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Seminararbeit, 2016
14 Seiten
1 Relevanz des Themas
2 Theoretischer Ansatz
2.1 Betrachtung der Scheidung als Prozess
2.2 „Selection perspective” und „divorce-stress-adjustment“
2.3 Scheidung als Ergebnis von Konsequenzen
3 Vorstellung und Auswertung empirischer Studien
3.1 Studie von Wauterickx et al. (2006)
3.2 Studie von Feldhaus und Timm (2015)
3.3 Studie von Bernardi und Radi (2014)
3.4 StudievonHyun SikKim (2011)
3.5 Studie von Thomas und Högnäs (2015)
4 Fazit und Ausblick
5 Literaturverzeichnis
Die Ehescheidung gewinnt heutzutage aufgrund der gestiegenen Scheidungsrate zunehmend an Bedeutung. Lag die Scheidungsquote im Jahr I960 bei ca. 11% pro Jahr, so hat sich die Rate mittlerweile nahezu vervierfacht (Statistisches Bundesamt). Viele Kinder befinden sich inmitten des Scheidungsprozesses und erleben, wie sich eins friedvolle Eltern zu teilweise feindseligen Menschen gewandelt haben. Viele minderjährige Kinder können den Zusammenhang nicht nachvollziehen, sind traumatisiert und seelisch angeschlagen. Es kann vermutet werden, je feindseliger sich die Eltern gegenüberstehen, desto größere Auswirkungen zeigen sich bei den Kindern. So hat die Pluralisierung familiärer Lebensformen und damit einhergehende elterliche Trennungen, Scheidungen oder Nachfolgepartnerschaften etc. dazu geführt, dass sich die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern in den letzten Jahrzenten geändert haben. Die Anzahl der Kinder, die mit fa- milialen Übergängen konfrontiert sind, steigt weitgehend (Feldhaus und Timm 2015: 33).
Für die kindliche Entwicklung spielen viele Faktoren eine entscheidende Rolle, vor allem die Bezugspersonen besitzen einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Durch Ehescheidungen verliert das Kind eine erzieherische Autoritätsperson im nahen Umfeld, wodurch häufig das Kind in seiner Erziehung negativ beeinflusst wird.
Mit dieser Arbeit wir das Ziel verfolgt, die Folgen der Ehescheidung auf die kindliche Entwicklung zu identifizieren sowie herauszufinden, welche möglichen Langzeitfolgen bei betroffenen Kindern entstehen können. Der Fokus der Hausarbeit liegt auf den psychischen Störungen sowie den kognitiven Fähigkeiten des Kindes. Als Methodik verwendet die Hausarbeit ein Vergleich von relevanten Studien, die sich mit dieser Thematik im beschäftigt haben. Des Weiteren soll herausgefunden werden, ob eine Scheidung nicht nur negative Aspekte beinhaltet, sondern auch positive Auswirkungen auf das Kind besitzt. Als letztes Ziel dieser Arbeit werden beide Geschlechter differenziert betrachtet, um Unterschiede in der Wirkungsweise der Geschlechter herauszuarbeiten. Im letzten Abschnitt werden die wesentlichen Resultate Arbeit präsentiert und die einleitenden Fragestellungen beantwortet. Ein Ausblick gibt zudem Anregungen über ungeklärte Fragen und weiteren Untersuchungen.
Im Folgenden werden zwei Theorien vorgestellt und auf ihre Anwendbarkeit bezüglich möglicher Erklärungen auf die Auswirkung der Ehescheidungen analysiert.
Amato ist der Auffassung, dass die Scheidung kein eigenständiges Ereignis ist, sondern vielmehr ein Prozess, welcher schon mit dem Zusammenleben beginnt und erst eine lange Zeit nach der Scheidung endet. Die Scheidung löst eine Vielzahl an Ereignissen aus, welche die Menschen als stressig empfinden. Diese Stressfaktoren haben einen negativen Einfluss auf die Emotionen, auf das Verhalten und auf die Gesundheit, sowohl für Kinder als auch Erwachsene. Die Auswirkungen variieren aber von Person zu Person. Eine erfolgreiche Anpassung bedeutet, dass Betroffene gut mit der neuen Familiensituation sowie mit der Berufswelt oder der Schule auskommen. Zudem sollten Betroffene eine eigene Identität und ein Lebensstil entwickelt haben, welcher nicht mehr an die ehemalige Ehe gebun- denist(Amato2000: 1271).
Erwachsene erfahren Stress durch z. B. alleinige Verantwortung für das Kind, Kontaktabbruch mit dem Kind, Konflikt mit dem ehemaligen Ehegatten oder durch einen möglichen Umzug in eine ärmere Nachbarschaft. Für Kinder können die Folgen der Scheidung u. a. sein: der Rückgang der elterlichen Unterstützung, der Kontaktverlust mit einem Elternteil, Rückgang der ökonomischen Ressourcen, Schulwechsel oder neue Partnerschaften der Eltern. Letzter Punkt zielt auf die Fragestellung der Arbeit hin und soll zur Erklärung anhand von zwei Modellen genauer dargestellt werden.
Das erste Modell ist das „Krisen Modell“. Diese besagt, dass die Scheidung eine Belastung ist, an die sich die Individuen mit der Zeit dran gewöhnen. Die eigene Persönlichkeit trägt dazu bei, wie schnell sich Betroffene an die Situation anpassen können. Die Mehrheit der Individuen kehrt jedoch nicht zu dem vorehelichen Wohlbefinden zurück (Amato 2000: 1273).
Nach dem zweiten Model ist die Ehescheidung eine „chronische und andauernde Belastung“ für alle Beteiligten. Gründe dafür sind u. a. die finanziellen Probleme und die Einsamkeit für das alleinerziehende Elternteil. Die Persönlichkeit bestimmt zwar, wie schlecht es den Eltemteilen geht, aber das Wohlbefinden ist irreversibel geschädigt (Amato 2000: 1273).
Das Wohlbefinden kann sich durch das starke Verhältnis des Kinds zur Bezugsperson auf das Kind übertragen und somit langfristig schädigen.
Als Alternative zu den zuvor gezeigten Modellen existieren in der Wissenschaft zwei Erklärungsansätze:
- „Selection perspective” und
- „divorce-stress-adjustment“
Die „selection perspective“ untersucht die möglichen Unterschiede zwischen intakten und gestörten Familienverhältnissen (Walper et al. 2015: 340). Nach diesem Ansatz besitzen einige Individuen bestimmte problematische persönliche und soziale Charakterzüge, die nicht nur eine Scheidung hervorrufen können, sondern dafür sorgen, dass das Wohlbefinden nach der Scheidung deutlich geringer ist. Angeborene Eigenschaften der Eltern, wie beispielsweise antisoziale Persönlichkeitszüge sollen nach „selection perspective“ zufolge direkte Ursachen von problematischen Familienbildern, Scheidungen und kindlichen Problemen sein (Amato 2000: 1273). Demzufolge betrachtet dieser Ansatz im Vergleich zu dem Modell der „chronischen und andauernde Belastung“ den ursprünglichen Auslöser von Scheidungen beim Individuum selbst, der nicht durch Umweltfaktoren herbeigeführt wird.
Folglich ist es möglich, dass Kinder aus geschiedenen Familien Probleme erfahren, weil sie genetisch Eigenschaften von den Eltern geerbt haben (Amato 2000: 1274).
Ein weiterer Erklärungsversuch wird durch den Ansatz „divorce-stress- adjustment“ beschritten. Es wird davon ausgegangen, dass die elterliche Scheidung zu Problemen führt und kein einzelnes Ereignis ist, sondern stattdessen in eine Reihe von Ereignissen und Stressoren eingebettet ist, die teilweise vor, aber meistens nach der Scheidung folgen. Bezogen auf Kinder ist zu erkennen, dass zumindest einige Probleme der Kinder, die nach der Scheidung auftreten, bereits in der Ehe präsent sind (Walper etal.2015:338).
Walper et al. (2015) stellten die These auf, dass die Scheidung eine Vielzahl an Konsequenzen, wie z. B. das emotionale Wohlbefinden, kognitive Fähigkeiten oder die Kriminalität, verursacht. Im Vergleich zwischen Kindern aus geschiedenen und nicht geschiedenen Familien sind die Kinder mit geschiedenen Eltern stärker betroffen von: Gesundheits- und Verhaltensproblemen, kognitiven Problemen, Problemen in der Schullaufbahn und der Bildung, Problemen bei der Partnerschaftsstabilität oder einer früheren ersten Geburt. Die Ehescheidung ist somit kein einzelnes Ereignis, sondern kommt mit vielen anderen Stressfaktoren einher (Walper et al. 2015: 337 f.). Bekannte Stressfaktoren einer Scheidung sind:
(1) Ökonomische Probleme,
(2) reduzierter Kontakt zum nicht anwesenden Eltemteil oder
(3) Konflikt zwischen den Eltern z. B. über das Sorgerecht oder den Unterhalt.
Ergebnisse aus vielen Ländern haben gezeigt, dass die elterliche Scheidung bzw. mit einem alleinerziehenden Elternteil mit einem erhöhten Risiko der Einkommensarmut und Abwärtsmobilität verbunden ist. Einkommensarmut führt wiederrum zu Beeinträchtigungen bei der Entwicklung des Kindes in Bezug auf die Gesundheit, Bildung, das psychische Wohlbefinden, sozialen Beziehungen und Verhaltensproblemen (Walper et al. 2015: 337 f.). Als der größte Stressfaktor zählt der Konflikt zwischen den Eltern, da Stress der Bezugspersonen sich auch auf die Erziehung auswirkt (Walper et al. 2015: 339 f.).
Viele Ergebnisse deuten darauf hin, dass Benachteiligungen bei der Entwicklung des Kindes bereits vor der elterlichen Scheidung erkennbar sind. Jungs sind in der Zeit vor der Scheidung stärker betroffen als Mädchen (Walper et al. 2015: 339 f.). Da direkte Ähnlichkeiten zwischen dem Verhalten der Eltern und dem der Kinder festgestellt wurden, beschäftigen sich u. a. Walper et al. unter anderen mit dem Einfluss der Genetik. Es gibt einige Hinweise, die auf einen Zusammenhang zwi- sehen den Genen Scheidungswahrscheinlichkeit hindeuten (Walper et al. 2015: 341).
Beim Vergleich der Auswirkungen der elterlichen Scheidung in biologischen Familien und Adoptivfamilien waren die Kinderprobleme in Bezug auf Problemverhalten für biologische und adoptierte Kinder ähnlich. Demzufolge ist es unwahrscheinlich, dass diese Effekte der elterlichen Trennung auf die genetische Selektivität zurückzuführen sind (Walper et al. 2015: 341). Insgesamt gibt es Hinweise auf Selektionseffekte, die häufig aber nicht konsequent zu erhöhten Problemen bei Kindern führen.
Mithilfe von empirischen Studien soll in diesem Kapitel geklärt werden, inwiefern die elterliche Scheidung Auswirkungen auf die Depressivität und die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen ausübt. Dazu werden im Folgenden fünf aktuelle Studien vorgestellt, die sich dieser Thematik widmen.
Im Jahr 2006 befassten sich Wauterickx et al. mit dem Zusammenhang elterlicher Scheidung und Depressionen im Erwachsenenalter. Es wird davon ausgegangen, dass Kinder, welche die Ehescheidung erlebt haben, im Erwachsenenalter anfällig sind, unter Depressionen zu leiden. Im Rahmen der Studie von Wauterickx et al. (2006) wurden 4.727 Frauen und Männer aus Belgien mittels einer „Panel Study“ befragt (Wauterickx et al. 2006: 43). In dieser Studie wurden lediglich Personen berücksichtigt, die mindestens 16 Jahre alt waren (Wauterickx et al. 2006: 50).
Die Ergebnisse zeigen, dass bei Männern und Frauen aus geschiedenen Haushältern die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch, ist sich scheiden zu lassen, wenn sie die Scheidung im Kindesalter erlebt haben. Kinder mit geschiedenen Eltern berichten öfter von einer niedrigeren Ehequalität und schauen einer Scheidung positiver entgegen. Geschiedene Eltern zu haben, hat auch einen negativen Einfluss auf die spätere Bildung und die finanzielle Situation: Im Vergleich zu Kindern aus nicht geschiedenen Haushältern haben Kinder, die eine elterliche Scheidung erlebt haben, eine geringere Bildung und ein geringeres Nettohaushaltseinkommen.
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