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Hausarbeit, 2016
22 Seiten, Note: 1,3
2 Abkürzungsverzeichnis
3 Tabellenverzeichnis
4 Einleitung
5 Elektrodermale Aktivität
5.1 Physiologische Grundlagen: Das Organsystem Haut
5.2 Psychophysiologische Signale: Maße der elektrodermalen Aktivität
6 Die Hautleitfähigkeit
6.1 Physiologische Mechanismen
6.2 Messung
6.2.1 Technisches Grundprinzip
6.2.2 Praktische Ableitung
6.2.3 Artefakte
6.3 Kennwerte
6.4 Assoziierte psychische Prozesse
7 Psychophysiologische Auffälligkeiten im Kontext von PTBS
8 Beispielstudie: PTBS-Diagnostik durch Hautleitfähigkeitsmessung
8.1 Hintergrund und Zielsetzung
8.2 Methodik
8.3 Datenauswertung und Ergebnisse
8.4 Diskussion
9 Fazit und Ausblick
10 Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1. Indikatoren zur Beschreibung der SCR
Tabelle 2. Diagnostische Kriterien der PTBS (F43.1) nach ICD-10
Tabelle 3. Extrahierte Parameter der SCRs in der Studie von Webb et al. (2014)
Indikatoren der elektrodermalen Aktivität (EDA) zählen zu den bedeutsamsten Maßen in der Psychophysiologie des autonomen Nervensystems (Gramann & Schandry, 2009; Boucsein, 1988). Auch aufgrund ihrer relativ einfachen und nicht-invasiven Ableitung ist die EDA eines der am häufigsten verwendeten Biosignale, sowohl in der Grundlagen-, als auch in der anwendungsbezogenen Forschung (Dawson, Schell & Filion, 2000; Boucsein, 1988). Im Kontext der klinischen Forschung wird die Messung der EDA unter anderem eingesetzt, um physiologische Korrelate psychischer Störungen zu identifizieren und auf Basis dieses Wissens deren Diagnostik und Therapie zu ver-bessern (Boucsein, 1988; Fahrenberg & Wilhelm, 2009). Der bevorzugte Indikator der EDA ist die Hautleitfähigkeit (Schandry, 2011; Stern, Ray & Quigley, 2001; Fowles, Christie, Edelberg, Grings, Lykken & Venables, 1981), welche im Fokus dieser Arbeit steht. Nach einem kurzen Überblick über das Organsystem Haut und seiner Signale, sollen daher ihre physiologischen Grundlagen und ihre Messung dargestellt werden. Die Bedeutsamkeit der Hautleitfähigkeit soll im Anschluss daran anhand eines aktuellen wissenschaftlichen Artikels von Webb, Vincent, Jin und Pollack (2014) aufgezeigt werden, der sich mit dem Einsatz der Hautleitfähigkeitsmessung zur Verbesserung der Diagnostik der Posttraumatischen Belastungsstörung befasst.
Die Haut ist das größte Sinnesorgan des menschlichen Körpers und erfüllt als Trennschicht und Bindeglied zwischen Körper und Umwelt vielseitige Aufgaben. Neben der Aufnahme von Reizen dient sie der Hydro- und Thermoregulation und hat zudem eine Schutzfunktion (Schandry, 2011; Gramann & Schandry, 2009; Stern et al., 2001; Dawson et al., 2000). Vereinfacht dargestellt besteht die Haut aus drei Schichten[1]: Der Epidermis (Oberhaut), der darunter liegenden Dermis (Lederhaut) und der Subcutis (Unterhaut). Einer ihrer wesentlichen Bestandteile sind die Schweißdrüsen. Sie bestehen aus einem sekretorischen Teil in der Subcutis, in dem die Schweißproduktion statt-findet, und einem Ausführungsgang (Ductus), der die Dermis und Epidermis durchzieht und den Schweiß an die Hautoberfläche transportiert. Dieser Transport wird von rhythmischen Kontraktionen der Myoepithelzellen unterstützt, die den Ductus umgeben. Während dieses Vorgangs kann der Schweiß in die Ductuswand reabsorbiert werden, weshalb Schweißproduktion nicht automatisch bedeutet, dass die Hautoberfläche mit Flüssigkeit benetzt wird (Gramann & Schandry, 2009; Schandry, 2011).
Es gilt zwei Arten von Schweißdrüsen zu unterscheiden: An behaarten Körper-stellen vorkommende apokrine Schweißdrüsen, welche hormonell angeregt werden und für die EDA weniger bedeutsam sind, und ekkrine Schweißdrüsen. Letztere dienen der Thermoregulation und Ausscheidung von Stoffen und sind die bedeutendsten Einfluss-faktoren auf die EDA (Gramann & Schandry, 2009; Stern et al., 2001; Dawson et al., 2000). Dabei sind sie nicht gleichmäßig über die Körperoberfläche verteilt. An den Hand- und Fußinnenflächen ist ihre Dichte besonders hoch. Hier finden sich über 2000 Drüsen pro cm2 (Schandry, 2011). Ekkrine Schweißdrüsen werden für das „emotion-evoked sweating“ (Dawson et al., 2000, S. 202) verantwortlich gemacht. Man geht also davon aus, dass sie auf psychische Signale reagieren, weshalb sie für die psychophysio-logische Forschung von besonderem Interesse sind. Die Aktivität der Schweißdrüsen und der die Ductuswände umgebenden Muskulatur wird ausschließlich sympathisch angeregt, wobei – im Gegensatz zu den üblicherweise adrenerg innervierten Synapsen des Sympathikus – Acetylcholin als Neurotransmitter fungiert. Änderungen in der EDA reflektieren also vorrangig Änderungen in der Aktivierung des Sympathikus (Gramann & Schandry, 2009; Schandry, 2011; Stern et al., 2001).
Unter dem Begriff ‚elektrodermale Aktivität’ versteht man alle „Widerstands- und Spannungsänderungen der Haut [...], die im Zusammenhang mit psychischen Prozessen auftreten“ (Schandry, 2011, S. 543). Sie reflektiert sowohl emotionale als auch kognitive Aktivität (Stern et al., 2001). Zu den Messgrößen der EDA zählen die Hautleitfähigkeit, die Hautimpedanz, das endosomatische Hautpotential und die Hautfeuchte. Da letztere Maße teilweise aufwändig zu messen sind und neben der Hautleitfähigkeit kaum einen Mehrwert an Informationen bieten (Gramann & Schandry, 2009), soll im nachfolgenden Abschnitt ausschließlich auf die Hautleitfähigkeit eingegangen werden.
Unter dem Begriff Hautleitfähigkeit (SC) versteht man die elektrische Leitfähigkeit der Haut, die beim Anlegen einer niedrigen elektrischen Spannung gemessen werden kann. Diese Leitfähigkeit ist nicht konstant, sondern variiert aufgrund einer Reihe äußerer Reize, sowie physischer und psychischer Vorgänge. Die Höhe der SC ist abhängig vom elektrischen Widerstand der Haut, der vorranging auf die Epidermis zurückzuführen ist. Im Gegensatz zur Dermis, die eine vergleichsweise hohe und stabile Leitfähigkeit besitzt, lässt sie Ionen nur schwer passieren (Gramann & Schandry, 2009).
Rein intuitiv wäre – wie eine Zeit lang angenommen – denkbar, dass eine Erhöhung der SC, z.B. bei autonomer Aktivierung durch Angst, durch vermehrten Schweiß auf der Hautoberfläche zustande kommt (Stern et al., 2001). Dass die SC jedoch schon etwa eine Sekunde vor der messbaren, tatsächlichen Änderung der Feuchtigkeit der Haut-oberfläche ansteigt, deutet darauf hin, dass noch weitere Mechanismen an Änderungen der SC beteiligt sind. So wird zum einen angenommen, dass das Corneum, die oberste Schicht der Dermis, wasserdurchlässig ist und aufweicht, noch bevor der Schweiß die Hautoberfläche erreicht. Zum anderen wird der frühe Anstieg auch auf den Füllungs-zustand der Schweißdrüsengänge zurückgeführt. Um den Zusammenhang zwischen der SC und den Schweißdrüsen zu veranschaulichen, ist es sinnvoll, sich die einzelnen Gänge als parallel angeordnete Widerstände bzw. Leitungspfade in der Haut vor-zustellen. Wie bereits beschrieben, durchziehen sie sowohl die gut leitende Dermis, als auch die Epidermis, bis hin zur Hautoberfläche. Ist ein Ductus nun bis zur Oberfläche mit Schweiß gefüllt, eröffnet er einer angelegten elektrischen Spannung eine Verbindung zur Dermis und damit einen einfacher zu durchdringenden Leitungspfad (Gramann & Schandry, 2009; Stern et al., 2001; Dawson et al., 2000).
Somit beeinflussen Anzahl und Füllungszustand der Schweißdrüsengänge also wie leicht eine angelegte Spannung die oberste Hautschicht durchdringen kann. Je mehr und je stärker die Ausführungsgänge mit Schweiß gefüllt sind, desto höher ist die elektrische Leitfähigkeit der Haut (Schandry, 2011; Gramann & Schandry, 2009; Dawson et al., 2000). Dabei variieren beide Variablen in Abhängigkeit der Aktivität des Sympathikus (Stern et al., 2001; Gramann & Schandry 2009), der wiederum durch zahlreiche zentralnervöse Strukturen exzitatorisch und inhibitorisch beeinflusst wird (Dawson et al., 2000; Gramann & Schandry, 2009).
Die SC wird exosomatisch erfasst. Dafür wird eine konstante elektrische Spannung an die Haut angelegt, wodurch ein Stromkreis entsteht, der auf dem Ohmschen Gesetz (I = UR) basiert. Wird die angelegte Spannung (U) konstant gehalten, kann also die Stromstärke (I) gemessen werden, die direkt mit der SC (1/SR) variiert. Diese wiederum verhält sich annähernd linear zur Anzahl der gefüllten Schweißdrüsen. Die angelegte Spannung beträgt meist 0.5 V, die SC wird in µS angegeben (Gramann & Schandry, 2009; Fowles et al., 1981; Dawson et al., 2000; Boucsein, 1988).
Die SC weist sowohl tonische als auch phasische Veränderungen auf, wobei häufig beide Vorgänge von Interesse sind. Ein Problem bei der gleichzeitigen Erhebung beider Maße ist, dass sie sich beträchtlich in ihrer Größe unterscheiden und die phasischen Reaktionen (0,01–5 µS/cm2) die größeren tonischen Schwankungen (2–100 µS/cm2) überlagern. Als Lösung werden zwei Kanäle mit jeweils unterschiedlichen Zeitkonstanten und Verstärkern zur Messung verwendet (Gramann & Schandry, 2009; Stern et al., 2001).
Zur Ableitung der SC werden in der Regel zwei mit einer Elektrodenpaste gefüllte Napfelektroden verwendet (Boucsein, 1988). Da die Elektroden Teil des zu messenden Systems sind, sollten sie möglichst geringe Fehlerpotentiale[2] und eine geringe Polarisationsneigung[3] aufweisen, weswegen nicht-polarisierbare Ag/AgCl-Elektroden empfohlen werden (Fowles et al., 1981; Dawson et al., 2000). Die Elektroden werden mit einem doppelseitigen Klebering und ggf. einem Ringadapter auf der Haut angebracht, ehe der Napf ohne Luftblasenbildung mit der Elektrodenpaste gefüllt wird (Boucsein, 1988; Dawson et al., 2000; Fowles et al., 1981; Stern et al., 2001). Das Aufkleben hat nicht nur den Vorteil, dass die Elektroden nicht verrutschen, sondern es gewährleistet auch eine exakte Definition der Kontaktfläche von Haut und Elektrode bzw. Paste, wodurch intra- und interindividuelle Schwankungen verhindert werden (Dawson et al., 2000; Fowles et al., 1981). Die Kontaktfläche ist entscheidend für die gemessene SC und sollte nach Fowles et al. (1981) für stabile Signale 1 cm2 betragen.
Handelsübliche Elektrodenpasten die zur Ableitung anderer Biosignale verwendet werden sind für die SC-Messung ungeeignet. Stattdessen sollte eine Paste verwendet werden, deren Elektrolytkonzentration der des Schweißes ähnelt, um das elektrodermale System möglichst nicht zu verändern (Boucsein, 1988; Stern et al., 2001; Fowles et al., 1981; Dawson et al., 2000). Laut Fowles et al. (1981) bietet sich dafür ein NaCl-haltiges Elektrolyt mit einer Konzentration von 0.05 bis 0.075 Mol an. Da dieses sich dennoch mit der Zeit veränderlich auf die Haut auswirken kann, sollte für die Zeit seit dem Anbringen der Elektroden kontrolliert und eine Stabilisierungszeit von mindestens 10 min vor der Messung eingeplant werden (Fowles et al., 1981; Boucsein, 1988).
Die exosomatische SC-Messung erfolgt bipolar, also über zwei aktiven Arealen. Dies ist insofern sinnvoll, als echte inaktive Referenzpunkte an der Körperoberfläche kaum vorhanden sind (Gramann & Schandry, 2009). Als Ableitorte werden häufig die Innenflächen von Hand oder Fingern der nicht-dominanten Hand verwendet (Dawson et al., 2000; Gramann & Schandry, 2009; Fowles et al., 1981; Boucsein, 1988). Dabei können die Elektroden an den beiden mittleren oder äußeren Gliedern (#1 mediale oder #2 distale Phalangen) des Zeige- und Mittelfingers, oder auf der Mitte des Kleinfinger- (#3 Hypothenar) und Daumenballens (#3 Thenar) aufgeklebt werden (Dawson et al., 2000; Gramann & Schandry, 2009; Boucsein, 1988).
Die Ableitung von den Handinnenflächen hat mehrere Vorteile, u.a. dass die Schweißdrüsendichte dort besonders hoch ist und Ebbecke-Wellen[4] nur selten beobachtet werden (Gramann & Schandry, 2009; Schandry, 2011; Boucsein, 1988). Die nicht-dominante Hand wird bevorzugt, da sie eine dünnere Hornhautschicht aufweist und die Wahrscheinlichkeit von Bewegungsartefakten dort geringer ist. Durch die Ableitung von nur einer Hand können zudem EKG-Artefakte vermieden werden (Gramann & Schandry, 2009; Fowles et al., 1981).
Die Empfehlungen zur Vorbehandlung der Ableitorte sind unterschiedlich. Gramann und Schandry (2009) raten dazu, die Hände vor dem Anbringen der Elektroden mit warmem Wasser und ohne Seife zu waschen, da letztere zu einem Aufquellen der Dermis führt, was die Leitfähigkeit senkt. Bei fettiger Haut empfiehlt Boucsein (1988) die Ableitstelle mit Alkohol zu reinigen.
Faktoren, die sich störend auf die Ableitung auswirken können, sind u.a. Körper-temperatur, Atmung und Bewegung (Gramann & Schandry, 2009). Um temperatur-bedingte Schwankungen bei der Messung auszuschließen, sollten im Untersuchungs-raum konstante klimatische Bedingungen herrschen. Da das Anhalten des Atems und tiefe Atemzüge zu einer Erhöhung der SC führen, sollte die Atmung bei der Ableitung mit registriert werden, um atmungsbedingte Schwankungen erkennbar zu machen. Um Bewegungsartefakte zu vermeiden, sollte die Hand in einer möglichst natürlichen Ruhestellung auf einer weichen Unterlage platziert werden (Gramann & Schandry, 2009; Stern et al., 2001; Boucsein, 1988).
Man kann zwischen tonischen und phasischen Maßen der Hautleitfähigkeit unterscheiden (Gramann & Schandry, 2009). Zu den klassischen tonischen Maßen zählen das Hautleitfähigkeitsniveau (SCL) und die Amplitude und Anzahl spontaner Fluktuationen. Letztere sind ein Maß für die Aktivierung: Je mehr und je größere spontane Erhöhungen in einer definierten Zeiteinheit auftreten, desto größer ist die Erregung. Dabei muss die Amplitudenhöhe (z.B. 0.01 µS), ab der eine spontane Fluktuation auch als solche gewertet wird, vor der Messung festgelegt werden (Stern et al., 2001). Da Spontanfluktuationen den phasischen Leitfähigkeitsreaktionen in ihrer Form stark ähneln, müssen bei der Auswertung durch äußere Reize oder unregelmäßige Atmung hervorgerufene Fluktuationen ausgeschlossen werden, um sie zu identifizieren. Phasische Hautleitfähigkeitsreaktionen (SCR) spiegeln Reaktionen auf einzelne Reize wider und können 1-3 s nach Einsetzen des Stimulus beobachtet werden. Auch für ihre Identifikation muss ein Schwellenwert (z.B. 0.05 µS) festgelegt werden. Um diese monophasischen Reaktionen (Leitwerterhöhungen) zu beschreiben, werden Zeit- und Amplitudenmaße verwendet (Schandry, 2011; Stern et al., 2001; Dawson et al., 2000). Einige dieser Maße sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.
Tabelle 1
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Die Latenz bezeichnet die Zeitspanne zwischen dem Einsetzen des Reizes und dem Beginn der Reaktion. Die Anstiegszeit umfasst den Zeitraum vom Beginn der Reaktion bis zu ihrem Maximum. Sowohl A also auch L sollen verkürzt sein, wenn die Intensität des Reizes besonders hoch ist. Als Gipfelzeit wird die Zeit vom Einsetzen des Reizes bis zum Maximum bezeichnet. Unter dem Begriff Erholungszeit versteht man die halbe Abstiegszeit, also die Zeitspanne zwischen dem Gipfelpunkt und dem Erreichen des 50%-Wertes der Amplitude. Sie wird oft alternativ zur absoluten Abstiegszeit erfasst, da diese aufgrund der asymptotischen Annäherung der Kurve an das Grundniveau nur schwer zu messen ist (Gramann & Schandry, 2009; Stern et al., 2001).
[...]
[1] Eine detaillierte Beschreibung der Hautschichten findet sich bei Dawson et al., 2000, S. 202.
[2] Potentialdifferenzen zwischen den Elektroden, die ohne das Anlegen einer Fremdspannung entstehen.
[3] Neigung, beim Anlegen einer Fremdspannung Polarisationsspannungen zu erzeugen.
[4] Durch Messartefakte verursachte Hautreizungen.