Diese Arbeit beleucht die Figur des König Marke in Eilharts von Oberge 'Tristrant und Isalde'. Die Forschung stellt ihn oft als blasse Figur dar, besonders im Vergleich mit dem Marke aus Gottfrieds von Straßbourg 'Tristan'. Diese genauere Analyse wirft ein neues Licht auf die Figur.
Dabei werden Details miteinbezogen, die die Forschung bei vorherige Vergleichen mit Gottfrieds Fassung ignoriert hat, wodurch Eilharts Figurenkonzeption lückenhaft erscheinen muss. In diesem Versuch, ein verständlicheres Bild von Marke zu fassen, werden die Rollen, die Marke zu spielen hat, analysiert und die eigentlich vorhandene, wenn auch oft abgestrittene, Kohärenz der Figur aufgezeigt.
Betrachtet wird hier Markes Rollenspektrum vom Herrscher und Beschützer seines Königreiches, über den Heiratsunwilligen mit ungemäßer Beziehung zu seinem Neffen, bis hin zum betrogenen Ehemann, der versucht seine Ehre zurückzugewinnen. Die These hierbei ist, dass Markes Problem – die Unfähigkeit listen zu durchschauen, oder selbst durchzuführen – zu einer Destruktion des Herrschers führt. Marke ist dabei schwer naiv und schädlich gutgläubig. Das macht es zugegebenermaßen nicht einfach seine Handlungen nachzuvollziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Marke als Herrscher und Beschützer seines Königreichs
2.1 Der Königshof Markes
2.2 Der Moroltkampf
3. Heiratsunwilligkeit
3.1 Schwalbenhaarepisode
3.2 Die Braut
4. Der betrogener Ehemann
5. Der Versuch seine Ehre wiederherzustellen
5.1 Todesurteile
5.2 Waldleben
5.3 Verbannung Tristrants
6. Tristrants Rückkehrabenteuer
6.1 Artusepisode
6.2 Narrenszene
7. Markes Wiederherstellung als Herrscher
8. Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Es ist ein bekanntes Motiv der mittelalterlichen Dichtung1: ein Held mit all seiner Kraft, Fer- tigkeit, Schönheit und liste - Tristrant - kommt an den Hof und damit in den Machtbereich ei- nes höfischen Königs - Marke - ein mehr oder weniger idealer Herrscher (im Maßstab zu Ar- tus gesehen), der sich vor allem durch Ritterlichkeit, Großmut und maze profiliert. Laut TOMASEK zeichnet Eilhart von Oberge im Vergleich zu Gottfried von Straßburg, der sei- nen König erheblich bipolarer aufbaut, einen „politischeren, nicht so sehr passiven Herrscher.“2 Der Vergleich zu Gottfrieds Marke ist es allerdings, der oft dafür gesorgt hat, dass Eilharts Marke von der Forschung als blasse, unmotivierte Figur dargestellt wird. Marke, der eine der umstrittensten Figuren der mittelhochdeutschen Dichtung ist, wird immer wieder als „schwankender Charakter, beeinflussbar und unsicher und schwach“3 beschrieben. Er wird als „nicht […] aus einem einheitlichen Wesenskern heraus handelnde Figur“4 sondern „selt- sam farb- und gesichtslos“5 gesehen. Die Liebe zu seinem Neffen Tristrant scheint ihn unbe- ständig und zu einem schlechten Herrscher zu machen. Sein größter Fehler scheint dabei, zwi- schen Herrscherpflicht und Emotionalität hin und her gerissen zu sein.
Jedoch wird diese Arbeit den Standpunkt vertreten, dass der eigentliche Konflikt aus dem Spannungsverhältnis der zwei am häufigsten genannten Themen minne und ê re entsteht. Und hier ist nicht Tristrants Liebe zu Isalde versus Markes Ehre gemeint, sondern der interne Zwiespalt Markes zwischen seiner Liebe zu Tristrant und dem Erhalt seiner herrschaftlichen Ehre.
Diese Arbeit versucht, Eilharts Marke noch einmal neu zu beleuchten. Dabei werden Details miteinbezogen, die die Forschung bei vorherige Vergleichen mit Gottfrieds Fassung ignoriert hat, wodurch Eilharts Figurenkonzeption lückenhaft erscheinen muss. In diesem Versuch, ein verständlicheres Bild von Marke zu fassen, werden die Rollen, die Marke zu spielen hat, ana- lysiert und die eigentlich vorhandene, wenn auch oft abgestrittene, Kohärenz der Figur aufge- zeigt. Betrachtet wird hier Markes Rollenspektrum vom Herrscher und Beschützer seines Kö- nigreiches, über den Heiratsunwilligen mit ungemäßer Beziehung zu seinem Neffen, bis hin zum betrogenen Ehemann, der versucht seine Ehre zurückzugewinnen. Die These hierbei ist, dass Markes Problem - die Unfähigkeit listen zu durchschauen, oder selbst durchzuführen - zu einer Destruktion des Herrschers6 führt. Marke ist dabei schwer naiv und schädlich gut- gläubig. Das macht es zugegebenermaßen nicht einfach seine Handlungen nachzuvollziehen.
2 Marke als Herrscher und Beschützer seines Königreichs
Marke wird als junger, reicher und weit hin bekannter König eingeführt. Er ist Herrscher über Kornevâlis und sein Hof Tintanjôl ist ein zentraler Anziehungspunkt für Generationen von Wîganden, die Abenteuer suchen und sich in der Fremde erproben wollen.7 Auch Tristrants Vater Rivalîn von Lohenois verschlug es seinerzeit an Markes Hof, um dort ê re und pr îs zu gewinnen, indem er dem König im Kampf gegen eine gegnerische Macht aus Îberne beistand. SEEBER et al. bezeichnen Marke deswegen als „schwache[n] Herrscher, der fremder Hilfe von außen bedarf, um sich gegen den übergriffigen Gegner zur Wehr zu setzen.“8 Ob es nun wirk- lich so schandhaft ist, die Hilfe eines Verbündeten anzunehmen, um sein Königreich zu schüt- zen, ist fraglich. Es ist weiterhin schwierig, dies Marke als Schwäche anzurechnen, da er in der Lage ist Rivalîn entsprechend zu entlohnen, indem er ihm seine Schwester Blankeflûr zur Frau gibt.
2.1 Tristrants Ankunft
Markes Herrscherbild ist intakt, als er den fremden Knaben von vielleicht zwölf Jahren, der an seinem Hofe die Ritterschaft erwerben will, herzlich empfängt. Er behandelt ihn vorzüg- lich, bevor dieser auch nur irgend etwas geleistet hat. Tristrant wird in die Obhut des Truch- sess Tînas' übergeben. Dieser was dem koninge l îp gen û g (V. 317): über die Funktion des Mundschenks hinaus ist er ein forste hôch geborn und uz irkorn / daz he s înes r îches w îlt / und im lant undêre behilt (V. 321-324). Tînas befielt dem gesamten Hof, Tristrant vor allen swêren (V. 336) zu behüten.
Tristrant enthält Marke seine wahre Identität zunächst vor. Was hier noch harmlos und nobel motiviert erscheint, ist der Beginn von Schwierigkeiten, gegen die Marke nicht ankommen wird. Das Zusammentreffen von höfischer Welt mit epischem Helden, der sich durch seine Außergewöhnlichkeit nicht in die vorgegebene Ordnung einordnen kann und dabei des Herr- schers Ansehen schädigt, wird in der Môroltkampfepisode zum ersten Mal veranschaulicht.
2.2 Der Môroltkampf
Hier scheint Marke zwischen „öffentlicher Funktion und privater Zuneigung hin- und herge- rissen.“9 Zunächst einmal ist hier jedoch wichtig sich genau anzusehen, was für Marke auf dem Spiel steht und wie er darauf reagiert: Môrolt, der Schwager des irischen Königs, fordert Marke, einen ausstehenden Zins nachzuzahlen: he wêre sôvomezzin, / he hête invorsezzin / mêdenne vunfzên jâr. (V. 407ff). Was in der Forschung ignoriert wird, ist, dass Marke die
Dreistigkeit besitzt, einen König, dessen Anspruch er nicht anerkennt, schlichtweg nicht zu bezahlen und zunächst einmal abzuwarten, was passiert. Dass Marke nun û f sach [ … ] tr û rig z û gote / und clagte ime sêre / die grôzen unêre (V. 444ff), wenn ein Steuereintreiber ihn mit ei- ner ganzen Armee bedroht, erscheint weniger schwach als einleuchtend, auch wenn ihn das nicht so unvorbereitet hätte treffen dürfen. Er hat nun also die Wahl einen Ritter in den Zwei- kampf gegen Môrolt zu schicken, um sein Königreich zu verteidigen, oder den Zins zu zahlen, der aus jedem dritten Kind der letzten 15 Jahre besteht. Marke muss also einen fähigen Ritter finden, denn
' wir en mochten nimir mêre die schande vorwinnen, v û re he alsôwedir hinnen daz in n îman bestunde'. (V. 479 ff)
Tristrant stellt nun wiederholt die Autorität des Königs in Frage. Er bedrängt Marke, ihm die Schwertleite zu erteilen, was ihm trotz Markes Einwand, er sei zu jung10, gelingt. Er 'über- zeugt' Marke in einem der schnellen Redewechsel mit überwiegendem Redeanteil Tristrants. Dies stellt sich als List heraus, um Môrolt entgegen treten zu können. Als Tristrant nun seine wahre Identität enthüllt, um sich als ebenbürtig und des Kampfes würdig zu beweisen, ist es Marke liebe und ouch leide (V. 639). Marke verbietet ihm den Kampf aus keinen anderen Grund, als dass er seinen Neffen nicht, gerade gefunden, sofort wieder verlieren will. Hier „verliert Marke den politischen Horizont seiner Handlungen aus den Augen, […] in der Angst um den lieb gewonnenen Neffen“11 Tristrant widerspricht daraufhin so vehement, dass Marke seine königliche Fassung verliert und zornig wird (V. 674).12 Gottfrieds Marke wirkt hier durch seine Emotionalität schwach, da er schon vor dem Kampf „so weint, daz nie ein her- zelôses w îp die nôt umbe einen man gewan. “13 Weil sein Bild so überhöht angelegt ist er- scheint jede stärker Emotion unpassend. Marke ist jedoch bei Eilhart von Anbeginn der Hand- lung eine wechselhafte, uneindeutige Figur.14 So ergeben bei Eilhart die Gemütsschwankun- gen im Bezug auf die Handlung mehr Sinn. Er resigniert widerwillig, da sich Tristrant nicht von seinem Vorhaben abbringen lässt. Er sieht ein, dass er eher Tristrant den Kampf antreten lassen muss, als einfach den Zins zu zahlen. Denn dies würde im Land sicher für Aufruhr sor- gen und ihn als schlechten König dastehen lassen. Marke rüstet seinen Neffen eigenhändig aus, gibt ihm sogar sein eigenes Pferd, küsst ihn und drückt ihn an die Brust.15 Hier klingt die Bevorzugung Tristrants an, die später zum Problem wird. Während Gottfried Marke „in ein schlechtes Licht rückt, indem er ihn effeminiert und als ängstlich darstellt“16, zeigt Eilhart Marke als zurecht besorgt. indem er Tristrant wünscht, dass der Herrgott ihm beistehen möge. SEEBER et al. behaupten, dass Eilhart ein topisches Herrscherbild aufruft, das von der tatsäch- lichen Herrschaftsausübung Markes unterlaufen wird: „Insgesamt bleibt Marke [...] im Typi- schen und gewinnt keine Züge, die ihn als Individuum kennzeichneten oder gar konstituier- ten“17 Dem ist entgegenzuhalten, dass, während Gottfried Marke beinahe karikiert, Eilhart ihn bei negativer Handlung negativ markiert ganz im Gegensatz zu Tristrant der immer der gute Held ist, egal wie verwerflich seine Handlungen sein mögen. Er ist gerade nicht der ideale Herrscher, der immer die Fassung bewahrt: Er zeigt Gefühle, klare Vorlieben, fehlenden Durchblick, politischen Trotz und einen gewissen Individualisierungsdrang, indem er entge- gen seiner königlichen Pflicht nicht heiraten will.
3 Heiratsunwilligkeit
Tristrant übt, gewollt oder nicht, eine extreme Anziehungskraft auf seinen Onkel aus.
Dem koninge wart he sôl îp,
daz he dorch s înen willen nit
ê l îches wibes wolde plegin. (V. 1337 ff).
Er setzt Tristrant als seinen Thronfolger ein. Tristrant scheint dies auch zu verdienen. Er hat das Land vor Môrolt bewahrt und ist dabei fast gestorben - dem r îchen koninge Markin / n îsôleide geschach. (V. 1140f). Er hat damit die Ehre des Königs beschützt und das ganze Land vor der schlimmstmöglichen Schmach bewahrt.
Ob Marke hiermit auch das Problem einer generellen Heiratsunwilligkeit umgeht, bleibt Spe- kulation. Als seine Gefolgsmänner ihn bitten, eine Frau zu nehmen, lehnt er dies jedenfalls entschieden ab. Der Hof denkt, Tristrant hätte Marke dazu überredet. Als Folge dessen ist die Atmosphäre am Hof, was Tristrant anbelangt, trotz seiner Heldenhaftigkeit angespannt. Man gönnt ihm seine Erfolge nicht. Nun entspringt dies zum einen aus der grundsätzlich neidvol- len Haltung, die Tristrant von einem Teil des Hofes entgegen gebracht wird - vor allem den Fürsten um Antrêd, der im selben Verwandtschaftsverhältnis zu Marke steht wie Tristrant. Zum anderen kann dies aber auch ein Indiz sein, dass der König seine Entscheidungen allzu oft von Tristrant abhängig macht, ihn öffentlich bevorzugt, sich vielleicht allzu oft von ihm überzeugen lässt. Marke wird vorgeworfen er schätze Tristrant mit unmâze (V. 3186), was die- ser allerdings als puren Neid abtut. Auch der Erzähler verurteilt den Neid der unfrommen und bösen18 Fürsten und stellt ihnen Tristrants perfektes Heldentum gegenüber. Seine Neider lassen Tristrant ihre Ungunst spüren, und er stellt sich nun was die Heiratsfrage angeht gegen den König, um seine eigene ê re zu wahren, denn ê re ist immer höchstes Gut. Bei einer erneuten Konfrontation mit seinen Beratern erbittet Marke sich Bedenkzeit, was die Fürsten zunächst beschwichtigt, Marke aber in die Zwickmühle bringt eine List erdenken zu müssen, um seinen Willen durchsetzen zu können.
3.1 Schwalbenhaarepisode
Die Idee, nur die Frau ehelichen zu wollen, um deren Haar zwei Schwalben sich im Thronsaal zanken, ist verbunden mit der Hoffnung auf die Unmöglichkeit der Erfüllung des Wunsches.19 Marke hält sich für besonders spitzfindig, ist dabei aber nicht subtil genug. Den Fürsten ist so- fort klar, dass der König sie austricksen will. Marke rechnet nicht damit, dass Tristrant sich der Aufgabe widmet. Doch der will ihrer beider Ehre verteidigen, da die Fürsten wieder den- ken, er habe dem König zu dieser List geraten. An dieser Stelle wird deutlich, dass die höfi- sche Welt nicht in der Lage ist, funktionierende Listen zu ersinnen. Es sind stets nur Heldenfi- guren, deren Listen funktionieren (Tristrant, Isalde, Tochter des wenig idealen König aus dem heldenhaften Irland, Keie, der unritterlichste aller Artusritter, der Zwerg Satanâs). So muss sich Marke schließlich dem Willen seiner Fürsten beugen. Es scheint auch keine schlechte Idee Tristrant für eine Weile aus dem Schussfeuer zu nehmen, während dieser auf Werbungs- fahrt geht.
Die Heirat mit Isalde dient Marke nicht zur Vergrößerung seines Herrschaftsbereiches und nur indirekt und unerwähnt zur Machtfestigung - mit der Heirat der Tochter seines größten Feindes schließt er wohl automatisch Frieden. Die einzig erzielte politische Funktion dieser Verbindung ist die Beruhigung der Gefolgsmänner.20 Nach SCHÖNHOFF dient die Ehe weniger machtpolitischen Interessen.21 In der Beziehung zwischen Marke und Tristrant wird sie allerdings genau dazu entfremdet. Isalde, die als Sinnbild der minne fungieren sollte wird paradoxerweise zum Symbol für ê re. Der nicht einmal öffentliche Kampf um Isalde zerstört sukzessiv Markes Freundschaft und Vertrauen zu Tristrant. So gewinnt Marke nicht nur eine Frau, die er nicht wollte, sondern verliert auch noch seinen vr û nt (V. 757). Da Isalde ihm kein Kind gebiert, ist nicht einmal die Kontinuität seiner Herrschaft gesichert.
3.2 Die Braut
Es stellt sich oft die Frage, wem Isalde eigentlich zusteht. Hier werden Schemata aus Heldenepen und Werbungsrecht hervorgeholt. Dem Stärksten steht die Schönste zu; der Werbehelfer muss die Braut dem herrschaftlich adäquaten Werber übergeben. Doch die Erwerbung der Braut durch den Drachenkampf verschiebt das Recht auf die Braut vom Werber auf den Werbungshelfer, da Tristrant derjenige ist, der sich als würdig erweist.
„Was bei Gottfried trotz allem höfischen Glanz als barbarischer Brauch der Eheschließung erscheint, ist [bei Eilhart] selbstverständliche, von allen akzeptierte Praxis: Die schönste Frau gehört dem vornehmsten Mann, Tristrant eher als dem Truchseß, Marke eher als Tristrant“22 und damit steht es nicht in Frage, Isalde an Marke zu übergeben. „Legale Beziehungen zwischen Mann und Frau werden allein durch die ê re geregelt.“23
Gegenübergestellt sind hier schicksalshafte und rechtliche Ebenen der Paarbildung.24 Dem Trinken des Minnetrankes folgt ein unverzeihlicher Loyalitätsbruch, da Tristrant von nun an Isalde seiner vrawe (V. 2811) dient, anstatt Marke, ohne sich auch nur helfen zu können. Durch die Minne des Trankes werden auf magische Weise alle Werbeschemata trotz ihrer Einhaltung hinfällig, die Liebe der beiden lässt sich nicht politisch kalkulieren25. Es geht für Marke im Anschluss vor allem um den Erhalt seiner Ehre, wobei ihm Tristrant als deren oberster Vertei- diger verloren gegangen, zum Gegner geworden ist, ohne das Marke es auch nur ahnt.
4 Der betrogener Ehemann
Durch die Trankminne und den daraus folgenden Ehebruch gerät Marke in eine Aporie zwi- schen seiner Zuneigung und Liebe zu Tristrant und der Verteidigung seiner Ehre. Die Beziehung zwischen Tristrant und Isalde bringt die Ordnung an Markes Hof zwangsläufig durcheinander. Sie ist „eines der schlimmsten innenpolitischen (nicht nur privaten) Ereignisse, die einem Herrscher […] damals zustoßen konnten - und [passiert] sogar mehr oder minder öffentlich.“26 Strohschneider spricht hier vom klaren Gegensatz von Liebe und gesellschaftli- cher Ordnung.27
Hierbei scheint der Ehebruch jedoch nicht so gravierend wie der Verrat an Markes Vertrauen. Marke verteidigt Tristrant vehement, als dessen Neider Marke mit n îdesch lugenmêre (V. 3171) gegen seinen Neffen aufwiegeln wollen. ' Ich en mag s în nicht entperen' (V. 3193) Der Vorwurf,
[...]
1 Das 'Nibelungenlied' und Strickers 'Daniel vom blühenden Tal' haben ähnliche Ausgangspunkte.
2 TOMASEK, TOMAS: Gottfried von Straßburg, Stuttgart 2007 (RUB 17665), S. 268
3 HOLLANDT, GIELSELA: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan. Wesenszüge, Handlungsfunktion, Motiv der List, Berlin 1966, S. 76 Im Folgenden: HOLLANDT
4 HOLLANDT, S. 78
5 ebd.
6 Angelehnt ist hier an die Destruktion des Heros von Jan-Dirk Müller. 2
7 SEEBER, STEFAN et al: Rex mutabilis. Wandlungen des Königs Marke in den deutschen Fassungen des Tristanstoffs, Freiburg 2013, S. 3f , im Folgenden: SEEBER et al. 2013
8 ebd.
9 SEEBER et al. 2013, S. 5 3
10 V. 504
11 SEEBER, STEFAN: ›Ein vriuntlîchez zornelîn‹: Zu den Freundschaftsdarstellungen in den deutschen Tristanbearbeitungen des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Amicitia: Friendship in Medieval Culture. Papers I Honour of Nigel F. Palmer, ed. by ALMUT SUERBAUM and ANNETTE VOLFING (=Oxford German Studies 36, 2007), S. 268-283, hier S.276, im folgenden: SEEBER 2007
12 Zorn ist ein negatives Attribut, das jenseits des Schlachtfeldes gerade für einen Herrscher absolut schad haft ist.
13 ebd.
14 vgl. SEEBER 2007, S. 276 4
15 V. 750-780
16 SEEBER 2007, S.276
17 vgl. SEEBER et al. 2013, S. 5 5
18 V. 3095, 3098
19 vgl. SEEBER et al. 2013, S. 5
20 Zu Funktionen der Ehe siehe STROHSCHNEIDER, PETER: Herrschaft und Liebe. Strukturprobleme des Tristanromans bei Eilhart von Oberg, in: ZfdA 122, 1993, S. 36-61, S. 36. Im Folgenden: STROHSCHNEIDER
21 SCHÖNHOFF, JUDITH: Von werden degen und edelen vrouwen zu tugentlichen helden und eelichen hausfrawen. Zum Wandel der Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit in den Prosaauflösungen mittelhochdeutscher Epen, Frankfurt a.M. 2008 (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte 47), S. 189. Im Folgenden: SCHÖNHOFF6
22 MÜLLER, J., S. 23
23 MÜLLER, JAN-DIRK: Die Destruktion des Heros oder wie erzählt Eilhart von passionierter Liebe?, in: Il romanzo di Tristano nella letteratura del Medioevo. Der Tristan in der Literatur des Mittelalters, a cura di PAOLA SCHULZE BELLI / MICHAEL DALLAPIAZZA, Triest 1990, S. 19- 37, S. 23. Im Folgenden: MÜLLER, J.
24 SCHÖNHOFF, S. 190
25 HAUENSTEIN, HANNE: Zu den rollen der Marke-Figur in Gottfrieds 'Tristan'. Göppingen 2006, S. 63
26 MÜLLER, U., S. 573
27 STROHSCHNEIDER, S.42 7