Das Unregierbarkeitsphänomen hängt also eng mit einer Legitimitätskrise zusammen. Schon Max Weber hat darauf hingewiesen, daß Herrschaftsordnungen, die auf bloßem Interessenzusammenfall der Herrschaftsunterworfenen beruhen, wenig stabil sind, da sie stetig von wechselnden Interessenkonstellationen abhängig sind. Eine dauerhafte und wirksame Herrschaft bedarf nach Weber dagegen der Legitimität.1
Zusätzlich bedarf jedes politische System der Unterstützung der Beherrschten in der Hinsicht, daß eine allgemeine Identifikation mit und Unterstützung der Ziele des Systems und aller von diesem
angewandten Mittel erreicht wird. Am wirkungsvollsten ist hier der Glaube an die Legalität und Legitimität des politischen Regimes. So können zwar auch offensichtlich legitimationslose Systeme
entstehen, aber erst der Glaube der Angehörigen dieser Systeme an dessen Legitimität macht eine hierarchische Machtorganisation und deren Erhalt möglich, macht das System also regierbar.2
Moderne komplexe Gesellschaftsformen müssen sich darauf verlassen können, daß Entscheidungen der Regierung in der Regel freiwillig befolgt werden und Gewaltanwendung zunehmend überflüssig wird. In modernen Gesellschaften wird die Überlebtheit physischer Gewalt
zusehends durch rational nachvollziehbares und legitimiertes Handeln, welches jedem Individuum seinen Platz in einem bestimmten Ordnungssystem zuweist, ersetzt. Durch Legitimität und
Legalität der Herrschaft gelingt es politischen Systemen im Allgemeinen eine generalisierte Folgebereitschaft für ihre Entscheidungen zu gewährleisten, so daß verbindliche Maßnahmen auch
gegen Interessengruppen mit abweichender Meinung durchsetzbar bleiben, dabei kann im Extremfall sogar auf unmittelbare Zwangsmittel des Staates zurückgegriffen werden, ohne das dies
eine elementare Infragestellung des ganzen Systems zur Folge hat. Besteht ein gesamtgesellschaftlicher Konsens über die Legitimität der Regierung nicht oder nicht mehr, so wird diese früher oder später handlungsunfähig werden, man spricht von Unregierbarkeit.
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1 Max Weber: Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft; in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1988
2 vgl. David Easton: A systems Analysis of Political Life, New York, 1965
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Was ist Unregierbarkeit ?
- Faktoren der Unregierbarkeit
- Veränderungen der äußeren Rahmenbedingungen des Regierens
- Wachsende Ansprüche und Erwartungen
- Vermehrte staatliche Aufgaben
- Defizite staatlicher Institutionen und Steuerungsinstrumente
- Neue Machtzentren
- Gesellschaftlicher Wertewandel
- Unregierbarkeit durch verstärkte internationale Verflechtung der Volkswirtschaften (Globalisierung)
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen der Unregierbarkeit und analysiert die Faktoren, die zur Handlungsunfähigkeit westlicher Regierungen beitragen. Die Arbeit beleuchtet insbesondere die Herausforderungen, die durch Veränderungen der äußeren Rahmenbedingungen, wachsende Ansprüche und Erwartungen der Bürger sowie Defizite staatlicher Institutionen entstehen.
- Veränderungen der äußeren Rahmenbedingungen des Regierens
- Wachsende Ansprüche und Erwartungen der Bürger
- Vermehrte staatliche Aufgaben
- Defizite staatlicher Institutionen und Steuerungsinstrumente
- Die Rolle der Globalisierung und internationale Verflechtungen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung - Was ist Unregierbarkeit ?
Die Einleitung führt den Begriff der Unregierbarkeit ein und verbindet ihn mit der Legitimitätskrise des Staates. Sie erklärt, wie das Vertrauen der Bürger in die staatliche Handlungsfähigkeit ein entscheidender Faktor für die Regierbarkeit ist.
Faktoren der Unregierbarkeit
Veränderungen des äußeren Rahmens des Regierens
Dieser Abschnitt untersucht den Einfluss von äußeren Faktoren auf die Handlungsfähigkeit von Regierungen. Die Globalisierung und die zunehmende internationale Verflechtung der Volkswirtschaften werden als wichtige Treiber von Unregierbarkeit identifiziert.
Wachsende Ansprüche und Erwartungen
Dieser Abschnitt beleuchtet die steigenden Erwartungen der Bürger an ihren Staat. Die Theorie der neuen politischen Ökonomie wird herangezogen, um die Entstehung dieses Erwartungsüberschusses zu erklären.
Vermehrte staatliche Aufgaben
Dieser Abschnitt beschreibt den wachsenden Aufgabenbereich von Regierungen und zeigt auf, wie die Erwartungshaltung der Bürger zu einer Verstaatlichung von Problemen führt.
Defizite staatlicher Institutionen
Dieser Abschnitt analysiert die Defizite staatlicher Institutionen, die ihre Fähigkeit zur Problemlösung beeinträchtigen. Der gestiegene Aufgabenbereich wird als ein wichtiger Faktor für die Überforderung der Institutionen identifiziert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die folgenden Schlüsselwörter und Themen: Unregierbarkeit, Legitimität, Globalisierung, wachsende Ansprüche, Defizite staatlicher Institutionen, veränderte Rahmenbedingungen, gesellschaftlicher Wertewandel.
- Arbeit zitieren
- Timo de Beer (Autor:in), 1998, Unregierbarkeit und Souveränitätsverlust westlicher Regierungen, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/3868