatswerdung Japans, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/46572