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Hausarbeit, 2013
21 Seiten, Note: 6/6
Philosophie - Praktische (Ethik, Ästhetik, Kultur, Natur, Recht, ...)
1 EINLEITUNG
2 ENTWICKLUNG DES FUNDAMENTALISMUS-BEGRIFFES
3 VORÜBERLEGUNGEN
3.1 Denken in Gegensätzen
3.2 Fremdgruppenhomogenität
4 DIE MODERNE: EIN EUROZENTRISMUS?
5 THE CLASH OF CIVILIZATIONS
5.1 Huntingtons Theorie
5.2 Kritik
5.2.1 Kulturrelativismus
5.2.2 Rein westliche Moderne
5.2.3 Religion als Konfliktfaktor
6 FUNDAMENTALISMUS ALS ANTIMODERNE
6.1 Fundamentalismus vs. Werte der Aufklärung
6.2 Islamischer Fundamentalismus vs. den Westen
6.3 Der Gebrauch moderner Technik
7 FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
Der Begriff des religiösen Fundamentalismus ist spätestens seit dem ll.September 2001 ein Schlagwort in der medialen und politischen Debatte. Vor allem im islamischen Kontext wird Fundamentalismus in Politik und Medien oftmals mit Gefahr und Rückwärtsgewandtheit assoziiert und als Gegensatz zu einer „aufgeklärten“, „modernen“ und „westlichen“ Weltanschauung kontrastiert. Doch nicht nur Journalisten und Politiker, sondern auch Wissenschaftler setzen sich mit dem Phänomen des Fundamentalismus auseinander, wobei der Begriff gerade unter Wissenschaftlern umstritten ist.
Sehr verschiedene Bewegungen werden gemeinhin als fundamentalistisch bezeichnet. Verfechter des Fundamentalismuskonzeptes, u.a. der Soziologe Martin Riesebrodt, Sivan, Tibi oder Marty/Appleby sind sich darin einig, dass all diese Bewegungen eine Gemeinsamkeit aufweisen; sie stellen eine Reaktion auf die Moderne dar. Wenn diese „Reaktion auf die Moderne“ als einziges Kriterium genommen wird um fundamentalistische Bewegungen zu beschreiben, so können natürlich viele Phänomene in diese Kategorie fallen, die schwer miteinander vergleichbar sind. Beispiele dafür sind die Ablehnung der Priesterweihe der Frau, die Muslimbrüder in Ägypten, die islamische Heilsfront „FIS“ in Algerien, die iranische Revolution unter Khomeini oder das Tragen des Kopftuches durch muslimische Mädchen in Westeuropa. Aber auch nichtreligiöse Bewegungen, wie Widerstände gegen demokratische Mehrheitsentscheidungen in Fragen von Werten und Normen oder Kritik an konkreten Missständen des kapitalistischen Wirtschaftssystems oder müssten mitgezählt werden.[1] Ob der Fundamentalismusbegriff dann noch als wissenschaftliche Abgrenzungskategorie taugt, sei dahingestellt. Peter Antes’ Kritik ist sicher angebracht, wenn er sagt:
„Als einziger Bezugspunkt gilt offenbar die Kritik an einem gewissermassen dogmatisch Modernisierungsverständnis, das sich selbst nicht mehr der Diskussion stellt, sondern alle, die davon - im Detail wie insgesamt - unter Berufung auf überkommene religiöse Werte abweichen, als ,religiöse Fundamentalisten’ bezeichnet und dadurch gesellschaftlich unmöglich machen will.“[2]
Diese Seminararbeit soll genau an diesem Punkt ansetzten und ganz allgemein hinterfragen, was für ein Modernisierungsverständnis den Theorien zugrunde liegt, welche Fundamentalismus als Reaktion auf die Moderne bezeichnen. Des Weiteren soll betrachtet werden, welche Implikationen und Probleme eine Gegenüberstellung von Fundamentalismus und Moderne mit sich bringt. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den „islamischen Fundamentalismus“ gelegt werden, da dieser in der allgemeinen Debatte oftmals nicht nur als Reaktion auf die Moderne, sondern explizit als Reaktion auf den Westen charakterisiert wird.
In einem ersten Schritt wird die Entwicklung des Fundamentalismus-Begriffes umrissen, da dieser ursprünglich aus dem amerikanischen Protestantismus stammt und erst später auf den Islam und andere Religionen übertragen wurde. In einem zweiten Schritt werden dann das Konzept der westlichen Moderne und die Theorie des Clash of Civilizations erläutert, um in einem dritten Schritt festzustellen, inwieweit Fundamentalismus als Reaktion auf die Moderne betrachtet werden kann.
Der Begriff des religiösen Fundamentalismus kommt aus dem amerikanischen Protestantismus der Jahrhundertwende. Geprägt wurde er durch eine Schriftreihe mit dem Titel The Fundamentals, welche zwischen 1910 und 1915 erschien. Die Schriftreihe trug den bemerkenswerten Untertitel „A Testimony to the Truth“, „Ein Zeugnis der Wahrheit“, und wandte sich gegen liberale Theologie, insbesondere gegen die historisch-kritische Bibelexegese. Die Entstehung der Schriften muss im Zusammenhang mit dem Weltbildwandel des 19. Jahrhunderts betrachtet werden, der massgeblich durch den Darwinismus und liberale Denkmuster geprägt war.[3] So bezeichnete Franklin Johnson in seinem Beitrag zu den Fundamentals die darwinistische Evolutionstheorie selbst nur als These und sah es deshalb als Fehler an, eine Verbalinspiration der Bibel a priori abzulehnen. Ähnliches schrieb der Theologe James Orr. Er gestand der Bibelkritik zwar ihre Rechtmässigkeit zu, argumentierte aber, eine rationalistische Kritik dürfe nicht auf der Prämisse beruhen, dass es keine göttlichen Offenbarungen geben könne.[4] Kurze Zeit später (1919) gründeten die protestantischen amerikanischen Christen, die diese Reihe herausgegeben hatten eine weltweit tätige Organisation mit dem Namen „World’s Christian Fundamentals Association“. „Damit war die Bezeichnung ,Fundamenta- lismus’ für diese Art christlicher Gläubigkeit geboren [...].“[5]
Die Fundamentals können nach Antes als Reaktion der amerikanischen Protestanten auf die Modernisierung der christlichen Bibelwissenschaft gedeutet werden, weil diese sich zu sehr an die Erfordernisse der modernen Naturwissenschaft angepasst hatte. Weil sie die Modernisierung des Glaubens bekämpften, wurden sie zum Inbegriff der Antimoderne.[6]
Heute wird jedoch nicht mehr nur im christlichen Kontext von Fundamentalismus gesprochen. Eine These von Antes ist, dass der Journalismus bei der Entstehung des Fundamentalismus-Konzeptes in der Wissenschaft eine wichtige Rolle spielte. Er bezeichnet den religiösen Fundamentalismus gar als eine Erfindung von Journalisten, welche in einem zweiten Schritt zu einem Thema der Wissenschaft gemacht wurde. Der aus dem Protestantismus stammende Begriff wurde Ende der 1970er von Journalisten auf den islamischen Kontext übertragen. Im Fokus war damals die „Besonderheit der gegen die Modernisierung des Schahs im Iran gerichteten schii- tischen Herrschaft unter Khomeini (gest. 1989) nach seiner Machtübernahme im Jahre 1979 [...] und deren antimoderne Kritik am Modernisierungskonzept des Schah Regimes.“[7] In den darauffolgenden Jahren wurde der Begriff verwendet, um alle antiwestlichen Bewegungen in Ländern mit islamischer Bevölkerungsmehrheit „als Gefahr für den westlichen Modernisierungsweg sowie die Verbreitung westlicher Ideen und Lebensweisen zu brandmarken.“[8] Schliesslich wurde der Begriff auch auf andere Religionen übertragen. Dadurch entstand der Eindruck, es handle sich beim „Fundamentalismus" um einen Trend, der als Gegentrend zu jeglichen Modernisierungsbemühungen zu begreifen sei.[9] Ebenfalls festzustellen ist, dass plötzlich nicht mehr nur die Medien bestimmte Gruppierungen als islamische Fundamentalisten oder Islamisten bezeichneten, sondern dass der Begriff von gewissen Gruppen auch als Selbstbezeichnung übernommen wurde. So sprechen heute einzelne Gruppen der Muslimbrüder in Ägypten oder die Leute des FIS in Algerien von sich selbst als Fundamentalisten.[10] Die Verwendung des Begriffes „Fundamentalismus" hat also nicht nur bei den christlichen Protestanten im 20. Jh. zur Übernahme des Begriffs als Eigenbezeichnung geführt, sondern auch im Islam, wenn auch später und unter andern Bedingungen.
Eine der Hauptaufgaben unseres Gehirns ist es, unsere Umwelt zu klassifizieren. Unser Denken ist ein antipodisches; wir denken in Gegensätzen. Denn durch die Einteilung in Gegensatzpaare fällt das Klassifizieren oft leichter.[11] „Eine Begleiterscheinung unseres gegensätzlichen Denkens ist es, dass wir sogar dort Gegensätze zu entdecken glauben, wo gar keine sind: Wir empfinden Süß und Sauer als Gegensatz. [...] Zu Süß passt als Gegensatz aber nicht nur Sauer, sondern auch Bitter und Salzig. [...] Es ist leichter für uns, Gegensätze zu denken als Gradunterschiede. Selbstverständlich werden wir uns der Existenz dieser Gradunterschiede bewusst, wir verstehen sie in vollstem Umfang: Das Bewusstwerden dieser Gradunterschiede ist ja nichts anderes als das Ergebnis des Klassifizierungsprozesses."[12] Mit dieser Überlegung im Hinterkopf fällt es leichter zu verstehen, weshalb unser Gehirn sofort Assoziationen anstellt, wenn irgendwo das Begriffspaar Fundamentalismus - Moderne auftaucht. Es antizipiert einen Gegensatz. Die Gefahr ist gross, dass Fundamentalismus deshalb im ersten Moment mit antimodern gleichgesetzt wird. Eine Bewegung als antimodern zu bezeichnen, setzt allerdings ein bestimmtes Verständnis von Moderne voraus. Aus diesem Grund soll in Kapitel 4 der Begriff der Moderne genauer erläutert werden.
Gegner des wissenschaftlichen Fundamentalismuskonzeptes lassen des Öfteren verlauten, islamischer Fundamentalismus sei eine Sammelbezeichnung für sehr verschiedene Bewegungen. Der Begriff tauge als wissenschaftliches Beschreibungsinstrument wenig, weil es nicht abgrenzend sei. Wie in Kapitel 2 erläutert, kritisiert Antes den Fundamentalismus als eine Erfindung von Journalisten.[13] Schiffauer bezeichnet den islamischen Fundamentalismus gar als „Konstruktion des radikal Anderen".[14] Ihm nach scheint die Konstruktion des Fundamentalismus zum grössten Teil davon abzuhängen,„wie das Eigene (um das gefürchtet wird) bestimmt wird. Je nachdem, ob das Eigene als Moderne, als Aufklärung, [...] [oder als westlich] gedeutet wird, wird der Fundamentalismus als Anti-Moderne, AntiAufklärung [...] [oder als anti-westlich] gefasst: Daraus leitet sich ab, welche sozialen Gruppen man als Träger sieht, welche Motive und Ursachen man konstruiert und welche Bewertungen man vornimmt.[15] Die Abgrenzung des „Eigenen“ vom „Anderen“, wird auch in der Sozialpsychologie diskutiert. Menschen verarbeiten Informationen, indem sie kategorisieren. Wir erklären „uns die soziale Welt, indem wir Menschen entsprechend gewisser Merkmale wie Geschlecht, Nationalität und ethnischer Zugehörigkeit in Gruppen einteilen. Diese „soziale Kategorisierung führt neben einer Eigengruppenbevorzugung auch zur Wahrnehmung der Fremdgruppenhomogenität, dem Glauben, dass ,sie’ alle gleich sind. Mitglieder der Eigengruppe neigen zu der Wahrnehmung, die Mitglieder der Fremdgruppe seinen einander ähnlicher [...], als dies tatsächlich der Fall ist.“[16] Da nach Schiffauer bei der Beschreibung des islamischen Fundamentalismus alles davon abzuhängen scheint, wie man sich selbst und wie man die Anderen wahrnimmt, wird in Kapitel 5 die Theorie des Clash of Civilizations erläutert, die eine solche zwischen dem Westen und der islamischen Welt thematisiert.
[...]
[1] Vgl. Antes, Peter (1997): Gibt es christlichen und islamischen Fundamentalismus? In: Klinkham- mer, Gritt / Rink, Maria / Frick, Tobias (Hrsg.): Kritik an Religionen. Religionswissenschaft und der kritische Umgang mit Religionen. Marburg, S.199-206, S.203.
[2] ebd., S.203
[3] vgl. Geldbach, Erich (2001): Fundamentalismus als Erkenntnistheorie, The Fundamentals, Der Fundamentalismus nach dem Ersten Weltkrieg, In: Geldbach, Erich (Hrsg.) Protestantischer Fun- damentalimus in den USA und Deutschland, S.45-82, S.45ff.
[4] vgl. ebd., S.53ff.
[5] vgl. Meyer, Thomas (1989): Fundamentalismus. Aufstand gegen die Moderne. Reinbek bei Hamburg, S.15f.
[6] vgl. Antes 1997, S.199.
[7] Antes 1997, S.200.
[8] ebd., S.200.
[9] vgl. ebd.
[10] vgl. ebd., S.201.
[11] vgl. Akert, Robin / Aronson, Elliot / Wilson, Timothy (2008): Sozialpsychologie. 6. Aufl. München, S.432.
[12] vgl. Metacolor (o.J.): Gegensätze. URL: http://www.metacolor.de/gegensaetze.htm (23.01.13).
[13] vgl. Antes 1997
[14] vgl. Schiffauer, Werner (1995): Islamischer Fundamentalismus. Zur Konstruktion des Radikal Anderen. In: Neue politische Literatur. Frankfurt am Main, Jg. 40, Heft 1, S.95 - 105.
[15] vgl. Schiffauer 1995, S.95.
[16] Akert / Aronson/ Wilson 2008, S.432.
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