Mit dem zunehmenden Entdeckungsdrang ab dem 15. Jahrhundert und dem Bestreben der Neuzeit, die gesamte Welt zu ordnen, sollte auch das Meer bezwungen werden. Die Ordnung des Meeres manifestierte sich vor allem in der Erstellung von Seekarten, die mehr und mehr einem mathematischen und geographischen Blick unterstanden. Aufbauend auf den mittelalterlichen Seekarten entwickelten sich vor allem in den aufstrebenden Seefahrernationen neue Techniken und Methoden. Jedoch warf der Versuch einer Ordnung des Meeres Probleme auf, die oft jahrelang nicht gelöst werden konnten.
Karten und Entdeckungen haben sich stets in ihrem Fortschritt bedingt. Die Erforschung der neuzeitlichen Navigationstechniken fand aber bisher nur wenig Platz in der Forschungsliteratur. Dies ergibt sich wahrscheinlich aus der Komplexität dieser Thematik, die ein gewisses Wissen in den Bereichen der Astronomie und der Geometrie verlangt. Doch wie wurden Seekarten erstellt? Welche Methoden kamen hier zum Einsatz? Welche Errungenschaften konnte die neuzeitliche Navigation erreichen und wo waren ihre Grenzen? Genau auf diese Fragestellungen soll in dieser Arbeit eine Antwort gefunden werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist eine Seekarte?
3. Die Entwicklung der Seekarte im Mittelalter
3.1. Von Karten und Kompassen - die Seefahrt vor den großen Entdeckungen
3.2. Die mittelalterliche Portolankarte
4. Das Zeitalter der europäischen Expansion
4.1. Die Seekarte zwischen Macht und Motivation
4.2. Die Wiederentdeckung des Ptolemäus
4.3. Grenzen und Fortschritt der neuen Navigationstechniken
4.3.1. Himmelskörper als Hilfsmittel: Die Entwicklung der Astronavigation
4.3.2. Die Krise der frühneuzeitlichen Kartographie: das Kursproblem und die korrekte Darstellung der Erde
4.3.3. Die Lösung des Längengradproblems
5. Die Seekarte in Wikipedia: Wissenschaft oder Laiengeschwafel?
6. Schlussbemerkung
Bibliographie
Abstract
This paper examines the development of sea charts and navigation in modern history. Because of the high taxes on Asian products in the 15th century, Western European nations invested more and more in finding direct contacts to Asia over the sea. The domination of the sea became a mirror of power and rivalry. Due to governmental support, the rediscovery of Ptolemy’s studies and the upcoming of sea charts in the Middle Ages, new techniques could be developed by mathematicians and navigators. Main achievements were the rise of astronavigation, the first correct projection of the earth by Gerhard Mercator and the exact determination of longitude with the help of John Harrison’s clock. This progress allowed navigators to determine their exact position and to sail according to the right latitudes and longitudes. The development of the sea chart, however, is not extensively treated in secondary literature. For this reason, the treatment of this topic in Wikipedia shall be analyzed to detect the approach to the history of sea charts by a non-scientific public.
1. Einleitung
Das Meer übte immer schon eine immense Faszination auf die Menschen aus. Gewaltig, groß und unendlich schien es, beängstigend und wunderschön zugleich. Deshalb waren die Kapitäne bis zur Frühen Neuzeit relativ vorsichtig und segelten meist nur entlang der Küsten. Mit dem zunehmenden Entdeckungsdrang ab dem 15. Jahrhundert und dem Bestreben der Neuzeit, die gesamte Welt zu ordnen, sollte nun auch das Meer bezwungen werden. Diese Ordnung des Meeres manifestierte sich vor allem in der Erstellung von Seekarten, die es zwar schon im 13. Jahrhundert gegeben hatte, nun aber mehr und mehr einem mathematischen und geographischen Blick unterstanden. Der Aberglaube wurde abgelegt und machte Platz für eine wissenschaftliche Erkundung des Meeres und der Seerouten.1 So wurde die korrekte Positionsbestimmung, die richtige Kurssetzung und das Segeln entlang exakter Stecken immer wichtiger. Aufbauend auf den mittelalterlichen Seekarten entwickelten sich vor allem in den aufstrebenden Seefahrernationen neue Techniken und Methoden. Jedoch warf der Versuch einer Ordnung des Meeres Probleme auf, die oft jahrelang nicht gelöst werden konnten.
Karten und Entdeckungen haben sich stets in ihrem Fortschritt bedingt. So folgten die Seemänner etwa den Fehlern der Karten und die Kartographen profitierten wiederum von neuen Erkundungen. Die Erforschung der neuzeitlichen Navigationstechniken fand aber bisher nur wenig Platz in der Forschungsliteratur, besonders in der deutschsprachigen. Die meisten Werke und Artikel beschäftigen sich eher mit der Verzierung historischer Seekarten als mit der eigentlichen Erstellung. Dies ergibt sich wahrscheinlich aus der Komplexität dieser Thematik, die ein gewisses Wissen in den Bereichen der Astronomie und der Geometrie verlangt. Doch wie wurden Seekarten erstellt? Welche Methoden kamen hier zum Einsatz? Welche Errungenschaften konnte die neuzeitliche Navigation erreichen und wo waren ihre Grenzen? Genau auf diese Fragestellungen soll in dieser Arbeit eine Antwort gefunden werden. Da die Kartographie genauso wie die Geschichte selbst ein Prozess ist, scheint es notwendig, die Entwicklungen ab dem Mittelalter zu untersuchen. Kern dieser Arbeit bildet aber die Navigation und die Seekarte in der Neuzeit. Am Ende soll noch - nicht zuletzt aufgrund der mangelnden Literatur - der Umgang mit diesem Thema auf Wikipedia untersucht werden, wobei diese Analyse von der Frage geleitet wird, wie die Geschichte der Seekarte von einem nicht-wissenschaftlichen Publikum behandelt wird.
2. Was ist eine Seekarte?
Der Ursprung des Wortes Karte ist noch ungewiss. Es kommt aber wahrscheinlich aus dem Griechischen und bedeutet „etwas in Stein ritzen.“ Dieses Wort wurde im Lateinischen übernommen und die charta fand so Eingang in die romanischen Sprachen. Das deutsche Wort Karte kommt aber erst im 16. Jahrhundert auf. Es gibt viele verschiedene Arten von geographischen Karten wie etwa Welt-, Straßen-, See- oder Landkarten. Erste Landkarten entstanden bereits in der Antike, während Seekarten sich erst im 12.-13. Jahrhundert entwickelten.2
Eine Seekarte ist, wie der Name schon sagt, eine Karte, mit der sich Seemänner auf dem Meer orientieren können. Inhaltlich unterscheidet sie sich von der Landkarte dadurch, dass sie viele Informationen über Küstenlinien, Landzungen, die Wassertiefe oder die Beschaffung des Meeresgrundes liefert. Mit Hilfe eines Kompasses können so Kapitäne eines Schiffes ihr Ziel ansteuern und den Kurs gegebenenfalls anpassen. Während die Landkarte statischer ist, ist die Seekarte für dynamische Situationen offen. Seekarten werden beim Überqueren der Meere oder anderer Gewässer ohne Landsicht gebraucht, sowie auch beim Segel entlang von Küsten oder beim Einfahren und Verlassen eines Hafens oder einer Reede.3
Die Seekarte war und ist auch heute noch ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Navigation und der Orientierung auf hoher See. Zudem sind Seekarten ein wichtiges historisches Zeugnis, da sie Informationen darüber liefern, wie sich das Bild der Welt verändert hat.4 So dokumentieren Seekarten, wie Küsten, Länder und Kontinente in der Frühen Neuzeit entdeckt wurden und das Wissen der Menschen ständig vergrößerte. Die Erstellung einer neuzeitlichen Seekarte benötigte die Zusammenarbeit von Navigatoren, Mathematikern und Astronomen, die neue Gebiete und Routen berechneten. Die eigentliche Zeichnung der Seekarte aber oblag einem spezialisierten Kartenmacher, der viel Zeit für die meist aufwändig gestalteten Karten benötigte.5 Die rasanten Fortschritte der neuzeitlichen Navigation und Kartographie sind vor allem den führenden Seefahrernationen Portugal und Spanien, später auch den Niederlanden und England, zu verdanken. Geographisch exakte Seekarten aber entstanden erst im 20. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Satelliten.6
3. Die Entwicklung der Seekarte im Mittelalter
Obwohl sich diese Arbeit hauptsächlich auf die Entwicklung der Navigation und der Erstellung von Seekarten in der Neuzeit bezieht, scheint es wichtig, weiter in der Geschichte zurückzugehen und die mittelalterliche Situation zu beleuchten. Ziel ist es, die neuzeitlichen Fortschritte zu betonen, was nur in Gegenüberstellung mit der Zeit davor geschehen kann. Die Seefahrt hat es immer schon gegeben, jedoch hat sie sich aufgrund neuer Interessen ständig gewandelt. Demnach soll auf den nächsten Seiten kurz erklärt werden, mit welchen Techniken die Kapitäne im Mittelalter segelten und wie sich der Wunsch nach ordnungsgemäßen Seekarten entwickelte.
3.1. Von Karten und Kompassen - die Seefahrt vor den großen Entdeckungen
Bereits in der Antike waren die Meere Verkehrswege für Handel und Transport, Seekarten aber wurden bei den ersten Seefahrten noch nicht verwendet. Wann diese genau aufkamen, liegt noch im Dunkeln, es dürfte aber im 13. Jahrhundert gewesen sein, da das älteste Zeugnis über die Verwendung von Karten auf Schiffen aus dem Jahr 1270 stammt.7 Die ersten Seekarten waren nicht rein wissenschaftlich, sondern wurden mit kreativen Beschreibungen und Bildern ausgeschmückt. Sagenhafte Seemonster, fiktive Inseln und verschiedene Gefahrenvorstellungen füllten die Lücken der nicht erkundeten Gebiete, Aberglaube prägte die Vorstellung der Welt. Mit den wachsenden Ansprüchen der nächsten Jahrhunderte änderte sich das Weltbild und mit ihm der Informationsgehalt der Seekarten. Wissenschaftliche Erkundung rückte in den Vordergrund, während die fantastischen Elemente mehr und mehr aus den Karten verschwanden. Allerdings sollte es noch bis zum 19. Jahrhundert dauern, bis diese völlig verbannt wurden und Platz für rein nüchterne Informationen machten.8
Doch wie wurden Karten erstellt und Küsten gemessen? Wie konnte ein Seemann wissen, wo er sich befand? An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass der Kompass im Mittelalter schon bekannt war. Wann und von wem er erfunden wurde, ist nicht bekannt, erste Anwendungen werden aber bereits den Griechen, Chinesen und Arabern zugeschrieben. Vermutlich waren es die Wikinger, die die Kenntnis der Nordweisung des Magneteisens in die Mittelmeerländer brachten.9 So war es viel einfacher, mithilfe von Karte und Kompass den richtigen Kurs zu finden. Um das Ziel leichter zu erreichen, wurden auf den Karten von den Häfen aus Linien in alle Richtungen der Kompassrose eingezeichnet.10 Ein guter Navigator im Mittelalter konnte die Geschwindigkeit der bis zu 10 Knoten schnellen Schiffe und die zurückgelegte Stecke durch den Rhythmus des Ruderschlages und der Länge der Schiffe messen. Dieses Wissen ermöglichte es, die Distanzen zwischen den Häfen zu messen und somit auch Karten anzufertigen.11 Die Präzision früher Karten der mediterranen Küstenlandschaft versetzt heute noch die Wissenschaft in Erstaunen. Wie diese detailgetreue Abbildung aber geschaffen wurde, kann nur gemutmaßt werden. Es ist gut möglich, dass wie im 16. Jahrhundert die Küstenlandschaften aus verschiedenen Winkeln vom vorbeisegelnden Schiff aus betrachtet und dann von geschulten Händen zu Papier gebracht wurden.12
Zur Bestimmung der Position des Schiffes auf einer Seekarte brauchten die frühen Navigatoren zwei Größen: die Entfernung und die Richtung des Kurses. Die Richtung konnte dadurch bestimmt werden, indem die nächste parallele Rumbenlinie zu der angestrebten Route gesucht wurde und der Kurs mit Hilfe des magnetischen Kompasses entlang dieser Linie gesetzt wurde. Die Entfernung hingegen konnte berechnet werden, indem die zurückgelegten Meilen in einem Zeitraum von 24 Stunden, der sogenannten singladura, geschätzt wurden. Anhand der Geschwindigkeit und des angestrebten Kurses konnten so die zurückgelegte Strecke und die Position des Schiffes auf einer Karte bestimmt werden. Die Karten wurden demnach rein empirisch gefertigt, geometrische oder mathematische Kenntnisse schienen dabei nicht von Bedeutung gewesen zu sein. So wurden etwa auch keine Längen- und Breitengrade eingezeichnet, ein Konzept, das auch um 1450 nur wenigen europäischen Mathematikern bekannt war. Dass die Fehlerrate dadurch sehr hoch war, scheint kaum verwunderlich.13
3.2. Die mittelalterliche Portolankarte
Die Portolankarten (oder Portulankarten) waren die ersten bekannten Seekarten und entstanden schon im 12./13. Jahrhundert. Der Begriff leitet sich von dem italienischen Wort portolano bzw. potulano ab, dem Namen eines italienischen Lotsenbuches, welches neben Segelanleitungen auch Informationen über Landzungen enthielt oder auf gefährliche Stellen für die Seefahrer hinwies. Im Wesentlichen waren die Portolane Kompasskarten, die kunstvoll auf Pergament gezeichnet, die Reise veranschaulichen und in Kombination mit dem Kompass einen direkte Setzung des Zielkurs ermöglichen sollten.14
Portolankarten waren reich verziert und mit vielen Details gefüllt, weshalb der Seemann auch nicht lesen können musste, um ihren Informationsgehalt zu verstehen. Spezielle Künstler schmückten die Karten mit aufwendigen Darstellungen, die für den Seemann aber nicht wirklich von Bedeutung waren.15 So waren auch die ersten Portolane kunstvolle Darstellungen von Häfen und Küstenstädten, die zwar zur Reiseplanung dienten, nicht aber zur Kursbestimmung. Demnach waren die frühen Portolankarten nicht das technische Hilfsmittel, zu dem die Seekarte später wurde.16
Die Portolankarten waren meistens nordorientiert und hatten keine Breitengrade oder Meridiane. Prägend für die Portolankarten waren die Rumbenlinien oder Kursgleichen (Loxodrome), die von gleichmäßig verteilten Punkten ausgingen und oft durch Windrosen veranschaulicht werden. Die Rumbenlinien sind strahlenförmige Linien zum Zweck der Kursbestimmung, die ursprünglich die Windrichtungen bezeichneten. Die 32 Linien folgten normalerweise den Hauptrichtungen eines Kompasses, wobei die acht Hauptlinien schwarz, die acht Halbwinde grün und die 16 Viertelwinde rot eingezeichnet wurden. Jedoch ist es bis heute noch nicht geklärt, ob die Darstellung der Küstenlinien nicht vor den Rumbenlinien existierten und diese dann mit dem Aufkommen des magnetischen Kompasses einfach hinzugefügt wurden.17 Schwarze Kreuze auf den Portolankarten warnten normalerweise vor gefährlichen Felsen, rote Punkte deuteten auf flaches Wasser hin. Auch Inseln, Flussdeltas, wichtige Städte und Häfen wurden farbig hervorgehoben. Zudem deutete ein Halbmond oder ein Kreuz auf die örtlichen Konfessionen hin und zeigte somit den Navigatoren, ob sie den Hafen ansteuern oder besser daran vorbeisegeln sollten. Im 19. Jahrhundert wurde nach Nordenskiölds zahlreichen Studien von Portolankarten aus dem 14.-16. Jahrhundert die Länge einer Portolanmeile auf ca. 5.830m festgesetzt.18 Die Beschreibung der Portolankarte ist jedoch nicht allgemein übertragbar. Die Anfertigung war nämlich regional unterschiedlich, verschiedenen Maßeinheiten wurden verwendet und auch die Rumbenlinien weisen oft unterschiedliche Anfangspunkte auf.19
Die Portolankarte war auch keineswegs frei von Fehlern, was nicht zuletzt auch daran lag, dass die Erde noch als Scheibe dargestellt wurde und sich im Laufe der Zeit zahlreiche Fehler hinsichtlich der geschätzten Distanz auf langen Reisen nach Süden angesammelt haben. Die Navigationsmethode mit der Portolankarte hat den Zwecken des Mittelalters aber ausreichend gedient, da kaum ein Schiff mehrere Tage kein Land in Sicht hatte.20 Als die Europäer im 15. Jahrhundert aber entlang der westafrikanischen Küste immer weiter nach Süden vorgedrungen und nach Westen den Atlantik erkundeten, kam es zu einer Revolution der Navigation und somit auch der Seekarten.21 Jedoch ist die Portolankarte mit Ende des Mittelalters nicht einfach verschwunden. Denn den damaligen Gelehrten und Kartographen fiel es schwer, alles, das bisher als unumstößliche Wahrheit galt, einfach abzulegen. So wurden Portolankarten lange Zeit noch mit neuen Erkenntnissen kombiniert und es entstand eine regelrechte Verwirrung in der Kartographie, in der sich anfangs nur wenige zurechtfanden.22 Erst Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die handgemalten Portolankarten vollständig von gedruckten Seekarten verdrängt, wobei Portolane aber zuletzt nur noch als Ornament für reiche Adelsfamilie angefertigt wurden. Allerdings ist die Bedeutung der frühen Seekarten von immensen Wert für die spätere Entwicklung der Seefahrt, da die frühe Navigation mittels Portolankarten und Kompass den Beginn einer Erkundung genauer geographischer Zusammenhänge und einer Seefahrtstradition einleiteten, auf denen die spätere Entwicklung der Navigation aufbauen konnte.23
4. Das Zeitalter der europäischen Expansion
Wie bereits erwähnt verstärkte sich im 15. Jahrhundert der Entdeckungsdrang der europäischen Westmächte. Aufgrund der hohen Steuern auf asiatische Ware wurde immer neue Handelswege über das Meer gesucht. So führte dies auch zu einer Revolution der Seefahrt. Neuen Landmarken wie Leuchttürme oder Bojen wurden entlang der Küste errichtet, um Schiffe vor Gefahren zu warnen und die Seekarten wurden immer präziser.24
Seefahrer arbeiteten mehr denn je mit Kartographen und Kartenmachern zusammen, um das Wissen der Welt ständig zu erweitern. Angetrieben wurde diese rasante Entwicklung der Kartographie auch durch die Wiederentdeckung von Claudius Ptolemäus „Geographia“, die 1406 vom Griechischen ins Lateinische übersetzt wurde. Durch dieses Werk kamen die Kartenmacher mit einer Kartographie in Kontakt, die auf mathematischen Prinzipien aufbaute, wie etwa die Kartenprojektionen, dank derer drei Dimensionen auf zwei reduziert werden konnten. Zudem wurden die Kenntnisse der Mathematik nun auch zur genauen Berechnung der Position verwendet. Auch navigatorische Hilfsmittel unterlagen einem ständigen Fortschritt. Das Astrolabium sowie die Entwicklung von Büchern mit Navigationstabellen ermöglichten es den Forschern, neu entdeckte Gebiete genauer aufzuzeichnen als zuvor. Nicht zuletzt spielt auch die Erfindung des Buchdrucks eine tragende Rolle, da so die Verbreitung von Seekarten massiv erhöht werden konnte. Waren früher Seekarten oft wertvolle Objekte, die nur Adeligen und Wohlhabenden zugänglich waren, konnten sie nun das breite Publikum erreichen. So änderte sich zu dieser Zeit nicht nur das Blickfeld der Wissenschaftler, sondern auch das der Masse.25 Im Folgenden sollen nun die Meilensteine der Navigation in der Neuzeit dargelegt werden, wobei vor allem auf die Gründe für den Antrieb der Seefahrtstechniken und der wissenschaftliche Fortschritt in der Geographie, Mathematik und Kartographie eingegangen werden soll.
4.1. Die Seekarte zwischen Macht und Motivation
Orientalische Gewürze, Duftöle und andere Reichtümer waren stets wichtige Handelswaren und reizten bereits die antike Welt. Im 15. Jahrhundert handelten vor allem die westlichen Mächte Europas mit asiatischen Produkten. Der Aufstieg des Osmanischen Reiches aber verteuerte diese Güter, weshalb die Motivation stieg, direkte Handelswege über das Meer zu den Herkunftsgebieten zu suchen, um den preistreibenden Zwischenhandel und das Monopol der Osmanen zu umgehen. So war es im Interesse der Herrscher und Handelsherren, die Seefahrt zu unterstützen. Nach und nach vergrößerte Europa seinen geographischen Horizont, trat mit neuen Kulturen in Kontakt und erweiterte sein Wissen. Aus diesem Wandel kristallisierten sich Spanien und Portugal als führende Nationen der Seefahrt heraus, deren Rivalitäten durch den Papst gelöst wurden, der als oberste christliche Autorität im Vertrag von Tordesillas den Spaniern im Westen und den Portugiesen im Osten das Monopol für Seefahrt, Handel und Eroberung zusprach, solange beide das Christentum in den eroberten Gebieten verbreiteten und mit den neuen Reichtümern die Kirche finanzierten.26 Dieses Privileg hatte weitreichende Folgen, die noch heute auf der politischen Karte der Welt erkennbar sind. Die Portugiesen fanden den Seeweg zu den Reichtümern des Ostens um das Kap der guten Hoffnung und konnten so den monopolartigen Zwischenhandel umgehen. Zunehmend verbesserte sich mit den Entdeckungsfahrten auch das Wissen über die Beschaffenheit der Erde.
[...]
1 vgl. u.a. Peter Whitfield, The Charting of the Oceans. Ten Centuries of Maritime Maps, London 1996.
2 vgl. Vitalis Pantenburg, Das Portrait der Erde. Geschichte der Kartographie, Stuttgart 1970, S. 7f.
3 John Blake, Die Vermessung der Meere. Historische Seekarten, Stuttgart 2007, S. 7f.
4 Corradino Astengo, La cartografia nautica mediterranea die secoli XVI e XVII, Genua 2000, S. 7f.
5 vgl. George S.: How Long Did It Take to Engrave an Early Modern Map? A Consideration on Craft Practices, in: Imago Mundi. The international journal for the history of cartography 56/2 (2004), S. 194-197.
6 Ingo Mayer-Haßfurther/Monika Mayer-Haßfurther, 500 Jahre Navigation. Navigationsinstrumente vom 15. bis zum 19. Jahrhundert, Hamburg 2005, S. 232.
7 Whitfield, The Charting of the Oceans, S. 17.
8 vgl. Blake, Die Vermessung der Meere, S. 8.
9 Mayer-Haßfurther/Mayer-Haßfurther, 500 Jahre Navigation, S. 12.
10 Pantenburg, Das Portrait der Erde, S. 51f.
11 Blake, Die Vermessung der Meere, S. 11.
12 Whitfield, The Charting of the Oceans, S. 18f.
13 W.G.L. Randles, From the Mediterranean Portulan Chart to the Marine World Chart of the Great Discoveries: the Crisis in Cartography in the Sixteenth Century, in: Imago Mundi. The international journal for the history of cartography 40 (1988), S. 115.
14 Blake, Die Vermessung der Meere, S. 8-11.
15 Whitfield, The Charting of the Oceans, S. 20.
16 Blake, Die Vermessung der Meere, S. 11.
17 Randles, From the Mediterranean Portulan Chart to the Marine World Chart, S. 115.
18 Blake, Die Vermessung der Meere, S. 11.
19 David Turnbull, Cartography and Science in Early Modern Europe: Mapping the Construction of Knowledge Spaces, in: Imago Mundi. The international journal for the history of cartography 48 (1996), S. 9.
20 Randles, From the Mediterranean Portulan Chart to the Marine World Chart, S. 115.
21 Whitfield, The Charting of the Oceans, S. 30f.
22 Pantenburg, Das Portrait der Erde, S. 68f.
23 Whitfield, The Charting of the Oceans, S. 24.
24 Blake, Die Vermessung der Meere, S. 11.
25 Jeremy Harwood, Hundert Karten, die die Welt veränderten, Hamburg 2007, S.59f.
26 Reinhard Wendt, Seit 1492: Begegnung der Kulturen, in: Anette Völker-Rasor: Frühe Neuzeit, München 2010, S. 69f.