Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Seminararbeit, 2014
14 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Das Rahmenkonzept des offenen Kindergartens
2.1. Didaktische Grundlagen im offenen Kindergarten
2.1.1. Rolle der pädagogischen Fachkraft
2.1.2. Rolle des Kindes
2.1.3. Gegenstand
2.2. Didaktisch-methodische Umsetzung im offenen Kindergarten
2.2.1. Organisationsstruktur
2.2.2. Beziehungsstruktur
2.2.3. Zeitstruktur
2.2.4. Raumstruktur
3. Kritische Reflexion
4. Resümee und Ausblick
5. Literaturverzeichnis
Die Frage nach einer geeigneten Bildungseinrichtung für Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren stellt sich den Eltern häufig. Lernen ist die wichtigste Aufgabe in jedem menschlichen Leben und beginnt bereits in diesem Alter. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Kinder in einer elementaren Bildungseinrichtung gut aufgehoben sind.
Zu Beginn unseres Lebens geht es darum die Dinge zu lernen, die das Überleben sichern. In vielen Kindergärten lehrt man aber bestimmte Grundfähigkeiten fernab jeglicher Realität und der elementare Bildungsbereich gleicht einer Schule.
In einem noch relativ neuen Ansatz - dem offenen Kindergarten - hingegen richtet sich das Lehren und Lernen auf einen selbstständigen Kompetenzerwerb für künftige Lebenssituationen. Es wird die Individualität eines jeden einzelnen Kindes gefördert, sowie ein Bezug zum Alltag hergestellt. „Entwicklungsprozesse von Kindern basieren auf praktischen Erfahrungen und hieraus resultierenden Erkenntnissen“ (Bartsch-Tegtbauer/Brambrink et al. 1998, S.3). Eine Kindertageseinrichtung muss den Kindern also genug Freiraum bieten, dass sie sich selbst frei entfalten können und ihre eigenen Erfahrungen machen können, um daraus zu lernen, vor allem auch für ihr späteres Leben. Weiters müssen sie lernen, dass ihre Entscheidungen Konsequenzen mit sich ziehen können und diese gegebenenfalls akzeptieren. Nur wenn sie diese Erfahrungen selbst machen, also indirekt lernen, können sie für ihr zukünftiges Leben profitieren.
Die Kinder ziehen viele Vorteile aus diesem neuen Ansatz. Aber gibt es auch Nachteile? Was müssen die pädagogischen Fachkräfte beachten? Gibt es spezielle Materialien und muss der Kindergarten eigene räumliche Kapazitäten besitzen? Diese Fragestellungen gilt es in der vorliegenden Seminararbeit zu beantworten.
Im Folgenden Kapitel werden einige Grundlagen der offenen Arbeit, speziell im Kindergarten darstellen, bevor im 3.Kapitel eine kritische Reflexion der Vor- und Nachteile behandelt werden.
Eine allgemein gültige Begriffsdefinition der ,,offenen Arbeit“ gibt es weder in der Wissenschaft noch in der Praxis. Da dieses Konzept in der Praxis entstand, errichtet sich erst nach und nach ein theoretisches Grundgerüst, welches aber bis heute noch nicht vollständig ausgereift ist. Es bedarf noch viel zielgerichteter Forschung und Erfahrungsberichten aus der Praxis, um ein allgemein gültiges Konzept daraus entwickeln zu können.
Offene Arbeit ist nicht nur ein pädagogisches Konzept, sondern vielmehr eine Einstellung, die das gesamte pädagogische Team, sowie die Eltern und die Kinder miteinander teilen müssen, damit es gut funktionieren kann. Alle müssen sich darauf einlassen können. Deshalb ist es wichtig die Eltern im Vorhinein über das offene Arbeiten im Kindergarten aufzuklären und ihnen stets Einsicht in den Kindergartenalltag zu gewähren.
Dieser neu entstandene Arbeitsprozess hält aber in immer mehr Kindertageseinrichtungen Einzug. Im Jahr 2010 organisierten schon 4163 Kindertageseinrichtungen, das waren bereits 8,6% in Deutschland, die pädagogische Arbeit nicht mehr in festen Gruppen (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.242). Das bedeutet, dass die Kinder nicht mehr in ihre fixen Gruppen eingeteilt sind, für die je nur eine Betreuungsperson zuständig war. Nun dürfen alle Kinder in alle Räume und es gibt keine/n zuständige Erzieher/In, sondern alle Pädagogen und Pädagoginnen sind für alle Kinder verantwortlich. Dies bedarf natürlich mehr Organisation, Flexibilität und Teambereitschaft als zuvor.
In der Praxis wurde deutlich, dass bestimmte Konflikte und pädagogische Probleme nicht individuell erklärbar waren, sondern strukturell in den institutionellen Rahmenbedingungen verankert schienen. Pädagogische Überlegungen fokussierten sich immer auf die Gesamtgruppe und nicht auf die Individuen. Durch diese Einengung, vor allem in räumlicher Hinsicht, kam es immer wieder zu Konflikten zwischen dem Bewegungsdrang der Kinder und den Versuchen der pädagogischen Fachkräfte Ordnung herzustellen. Durch die immer wiederkehrenden Konflikte begannen viele Pädagogen und Pädagoginnen umzudenken.
Es entstanden neue Grundlagen und Ansätze, die nun im Folgeneden näher beschreiben werden.
„Das Konzept des offenen Kindergartens fokussiert in seinen didaktischen Grundaussagen sehr stark auf der Gestaltung der Rahmenbedingungen wie Zeit, Raum und Struktur und bedient sich pädagogischer Elemente anderer Ansätze, wie beispielsweise der Montessori-, Freinet- oder Reggiopädagogik“ (Kasüschke/Jares 2010, S.246).
Das bedeutet aber nicht, dass dieser Ansatz keine eigenen, spezifischen didaktischen Handlungen besitzt.
Auf diese speziellen Handlungen der einzelnen Beteiligten wird im nun Folgenden näher eingegangen:
Die pädagogischen Fachkräfte werden als Entwickler ihrer eigenen Pädagogik gesehen. Da es kein verbindliches pädagogisches Konzept gibt, bleibt es dem Team in der Institution selbst überlassen jeweils ihr eigenes Einrichtungsprofil zu entwerfen. Das selbst entwickelte Konzept sollte aber auch zu den Kindern in der Einrichtung passen und für jede Altersstufe angemessen sein. Es ist ein langwieriger Prozess, der Praxiserprobung und -erfahrung der einzelnen Pädagogen und Pädagoginnen verlangt, bis man ein geeignetes Konzept gefunden hat, welches für alle Kinder im Kindergarten passend ist.
Die ErzieherInnen sollten die Kinder bei ihrer individuellen Entwicklung unterstützen. Das heißt sie müssen Vertrauen zeigen, Geduld haben und sie dürfen die Kinder nicht fremdbestimmen. Die Pädagogen und Pädagoginnen sollten sich selbst als begleitende Erwachsene sehen, die die Kinder bei ihrem eigenen Vorhaben und der Verwirklichung ihrer Ideen konstruktiv unterstützen. Es geht eher darum die Kinder zu beobachten, anstatt ihnen Handlungsweisen vorzuzeigen und sie ständig belehren zu wollen.
Die Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte besteht auch darin, ein differenziertes Bildungsangebot für alle Altersgruppen im Kindergarten zu entwickeln, Erfahrungsfelder zum Spielen zu schaffen, sowie die Gestaltung der Raum- und Gruppenatmosphäre zu optimieren (vgl. Regel/Kühne 2007, S.22ff.).
Die Spielbereiche des offenen Kindergartens sind so gestaltet, dass sie den unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Kinder gut angepasst sind und jeder Altersstufe genügend Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten bieten.
Die PädagogInnen müssen versuchen die Kinder zu motivieren sich frei zu beschäftigen. Dies kann man zum Beispiel tun, indem jede pädagogische Fachkraft ihre eigenen Fähigkeiten und Vorlieben in das Konzept miteinbringt. Die Eine kann mit den Kindern musizieren, während ein Anderer mit ihnen in einer Werkstätte herumschraubt und bastelt. Ziel ist es, dass sie alltägliche Handlungsweisen indirekt erlernen. Man darf die Kinder aber weder überfordern, noch langweilen. Sie sollen nach ihrem individuellen Tempo arbeiten dürfen (vgl. Regel/Kühne 2007, S.23f.).
Aus diesem Grund müssen die Erzieher und Erzieherinnen ihr Handeln ständig kritisch reflektieren, denn erst so entwickelt sich auch ein eigener fachlich begründeter Standpunkt (vgl. Bartsch-Tegtbauer/Brambrink et al. 1998, S.14).
Oft gibt es auch Teamsitzungen, bei denen alle Informationen über die einzelnen didaktischen Handlungen reflektiert werden. Es wird das Verhalten eines jeden Kindes durchbesprochen und Handlungsmöglichkeiten erarbeitet. Zudem kann man sich aber auch gegenseitig austauschen und darüber hinaus sicherlich voneinander lernen.
„Im offenen Kindergarten werden mit veränderten Akzenten die bewährten Formen der Angebote und Projekte weitergeführt…Sie (die Kinder) wollen ihre Kompetenzen und ihr Wissen nicht nur selbständig im Spiel erweitern, sondern ihren Hunger auf Welt, auf neue Erfahrungen, auf spannende Erlebnisse auch durch Anregungen von außen gestillt bekommen“ (Regel/Kühne 2007, S.25f.).
Das Kind wird also als Selbstgestalter seiner Entwicklung gesehen. Es konstruiert sich sein eigenes Weltbild und seine eigenen individuellen Handlungskonzepte. Die Kinder können ihre Tätigkeit, ihre Spielpartner, ihr Tempo, sowie die Dauer ihrer Beschäftigung frei wählen.
Jedes Kind weiß am besten über seine eigenen Bedürfnisse Bescheid und darf deshalb auch selbständig und frei darüber entscheiden. Ziel ist es den Kindern Selbständigkeit zu vermitteln, indem man ihnen auch den Freiraum dazu lässt, diese zu erlernen.
Dies drückt sich in der Wahrnehmung folgender 4 Freiheiten aus:
Die erste Freiheit ist das sogenannte „Freispiel“. Es ist der Hauptpunkt des Tagesablaufs und somit die Hauptbeschäftigung der Kinder. Im Spiel sollen soziale Kompetenzen, aber auch motorische und geistige Fähigkeiten erworben werden. Im Freispiel der Offenen Arbeit kann jedes Kind seinen ganz individuellen Interessen und Entwicklungsbedürfnissen folgen und sich mit seiner Umwelt spielerisch auseinander setzten. Aus diesem Grund ist es wichtig den Kindern vor allem hier Freiheiten zu geben (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.247).
Die weiteren Freiheiten sind das Auswählen von Lern- und Bildungsmöglichkeiten, sowie der Partizipation im sozialen Gefüge. In der letzten der genannten Freiheiten sollen die Kinder lernen sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Sie sollen sich in die Gruppe einfinden (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.247). Mit dieser Freiheit sollen unter anderem auch ihre sozialen Kompetenzen erweitert und gefestigt werden.
Die Kinder sollen zudem lernen ihre Entscheidungen selbst zu treffen, aber auch mit den Konsequenzen umzugehen, die diese Entscheidungen mit sich bringen können. Sie sollen Erfahrungen sammeln, ihre Kompetenzen und ihr Wissen selbständig erlernen (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.247). Nur so können sie wertvolle Fähigkeiten erwerben, die sie auch für ihr späteres Leben benötigen.
Außerdem dürfen die Kinder auch bei der Strukturierung des Alltags immer mitentscheiden. Sie sollen ihre eigenen Ideen und Vorschläge für Projekte miteinbringen und dafür in weiterer Folge dann aber auch die Verantwortung übernehmen.
Verhaltensregeln oder ähnliches werden zu Beginn des Kindergartenjahres gemeinsam erarbeitet. Oft wird danach eine Art „Vertrag“ aufgesetzt, den jedes Kind unterschreiben muss, damit es den Regeln zustimmt. Die Strafe bei Regelverletzung wird ebenso zu Beginn des Kindergartenjahres mit allen besprochen und die Kinder dürfen auch hier ihre eigenen Vorschläge miteinbringen. Wichtig ist es, dass auf jeden Regelverstoß, von Seiten der Pädagogen und Pädagoginnen konsequent reagiert wird (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.247f.).
Im offenen Kindergarten gibt es keine speziellen didaktischen Inhalte und Materialien. Das Spiel- und Lernmaterial besteht aus Gegenständen, die jeder aus dem Lebensalltag kennt. Im Zentrum stehen die Strukturierung des Alltags, die Raum-, sowie die Materialgestaltung. Die Lerngegenstände im Konzept der offenen Arbeit sind unter anderem Autonomie, Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Interdependenz mit der Umwelt, somit erfolgt das Lernen, wie schon erwähnt, indirekt, durch die Erkundung der unmittelbaren Umgebung. Die Kinder, wie auch die Erzieher/Innen sollen die Möglichkeit haben ihr eigenes Profil zu entwickeln (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.248). Sie sollen sich also selbst finden, Vertrauen in sich selbst entwickeln und ihre individuellen Fähigkeiten erlangen.
Grundvoraussetzung hierfür sind regelmäßige Absprachen innerhalb des Pädagogen- und Pädagoginnen-Teams, aber auch mit den Kindern und den Eltern, sei es über den geplanten Tagesablauf, neue Projekte, oder über die eigenen wechselnden Aufgaben, die die Kinder im Haushalt der Kindertageseinrichtung übernehmen müssen. Dies bedarf viel Vor- und Nachbereitungszeit für die Erzieher und Erzieherinnen (vgl. Bartsch/-Tegtbauer/Brambrink et al. 1998, S.18f.).
Im offenen Kindergarten kommt noch ein ausführliches Beobachtungs- und Dokumentationssystem hinzu. Der Austausch der Beobachtungen hilft den pädagogischen Fachkräften die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Kindes besser kennenzulernen. Weiters sind die Einschätzungen weniger subjektiv geprägt und es kommt seltener zu Fehleinschätzungen, wenn alle gesammelten Informationen zusammengetragen werden.
Auch für Eltern und Familienmitglieder ist der Kindergarten ,,offen“, um die pädagogische Arbeit transparent zu machen und um eine gute Erziehungspartnerschaft zwischen Kindergarten und Familie, in deren Mitte immer das Kind steht, zu fördern. (vgl. Bartsch/-Tegtbauer/Brambrink et al. 1998, S.19).
Man hält die Eltern und Familienmitglieder, über die Entwicklung der Kinder am Laufenden und erarbeitet mit ihnen gemeinsam ein Konzept, an dem man sich im Kindergarten aber auch zu Hause orientieren soll.
Die Kinder haben ihre festen Stammgruppen, mit denen sie sich zweimal täglich treffen, jedoch können sie ihre SpielpartnerInnen, mit denen sie sich in der Zwischenzeit beschäftigen, frei wählen. Jedes Kind bekommt außerdem seine eigene Bezugsperson, wobei auch hier das Prinzip der freien Wahl vorherrscht. Die Aufgabe des Bezugserziehers/der Bezugserzieherin ist es, emotionale Anlaufstelle für das Kind, sowie für die Eltern zu sein (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.249). Eine gute Beziehung zu den pädagogischen Fachkräften und zu wissen, dass man einen Ansprechpartner/in hat, ist wohl das Wichtigste.
Der Tagesablauf soll den Kindern einen Rahmen bieten und dennoch genügend Freiraum lassen. Beispielsweise gibt es fixe Essenszeiten, zu denen sich alle treffen, um gemeinsam die Mahlzeit einzunehmen, sowie gewisse Rituale, wie den „Morgenkreis“, bei dem sich alle Kinder jeden Morgen versammeln, um neue Projekte zu besprechen, oder Ähnliches. An diese Rituale müssen sich die Kinder auch halten. Dies bietet ihnen auch eine Art Sicherheit. Ansonsten können sie ihren Kindergartenalltag selbst organisieren und planen (vgl. Kasüschke/Jares 2010, S.249f.).
[...]