Diese Arbeit beleuchtet die Unterhaltungsliteratur der DDR. Das Genre soll anhand zweier Roman Elfriede Brünings näher erklärt werden.
Dabei wird zunächst auf die Entwicklungsgeschichte der Unterhaltungsliteratur in der DDR eingegangen und einige literaturtheoretische Ansätze erläutert. Daraufhin befasst sich die Arbeit mit den Romanen "Regine Haberkorn" und "Partnerinnen" und möchte aufzeigen, warum diese der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Elfriede Brüning
3. Die Unterhaltungsliteratur in der DDR
3.1.Literaturtheoretische Ansätze der DDR-Unterhaltungsliteratur
4. Strukturen der Unterhaltungsliteratur bei Elfride Brüning am Beispiel von Regine Haberkorn und Partnerinnen
4.1.Regine Haberkorn als Unterhaltungsroman
4.2.Partnerinnen als Unterhaltungsroman
4.3.Regine Haberkorn und Partnerinnen im Vergleich
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen des Seminars Zwei deutsche Literaturen? Aspekte der Literaturgeschichtsschreibung der DDR-Literatur habe ich ein Referat zu dem Thema Trivialliteratur in der DDR gehalten. Den Hauptteil des Vortrags beinhaltete die Bearbeitung des Romans Regine Haberkorn von Elfriede Brüning. So lernte ich die Schriftstellerin kennen. Mich faszinierten ihr umfangreiches Schaffen und ihr langes Leben, immerhin wurde sie 103 Jahre alt. Mit dieser Hausarbeit bot sich mir die Möglichkeit, mich noch genauer mit der Schriftstellerin zu befassen.
Ich möchte versuchen, in dieser Arbeit die Unterhaltungsliteratur der DDR zu beleuchten und dieses Genre an zwei Romanen von Elfriede Brüning genauer zu erklären. Dabei gehe ich zunächst auf die Entwicklungsgeschichte der Unterhaltungsliteratur in der DDR ein und erläutere einige literaturtheoretische Ansätze. Dann werde ich mich mit den Romanen Regine Haberkorn und Partnerinnen befassen und möchte aufzeigen, warum diese der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen sind.
2. Elfriede Brüning
Elfriede Brüning wurde am 08.11.1910 geboren und starb am 05.08.2014.1 Sie wuchs in einfachen Verhältnissen auf und wurde dank ihrer Eltern positiv ans Lesen herangeführt. ÄMeine couragierte Mutter, die sehr gerne las und auch meinem Vater und mir sehr viel vorlas, später sogar zeitweilig eine kleine private Leihbibliothek in unserer Ladenwohnung im Wedding betrieb, sorgte dafür, dass ich von 1916 bis 1926 zehn Jahre zur Schule ging und schließlich im Königsstädtischen Oberlyzeum bis zur Obersekundareife kam.“2 Mit 16 Jahren begann sie für Berliner Zeitungen zu schreiben. Ihr politisches Engagement und Interesse entwickelten sich und sie trat 1930 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. Außerdem folgte 2 Jahre später die Mitgliedschaft beim Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Aufgrund des Verbots dieser Organisation durch die Nazis, wurde die Mitgliedschaft illegal. 1935 wurde Elfriede Brüning wegen des Verdachts auf Hochverrat verhaftet. Sie verbachte ein halbes Jahr in Schutzhaft und schrieb unter Beobachtung das Buch ÄJunges Herz muss wandern“. Dieses Buch kam durch den Lektor und Schriftsteller Joachim Barkhausen, den Elfriede Brüning 1937 heiratete, zur Veröffentlichung. 1942 kam das einzige gemeinsame Kind zur Welt, Christiane. 3 In den Nachkriegsjahren arbeitete Brüning wieder als Redakteurin und Reporterin. Vor allem die Schicksale der Flüchtlinge waren ihr ein wichtiges Thema. Aufgrund der Vereinigung der KPD und SPD wurde Brüning 1945 Mitglied der SED. Zwei Jahre später folgt die Scheidung von Joachim Barkhausen. Elfriede Brüning kämpfte bis zur Gründung der DDR um das alleinige Sorgerecht der gemeinsamen Tochter. 4
Ab 1950 war Elfriede Brüning freiberufliche Schriftstellerin. Drei Jahre später wurde sie Mitglied des Schriftstellerverbandes.5 Ihren ersten Literaturpreis erhielt sie 1970, den Goethepreis der Stadt Berlin.6 Für sie kam diese Auszeichnung bzw. überhaupt eine Ehrung ihrer Arbeit, viel zu spät. Und auch über die ersehnte, aber zu spät vergebene Preisvergabe des Literaturpreises des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands, ärgerte sie sich ÄMein Buch Partnerinnen, von hundertfünfzig Betrieben […] für den FDGB-Kulturpreis vorgeschlagen, musste auf die endgültige Preisvergabe seitens der zögerlichen Gewerkschaft drei volle Jahre warten, und ich musste tatsächlich über 70 werden, bis ich die erste literarische Auszeichnung, damals vom Demokratischen Frauenbund, erhielt.“.7 Elfriede Brüning veröffentlichte bis zu ihrem Tod dreißig Bücher und erzielte eine enorme Auflagenhöhe, was beweist, welche Beliebtheit ihre Werke erfuhren.8
3. Die Unterhaltungsliteratur in der DDR
Den Begriff ÄTrivialliteratur“ wurde in der DDR sehr scharf von der Unterhaltungsliteratur abgegrenzt. Mit Trivialliteratur wurde mit Schund- und Schmutzliteratur gleichgesetzt und war ausschließlich für Werke aus der BRD vorgesehen.9 Nach dem Krieg wünschte sich die breite Masse eine Literatur, mit optimistischen Grundzügen. Man wollte keine Stoffe lesen, die sich mit dem Krieg und der damit schweren Zeit verbanden. Das Lesen sollte als eine Art Zufluchtsort dienen.10 Allerdings verhielt sich die Kulturpolitik gegenüber dem Unterhaltungsgenre zunächst abweisend. An dieser haftete zu sehr das spätbürgerliche Trivialerbe.11 Die Heftliteratur aus dem Westen und somit die ÄSchundliteratur“ konnte bis zum Mauerbau noch leicht erhalten und rezipiert werden. Dem musste aus kulturpolitischer Sicht entgegengewirkt werden, um ein ideologisches Gegengewicht zu schaffen.12 Es gab also eindeutig einen dringenden Bedarf an Unterhaltungsliteratur. Dies passte jedoch nicht mit der politischen Auffassung einer klassenlosen Gesellschaft zusammen, dass es anscheinend eine Trennung zwischen einer höheren und einer niederen Literatur, die als Massenliteratur bezeichnet wurde, gab.13 Inwieweit sich die Unterhaltungsliteratur von der Ägehobenen“ Literatur unterschied, ohne sie gleichzeitig eindeutig herabzustufen stellt folgendes Zitat von Johannes R. Becher zum II. Schriftstellerkongress 1950 dar:
ÄEs ist sinnlos, die verschiedenartigen Genres der Literatur gegeneinander auszuspielen, denn jedes Genre hat seine Berechtigung und kann nicht durch ein anderes Genre ersetzt werden. Ebenso unsinnig ist es, sich im Namen des großen Kunstwerkes gegen eine gute Unterhaltungsliteratur zu ereifern oder verächtlich auf diejenigen herunterzuschauen, die sich der oft keineswegs sehr dankbaren Mühe unterziehen, dem, was unmittelbar der Tag erfordert, einen literarischen Ausdruck zu geben. Manche Stücke in der Weltliteratur sind als Gelegenheitsdichtung, also unmittelbar aus der Forderung des Tages heraus, entstanden. Bei der Beurteilung von Arbeiten mit Unterhaltungscharakter muß aber unter allen Umständen vermieden werden, daß man ihnen Prädikate zuspricht, die ihnen nicht zukommen, wie zum Beispiel Äkünstlerisch vollendet“, und daß man auf diese Weise solche sehr nützlichen Veröffentlichungen mit Maßstäben mißt, die ihnen gegenüber ganz und gar unangebracht sind. Wenn man einen guten Unterhaltungsroman in Beziehung setzt zu Balzac oder ein brauchbares Theaterstück vergleicht mit Shakespeare, so verdirbt man nur alle Begriffe und schadet vor allem auch den Autoren, die Nützliches in der Hervorbringung von Unterhaltungsliteratur geleistet haben, aber kläglich versagen müssen, wenn sie sich durch unsinnige Lobhudelei zu Äklassischen Größen“ aufblasen lassen.“14
Um den westlichen Importen ein Gegengewicht zu bieten, begann die DDR 1949 mit der Herausgabe eigener Heftromane.15 In den Anfängen hat die Unterhaltungsliteratur also nur einen Hilfscharakter, um sich vor den Heftromanen der BRD zu schützen. Als 1961 die Berliner Mauer errichtet worden war, entfiel diese Funktion. Nun stellte sich die Frage, wie die Unterhaltungsliteratur in der DDR weitergeführt werden konnte, ohne sie ins Triviale abzuschieben. Man erkannte die ideologische Verwertbarkeit der Unterhaltungsliteratur, die ein großes Publikum ansprach ÄDie einschichtige Darstellungsweise wird durch die erzieherische Absicht gerechtfertigt: Unterhaltungsliteratur dient als Transportmittel für ideologisch fortschrittliche humanistische Ideengehalte. Unterhaltung soll eine bedeutsame Funktion bei der Herausbildung sozialistischen Denkens, Fühlens und Handelns haben.“16 Es stellte sich langsam die allgemeine kulturpolitische Akzeptanz des Genres ein.17 Dies zeigt sich auch an den in den 70er Jahren entstehenden Studien über die Unterhaltungsliteratur.18 So wurde weiterhin versucht, die Unterhaltungsliteratur als einen Teil der Kultur zu erkennen ÄEntspannung und Unterhaltung (…) bedeuten keine Flucht aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit und befinden sich nicht mehr im Widerspruch zur Kultur, sondern sind Bestandteile des sozialistischen Persönlichkeitsbildung.“19 Der scheinbare Aufschwung der Unterhaltungsliteratur in der DDR hält jedoch nicht bis zum Schluss an. ÄTrotz aller kulturpolitisch initiierten Bemühungen um Theorie und Praxis der unterhaltenden Künste mussten in den letzten Jahren der DDR gewisse Abstriche gemacht werden. Die Möglichkeit einer Verschmelzung von Unterhaltung mit Bildung und Erziehung wurde Mitte der 1980er Jahre sehr viel skeptischer beurteilt als noch ein Jahrzehnt zuvor, wobei der Anspruch, dass sozialistische Unterhaltungsliteratur ein angemessenes Stückchen Bildung vermitteln soll, grundsätzlich beibehalten wurde.“20
3.1. Literaturtheoretische Ansätze der DDR- Unterhaltungsliteratur
Da der Unterhaltungsliteratur auch ein literaturtheoretischer Ansatz zukam, möchte ich auf die Funktionen und das Funktionieren der Unterhaltungsliteratur in der DDR eingehen. Dafür beziehe ich mich auf den Aufsatz von Marleen Parigger und Stef Pinxt. Der Unterhaltungsliteratur können demnach folgende Funktionen zugeteilt werden.
1. Die defensive Funktion: Anfänglich galt es in der DDR nur ein Gegenstück zur westlichen Trivialliteratur zu schaffen. Die DDR-eigene Unterhaltungsliteratur war also nur Mittel zum Zweck. Diese Funktion fiel mit dem Mauerbau weg.
2. Die Brückenfunktion: Es entstand das Bedürfnis, die Existenz der Unterhaltungsliteratur kulturpolitisch zu begründen. Die Leser der ‚niederen‘ Literatur sollte an die ‚höhere‘ Literatur herangeführt werden. Die Unterhaltungsliteratur stellte also eine Art Brücke dar. Dieser Theorieansatz setzt eine qualitative Trennung der Literatur voraus.
3. Die Bildungsfunktion: Mit der Unterhaltungsliteratur erreicht man eine Großzahl an Lesern. Somit ist es ein möglicher Weg gewisse Ideale zu vermitteln und zur sozialistischen Erziehung beizutragen. Neben dem unterhaltenden Aspekt und der Erziehung zum Sozialisten, sollen auch andere Informationen vermittelt werden, die den Leser zu Rezeption motivieren. 21
Der Unterhaltungsaspekt dient nicht dem Selbstzweck. Ein großer Unterschied zur westlichen Unterhaltungsliteratur soll sein, dass die Unterhaltung nicht als Flucht aus dem Alltag dient.22
In der Unterhaltungsliteratur gibt es zwei Typen von Helden. Den bewussten Helden und den unbewussten Helden. Der bewusste Held hat sich bereits für den Sozialismus entschieden. Der Leser soll sich mit seinen positiven Entscheidungen identifizieren und im Grunde nur eine bejahende Rezeptionshaltung einnehmen. Der unbewusste Held entwickelt sich erst im Laufe der Geschichte. Die äußeren Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Wahl dieses Typens birgt die Gefahr, dass der Leser sich mit der Unentschlossenheit und den negativen Entscheidungen der Figur identifiziert. Außerdem wird der Leser dazu angehalten, sein eigenes Denken zu hinterfragen. Aus diesem Grund fällt die Wahl (meist) auf den bewussten Helden.23
Die Unterscheidung zwischen dem Ost- und dem Westhelden fällt sehr eindeutig aus. ÄEs steht der westliche Abenteurer, dessen Unterfangen weder eine gesellschaftliche Bedingtheit noch eine gesellschaftliche Relevanz haben, dem bewußten Sozialisten gegenüber, dessen Fatum es ist, sich in abenteuerliche Situationen begeben zu müssen, um sich als Vertreter einer überlegenen Ideologie zu bewähren.“24
Weiterhin sind für den literaturtheoretischen Ansatz die innere und die äußere Spannung wichtig. Der bewusste Held entscheidet sich immer für das Gute. Es steht also außer Frage, ob er das tut. Wichtig sind die Aspekte, wann und warum er sich dafür entscheidet. Dies ist die innere Spannung. Die äußere Spannung beinhaltet die Erlebnisse, die der bewusste Held hat. Dabei ist zu beachten, dass es hier nicht nur um einen spannenden Rahmen geht, sondern dass auch diese Erlebnisse zu den positiven Entscheidungen des Helden beitragen. Die äußere und die innere Spannung sind also nicht voneinander losgelöst.
Der westlichen Unterhaltungsliteratur wird ein zu starkes Gewicht auf die äußere Spannung vorgeworfen. Dies sind in dem Fall nur Älosen Aneinanderreihungen von Elementen“25 Außerdem wird hier der Vorwurf an die westliche Unterhaltungsliteratur gemacht, das Bedürfnis nach Eskapismus zu erwecken.26
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1 http://www.elfriede-bruening.de/ (abgerufen am 28.02.2016)
2 Brüning, Elfriede: Meine Kindheit. Unter: http://www.elfriede-bruening.de/biographie/meine-kindheit.html (abgerufen am28.02.2016.).
3 Brüning, Elfriede: Mein Leben unter der Nazi-Herrschaft.Unter:http://www.elfriede- bruening.de/biographie/mein-leben-unter-der-nazi-herrschaft.html (abgerufen am 28.02.2016).
4 Brüning, Elfriede: Meine Nachkriegsjahre.Unter: http://www.elfriede-bruening.de/biographie/meine- nachkriegsjahre.html (abgerufen am 28.02.2016).
5 Brüning, Elfriede: Mein Leben in der DDR. Unter: http://www.elfriede-bruening.de/biographie/mein-leben-in- der-ddr.html (abgerufen am 28.02.2016.)
6 Sent, Eleonore (Hrsg.):„Ich mußte einfach schreiben, unbedingt͙“.Briefwechsel mit Zeitgenossen 1930-2007, Essen 2008. S.328.
7 Ebd. S. 375.
8 Brüning, Elfriede: Meine Lebensbilanz. Unter: http://www.elfriede-bruening.de/biographie/meine- lebensbilanz.html (abgerufen am 28.02.2016).
9 Opitz, Michael/ Hofmann, Michael (Hrsg.): Metzler Lexikon DDR-Literatur. Stuttgart/Weimar 2009.S. 345.
10 Schmitt, Hans-Jürgen (Hrsg.): Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur. Bnd. 11. München/Wien 1983. S.229.
11 Ebd. S. 231.
12 Heidtmann, Horst: Utopisch-phantastische Literatur in der DDR. Untersuchungen zur Entwicklung eines unterhaltungsliterarischen Genres von 1945-1979.München 1982.S. 31-32.
13 OPITZ/ HOFMANN 2009:346.
14 Gansel, Carsten(Hsg.):Erinnerung als Aufgabe? Dokumentation des II. und III. Schriftstellerkongresses in der DDR 1950 und 1952. Göttingen2008.S. 91.
15 OPITZ/HOFMANN 2009:346.
16 SCHMITT 1983: 232.
17 OPITZ/HOFMANN 2009:346.
18 Ebd.S.346.
19 Slomma, Horst: Sinn und Kunst der Unterhaltung. Berlin 1971.S. 36.
20 OPITZ/HOFMANN 2009: 347.
21 Parigger, Marleen/ Pinxt, Stef: Zur Unterhaltungsfunktion von Literatur. Der Zusammenhang von ästhetischer Theoriebildung und ideologischer Prämisse. In: DDR-Roman und Literaturgesellschaft. Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik. Band 11/12.(Hrsg.:Hoogeven, Jos/Labroisse, Gerd).Amsterdam 1981.S.147-152.
22 Ebd. S. 152.
23 Ebd. S.153-154.
24 Ebd. S.154.
25 Ebd. S. 155.
26 Ebd. S. 155.