Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedet. Die WHO richtet damit einen erweiterten Blick auf Probleme der Gesundheit und Einschränkungen der Teilhabe. Die WHO verfolgt mit der ICF unter anderem Ziele, wie das Schaffen einer wissenschaftlichen Grundlage für das Verstehen und das Studium des Gesundheitszustandes und den Aufbau einer Basis zur Umsetzung von rehabilitativen Interventionsmodellen.
Grundsätzlich soll die ICF einen Rahmen für die Beseitigung oder den Abbau von gesellschaftsbedingten Hindernissen bieten und die soziale Unterstützung verbessern. Durch die Wahrnehmung und Beachtung von Partizipationsmöglichkeiten sowie Umwelt- und personenbezogener Faktoren soll der sozialen Dimension des Menschen stärker Rechnung getragen werden.
Mit der Einführung der ICF in die Praxis der psychiatrischen Eingliederungshilfe im Wohnverbund und Betreuten Wohnen der A B GmbH vor etwa 2 Jahren steht den Mitarbeitern/Innen ein Instrument zur Verfügung, das eine umfassendere Orientierung zur individuellen Teilhabeplanung ermöglichen soll. Insbesondere die Teilhabeperspektive mit einem Verständnis von Behinderung als bio-psycho-soziales Gesundheitsproblem unter Einbeziehung beruflicher und sozialer Ressourcen sowie förderlicher und hemmender Kontextfaktoren spielt in der Betreuung der Klienten eine zentrale Rolle.
Wie können Mitarbeiter/Innen in der Praxis die ICF nutzen und davon profitieren? Mit etwa 1400 Kategorien und 30 Kapiteln weist die ICF eine komplexe Struktur und eine Vielzahl von Anwendungsgebieten auf, die die Handhabung im praktischen Alltag erschwert.
In der vorliegenden Arbeit wird der Transfer der ICF in der psychiatrischen Rehabilitation am Beispiel des Wohnverbunds und Betreuten Wohnens der AB GmbH untersucht. Dazu wurden vier Sozialarbeiterinnen, ein Sozialarbeiter und ein Gesundheits- und Krankenpfleger befragt. Das vorrangige Forschungsinteresse bestand darin, durch Befragungen von Experten (Experteninterviews) herauszufinden, wie der Kenntnisstand und die Grundeinstellungen zur ICF sind und welche Chancen das Modell bietet bzw. wo die Schwierigkeiten im Umgang damit liegen. Die Erhebung des Status Quo seit der Einführung der ICF sollte der Auseinandersetzung im Rahmen der Professionalitäten der Teammitglieder und der Reflexion und Weiterentwicklung der Anwendungsmöglichkeiten des Instruments dienen.
Inhaltsverzeichnis
1. Thema und Zielsetzung der Studie
2. Methodisches Vorgehen
3. Darstellung der Ergebnisse
3.1 Kenntnisse zur ICF
3.2 Handhabung und Verwendbarkeit des Instruments
3.3 Bewertung des Modells
3.4 Verbesserungs-/Veränderungswünsche
4. Interpretation und Bewertung der Ergebnisse
5. Literatur
1. Thema und Zielsetzung der Studie
Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF, engl.: International Classification of Functioning, Disability and Health) wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedet und steht seitdem gleichberechtigt an der Seite der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD, engl.: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Die WHO richtet damit einen erweiterten Blick auf Probleme der Gesundheit und Einschränkungen der Teilhabe. Die mehr oder weniger gelingende Lebensführung des Menschen steht unter Einbeziehung förderlicher bzw. hemmender Faktoren in deren Umwelt im Mittelpunkt. Die WHO verfolgt mit der ICF u.a. Ziele, wie das Schaffen einer wissenschaftlichen Grundlage für das Verstehen und das Studium des Gesundheitszustandes und den Aufbau einer Basis zur Umsetzung von rehabilitativen Interventionsmodellen.1
Das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DMIDI), das Kuratorium für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen (KKG), die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Sozialmedizinische Expertengruppe des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sowie verschiedene Reha- und Uni-Kliniken und (sozial)medizinische Verbände sind an der Erarbeitung und Weiterentwicklung der ICF maßgebend beteiligt. DIMDI ist seit mehreren Jahren aktiv in den Kooperationszentren der WHO vertreten und hat u.a. die Aufgabe im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit amtliche Klassifikationen, wie die ICF, im deutschsprachigen Raum herauszugeben. Es bietet Informationen über fundiertes medizinisches Wissen und Klassifikationen in Datenbanken im Internet.
Es gibt zahlreiche Forschungsprojekte zur ICF im deutschsprachigen Raum. Viele Projekte beziehen sich auf Untersuchungen zur Nutzung der ICF bei spezifischen somatischen Störungen. Anwendungsbezogene Forschungen in der psychiatrischen Eingliederungshilfe oder der Suchthilfe gibt es jedoch kaum. Nähere Informationen zu den jeweiligen Projekten gibt die Homepage des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information.2
Grundsätzlich soll die ICF einen Rahmen für die Beseitigung oder den Abbau von gesellschaftsbedingten Hindernissen bieten und die soziale Unterstützung verbessern. Durch die Wahrnehmung und Beachtung von Partizipationsmöglichkeiten sowie Umwelt- und personenbezogener Faktoren soll der sozialen Dimension des Menschen stärker Rechnung getragen werden.
Mit der Einführung der ICF in die Praxis der psychiatrischen Eingliederungshilfe im Wohnverbund und Betreuten Wohnen der A B GmbH vor etwa 2 Jahren steht den Mitarbeitern/Innen ein Instrument zur Verfügung, das eine umfassendere Orientierung zur individuellen Teilhabeplanung ermöglichen soll. Insbesondere die Teilhabeperspektive mit einem Verständnis von Behinderung als bio-psycho-soziales Gesundheitsproblem unter Einbeziehung beruflicher und sozialer Ressourcen sowie förderlicher und hemmender Kontextfaktoren spielt in der Betreuung der Klienten eine zentrale Rolle. Wie können Mitarbeiter/Innen in der Praxis die ICF nutzen und davon profitieren? Mit etwa 1400 Kategorien und 30 Kapiteln weist die ICF eine komplexe Struktur und eine Vielzahl von Anwendungsgebieten auf, die die Handhabung im praktischen Alltag erschwert.
In der vorliegenden Arbeit wird der Transfer der ICF in der psychiatrischen Rehabilitation am Beispiel des Wohnverbunds und Betreuten Wohnens der A% GmbH untersucht. Dazu wurden vier Sozialarbeiterinnen, ein Sozialarbeiter und ein Gesundheits- und Krankenpfleger befragt. Das vorrangige Forschungsinteresse bestand darin, durch Befragungen von Experten (Experteninterviews) herauszufinden, wie der Kenntnisstand und die Grundeinstellungen zur ICF sind und welche Chancen das Modell bietet bzw. wo die Schwierigkeiten im Umgang damit liegen. Die Erhebung des Status Quo seit der Einführung der ICF sollte der Auseinandersetzung im Rahmen der Professionalitäten der Teammitglieder und der Reflexion und Weiterentwicklung der Anwendungsmöglichkeiten des Instruments dienen.
2. Methodisches Vorgehen
Die vorliegende Erhebung lässt sich als Einzelfallanalyse und qualitative Evaluation charakterisieren. In leitfadengestützten Experteninterviews wurde das Material durch Tonbandaufzeichnungen erhoben. Im Gegensatz zu quantitativen Verfahren, deren Ausgangspunkt im Allgemeinen schriftliche Erhebungen sind, bieten qualitative Untersuchungen mehr Offenheit für persönliche Erfahrungsberichte und subjektive Sichtweisen.
Um in Erfahrung zu bringen, welche Kenntnisse zur ICF bei den Experten vorhanden sind, insbesondere wie deren Haltung dazu ist und sich das Instrument in der Praxis umsetzen lässt, stellen qualitative Experteninterviews eine geeignete Forschungsmethode dar. Das Material wurde nach inhaltsanalytischen Prinzipien aufbereitet und ausgewertet.3 In der Vorbereitungsphase wurden die Mitarbeiter/innen zunächst über das Vorhaben und das Thema informiert und befragt, ob sie über ausreichend erfahrungsgestütztes Wissen verfügen. Akzeptierten die jeweiligen Personen die Rolle als Experte, wurden sie zum Interview eingeladen und schriftlich oder telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt, welche konkreten Aspekte in dem Gespräch behandelt werden sollen, damit sie sich vorbereiten konnten. Schließlich wurden Termine, Orte und zeitlicher Rahmen vereinbart. Alle Befragten sind mir durch meine Arbeit im Wohnverbund und Betreuten Wohnen der A % GmbH bekannt, was sich positiv auf die Gesprächsatmosphäre auswirkte. Einer Tonbandaufzeichnung stimmten alle Teilnehmer zu. Die Fragen waren thematisch nach Ä Kenntnissen ³, Ä Handhabung und Verwendbarkeit ³, Ä Bewertung ³ und Ä Verbesserungs- bzw. Veränderungswünschen ³ systematisiert.
Alle Interviews begannen mit der Einstiegsfrage nach den Grundbegriffen der ICF. Im weiteren Verlauf entwickelten sich die Gespräche nicht bei allen analog zum Leitfaden, jedoch so, dass eine Orientierung an den Fragestellungen gewährleistet blieb und alle Fragen gestellt und beantwortet wurden. Die Fragen bezogen sich im Wesentlichen dabei auf den Nutzen bzw. mögliche Probleme des Instruments in der praktischen Anwendung, auf den Stellenwert des Modells mit dem Blick auf die eigene Profession und Ideen oder Vorschläge zur Verbesserung oder Weiterentwicklung der Klassifikation in der Praxis. Der Leitfaden der Interviews diente als Ausgangspunkt für die Bildung der Hauptkategorien.
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1 Vgl. Rentsch, Hans Peter; Bucher, Peter O.: ICF in der Rehabilitation - Die praktische Anwendung der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit im Rehabilitationsalltag, Idstein 2006, Seite 18
2 Vgl. http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/icf-projikte.htm (12.01.2012)
3 Vgl. Mayring, Philipp: Einführung in die Qualitative Sozialforschung, Weinheim und Basel 2002, S.4: