Bei der Bewertung der Geschichte der Sowjetunion und ihrer Satelliten fällt der wirtschaftlichen Entwicklungspolitik der Sowjetbürokratie jeher eine zentrale Bedeutung zu.
Geht es um die die Partei- und Staatsführungen in ihren Entscheidungsfindungen leitenden Motive, so neigen jedoch nicht nur Vertreter der Totalitarismustheorie bis heute dazu, ihren Ursprung in der Ideologie der Handelnden zu suchen. Gerade so als wären die kommunistischen Führungen nicht selbst die kreativen Schöpfer der offiziellen Ideologie gewesen, sondern seien stattdessen von höheren Mächten vorgegebenen Prämissen gefolgt.
Die großen strategischen Wendungen in der Wirtschaftspolitik in der Sowjetunion seit den 1920er Jahren und ihren Satellitenstaaten nach 1945 wiederlegen hingegen die These von der Ideologie als Primat der Politik im Staatssozialismus. Ausgangspunkt dieses Textes sind drei Grundannahmen:
1. Die Politik der Nomenklatura entsprang Widersprüchen zwischen sozialen Klassen und aus ihnen resultierenden, immer wiederkehrenden Interessenkonflikten.
2. Die grundlegenden Interessen der einzelnen staatssozialistischen Gesell-schaftsklassen erfuhren in den Jahrzehnten der Existenz des Sowjetsystems über die einzelnen Ländergrenzen hinweg bis zu seinem Ende 1990 keine wesentliche Veränderung.
3. Allerdings kam es in einzelnen Entwicklungsphasen im langen Zeitraum von der Neuen Ökonomischen Politik in den 1920er Jahren bis zum Ende des Staatssozialismus sowjetischen Typs zur Ausprägung unterschiedlicher Interessenkonstellationen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Soziale Klassen und Klassenlagen im Staatssozialismus
- Die Staats- und Parteiführung in der Falle struktureller Sachzwänge
- Abhängigkeit vom öffentlichen Amt
- Unfehlbarkeitsanspruch
- Unbedingte Loyalität
- Die administrative und die operative Dienstklasse
- Die staatssozialistische Arbeiterklasse
- Die Staats- und Parteiführung in der Falle struktureller Sachzwänge
- Wirtschaftsreformen und -gegenreformen in der SU und der DDR
- Unterentwicklung und Gewalt, Ineffizienz und Legitimitätsverlust
- Wirtschaftsreformen in der DDR und SU nach 1945
- Wirtschaftsreformen in der DDR in der Ära Ulbricht
- Die Kossygin-Reform in der Sowjetunion
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text beleuchtet die Wirtschaftsentwicklung der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten im 20. Jahrhundert und untersucht die Beziehung zwischen Wirtschaftspolitik und Machterhaltung im Staatssozialismus. Die Analyse konzentriert sich auf die Rolle von Interessenkonflikten zwischen verschiedenen sozialen Klassen im System und darauf, wie diese Konflikte die Entscheidungen der Partei- und Staatsführung beeinflussten.
- Die Bedeutung von Klassenstrukturen im Staatssozialismus und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik
- Die Rolle von Interessenkonflikten zwischen der Nomenklatura, der Verwaltung, der Arbeiterklasse und anderen sozialen Gruppen
- Die Analyse von Wirtschaftsreformen und -gegenreformen in der Sowjetunion und der DDR, die durch die Klassenstrukturen und Interessenkonflikte geprägt waren
- Die Rekonstruktion des Erfahrungshorizontes der handelnden Akteure und ihre Auswirkungen auf Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik
- Die Kritik an einseitigen Erklärungsansätzen, die sich auf Ideologie oder Mentalität konzentrieren und die strukturellen und sozialen Faktoren ignorieren
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung
Die Einleitung stellt den Fokus des Textes auf die Wirtschaftspolitik in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten dar und kritisiert die dominierende Interpretation, die die Motive der Führung in der Ideologie sieht. Der Autor argumentiert, dass die Entscheidungen der Führung durch Interessenkonflikte zwischen verschiedenen sozialen Klassen beeinflusst wurden.
Soziale Klassen und Klassenlagen im Staatssozialismus
Dieses Kapitel beschreibt die Klassenstruktur des Staatssozialismus und analysiert die Interessenlagen verschiedener Gruppen, wie der Staats- und Parteiführung, der Verwaltung, der Arbeiterklasse und anderen. Es wird betont, dass es innerhalb der Nomenklatura unterschiedliche Interessenlagen gab, die zu Konflikten führten.
Wirtschaftsreformen und -gegenreformen in der SU und der DDR
Dieses Kapitel untersucht die Wirtschaftsreformen und -gegenreformen in der Sowjetunion und der DDR, die durch die Klassenstrukturen und Interessenkonflikte geprägt waren. Die Analyse konzentriert sich auf die Wirtschaftsreformen der Ära Ulbricht in der DDR und die Kossygin-Reform in der Sowjetunion.
Schlüsselwörter
Der Text konzentriert sich auf die Analyse von Klassenstrukturen, Interessenkonflikten, Wirtschaftspolitik, Machterhaltung, staatssozialistische Systeme, Sowjetunion, DDR, Nomenklatura, Verwaltung, Arbeiterklasse, Wirtschaftsreformen, -gegenreformen und Erfahrungshorizont der handelnden Akteure.
- Quote paper
- Alf Zachäus (Author), 2016, Im Gefängnis der Unfehlbarkeit. Interessenkonflikte und Wirtschaftsreformen in der Sowjetunion und der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/344759