Im Jahr 1907 veröffentlichte Sigmund Freud „Der Wahn und die Träume in W. Jensens 'Gradiva'“ in Heft 1 der „Schriften zur angewandten Seelenkunde“ und sandte ein Exemplar des Heftes an Wilhelm Jensen. Durch Jensens freundliche Antwort ermutigt, schrieb Freud drei Briefe an den Dichter, der sie prompt beantwortete.
Jensens Briefe wurden 1929 in „Die psycho-analytische Bewegung“ abgedruckt; Freuds Briefe galten bis vor wenigen Jahren als verschollen, befinden sich jetzt in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, Kiel. Die komplette Jensen-Freud Korrespondenz folgt hier.
Inhaltsverzeichnis
- Prien am Chiemsee, den 13. Mai 1907
- Prof. Dr. Freud
- 21.5.07
- Hochgeehrter Herr!
- Prien am Chiemsee, den 25. Mai 1907
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Briefwechsel zwischen Sigmund Freud und Wilhelm Jensen im Jahr 1907 beleuchtet die psychoanalytische Interpretation von Jensens Erzählung „Gradiva“ und die Reaktion des Autors auf Freuds Analyse. Der Austausch zeigt die unterschiedlichen Perspektiven auf Kunst und Psychologie und die Rolle unbewusster Prozesse in der schöpferischen Arbeit.
- Psychoanalytische Interpretation von Literatur
- Bedeutung unbewusster Prozesse in der Kunst
- Die Rolle von Träumen und Phantasie in der Literatur
- Die Beziehung zwischen Psychoanalyse und Literatur
- Die Reaktion eines Autors auf eine psychoanalytische Interpretation seiner Arbeit
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Brief von Jensen vom 13. Mai 1907 äußert sich positiv zu Freuds Analyse von „Gradiva“, betont jedoch, dass die Geschichte nicht bewusst aus psychiatrischer Perspektive entstanden ist. Jensen erwähnt eine Anfrage, die er „unwirsch“ beantwortet haben soll, bedauert dies aber und bestellt weitere Hefte der „Schriften zur angewandten Seelenkunde“.
Freuds Antwort vom 21. Mai 1907 drückt seine Bewunderung für Jensen aus und erwähnt das wachsende Interesse an der psychoanalytischen Interpretation von „Gradiva“. Freud argumentiert, dass die Analyse unvollständig sei, ohne Einblick in die persönlichen Momente, die Jensen in die Geschichte einfließen ließ. Er bittet Jensen um Einblicke in seine schöpferischen Prozesse und stellt Fragen zum Motiv der Erzählung, zur phantastischen Annahme der Ähnlichkeit zwischen der Lebenden und dem antiken Bild, zu den Modellen für den Gelehrten und zu Freuds eigener Person im Werk.
In seiner Antwort vom 25. Mai 1907 erläutert Jensen, dass die Idee für „Gradiva“ aus einem alten Reliefbild entstand. Er beschreibt seine „fixe Idee“, das Bildnis müsse in Neapel sein, und erklärt, wie er sich die Geschichte in Pompeji vorstellte. Jensen beschreibt Norbert Hanold als ein Individuum, das von einer übersteigerten Phantasie beherrscht wird und ein latentes Verlangen nach einem weiblichen Ideal trägt. Er erklärt, dass die Ähnlichkeit zwischen der Lebenden und dem antiken Bild keine vollkommene sei, sondern eine ähnelnde, die durch die Einwirkung der Gradiva-Gangart auf Norbert verstärkt werde. Jensen betont, dass die Geschichte durch einen plötzlichen Impuls entstanden ist und kein direktes Erlebnis widerspiegelt.
Schlüsselwörter
Die Korrespondenz konzentriert sich auf die Themen Psychoanalyse, Literatur, Kunst, Träume, Phantasie, unbewusste Prozesse, Schöpfungsprozess, „Gradiva“, Wilhelm Jensen, Sigmund Freud.
- Quote paper
- Hartmut Heyck (Author), 2016, Sigmund Freud und Wilhelm Jensen. Übersetzung des Briefwechsels aus dem Jahr 1907, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/317433