Diese Hausarbeit setzt sich mit dem Thema „Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung“ auseinander. Ganz gezielt wird dabei das Studieren ohne Abitur näher thematisiert. Um dieses Thema jedoch nicht stets einseitig aus Sicht der Politik und Universitäten zu beleuchten, wie es in der aktuellen Bildungsforschung präsent ist, wird in dieser Hausarbeit die Sichtweise eines Studenten herausgestellt.
Ziel dieser Forschungsarbeit soll es sein, die Sichtweisen der Studierenden im Hinblick auf den dritten Bildungsweg zu erläutern und einen Einblick in die individuelle Berufs- und Bildungsbiographie eines Studenten zu ermöglichen, so dass neben der bildungspolitischen Diskussion um die Durchlässigkeit des Hochschulsystems auch individuelle Intentionen zum Studieren ohne Abitur sichtbar werden. Dazu wird als erstes der theoretische Rahmen, in den die Thematik eingebettet wird, erläutert. Der neugierige Leser wird feststellen, dass damit die Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu gemeint ist.
Im Anschluss beschäftigt sich die Hausarbeit mit dem dritten Bildungsweg und beleuchtet den Stand der Bildungsforschung, die Intentionen der Politik und die Maßnahmen der Universitäten um den Hochschulzugang durchlässiger zu gestalten.
Des Weiteren werden das problemzentrierte Interview als Erhebungsmethode und die Grounded Theory als Auswertungsmethode dargestellt, die benötigt werden, um die individuellen Intentionen eines Studenten bezüglich des dritten Bildungswegs zu erfassen und auszuwerten. Im Rahmen der Auswertung werden diese individuellen Gründe mittels Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu analysiert und anhand unserer Gesellschaft eingeordnet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Teil
2.1 Kapitaltheorie nach Bourdieu
2.2 Dritter Bildungsweg
3 Empirischer Teil
3.1 Problemzentriertes Interview nach Witzel
3.2 Feldzugang
3.3 Grounded Theory
3.3.1 offenes Kodieren
3.3.2 axiales Kodieren
3.3.3 selektives Kodieren
3.4 Interpretation der Ergebnisse
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang 1: Interviewleitfaden
Anhang 2: Transkriptionsregeln
Anhang 3: Transkription
Anhang 4: Grounded Theory – offenes Kodieren
Anhang 5: Kategorieschema der Grounded Theory
Anhang 6: axiales Kodieren
1 Einleitung
Diese Hausarbeit setzt sich mit dem Thema „Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung“ auseinander. Ganz gezielt wird dabei das Studieren ohne Abitur näher thematisiert. Um dieses Thema jedoch nicht stets einseitig aus Sicht der Politik und Universitäten zu beleuchten, wie es in der aktuellen Bildungsforschung präsent ist, wird in dieser Hausarbeit die Sichtweise eines Studenten herausgestellt. Ziel dieser Forschungsarbeit soll es sein, die Sichtweisen der Studierenden im Hinblick auf den dritten Bildungsweg zu erläutern und einen Einblick in die individuelle Berufs- und Bildungsbiographie eines Studenten zu ermöglichen, so dass neben der bildungspolitischen Diskussion um die Durchlässigkeit des Hochschulsystems auch individuelle Intentionen zum Studieren ohne Abitur sichtbar werden. Dazu wird als erstes der theoretische Rahmen, in den die Thematik eingebettet wird, erläutert. Der neugierige Leser wird feststellen, dass damit die Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu gemeint ist. Im Anschluss beschäftigt sich die Hausarbeit mit dem dritten Bildungsweg und beleuchtet den Stand der Bildungsforschung, die Intentionen der Politik und die Maßnahmen der Universitäten um den Hochschulzugang durchlässiger zu gestalten. Des weiteren werden das problemzentrierte Interview als Erhebungsmethode und die Grounded Theory als Auswertungsmethode dargestellt, die benötigt werden, um die individuellen Intentionen eines Studenten bezüglich des dritten Bildungswegs zu erfassen und auszuwerten. Im Rahmen der Auswertung werden diese individuellen Gründe mittels Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu analysiert und anhand unserer Gesellschaft eingeordnet.
2 Theoretischer Teil
2.1 Kapitaltheorie nach Bourdieu
Die Position im sozialen Raum bestimmt Wahrnehmung und Denken (Gudjons, 2012, S.172). Bourdieu’s Kapitaltheorie besagt, dass jeder Mensch mit unterschiedlichen Ressourcen ausgestattet ist, um sich eine Position im sozialen Raum zu sichern. Diese besagten Ressourcen werden von Bourdieu mit dem Begriff „Kapital“ benannt. Bourdieu unterteilt dieses Kapital in drei Formen: ökonomisches Kapital, soziales Kapital und kulturelles Kapital. Das ökonomische Kapital beschreibt materiellen Reichtum, also den gesamten Besitz einer einzelnen Person. Somit ist diese Kapitalform durch Eigentumsrecht gesichert und durch den Geldwert mit dem Besitzer verbunden. Die nächste Kapitalform ist das soziale Kapital, welches sich auf die Zugehörigkeit einer Gruppe bezieht. Aus der Zugehörigkeit zur Gruppe ergeben sich sowohl materielle wie symbolische Profite; aus dieser Zugehörigkeit können sich dauerhafte Verpflichtungen ergeben, die auf subjektiven Gefühlen oder auf Rechtsansprüchen beruhen (Jurt, 2012, S.29). Das Ausmaß dieser Profite und Verpflichtungen hängt von der Integration in die Gruppe ab. Besitzt das Beziehungsnetz eine weite Ausdehnung, so lässt sich sagen, dass auch ein hoher Umfang an Sozialkapital zu erwarten ist. Somit ist der Umfang einer Sozialkapitalbeziehung in jegliche Richtungen möglich. Das soziale Kapital kann so die Wirkung der beiden anderen Kapitalarten bestärken (Jurt, 2012, S.30). Die dritte Kapitalform beschreibt das kulturelle Kapital. Neben den ökonomischen Unterschieden spielen hier auch symbolische Unterscheidungen eine Rolle, bei denen es nicht mehr bloß um den Besitz von Gütern geht, sondern um die Art, sie zu verwenden und als Mittel der Distinktion einzusetzen (Jurt, 2012, S.25). Soziale Ungleichheiten werden somit auch durch den Besitz von kulturellem Kapital deutlich und spiegeln sich als Hierarchie wieder. Das kulturelle Kapital lässt sich in 3 Kategorien unterteilen. Zum einen in inkorporiertes kulturelles Kapital, welches Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen wiederspiegelt, das körpergebunden ist. Das bedeutet, dass dieses Bildungskapital zu einem festen Bestandteil der Persönlichkeit wird und sich im Habitus verankert. An der Gesamtdauer des Bildungserwerbs lässt sich so das Volumen des Bildungskapitals in etwa messen. Die in der familiären Primärerziehung und der anschließenden schulischen Sekundärerziehung erworbene Bildung wird zu einem Bestandteil der Person; dieser verinnerlichte Besitz kann darum im Unterschied zu Geld oder zu Adelstiteln nicht durch Geschenk, Vererbung oder Tausch unmittelbar weitergegeben werden (Jurt, 2012, S.26). Des weiteren beschreibt Bourdieu das objektivierte kulturelle Kapital. Diese Kapitalform ist durch materielle Dinge wie z.B. Gemälde, Bücher, usw. geprägt. Somit ist diese Kapitalform durch ökonomisches Kapital vorbelastet. Denn nur durch ökonomisches Kapital lassen sich Anschaffungen von Büchern, Gemälden, usw. realisieren. Zudem können sich Personen die beschriebene Kapitalform nur zu eigen machen, wenn sie über inkorporiertes Kulturkapital verfügen. Nur mit Wissen und Fähigkeiten ist es möglich sich diese Kapitalform greifbar zu machen und zu verinnerlichen. Je größer das inkorporierte Kulturkapital ist, desto mehr objektiviertes Kulturkapital kann begriffen werden und der Machtstatus steigt. Die dritte Form des kulturellen Kapitals ist das institutionalisierte kulturelle Kapital. Dieses Kapital spiegelt sich in Form von Titeln, Abschlüssen und Zertifikaten wieder und stellt den Besitz von Kapital und somit auch von Bildung offiziell dar. Die Verbindung zwischen dem ökonomischen und dem kulturellen Kapital stellt die Zeit dar (Jurt, 2012, S.27). Ist in einer frühen Phase des Bildungsprozesses ökonomisches Kapital vorhanden, kann eine fundamentale Basis geschaffen und zu adäquaten Abschlüssen erweitert, also zu inkorporiertem Kulturkapital, werden. Diese Kapitalform kann letztlich wieder in ökonomisches Kapital umgewandelt werden, da durch die Anerkennung von Abschlüssen höhere Bildungs- und Arbeitsschichten erreicht werden können und dadurch materielle Gewinne ermöglicht werden. Somit lässt sich schlussfolgern, dass nicht nur der Besitz von ökonomischem Kapital, sondern vor allem auch der Besitz von kulturellem Kapital einen entscheidenden Unterschied im gesellschaftlichen Ansehen ausmacht.
2.2 Dritter Bildungsweg
Im Kontext des Bologna-Prozesses und des damit verbundenen Postulats des Lebenslangen Lernens sind seit Ende der 1990er Jahre die Bemühungen um eine stärkere Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte in den Fokus der bildungspolitischen Diskussion gerückt worden. Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschule sowie Flexibilität der Bildungssysteme stellen dabei zentrale Themen dar (Buchholz, Heidbreder, Jochheim& Wannöffel, 2012, S.16). Nickel und Läusing (2009) fassen die Gründe für die Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte anhand von vier Motiven zusammen:
- Emanzipation der beruflichen gegenüber der akademischen Bildung,
- Entstehen eines Fachkräftemangels gepaart mit Effekten des demographischen Wandels,
- Steigender Druck durch internationalen Vergleich zwischen den Bildungssystemen,
- Aufbau des europäischen Bildungsraums mit seinen Anforderungen an Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung (S.17).
Durch Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009 ist es nun auch beruflich qualifizierten Bewerbern ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung möglich auf Grundlage der persönlichen Berufsausbildung ein Studium aufzunehmen. Aufgrund dessen steht nicht mehr das Abitur alleine an zentraler Stelle für eine Hochschulzugangsberechtigung, sondern teilt sich diese zentrale Rolle mit den persönlichen Fähigkeiten der zukünftigen Studenten, die neuerdings ebenso ausschlaggebend sind. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2009 wird auf Länderebene umgesetzt. Inhaber beruflicher Aufstiegsfortbildungen (Meister, Techniker, Fachwirte und gleichgestellte Abschlüsse) erhalten eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung. Alle weiteren beruflich qualifizierten Studieninteressierten können eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung durch den erfolgreichen Abschluss eines Eignungsfeststellungsverfahrens oder eines mindestens einjährigen Probestudiums erwerben. Die landesspezifischen Hochschulzugangsberechtigungen werden nach mindestens einjährigem erfolgreichem Studium in allen Bundesländern anerkannt (Duong, Nickel, 2012, S.44). Die Bundesländer haben darüber hinaus eigenmächtige Entscheidungsgewalt und können weitere Regelungen beschließen und somit den Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2009 auf Landesebene ergänzen bzw. verändern. Somit unterscheiden sich die Zulassungsvoraussetzungen von Bundesland zu Bundesland. Kernziel aller Bundesländer ist jedoch die Verknüpfung von verschiedenen Bildungswegen, sowie das europäische Ziel des Lebenslangen Lernens in das deutsche Bildungssystem zu integrieren. Trotz dieser formalen Unterschiede innerhalb der Bundesrepublik kristallisieren sich letztlich Typen des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte heraus:
- Direkter Hochschulzugang für beruflich besonders Qualifizierte,
- Hochschulzugang über eine Zulassungsprüfung,
- Hochschulzugang über ein Probestudium,
- Hochschulzugang über die Begabtenprüfung (Nickel/Leusing, 2009, S.35).
Mit dem direkten Hochschulzugang beruflich Qualifizierter sind Personen gemeint, die über eine Meisterprüfung oder ähnliches verfügen und somit berechtig sind ohne Zulassungsverfahren ein Studium aufzunehmen. Der Hochschulzugang über eine Zulassungsprüfung kommt für Bewerber/innen in Frage, die über eine Prüfung die Hochschulzugangsberechtigung erlagen möchten. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Zulassungsprüfung nur zu einem Studium an einer bestimmten Hochschule berechtigt, nämlich an der, die diese Prüfung abnimmt. Ebenso ist es möglich mittels Probestudium einen Hochschulzugang zu erlangen. Dabei erreichen beruflich qualifizierte Studierende eine Zulassung nach erfolgreich abgeschlossenem Probestudium. Als vierte Möglichkeit kommt der Hochschulzugang mittels Begabtenprüfung in Frage. Bei dieser Form der Zulassung wir über eine besondere Prüfung das Abitur erworben und ermöglicht zugleich eine uneingeschränkte Zulassung zum Hochschulstudium. Somit kann durch diese Prüfungsform an jeder Hochschule studiert werden.
Neben dieser Sichtweise auf den „dritten Bildungsweg“, welche in erster Linie aus Sicht der Politik und Universitäten bestimmt wird, geht es letztlich auch um die Sichtweise der einzelnen Studienbewerber/innen. Die Politik, Vertreter der Universitäten und letztlich die Kultusministerkonferenz beschließen Maßnahmen zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung, erörtern wie diese Durchlässigkeit transparenter dargestellt werden kann und beschäftigen sich mit Zugangsmöglichkeiten und darüber hinaus auch mit der Vereinbarkeit von Studium und sozialem Umfeld der Bewerber/innen. Allerdings wäre es auch interessant sich mit der Sichtweise der Studierenden auseinander zusetzen und somit eine ganz andere Sicht auf diese Chance des „Dritten Bildungswegs“ zu beleuchten. Jedoch ist die reale Wirkung der Öffnung im Hinblick auf Umfang, Entwicklung und Erwartungen der beruflich qualifizierten Studienanfängerinnen und –anfänger […] vergleichsweise wenig bekannt (Buchholz et al., 2012, S.12). Aufgrund dessen bezieht sich meine Forschungsfrage auf genau diese zu wenig beleuchtete Stelle der Sozialforschung. Somit lautet meine Forschungsfrage wie folgt:
„Wie vollzieht sich der Übergang von der Berufstätigkeit in das berufsbegleitende Fernstudium der Bildungswissenschaft mittels drittem Bildungsweg aus Sicht eines Studenten?“
Die Hauptgruppe des „dritten Bildungswegs“ stellen, wie bereits mehrmals erwähnt, die beruflich qualifizierten Bewerber/innen dar. Doch was versteht die Gesellschaft letztlich unter diesem Begriff? Bei der beruflichen Qualifikation handelt es sich um die Regelung der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung des sekundären Bildungsbereichs, hier insbesondere hinsichtlich des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung (Freitag, 2012, S.11). Für die Berufs- und Bildungsbiographie der „beruflich Qualifizierten“ stellt ein Studium eher ein Anschlusslernen im Zusammenhang mit der Erweiterung persönlicher Interessensgebieten und der Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs dar. Nicht- traditionelle Studierende weisen aufgrund ihrer bisherigen Bildungs- und Berufsbiographien ein hohes Vorbildungs- und Vorleistungsniveau […] auf, so dass sie keine Risikogruppe im Studium darstellen (Frommberger, 2012, S.185). Durch diese Darstellung ist es möglich die erste Hypothese abzuleiten. Diese lautet:
„ Es wird vermutet, dass Fernstudierende des dritten Bildungswegs eine hohe Weiterbildungsmotivation aufweisen.“
Ebenso handelt es sich bei dieser Personengruppe um Bewerber/innen, die mitten im Berufs- und Familienleben stehen und sozialen Verpflichtungen nachkommen müssen. Diese Personen haben alle einen Anteil am sozialen, politischen und kulturellen Leben. Neben der sozialen Herkunft ist auch die Einbindung in Freundes- und Familienkreise oder andere gesellschaftliche Gruppen während des gesamten Bildungsverlaufs von Bedeutung (Heibült, Anslinger, 2012, S.11). An dieser Stelle kommt die nächste Hypothese zum tragen:
„Es wird vermutet, dass der Rückhalt der Familie bei der Bewältigung des Übergangs eine zentrale Rolle spielt.“
Freitag (2012) identifiziert in diesem Zusammenhang drei Motive für den dritten Bildungsweg in die Hochschule: aufsteigen, verändern, bewahren (S.83). Mit dem Begriff „aufsteigen“ beschreibt die Autorin das Ziel des beruflichen Aufstiegs, das gleichzeitig mit einem steigenden Einkommen und somit auch sozialem Aufstieg gekoppelt ist. Durch die „Veränderung“ stehen den Personen Tätigkeitsalternativen innerhalb des Betriebs und Möglichkeiten zum Ausbau der beruflichen Qualifikationen außerhalb des bisherigen Berufs offen. Zudem besteht die Möglichkeit Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten auszubauen und somit sein persönliches kognitives Potential zu erweitern. Mit Hilfe des Begriffs „bewahren“ beschreibt die Autorin eine Perspektive der Arbeitssicherung innerhalb des Berufsfeldes. So kann einem persönlichen sozialen Abstieg vorgebeugt werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die beruflich qualifizierten Studierenden erhoffen, durch die höheren Qualifikationen auch einen in der betrieblichen Hierarchie höher bewerteten und besser bezahlten Arbeitsplatz zu erhalten (Wolter, 1991, S.155). Zum Schluss kann die dritte Hypothese genannt werden:
„Es wird vermutet, dass sich Fernstudierende nach erfolgreichem Studienabschluss einen besser bezahlten Arbeitspatz erhoffen.“
3 Empirischer Teil
3.1 Problemzentriertes Interview nach Witzel
Um der Forschungsfrage gerecht zu werden und die Sicht des Studenten auf den dritten Bildungsweg zu beleuchten, ist es wichtig eine Erhebungsmethode auszuwählen, die sich mit einem zentralen Problem befasst und die subjektive Sicht des Interviewten zulässt. Daher wird das problemzentrierte Interview nach Witzel ausgewählt, da die in der Tradition der Grounded Theory entwickelte Methode in ihrer Gegenstandsorientierung beinhaltet, dass im Verlauf des Interviews biografische Lebensabschnitte explizit werden und im Rahmen der individuellen Auseinandersetzung mit der sozialen Realität, Deutungsmuster von den Interviewten themenbezogen herausgearbeitet werden (Heibült & Anslinger, 2012, S.14). Die Grundpositionen des problemzentrierten Interviews sind die Problemzentrierung, die Gegenstandsorientierung und die Prozessorientierung (Friebertshäuser & Langer, 2010, S.442). Die Problemzentrierung meint dabei, dass sich das Interview an einer Problemstellung orientiert und sich der Interviewer somit bereits im Vorfeld des Interviews mit dem Forschungsproblem auseinander setzt, um gezielt durch Nachfragen auf das Forschungsproblem hinzulenken. Die Gegenstandsorientierung besagt, dass die Methode eine Flexibilität aufweist hinsichtlich der Interviewtechnik. Das Interview wird der Forschungsfrage und dem damit zu untersuchenden Themenschwerpunkt individuell angepasst. Die Prozessorientierung beschreibt den Forschungsablauf und die Schaffung einer Vertrauensbasis während des Interviews. Nur durch eine vertrauensvolle Basis während des Interviews kann eine Offenheit seitens des Interviewten ermöglicht und somit ein Informationsfluss gewährt werden.
Das problemzentrierte Interview besitzt laut Witzel (2000) vier Instrumente, die bei der Durchführung zur Unterstützung dienen sollen. Zum einen handelt es sich dabei um einen Kurzfragebogen, der sich mit den Sozialdaten der Interviewperson auseinandersetzt und so das eigentliche Interview von diesen Daten entlastet, zugleich aber wichtige Daten für die Auswertung des Interviews zusammenfasst. Zum anderen handelt es sich dabei um den Leitfaden. Dieser besteht aus Sondierungsfragen und Ad-hoc-Fragen, welche als Stichpunkte gesammelt werden. Sondierungsfragen greifen die relevanten thematischen Aspekte auf und Ad-hoc-Fragen ermöglichen ein gezieltes Nachfragen am problemzentrierten Thema und greifen nicht verstandene Themenkomplexe auf. Somit ist das Interview einerseits induktiv geleitet durch das Erfragen der subjektiven Problemsicht mittels erzählgenerierenden Einleitungsfrage. Andererseits wird das Interview deduktiv geleitet durch das leitfadengestützte Nachfragen mittels Sondierungsfragen oder Ad-hoc-Fragen. Als drittes Instrument gilt die Tonaufzeichnung. Das Interview wird als Gesprächsprotokoll aufgezeichnet und ermöglicht im Nachhinein eine Transkription. Somit kann sich der Interviewer auf das Gespräch konzentrieren und wird nicht durch unnötiges Mitschreiben abgelenkt. Ebenso lassen sich so nonverbale Äußerungen wahrnehmen. Unmittelbar nach dem Gespräch werden als viertes Instrument Postskripte erstellt, die Gesprächsnotizen und nonverbale Äußerungen erhalten.
3.2 Feldzugang
Um im Rahmen des Themenkomplexes „Dritter Bildungsweg“ die Sichtweise der Studierenden deutlich zu machen, ist es wichtig, eine Person zu interviewen, die genau diesen Bildungsweg bestreitet und erzählen kann, wie sich dieser aus Sicht der Studierenden darstellt. Aufgrund dessen ist es möglich, eine zweite Seite des dritten Bildungswegs wahrzunehmen und die Sicht der Universitäten und der Politik neu einzuordnen. Dank dieser Tatsache fiel die Wahl der Interviewperson auf einen beruflich qualifizierten Erstsemesterstudenten der Bildungswissenschaft. Dieser befindet sich noch am Anfang des Studiums und hat den Zulassungsprozess zum Studium gerade erst beendet. Somit sind alle Eindrücke, Gefühle und rechtlichen Rahmenbedingungen noch verinnerlicht und können sehr real wiedergegeben werden. Ebenso sind die Erwartungen, Ängste und Nöte bzgl. des Studiums noch präsent und ermöglichen eine subjektive Sicht auf die Wahrnehmung dieser Bildungschance.
3.3 Grounded Theory
Das problemzentrierte Interview wurde von Witzel aus der Grounded Theory heraus entwickelt. Daher stellt die Grounded Theory in diesem Fall die optimale Auswertungsmethode dar. Die Grounded Theory arbeitet mit der Vorstellung von in aufeinander folgenden Problemlösungsschritten herzustellende Modifikationen, Differenzierungen und Erweiterungen des theoretischen Modells. Es wird also ebenso gewissenhaft nach Fällen und Ereignissen gesucht, die den vorläufigen theoretischen Aussagen nicht entsprechen, diese Befunde werden aber in forschungslogisch anderer Weise in den Theoriebildungsprozess integriert (Strübing, 2004, S.32). Der Prozess der Datenerhebung und Datenauswertung ist miteinander verknüpft. Es werden Daten zur Bildung einer Theorie erhoben und gleichzeitig werden aus dieser Theorie Datenstrukturen sichtbar, die noch weitergehend untersucht werden müssen. In diesem Zusammenhang wird der Begriff des „Samplings“ verwendet. Theoretisches Sampling ist ein in mehrfacher Hinsicht Qualität sicherndes und kontrollierendes Verfahren: Es fördert einerseits die konzeptuelle Dichte der entstehenden Theorie, indem Varianten des Phänomens systematisch erarbeitet und durch übergreifende Kategorien integriert werden. Es erhöht damit aber zugleich auch die Reichweite der Theorie, indem es in kontrollierten und explizierten Schritten eine Auswertung des Untersuchungsbereichs ermöglicht und so in Richtung auf eine umfassende Theorie des Gegenstandsbereichs wirkt (Strübing, 2004, S.32). Die ersten Daten werden breit gefächert anhand der Forschungsfrage erhoben. Im zweiten Schritt des Samplings werden diese Daten differenziert betrachtet und nur die interessierenden und zum Forschungsthema passenden Daten werden weiter verfolgt. Wichtig ist dabei, dass die Forscher-/innen das theoretische Vorwissen über ihr Forschungsgebiet ein- bzw. ausklammern sollten, um möglichst unbeeinflusst viele neue Aspekte des Problemfelds finden und durchspielen zu können (Friebertshäuser & Langer, 2010, S. 285). Im Rahmen der Grounded Theory wird die bereits beschriebene Analyse von Daten mit dem Begriff „Kodieren“ bezeichnet. Das Kodieren besteht aus drei Formen: offenes Kodieren, axiales Kodieren und selektives Kodieren.
Jedoch muss man sich klar machen, dass die Datenerhebung kein abgeschlossener Vorgang zu Beginn des Forschungsprozesses sein kann, sondern ein sukzessives Prozedere mit deutlichem Schwerpunkt im ersten Stadium der Forschung, jedoch mit möglichen Ergänzungen und Datenerhebungen selbst während des Auswertungsprozesses (Kaiser, Reinartz & Truschkat, 2005, S.17). Deshalb stellt sich die Frage, wann der Forscher davon ausgehen kann, dass er ausreichend Material im Rahmen seiner Datenerhebung gesammelt hat. Hierbei kommt der Begriff „theoretische Sättigung“ ins Spiel. Die zirkuläre Abfolge von Datenerhebung und Datenauswertung verleiht dem Forschungsprozess die Offenheit, die nötig ist, um eine gegenstandsbezogene Theorie aus der Empirie heraus zu entwickeln. Eine solche Theorie ist dann erreicht, wenn alle Kategorien und alle Beziehungen zwischen den Kategorien gut ausgearbeitet und validiert sind. In diesem Fall spricht man von einer „theoretischen Sättigung“ (Kaiser, et al., 2005, S.17). Also muss ein Forscher die nötige Sensibilität aufweisen um nach eigenem Ermessen festzustellen, wann sich Daten wiederholen und die theoretische Sättigung erreicht ist.
3.3.1 offenes Kodieren
Beim offenen Kodieren werden interessante Textstellen aus der Transkription des Interviews mit einem Konzept/Code versehen. Dabei wird die Transkription „line by line“ angeschaut. Diese Konzepte werden als Oberbegriffe für die Textstellen verstanden. Nachstehend zwei Beispiele (vgl. Anhang 4):
Beispiel I: „[…] sitzen und gar nichts tun, also keine weiteren Vormaßnahmen durchzuführen für meine berufliche Zukunft, ist auch nicht gut (Zeile 16). “ Dieser Textstelle wird das Konzept „Nichts tun ist für die Zukunft nicht gut“ zugeordnet.
Beispiel II: „Diese ganzen Aspekte spielen für mich eine Rolle, da ich im Moment noch zwischen den Stühlen stehe und noch nicht ganz genau weiß, was ich in naher Zukunft damit machen will (Zeile 46).“ Dieser Textstelle wird das Konzept „Momentan noch eine unsichere Zukunft“ zugeordnet.
Die gewonnenen Informationen werden anhand einer Tabelle gesammelt. So ist in jeder Tabellenzeile eine Textstelle mit dazugehöriger Zeilennummer und passendem Konzept zu finden. Letztlich wird dieses Schema mit allen interessanten Textstellen des transkribierten Interviews durchgeführt. Anschließend werden die gesammelten Konzepte miteinander verglichen und es wird geschaut, welche Konzepte zu welchen Themenkomplexen passen. Die Konzepte, die sich zu einem bestimmten Thema zusammenfassen lassen werden zu einer Kategorie gebündelt. Dabei ist darauf zu achten, dass jedes Konzept nur einer Kategorie zugeordnet werden darf. Zurückgreifend auf die oben aufgeführten Beispiele, werden diese zu einer Kategorie „Zukunftssicherung“ (vgl. Anhang 5) zusammengefasst. Die dabei neu entstehende Datenmatrix wird ebenfalls anhand einer Tabelle visualisiert. So sind in jeder Tabellenzeile das Konzept, die Zeilennummer und die Kategorie aufzufinden. Im Anschluss geht der Auswertungsprozess in das axiale Kodieren über.
3.3.2 axiales Kodieren
Der Prozess des axialen Kodierens beinhaltet das Herstellen der empirischen Beziehungen zwischen den Kategorien, die im Rahmen des offenen Kodierens entwickelt wurden (Kaiser, et al., 2005, S. 14). Dabei werden die gewonnen Daten auf eine andere Art wieder zusammengesetzt, wobei in diesem Fall nur die Kategorien zählen. Folgende Kategorien (vgl. Anhang 5) sind im Laufe dieser Forschungsarbeit entwickelt worden: „Beruf, Krankheit, Zukunftssicherung, Abitur, Dritter Bildungsweg, Hoffnung, Motive für das Studium, berufliche Perspektiven, Ängste und Nöte, Studienart, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Rollenverhalten, Kompetenzen, finanzielle Absicherung.“ Die jeweiligen Kategorien werden folgenden Begriffen zugeordnet: Phänomen, Bedingungen, Handlungsstrategien und Konsequenzen. Alle vier Eigenschaften müssen sich aufeinander beziehen. Das Phänomen beschreibt das zentrale Ereignis wonach man im Interview gefragt hat. Diesem Begriff wird die Kategorie „Motive für das Studium“ zugeordnet. Die Bedingungen sind Ursachen, die zum Auftreten des Phänomens führen. Unter diesen Begriff fallen die Kategorien „Beruf, Krankheit, Abitur und finanzielle Absicherung.“ Die Handlungsstrategien stellen Interaktionen dar, die etwas bewältigen. Folgende Kategorien lassen sich den Handlungsstrategien zuordnen: „dritter Bildungsweg, Hoffnung, Studienart, Vereinbarkeit von Beruf& Familie, Rollenverhalten und Kompetenzen.“ Schließlich stellen die Konsequenzen das Resultat dar. Zu den Konsequenzen zählen sich die Kategorien „Zukunftssicherung und berufliche Perspektiven.“
3.3.3 selektives Kodieren
Als dritter Schritt geht die Auswertung in das selektive Kodieren über. Dabei wird eine Kernkategorie identifiziert, aus der die gegenstandsbezogene Theorie abgeleitet werden kann. Wenn sich alle Kategorien um eine bestimmte Kategorie kreisen, ist die Kernkategorie, also das zentrale Problem, gefunden. Diese Kernkategorie, in diesem Fall „Motive für das Studium“, muss letztlich beschrieben werden. Deshalb wird eine analytische Geschichte konstruiert, aus der letztlich die Grounded Theory abgeleitet werden kann. Aus dem Kategorieschema ergibt sich folgende analytische Geschichte:
„Die plötzlich eintretende Krankheit und der fehlgeschlagene Weg zum Abitur haben mit dazu beigetragen, dass die beruflichen Ziele nicht mehr erreicht werden können. Dadurch ist die finanzielle Absicherung in der Zukunft nicht mehr zu gewährleisten. Um diese jedoch zu erreichen wurde der „dritte Bildungsweg“ eingeschlagen, und hat einem Teilzeitstudium den Weg geöffnet. Dieses lässt sich auch sehr gut mit der Familie und dem Beruf vereinbaren, so dass die Rolle des Studenten gut gelebt werden kann und die Kompetenzen optimal eingesetzt und weiterentwickelt werden können. Daraus ergibt sich mittels hoffentlich erfolgreichem Studienabschluss eine neue berufliche Perspektive zur Zukunftssicherung.“
[...]