Bevor im Rahmen dieses Textes auf die Folgen der Anomie für das Individuum eingegangen wird, soll erklärt werden, weswegen diese auch im Sinne Durkheims „von Interesse für den Soziologen“ (Durkheim 1983, 30) sind. Man könnte dem Trugschluss unterliegen, dass Durkheim, der in seiner Selbstmordstudie Suizid ausdrücklich als ein rein soziales und nicht etwa als ein individuelles Phänomen bezeichnet (vgl. Münch 2002, 75), es ablehnen würde, sich mit den individuellen Folgen der Anomie beschäftigt. Aber diese Argumentation greift zu kurz: es soll nicht versucht werden, den Selbstmord anhand von „individuellen Faktoren“ (Durkheim 1983, 30) zu erklären, sondern vielmehr den Einfluss von gesamtgesellschaftlichen Phänomenen auf den Einzelnen untersuchen. Wenngleich die individuellen Folgen der Anomie betrachtet werden, steht dabei die Anomie als „soziale Ursache“ (Münch 2002, 75) im Mittelpunkt.
Das folgende Schema soll dies veranschaulichen:
Soziale Ursache ---> Individuum ---> Handeln/Empfinden
Anomie ---> Individuum ---> Orientierungslosigkeit/Zorn/Selbstmord
Inhaltsverzeichnis
- Anomie und Individuum
- Anmerkungen zur Methodik Durkheims
- Anomie und Individuum
- Anomie bei Durkheim
- Begriffsklärung
- Folgen der Anomie für das Individuum
- Anomie in der Moderne
- Richard Sennett: „Der flexible Mensch“
- Alain Ehrenberg: „Das erschöpfte Selbst“
- Anomie als Charakteristikum der Moderne?
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Folgen von Anomie für das Individuum, ausgehend von Durkheims soziologischer Perspektive und erweitert durch aktuelle soziologische Ansätze. Der Fokus liegt auf der Analyse des Einflusses gesamtgesellschaftlicher Phänomene auf die individuelle Erfahrung von Anomie in modernen Gesellschaften.
- Durkheims Anomiebegriff und seine methodischen Implikationen
- Individuelle Folgen von Anomie: Orientierungslosigkeit, Leid, Zorn und Selbstmord
- Anomie als Charakteristikum moderner Gesellschaften
- Analyse der Anomie in Sennetts "Der flexible Mensch"
- Vergleichende Betrachtung verschiedener soziologischer Perspektiven auf Anomie
Zusammenfassung der Kapitel
Anmerkungen zur Methodik Durkheims: Dieses Kapitel erläutert die methodische Herangehensweise der Arbeit. Es widerlegt den möglichen Trugschluss, Durkheim würde individuelle Folgen von Anomie ignorieren, da sein Fokus auf sozialen Ursachen liegt. Der Autor argumentiert, dass die Untersuchung individueller Folgen der Anomie im Einklang mit Durkheims soziologischer Perspektive steht, indem der Einfluss gesamtgesellschaftlicher Phänomene auf den Einzelnen analysiert wird. Es wird ein Schema vorgestellt, das den Zusammenhang zwischen sozialer Ursache (Anomie), Individuum und dessen Handlungen/Empfinden verdeutlicht.
Anomie und Individuum: Dieses Kapitel analysiert den Einfluss von Anomie auf das Individuum. Es beginnt mit einer detaillierten Erläuterung von Durkheims Anomiebegriff, unter Ausschluss des Aspekts der sexuellen Anomie. Anschließend werden aktuelle Werke herangezogen, um die Folgen der "Abwesenheit von sozialer Ordnung" in modernen Gesellschaften zu illustrieren. Der Fokus liegt auf der Wirkung gesellschaftlicher Veränderungen auf die normative Integration des Individuums und die daraus resultierende Orientierungslosigkeit.
Anomie bei Durkheim: Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit Durkheims Verständnis von Anomie. Anomie wird als vorübergehendes pathologisches Problem beschrieben, das entsteht, wenn die Gesellschaft den Begierden ihrer Mitglieder keine Grenzen mehr setzen kann. Der Text erklärt, warum die Gesellschaft eine normative Autorität sein muss, um die Maßlosigkeit der Individuen zu regulieren und die normative Integration zu gewährleisten. Die Folgen von fehlender gesellschaftlicher Autorität für das Individuum, wie z.B. das Verfolgen unerreichbarer Ziele, werden detailliert beschrieben. Das Kapitel erläutert auch die Entstehung und den temporären Charakter von Anomie, wobei die Ausnahme des Dauerzustandes von Anomie in der Welt des Handels und der Industrie hervorgehoben wird.
Anomie in der Moderne: Dieses Kapitel untersucht Anomie im Kontext der Moderne, basierend auf Durkheims Ausführungen zur Zunahme der Anomie im Zuge der Modernisierung. Es wird auf aktuelle Werke Bezug genommen, um die Folgen von Anomie für Mitglieder moderner Gesellschaften darzustellen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Richard Sennetts Werk "Der flexible Mensch", in dem Sennett den flexiblen Kapitalismus als ein System beschreibt, in dem die Denkweise der Welt des Handels und der Industrie auf das gesamte gesellschaftliche Leben ausgedehnt wird.
Schlüsselwörter
Anomie, Durkheim, Moderne, Individuum, Soziale Ordnung, Normative Integration, Richard Sennett, Flexibler Kapitalismus, Selbstmord, Orientierungslosigkeit, Leid, Zorn.
FAQ: Anomie und Individuum - Eine soziologische Analyse
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Folgen von Anomie für das Individuum. Sie basiert auf Durkheims soziologischer Perspektive und erweitert diese durch aktuelle soziologische Ansätze. Der Fokus liegt auf dem Einfluss gesamtgesellschaftlicher Phänomene auf die individuelle Erfahrung von Anomie in modernen Gesellschaften.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Durkheims Anomiebegriff und seine methodischen Implikationen, die individuellen Folgen von Anomie (Orientierungslosigkeit, Leid, Zorn, Selbstmord), Anomie als Charakteristikum moderner Gesellschaften, die Analyse der Anomie in Sennetts "Der flexible Mensch" und einen Vergleich verschiedener soziologischer Perspektiven auf Anomie.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Zielsetzung mit Themenschwerpunkten, Zusammenfassungen der Kapitel (Anmerkungen zur Methodik Durkheims, Anomie und Individuum, Anomie bei Durkheim, Anomie in der Moderne) und ein Schlüsselwortverzeichnis. Die Kapitel befassen sich detailliert mit Durkheims Anomiebegriff, seinen methodischen Ansätzen, den individuellen Folgen von Anomie und deren Manifestation in der modernen Gesellschaft, insbesondere im Kontext des flexiblen Kapitalismus nach Sennett.
Wie geht die Arbeit mit Durkheims Methodik um?
Die Arbeit erläutert Durkheims methodische Herangehensweise und widerlegt den Trugschluss, er würde individuelle Folgen von Anomie ignorieren. Sie argumentiert, dass die Untersuchung individueller Folgen im Einklang mit Durkheims Perspektive steht, indem der Einfluss gesellschaftlicher Phänomene auf den Einzelnen analysiert wird. Ein Schema verdeutlicht den Zusammenhang zwischen sozialer Ursache (Anomie), Individuum und dessen Handlungen/Empfinden.
Wie wird Anomie bei Durkheim definiert?
Anomie wird als vorübergehendes, pathologisches Problem beschrieben, das entsteht, wenn die Gesellschaft den Begierden ihrer Mitglieder keine Grenzen mehr setzen kann. Die Gesellschaft muss normative Autorität sein, um die Maßlosigkeit der Individuen zu regulieren und die normative Integration zu gewährleisten. Fehlende gesellschaftliche Autorität führt zu Folgen wie dem Verfolgen unerreichbarer Ziele.
Wie wird Anomie in der Moderne dargestellt?
Die Arbeit untersucht Anomie im Kontext der Moderne, basierend auf Durkheims Ausführungen zur Zunahme von Anomie durch Modernisierung. Sie bezieht aktuelle Werke ein, um die Folgen für Mitglieder moderner Gesellschaften darzustellen. Ein Schwerpunkt liegt auf Sennetts "Der flexible Mensch", der den flexiblen Kapitalismus als Ausweitung der Denkweise der Welt des Handels und der Industrie auf das gesamte gesellschaftliche Leben beschreibt.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Die Schlüsselbegriffe umfassen Anomie, Durkheim, Moderne, Individuum, Soziale Ordnung, Normative Integration, Richard Sennett, Flexibler Kapitalismus, Selbstmord, Orientierungslosigkeit, Leid und Zorn.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für ein akademisches Publikum gedacht, das sich mit soziologischen Theorien, insbesondere dem Konzept der Anomie, und deren Anwendung auf moderne Gesellschaften auseinandersetzt.
- Arbeit zitieren
- Martin Utzweiher (Autor:in), 2004, Anomie und Individuum. Die Folgen der Anomie für den Einzelnen, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/333830