Als der argentinische Präsident Nestor Kirchner kürzlich über ein Treffen mit dem US-Präsident im Rahmen des panamerikanischen Gipfels in Monterrey befragt wurde, in dem neben der Schuldenrückzahlungen auch die von den USA kritisierte Kubapolitik Argentiniens zur Sprache kommen könnte, sagte Kirchner: „Podemos concertar reuniones, pero no nos cita nadie porque somos un pais independiente y con dignidad.“ (Clarín, 7.1.2004) Die Unabhängigkeit, der Nationalstolz und die Würde – gerade wenn es um das außenpolitische Verhältnis mit den USA geht, sind dies in Argentinien Schlagworte mit langer Tradition. Gilt Argentinien heute als einer der größten Gegner der von den USA geplanten amerikanischen Freihandelszone und als unerwünschter Hoffierer des Castro-Kubas, so war das zweitgrößte Land des Cono Sur bereits seit dem Erwachen von Washingtons panamerikanischen Plänen Ende des 19. Jahrhunderts meist ein ungemütlicher “Nachbar“ für die USA. In diesem konfliktreichen Verhältnis kann die Zeit des Zweiten Weltkrieges als besonders heikle Zuspitzung gelten. Die USA gedachten hier im Rahmen einer panamerikanisch koordinierten Wirtschafts- und Sicherheitspolitik ihren politischen sowie wirtschaftlichen Einfluss in Lateinamerika hegemonial zu festigen und zugleich eine hemisphärische Allianz gegen die Achsenmächte zu schaffen. Argentinien verweigerte sich jedoch beharrlich den US-Plänen. Ihre traditionelle wirtschaftliche, kulturelle sowie politische Bindung an Europa einerseits, und die eigenen hegemonialen lateinamerikanischen Ambitionen, die nationalen Größenvorstellungen Argentiniens andererseits. Beides führte zu tiefsitzender Aversion von breiten Teilen der argentinischen Elite gegen die USA und verbot ein Engagement auf deren Seite. Als sich Argentinien weigerte seine Außenpolitik den US-Interessen anzugleichen und auf eine neutrale Haltung im Krieg beharrte anstatt sämtliche Verbindungen zu den Achsenstaaten abzubrechen und sich so vollkommen zum US-amerikanisch dominierten westlichen Kriegsbündnis zu bekennen, spitzte sich die Lage zu. Die USA waren nicht weiter gewillt die Renitenz Argentiniens zu dulden und begannen spätestens seit Anfang 1942 massiven wirtschaftlichen, diplomatischen und indirekten militärischen Druck auf Buenos Aires auszuüben, um Buenos Aires zum Einlenken zu bewegen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Argentinien und die USA während der 30er Jahre – Good Neighbor
- Der Weltkrieg: Die USA und das Argentinien unter Ortiz zwischen Annäherung und Stillstand
- Im Weltkrieg: USA und Argentinien im Schatten von Kriegsplanung und Kriegseintritt
- Die USA und der „Bad Neighbor“ nach der Rio-Konferenz 1942 – Hochspannung in der Hemisphäre
- Abschließende Betrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die komplexen Beziehungen zwischen Argentinien und den USA im Kontext des Zweiten Weltkriegs. Sie untersucht die historischen Spannungen und divergierenden Interessen, die zu einem konfliktreichen Verhältnis zwischen den beiden Ländern führten, und beleuchtet insbesondere die Eskalation des Konflikts während des Krieges.
- Traditionelle außenpolitische Konfrontation zwischen Argentinien und den USA
- Divergierende Interessenkomplexe beider Länder
- US-amerikanische Politik gegenüber Argentinien während des Zweiten Weltkriegs
- Eskalation des Konflikts im Zeitraum nach Mitte 1940
- Die Auswirkungen der US-amerikanischen Politik auf die argentinische Innenpolitik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt das Spannungsfeld zwischen Argentinien und den USA im Kontext der panamerikanischen Beziehungen und des Zweiten Weltkriegs dar. Sie erläutert die historischen Wurzeln des Konflikts und die Bedeutung der argentinischen Neutralität im Krieg.
- Argentinien und die USA während der 30er Jahre – Good Neighbor: Dieses Kapitel analysiert die US-amerikanische Good-Neighbor-Politik der 1930er Jahre und ihre Auswirkungen auf das Verhältnis zu Argentinien. Es beleuchtet die wirtschaftliche und politische Situation Argentiniens in dieser Zeit und die Herausforderungen, die sich aus der US-amerikanischen Einflussnahme ergaben.
- Der Weltkrieg: Die USA und das Argentinien unter Ortiz zwischen Annäherung und Stillstand: Dieses Kapitel untersucht die Entwicklung der Beziehungen zwischen Argentinien und den USA während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere die Zeit der argentinischen Regierung unter Präsident Ortiz (1938-1940). Es analysiert die politischen und wirtschaftlichen Faktoren, die zu einer ersten Annäherung zwischen den beiden Ländern führten, und die Gründe für den späteren Stillstand der Annäherung.
- Im Weltkrieg: USA und Argentinien im Schatten von Kriegsplanung und Kriegseintritt: Dieses Kapitel beleuchtet die US-amerikanische Kriegspolitik im Kontext der panamerikanischen Zusammenarbeit und ihre Auswirkungen auf Argentinien. Es untersucht die Rolle der US-amerikanischen Militärstrategie und den zunehmenden Druck auf Argentinien, sich an der Kriegsanstrengung zu beteiligen.
- Die USA und der „Bad Neighbor“ nach der Rio-Konferenz 1942 – Hochspannung in der Hemisphäre: Dieses Kapitel analysiert die Verschärfung des Konflikts zwischen Argentinien und den USA nach der Rio-Konferenz von 1942. Es beleuchtet die US-amerikanische Druckpolitik, die Eskalation der innenpolitischen Spannungen in Argentinien und die Folgen für das Verhältnis zwischen den beiden Ländern.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die außenpolitischen Beziehungen zwischen Argentinien und den USA im Kontext des Zweiten Weltkriegs. Schlüsselbegriffe sind: panamerikanische Beziehungen, Good Neighbor Politik, Neutralität, Kriegsplanung, Kriegseintritt, "Bad Neighbor", Wirtschafts- und Sicherheitspolitik, hegemoniale Ambitionen, nationale Größenvorstellungen, traditionelle außenpolitische Ausrichtung, argentinische Elite, Druckpolitik, innenpolitische Radikalisierung, faschistische Tendenzen, Neutralitätspolitik, Antagonismus, Eskalation, Diktatur Peróns, Manifest Destiny, panamerikanisches Selbstverständnis, lateinamerikanisches Führungsland, Wirtschaftsabkommen, bilaterale Beziehungen, europäische Bindung, atlantische Kultur.
- Arbeit zitieren
- Christopher Wertz (Autor:in), 2003, Argentinien und die US-Außenpolitik während des Zweiten Weltkriegs, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/36922