1. Grundlagen der Beurteilung
1.1. Beurteilungsrahmen
Der Verfassungsvertrag umfasst über 460 Artikel. Es ist deshalb notwendig, die Beurteilung auf eine rigorose Auswahl zu beschränken. Meine Entscheidung geht dahin, in erster Linie auf die Neuerungen gegenüber dem bisherigen Recht einzugehen. Darüber hinaus werde ich mich im Folgenden vor allem auf den ersten Teil der Verfassung konzentrieren. Das bedeutet, dass ich die Politiken der Union beiseite lassen und die Grundrechtscharta nur im Hinblick auf ihre Kodifikation besprechen werde.
1.2. Beurteilungskriterien
Zunächst möchte ich den Bewertungsmaßstab aufstellen, anhand dessen ich den Verfassungsvertrag untersuchen werde. Dabei sollen die Kriterien mit Blick auf die Entwicklung der europäischen Verfassungsidee ausgewählt werden.
1.2.1. Entwicklungsgeschichte als Maßstab
Die Debatte um eine europäische Verfassung existiert seit Beginn der europäischen Gemeinschaft. Es gab bereits idealistische Verfassungspläne, die jedoch an der politischen Realität scheiterten. Im Rahmen der Tagung des Europäischen Rates in Nizza (2000) kam der Anstoß dagegen von den Staats- und Regierungschefs. Diesen war es mit dem Vertrag von Nizza nicht gelungen, die EU umfassend auf die bevorstehende Erweiterung vorzubereiten. Mit der „Erklärung zur Zukunft der Union“1 wurde der Wunsch nach einer breiter angelegten Diskussion über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten, den Status der in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte, die Vereinfachung der Verträge sowie die Rolle der nationalen Parlamente deutlich.
Konkretisiert wurde der Post-Nizza-Prozess beim Gipfel von Laeken (Dez. 2001) und durch die Einberufung eines Reformkonvents. Dessen vorrangiges Ziel war es, für alle Beteiligten eine akzeptable Lösung der ungelösten Fragen der vergangenen Regierungskonferenzen zu finden, um die EU demokratischer, transparenter und effizienter zu gestalten2. Am 13. Dezember 2003 scheiterte jedoch zunächst die Regierungskonferenz trotz breitem Konsens an Uneinigkeiten über die Abstimmungsregeln im Rat. Die Beratungen wurden jedoch erneut aufgenommen. Am 17. Juli 2004 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf den Verfassungstext. Als Grundlage diente der Konventsentwurf3, der jedoch abgeschwächt wurde.
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen der Beurteilung
- Beurteilungsrahmen
- Beurteilungskriterien
- Entwicklungsgeschichte als Maßstab
- Vorgehen bei der Beurteilung
- Beurteilung
- Rechtsnatur der Union
- Begriff der „Verfassung“
- Ausstattung der Union mit Rechtspersönlichkeit
- Zugehörigkeit zur Union
- Vereinfachung der Verträge
- Wandel zur Wertegemeinschaft
- Präambel
- Werte und Ziele der Union
- Einbindung der Grundrechtscharta
- Entwicklung des Grundrechtsschutz in der Union
- Kompetenzordnung
- Regelung der Zuständigkeiten
- Die Handlungsinstrumente
- Das Kontrollsystem
- Die Institutionen
- Das Parlament
- Mitentscheidungsverfahren als Regel der Unionsgesetzgebung
- Einfluss auf die Wahl des Kommissionspräsidenten
- Kein eigenes Initiativrecht des Parlaments
- Festlegung der Obergrenze der Abgeordnetenzahl
- Degressiv-proportionale Bestimmung der Abgeordnetenzahl
- Die Kommission
- Der Kommissionspräsident
- Ernennung der Kommissare durch den Kommissionspräsidenten
- Verringerung der Zahl der Kommissare
- Der Europäische Rat und der Ministerrat
- Der Europäische Rat bekommt Organstellung
- Einführung eines EU-Außenministers mit Auswärtigem Dienst
- Einführung eines ständigen Präsidenten des Europäischen Rates
- Formationen im Ministerrat
- Regelverfahren der qualifizierten Mehrheit
- Ausgestaltung der qualifizierten Mehrheit
- Erhöhung der Mehrheitsquoren
- Auswirkung der Vier-Staatenklausel
- Ausnahmen vom Mehrheitsprinzip
- Die „,Passerelle”
- Finanzverfassung
- Fortentwicklung
- Die Einnahmenseite
- Die Ausgabenseite
- Reform der „Verstärkten Zusammenarbeit“
- Vertragsänderungen
- Ratifikation
- Gesamtbeurteilung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den europäischen Verfassungsvertrag, der 2004 von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union verabschiedet wurde. Sie untersucht die Neuerungen gegenüber dem bestehenden Recht und setzt den Fokus auf die Grundprinzipien der Union. Die Arbeit konzentriert sich auf die erste Hälfte des Verfassungsvertrags und lässt die Politiken der Union und die Grundrechtscharta im Detail außer Acht.
- Die Rechtsnatur der Europäischen Union
- Die Veränderungen in der Kompetenzordnung der Union
- Die Rolle der Institutionen in der EU
- Die Bedeutung des Verfassungsvertrags für die europäische Integration
- Die Stärkung der Demokratie, Effizienz und Transparenz in der Union
Zusammenfassung der Kapitel
Grundlagen der Beurteilung
Dieses Kapitel stellt den Rahmen für die Analyse des Verfassungsvertrags auf und definiert die Kriterien, anhand derer dieser beurteilt werden soll. Dabei wird die Bedeutung der historischen Entwicklung des europäischen Verfassungsideals hervorgehoben. Die Arbeit konzentriert sich auf die Neuerungen gegenüber dem Vertrag von Nizza und den Abgleich mit den Zielen nach mehr Demokratie, Effizienz und Transparenz, die in Laeken formuliert wurden. Der Vergleich mit dem Konventsentwurf wird ebenfalls in Betracht gezogen.
Beurteilung
Dieses Kapitel analysiert verschiedene Aspekte des Verfassungsvertrags, unter anderem die Rechtsnatur der Union und die Ausstattung mit Rechtspersönlichkeit. Es werden auch die Änderungen in der Kompetenzordnung, die Rolle der Institutionen, die Stärkung der Wertegemeinschaft und die Reform der „Verstärkten Zusammenarbeit“ beleuchtet.
Gesamtbeurteilung
Der letzte Abschnitt bietet eine umfassende Bewertung des Verfassungsvertrags. Die Arbeit stellt fest, inwieweit der Vertrag einen Fortschritt gegenüber dem bestehenden Recht darstellt und welchen Einfluss er auf die europäische Integration haben wird.
Schlüsselwörter
Europäische Union, Verfassungsvertrag, Rechtsnatur, Kompetenzordnung, Institutionen, Grundrechte, Demokratie, Effizienz, Transparenz, Europäische Integration, Wertegemeinschaft, Reform, Konventsentwurf, Vertrag von Nizza, Laeken-Erklärung.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2004, Beurteilung des europäischen Verfassungsvertrags, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/36456